josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
ORF-Wissenschaft
Ostern 1945: Als der Weltkrieg zu Ende ging

1586553681170.png
In der Karwoche vor 75 Jahren, Ende März 1945, hat die Rote Armee zum ersten Mal niederösterreichischen Boden erreicht, das Ende des Zweiten Weltkriegs war näher gekommen. Über die Bucklige Welt rückten die Sowjets Richtung Wien vor.
Online seit heute, 20.05 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen
„Wir sind über die große Linie.“ Nach monatelangen schweren Kämpfen gegen die Heeresgruppe Süd der deutschen Wehrmacht konnte die 3. Ukrainische Front der Roten Armee am 29. März 1945 einen weiteren historischen Erfolg melden: Exakt um 11.05 Uhr hatten die sowjetischen Truppen bei Klostermarienberg im heutigen Burgenland die Grenze des damaligen Deutschen Reiches überschritten. Erst einen Monat später, am 28. April, sollten die Westalliierten in Tirol Österreich betreten. Einen Tag zuvor hatten SPÖ, ÖVP und KPÖ im befreiten Wien die Unabhängigkeit des Landes erklärt, die Provisorische Staatsregierung unter Karl Renner hatte ihre Tätigkeit aufgenommen.

Verantwortlich für den hart erkämpften Durchbruch an der Ostgrenze war Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin, der bereits die Einnahme von Sofia, Bukarest und Belgrad befehligt hatte. „Je näher Wien – desto näher Berlin, dem Ende des Krieges und dem Sieg!“, lautete die Parole, die er den Rotarmisten für den entscheidenden Vorstoß aus Ungarn mitgab.

Kein „Frühlingserwachen“ für die Nazis
Zuvor hatte Hitler am 6. März die letzte Gegenoffensive der 6. SS-Panzerarmee zwischen Platten- und Velenczesee angeordnet. Die Operation „Frühlingserwachen“ scheiterte kläglich. Zehn Tage später führte Tolbuchin den von Stalin befohlenen Gegenangriff, den deutschen Verbänden blieb nur mehr ein kaum geordneter Rückzug über die Grenze. Am 26. März schloss sich auch die 2. Ukrainische Front nördlich der Donau dem Vormarsch nach Westen an – sie übernahm am 4. April Bratislava.

A0009 dpa
Am 1. September 1939, am Tag, an dem der Zweite Weltkrieg begann, war für die Nationalsozialisten noch alles in Ordnung: Adolf Hitler vor dem Reichstag in Berlin. Nicht einmal sechs Jahre später lag die Welt in Trümmern

In den Tagen vor dem sowjetischen Durchbruch wurden im Burgenland und der Steiermark noch unfassbare Verbrechen verübt. Für den Bau der großspurig „Südostwall“ genannten Panzerabwehrstellungen hatten die Nazis Tausende ungarische Juden in das Burgenland und die Steiermark getrieben. Als sich der Ansturm der sowjetischen Truppen abzeichnete, ermordeten lokale NS-Größen, HJ-Führer und SS-Männer noch Hunderte von ihnen – etwa in Rechnitz oder Deutsch-Schützen. Tausende der bereits völlig Erschöpften wurden noch auf Todesmärsche in Richtung Mauthausen getrieben. Den deutschen Verbänden gelang es nicht mehr, den Südostwall zu besetzen. In der Buckligen Welt stieß Tolbuchin kaum auf nennenswerten Widerstand. Kleine SS-Verbände und schlecht bewaffnete Volkssturmeinheiten hatten dem sowjetischen Heer nichts mehr entgegenzusetzen.

2. April: Wiener Neustadt wird eingenommen
Am 1. April, dem Ostersonntag des Jahres 1945, erreichten die Rotarmisten Eisenstadt. Ein weiterer Stoßtrupp keilte einen Tag später nach Gefechten in Mattersburg das zerbombte Wiener Neustadt ein. Die Verteidiger, eben erst ausgebildete Angehörige der Fahnenjunkerschule, setzten sich ab, die Bevölkerung flüchtete größtenteils in die umliegenden Wälder. Unterdessen waren weitere Sowjettruppen auf breiter Front in die Steiermark eingedrungen. Dort gelang es SS-Divisionen, entlang der Lafnitz und weiter südlich noch dauerhafte Abwehr zu leisten.

Die Historikerin Elisabeth Vavra schreibt auf der Website des Museum Niederösterreich über den 2. April 1945: „Das Wetter zeigte sich weiter von seiner schönsten frühlingshaften Seite – aber wohl keiner nahm dies zur Kenntnis. Schon morgens hatten sowjetische Bomber Angriffe auf Hainburg und Bruck an der Leitha geflogen. US-Bomberverbände griffen Wien, Baden und Krems an. Irrtümlich bombardierten sie auch Gloggnitz, das bereits in sowjetischer Hand war. Sowjetarmisten und Einheimische mussten gemeinsam die Luftschutzkeller aufsuchen.

Währenddessen marschierten Bodentruppen Richtung Wien. Das leidgeprüfte Wiener Neustadt fiel kampflos. Seit dem 13. August 1943 hatte die Stadt 29 schwere Luftangriffe erlebt. 55.000 Bomben waren gefallen – nur 19 Gebäude waren unbeschädigt geblieben. Vor der Hohen Wand entstand die neue deutsche Front: Zwei deutsche Panzerdivisionen lieferten im Raum Felixdorf – Sollenau – Steinabrückl – Theresienfeld der vorrückenden Sowjetarmee eine mehrstündige Panzerschlacht.“

„Die Rote Armee kommt als Befreiungsarmee“
Auf den Straßen im Wiener Becken drängten sich Flüchtlingskolonnen aus Ungarn, ihnen folgten zersprengte deutsche Wehrmachtsteile und SS-Verbände auf dem Weg nach Wien. Die einrückenden sowjetischen Kampftruppen bekamen in den Dörfern und Städten nur selten weiße Fahnen zu sehen. Tolbuchin versuchte der Bevölkerung Ängste zu nehmen und der NS-Propaganda entgegenzuwirken: „Die Rote Armee kommt nicht als Eroberungsarmee nach Österreich, sondern als Befreiungsarmee“, hieß es auf Plakaten und Flugschriften. Ähnliche Erklärungen gab zugleich der Österreich-Sender der BBC aus.

Cpl Donald R. Ornitz, US Army/Wikimedia Commons
Am 5. Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Mauthausen durch die Truppen der 11. US-Panzerdivision der 3. US-Armee befreit

Elisabeth Vavra im MuseumsBLOG des Museum Niederösterreich: „Reichsführer SS Heinrich Himmler erließ am 3. April 1945 einen ‚Flaggenbefehl‘: ‚Im jetzigen Zeitpunkt des Krieges kommt es einzig und allein auf den sturen, unnachgiebigen Willen zum Durchhalten an. Gegen Heraushängen weißer Tücher, Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen ist mit härtesten Maßnahmen durchzugreifen. Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen. Es darf bei diesen Maßnahmen keinen Augenblick gezögert werden.‘“

5. April: Die Schlacht um Wien begann
Mit einem Generalangriff vom Süden her begann am 5. April die Schlacht um Wien. Hitler hatte die „zweite Hauptstadt des Reiches“ zum „Verteidigungsbereich“ erklärt – Hoffnungen, dass Wien lange Kämpfe wie in Budapest erspart blieben, hatten sich damit zerschlagen. Am selben Tag scheiterte die „Operation Radetzky“, ein Aufstandsplan des militärischen Widerstandes um Major Carl Szokoll durch Verrat. Die Rote Armee musste sich die Herrschaft schließlich Straße für Straße blutig erkämpfen. In den Abendstunden des 13. April verstummte der Gefechtslärm: Wien war befreit.

Unterdessen stießen weitere sowjetische Verbände nach Westen vor. Entlang der March, im Weinviertel und südlich der Donau kam es bis Ende April zu tagelangen schweren Gefechten. Mitte April erstarrte die Front nördlich der Donau etwa auf der Höhe von Mistelbach; das Interesse der Roten Armee verschob sich nach Norden. Südlich der Donau hatte Tolbuchin mit der Einnahme von St. Pölten am 16. April zunächst sein Ziel erreicht.

8. Mai: Alliierte Zange zwischen Ost und West geschlossen
Schwieriger als in Tirol erschien den Amerikanern die Situation in Oberösterreich. In „Oberdonau“, dem „Heimatgau“ Hitlers, sollte nach dem Willen von Gauleiter Eigruber noch bis zum bitteren Ende gekämpft werden. Nach einigem Hin und Her erfolgte am 2. Mai dennoch – auch unter dem Druck der Bevölkerung – die kampflose Räumung Braunaus. Doch in Passau und Schärding erwartete die US-Truppen Gegenfeuer – wie in den folgenden Tagen auf dem Weg nach Linz waren es ohnmächtige Unterfangen. Nachdem sich Eigruber abgesetzt hatte, drangen US-Panzer am 5. Mai kampflos in die „Patenstadt des Führers“ ein; Wels und Steyr wurden besetzt. Am 8. Mai war die alliierte Zange zwischen Ost und West geschlossen: US-Soldaten konnten in Erlauf (Bezirk Melk) Marshall Tolbuchin die Hände reichen.


Erlauf Erinnert
In der Nacht auf den 9. Mai 1945 trafen einander in Erlauf der sowjetische General Dmitri Dritschkin (r.) und US-General Stanley Reinhart (l.) und feierten gemeinsam den um 00.01 Uhr in Kraft tretenden Waffenstillstand. Der Krieg in Europa war beendet

Der Zweite Weltkrieg ging in Europa am 9. Mai zu Ende – nachdem die deutsche Wehrmacht völlig niedergekämpft kapituliert hatte. An diesem Tag besetzen die Sowjettruppen als letzte große Stadt in Österreich Graz. Sieben Jahre zuvor hatte Hitler ihre Vorreiterrolle beim „Anschluss“ mit dem nationalsozialistischen Ehrentitel „Stadt der Volkserhebung“ gewürdigt. Zu vereinzelten Kämpfen kam es in den folgenden Tagen noch an der jugoslawischen Grenze in Kärnten – zwischen Partisanen, SS-Gruppen und slowenischen sowie kroatischen Verbänden, die auf der Seite der Wehrmacht gekämpft hatten.
10.04.2020, Reinhard Linke, noe.ORF.at

Links:
Ostern 1945: Als der Weltkrieg zu Ende ging
 
#2
Mein Onkel ist als Junger Soldat am Karfreitag 1945 in Neutal im Burgenland gefallen, leider weiß ich nicht welcher Einheit er angehörte er stammte aus den Bezirk Schärding
 
#3
Mein Onkel ist als Junger Soldat am Karfreitag 1945 in Neutal im Burgenland gefallen, leider weiß ich nicht welcher Einheit er angehörte er stammte aus den Bezirk Schärding
Hallo Pauli,

ich meine es war mit hoher Wahrscheinlichkeit das Jäger-Ersatzbataillon II./482 aus Braunau.
Dazu folgender kleiner Text-Auszug:
In Braunau gab es neben der Dienststelle des Wehrmachtsstandortältesten auch noch das bereits erwähnte Wehrmeldeamt. In der noch aus der Monarchie stammenden Kaserne war das Jäger-Ersatzbataillon II./482 stationiert, welches zum Ersatzheer gehörte und ebenfalls der Division 418 in Linz unterstand. Die Einheit bestand im ersten Halbjahr 1944 nur aus einer Stabs- und einer Genesenden-Kompanie, sodass die Kaserne zu dieser Zeit nur zu einem geringen Teil belegt war.
Erst in der zweiten Jahreshälfte wurde der Verband, nun als Jäger- Ersatz- und Ausbildungsbataillon, neu formiert und es kamen drei Ausbildungskompanien dazu. Mit der Annäherung der Roten Armee und der Unterstellung des Ersatzheeres unter die Heeresgruppe Süd, wurde auch das II./482 in zum Abtransport in die Grenzstellung bereitgestellt, wo es als Sicherheitsbesatzung zum Einsatz kommen sollte. Am 25. März 1945 wurde die Einheit in Braunau verladen um nach Oberpullendorf transportiert zu werden, wo die Soldaten am 30. März während der Entladung von sowjetischen Truppen überrascht, sofort attackiert und fast gänzlich aufgerieben wurden. In Braunau in der Salzburgertor-Kaserne waren nur die nicht kriegsverwendungsfähigen Soldaten zurückgeblieben, wozu dann im April 1945 noch Genesende, Urlauber, zurückflutende und versprengte Soldaten von diversen aufgelösten oder zerschlagenen Dienststellen kamen. So gab es in um die Monatswende April/Mai 1945 in Braunau, abgesehen von dem Restkommando des Braunauer Ersatzbataillons, keinerlei Truppen des Heeres welche man zur Verteidigung der Inn-Linie heranziehen hätte können.


LG aus dem Innviertel
Zwölfaxinger


 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#5
NÖN - Ausgabe Neulengbach:

REGION WIENERWALD
Als der Weltkrieg vor 75 Jahren tobte
Vor 75 Jahren tobte in der Wienerwaldregion der Zweite Weltkrieg. Historiker Marcel Chahrour fasst Auszüge aus der Kirchstettener Schulchronik zusammen.
Von NÖN Redaktion. Erstellt am 18. April 2020

Deutscher Panzer in Totzenbach nahe den „Ödhöfen“, fotografiert von Familie Würfel nach Ende der Kampfhandlungen.
privat

Ein schöner, warmer Frühlingstag. Die Straßen in den Dörfern sind von Flüchtlingen verstopft. Fast ausnahmslos Ungarn und Burgenländer. Mächtige Ochsen ziehen hochbeladene Bauernwagen, dazwischen Kinder, Greise, oft schon todmüde, seit Tagen unterwegs. Dazwischen ziehen größere und kleinere Trupps der ungarischen Armee gegen Westen. Einige Tage lang ist ein ungarisches Regiment in Kirchstetten einquartiert. 130 amerikanische Bomber werfen ihre Last über St. Pölten ab. 500 Menschen kommen ums Leben. Die Wucht der Detonationen ist bis Kirchstetten zu spüren.

2. April, Ostermontag
Ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag, mittags bis 22°. Wiener Neustadt wird von der Roten Armee erobert. Wien soll verteidigt werden, die Vorbereitungen zur „Schlacht auf Wien“ laufen auf Hochtouren. Die 6. Panzerarmee des SS-Generals Sepp Dietrich soll die Stadt verteidigen. Volkssturmmänner errichten an den Dorfstraßen notdürftige Panzersperren, z.B. in Doppel und Sichelbach. Der Charakter der Flüchtlingsströme ändert sich. . . Auch viele „Goldfasane“ - wie die Dorfbevölkerung hohe NS-Funktionäre nennt - sind unter den Flüchtenden.
4. April
Ein Wettersturz bringt nordwestliche Kaltluft. Die Russen schwenken nach Westen in Richtung Helenental, Wien soll in einer Zangenbewegung aus süd-westlicher Richtung angegriffen werden. Barbara Steigberger (Grubbäuerin) berichtet: „Es flüchten sich die Leute aus Neukirchstetten zu uns, und auch aus Kirchstetten kamen all die Leute zu uns mit Koffern und Binckeln, sogar ganze Wagen mit ihren Sachen brachten sie zur Sicherheit zu uns. Wir wussten schon gar nicht mehr, wohin mit all den Sachen und Leuten. Es waren siebzig Erwachsene und acht Kinder bei uns.“
5. April
Aus Richtung Neulengbach ist schon deutlicher Kanonendonner zu hören, die Zange um Wien schließt sich. In den Dörfern sind zurückflutende deutsche Wehrmachtangehörige und SS-Verbände einquartiert. Sie berichten der Bevölkerung ungeschönt die Lage. Der Volkssturm löst sich auf. Die NS-Funktionäre verschwinden.
6. April
In Kirchstetten wird das Haus des Bürgermeisters leer vorgefunden. Kirchstetten ist führungslos. Lebensmittel und Kleidung, die dort gelagert sind, holt sich die Bevölkerung. Es wird überall „noch schnell abgestochen“. Am Grubhof fünf Schweine und ein Kalb. Im Lagerhaus in Neulengbach werden die Bestände geräumt und an die Bevölkerung ausgegeben. Vom Grubhof fährt ein Wagen nach Neulengbach und holt Mehl.
7. April
In Neulengbach wird gekämpft, die Russen stoßen weiter in Richtung Tulln vor, ihr Ziel ist die Donau. Von Oberwolfsbach aus sieht man die brennenden Häuser in der Stadt und es donnert unablässig. Der Angriff auf Wien beginnt. Der letzte Zug aus Wien fährt durch Kirchstetten.
8. April
Das Wetter bessert sich wieder, es wird wärmer. Russische Verbände aus Neulengbach kommend, schwenken weiter in westliche Richtung. Sie ziehen aber nicht entlang von Straße und Bahn, sondern über die bewaldeten Anhöhen des Haspelwaldes. Die Bevölkerung ist zum großen Teil in Keller geflüchtet und kommt nur noch zum Füttern und Melken in die Ställe oder zum Besorgen der Lebensmittel aus den Kellern. Die Keller werden notdürftig wohnbar gemacht. In fieberhafter Eile werden Wertgegenstände vergraben, Fahrräder versteckt, Wäsche in Sicherheit gebracht. Selbstmorde häufen sich, so erschießt ein Förster in Altlengbach seine ganze Familie, und auch der Dichter Josef Weinheber beendet an diesem Tage sein Leben durch eigene Hand.
9. April
In Wien wird verbissen um jeden Häuserblock gekämpft. Am Haidhof, zwischen Ollersbach und Kirchstetten liegt eine starke Artelleriestellung der Deutschen, die unablässig gegen die herannahenden Russen aus Neulengbach feuert.
10. April
Heftige Kämpfe in Ollersbach finden statt, SS-Verbände haben sich im Schloss Baumgarten verschanzt. Russische Truppen stoßen über Unterwolfsbach und Oberwolfsbach Richtung Doppel vor. In Wien erreichen die Russen den Gürtel..
11. April
Das Schloss Baumgarten geht in Flammen auf, auch der Haidhof brennt; ein Wehrmachtssoldat wird im Bruckhof wegen Fahnenflucht von seinem Kommandanten erschossen, in Lanzendorf weigert sich ein Soldat, der selbst aus Bauland abstammt, die Eisenbahnbrücke zu sprengen, auch er wird hingerichtet. Ein Totzenbacher, Schermann Gustl, kommt auf dem Rückzug mit seiner Einheit ins Dorf. Seine Frau besucht ihn, er darf aber nicht zu Hause bleiben. Seine Frau begleitet ihn bis Hinterberg, wo sie sich trennen müssen. Gustl Schermann kehrt nicht nach Hause zurück.
12. April
Russen stehen in Doppel und Senning. Vom Hausberg schauen sie auf Totzenbach herunter. Auch die Höhe nördlich von Fuchsberg ist besetzt. Die Deutschen ziehen sich Richtung Hinterberg zurück. In Kirchstetten bezieht Artillerie auf den Anhöhen Kreith, Gstockert, Mooseck, Wolfshöhe Stellung. Das Tal entlang der Westbahn ist noch von Deutschen kontrolliert. Niemand traut sich mehr aus den Kellern. In Wien ziehen sich letzte deutsche Einheiten über die Donau nach Norden zurück. In Oberwolfsbach brennt die Scheune der Familie Weber, in Totzenbach das Haus Koch.
Als der Weltkrieg vor 75 Jahren tobte
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#6
Attnang-Puchheim OÖ.: 21.04.1945 Schauplatz eines der schwersten Luftangriffe

1587542631299.png
Heuer jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal. In den nächsten Wochen wird es an dieser Stelle immer wieder Rückblicke auf die Ereignisse in Oberösterreich geben. Den Anfang macht Attnang-Puchheim, das Schauplatz eines der schwersten Luftangriffe wurde.
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Per Mail verschicken
In Attang-Puchheim (Bezirk Vöcklabruck) flogen am 21. April 1945 amerikanische Bombereinheiten einen der schwersten und verheerendsten Luftangriffe in Oberösterreich. Der Bahnhof von Attnang-Puchheim war vor allem gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Drehscheibe der deutschen Rüstungsindustrie. Es wurden kriegswichtige Transporte getarnt, was die Amerikaner wussten und den Bahnhof zum Ziel ihrer Luftangriffe nahmen. Auch eine Verkettung von Zufällen spielte dabei eine Rolle.

Screenshots aus ORF-Beitrag "Oberösterreich heute" vom 21.04.2020:
1587542832400.png
Der Bahnhof Attnang-Puchheim vor der Bombardierung
1587543010057.png

1587543071152.png

1587543141364.png

1587543221489.png

1587543418168.png

1587543586565.png

1587543646108.png
Alle Bilder aus Bericht "OÖ. heute" vom 21.04.2020 - ORF

Zwei Stunden lang warfen 300 US-Bomber ihre Ladung über Attnang-Puchheim ab. Die Folgen waren verheerend: 700 Menschen starben, die meisten am Bahnhof, denn dort standen Sanitätszüge und Flüchtlingstransporte. Die Identität der meisten Opfer wurde nie geklärt. Bei keinem anderen Bombardement während des Zweiten Weltkriegs auf österreichischem Boden wurden so viele Menschen verglichen mit der Einwohnerzahl getötet, wie bei diesem Luftangriff auf Attnang-Puchheim. Im Ort wurde mehr als die Hälfte der Gebäude zerstört. Es dauert bis weit in die 1950er-Jahre hinein, bis ein Großteil des Ortes nach diesem Bombardement wieder aufgebaut werden konnte.
75 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#7
Die Sowjets und die Österreich-Idee

1587886265938.png
Als „Insel der Seligen“ hat man die Zweite Republik, die aus den Trümmern von Weltkrieg und Nazi-Terror entstanden ist, gerne bezeichnet. Und tatsächlich grenzt jenes Österreich, das sich seit dem provisorischen Staatsgründungsakt am 27. April 1945 entwickelt hat, an eine Form von Wunder: Aus einem Staatsgebilde, an das 1918 nur wenige glauben wollten, wurde eine Nation, die nicht nur bei entsprechenden Skierfolgen gerne im rot-weiß-roten Hurrapatriotismus versinkt. Das Lied „Glücklich ist, wer vergisst“ war lange Zeit unausgesprochene Staatsdoktrin. Und zwar nicht vergessen, aber übersehen wird bei der Feier der „Stunde null“, dass zwischen 1938 und 1944 sehr unterschiedliche Modelle herumgeisterten, was aus Österreich nach einem Kriegsende werden könnte.
Online seit heute, 7.22 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen
Man muss es nicht so überspitzt darstellen wie der Journalist Hellmut Andics, der schon vor vielen Jahrzehnten die Pläne des Kremls um 1945 als Fortsetzung des „zaristischen Imperialismus“ für den Donauraum der 1870er Jahre deuten wollte (Stichwort: Wiederherstellung unabhängiger Kleinstaaten von 1918, die dann alle in der russischen Einflusssphäre standen). Doch wie auch schon die Forschungen von Stefan Karner und Peter Ruggenthaler zur „sowjetischen Österreich-Politik“ belegen, habe Josef Stalin schon seit 1941 die Idee gehabt, Österreich als unabhängigen Staat wiederherzustellen: „Er wollte eine Aufteilung des ‚Großdeutschen Reiches‘, Deutschland nachhaltig schwächen und die Schaffung eines größeren Machtfaktors (etwa in Form eines süddeutschen Staates) in Mitteleuropa, wie dies die Briten planten, verhindern.“

Kein Comeback für Minimonarchie
Winston Churchills Pläne für eine katholisch-süddeutsche Föderation, wie er sie gegenüber dem in Kriegstagen stets umtriebigen Otto von Habsburg noch im Spätsommer 1944 in Quebec formuliert hatte, waren neben der geplanten Schwächung eines wiedererstehenden Deutschlands von einer ganz anderen Überzeugung getragen. „Jedermann ist sich im Klaren, oder zumindest jeder vernünftige Mensch, dass ein Österreich, wie es vor dem Jahr 1938 bestand, allein nicht mehr bestehen könne“, legte Habsburg in seinen Erinnerungen Churchill in den Mund. Als Conclusio zu diesem Gespräch hielt Habsburg, der im April 1940 in einem Interview mit der „Daily Mail“ noch von einer Miniauferstehung einer Mitteleuropaföderation mit Erinnerungen an die Monarchie geträumt hatte, fest: „Ich habe mich dazu durchgerungen, die süddeutsche Lösung als ein notwendiges Übel zu betrachten. Für uns sei die Verbindung nach dem Westen eine Lebensbedingung, um unsere Allianz mit England zu einer Realität werden zu lassen.“

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 war jedenfalls von einer Donauföderation keine Rede mehr. Und Churchills Idee, Wien vor den Russen über eine Operation von der Adria her zu erreichen, hatte keine Zustimmung der westalliierten Stabschefs gefunden.

Friedrich / Interfoto / picturedesk.com
„Die großen drei“ in Jalta: Churchill, Franklin D. Roosevelt und Stalin vor ihren Beratern im Februar 1945 auf Jalta

Stalins Österreich-Plan
„Mit dem Einrücken der Roten Armee auf österreichisches Territorium im Burgenland am Gründonnerstag, dem 29. März 1945, entschied sich Stalin jedoch, in Österreich eine provisorische österreichische Regierung nach dem Prinzip der Drittelparität (ein Drittel Kommunisten, ein Drittel Sozialisten, ein Drittel Bürgerliste) einzusetzen. Stalin ging damit einseitig vor und stellte die Westalliierten vor vollendete Tatsachen“, schreiben Karner und Ruggenthaler.


Ris.bka.gv.at
Die Proklamation der Selbstständigkeit Österreichs, die am 27. April 1945 im Wiener Rathaus von Vertretern der drei Gründungsparteien der Zweiten Republik (SPÖ, ÖVP und KPÖ) unterzeichnet wurde.

Hätte ein schnelleres Vorrücken der Westalliierten nach Österreich eine andere Österreich-Konstruktion nach 1945 gebracht, fragten wir aus aktuellem Anlass auch den Zeithistoriker Oliver Rathkolb: „Ich bin mir der schrecklichen Vergewaltigungswellen und Plünderungen von betrunkenen Rotarmisten in Ostösterreich bewusst, aber staatspolitisch betrachtet ist die Sowjetunion Österreich in einer Weise entgegengekommen wie kein Alliierter im Westen.“ Man sei ohne jede Debatte über Entschädigung oder Entnazifizierung innerhalb weniger Wochen bereit gewesen, eine provisorische Staatsregierung zu implementieren – das ganze Interview mit Rathkolb in science.ORF.at.

Die amerikanische und britische Politik dieser Zeit hätte für Österreich so etwas wie einen totalen „Shut-down“ vorgesehen: „Keine politischen Parteien, nicht einmal Widerstandsgruppen waren zugelassen, keine Medien, alles wird unter totale militärische, alliierte Kontrolle gestellt, und dann schaut man sich in den nächsten Monaten und Jahren in Ruhe an, wer bekommt eine Zeitungslizenz, welche Partei wird zugelassen, wann wird gewählt.“ In Deutschland habe man ja im Vergleich zu Österreich zunächst auf regionaler Ebene mit eingesetzten Verwaltungen, mit Regionalwahlen und erst 49 mit einer Gesamtkonzeption begonnen.

„Einen Kleinstaat mit ein bisschen Lebensfähigkeit füllen“
„Von der Seite betrachtet war es eigentlich besser, dass die Amerikaner nicht so weit gekommen sind“, so Rathkolb, der daran erinnert, dass man die „Soldateska“ mit Plünderungen und Vergewaltigungen, wenn auch in kleinerem Umfang, auch auf der Seite der Westalliierten finde. Für die österreichische Staatswerdung habe die Sowjetunion die „progressiveren Modelle“ gehabt.

Votava / Imagno / picturedesk.com
Das provisorische Kabinett von Karl Renner in Begleitung des Wiener Bürgermeisters Theodor Körner auf dem Weg vom Wiener Rathaus zum Parlament

Der Umgang mit Österreich, und hier widerspricht er dem Zarimusvergleich von Andics, unterscheide sich sehr von dem der Sowjets mit Ungarn, Tschechoslowakei und Jugoslawien. Das zentrale Ziel der Sowjets sei gewesen, Österreich zunächst mal raus aus Deutschland zu lösen, einen Kleinstaat zu etablieren, „ein bisschen mit Lebensfähigkeit zu füllen – alles andere wird sich weisen“. Die Befürchtungen in London und Washington, dass es nach dem 27. April einen kommunistischer Putsch und eine kommunistische Staatsregierung geben würde, „hätten sich ja nicht bewahrheitet“.

Bücher zum Thema
  • Hellmut Andics, Die Insel der Seligen. Österreich von der Moskauer Deklaration bis zur Gegenwart
  • Stefan Karner, Der erste Schritt auf dem langen Weg zum Staatsvertrag. Sowjetische Überlegungen zum Staatsaufbau 1945/46
  • Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik: Österreich 1945 bis 2015
Aus heutiger Sicht ist es für Rathkolb wirklich erstaunlich, wie sich ein Österreich-Patriotismus aus einem bestenfalls pragmatischen Österreich-Begriff von 1945 heraus entwickelt habe.
„Wenn ich daran denke, dass es Ende der 1950er Jahre Umfragen gab, wo mehr als 40 Prozent der Befragten Österreicher und Österreicherinnen sich eigentlich kulturell als Deutsche fühlten, und dass es dann doch gelungen ist, ab ungefähr Mitte der 1960er Jahre diese Verbindung herzustellen zwischen sozialem, ökonomischem, politischem Fortschritt, Aufstieg und einer kleinösterreichischen Identität“, erinnert Rathkolb.

Für Rathkolb ist diese Österreich-Identität umso überraschender, bedenke man, mit welcher geradezu pandemischer Wucht die Turboglobalisierung über uns hereinbricht: „Und die Österreich-Identität ist ja auch so eng und stark geworden, dass sich die Österreicher mit der europäischen Union und der europäischen Identität schwertun. Europa ist eigentlich etwas Pragmatisches, es ist gut für den Handel, gut für den Tourismus, aber der Weg nach Europa ist noch ein sehr sehr langer.“

Ein pragmatischer Österreich-Begriff
1945 sei jedenfalls der Begriff von Österreich etwas sehr Pragmatisches gewesen, nicht zuletzt beim ersten Kanzler der Republik, Karl Renner, erinnert Rathkolb: „Da gibt es so was wie einen österreichischen, opportunistischen, funktionalen Österreich-Patriotismus, in dem Sinn, dass es besser ist, sich jetzt als Kleinösterreicher zu bekennen denn als Deutscher, um nicht für den Krieg verantwortlich gemacht zu werden.“


SCIENCE
Rathkolb zum Mythos Österreich anno 1945


Renner würde sich im Schatten seiner noch nicht so weit zurückliegenden großdeutschen Ideen selbst vor den eigenen Beamten noch winden, den Österreich-Begriff zu verwenden. „Renner kommt zu einem sehr pragmatischen Österreich-Begriff, der aber wenig mit Inhalt gefüllt ist, außer dass wir nicht das Preußische sind“, so Rathkolbs Conclusio.
Zentraler Motor für die Österreich-Ideologie sei nicht zuletzt der Kommunist Ernst Fischer gewesen, der seine Abgrenzung des österreichischen Volkscharakters bis weit ins 18. Jahrhundert zurück ansiedelte. Mit Fischers Ausführungen zu Österreich hätten sich auch die Mitglieder der gerade erst gegründeten ÖVP identifizieren können – und Fischer gehörte als Kulturminister und Minister für die „Volksaufklärung“ der ersten Provisorischen Staatsregierung von Renner an.

Juerg Christandl / Kurier / picturedesk.com
Für ihn beginne die Zweite Republik bereits im März 1938. Der Zeithistoriker Rathkolb in Vor-Coronavirus-Zeiten in seinem Büro.

Die Moskauer Deklaration und die Folgen
Mit der Moskauer Deklaration 1943, so Rathkolb, hätten die Alliierten schon einen prägenden Anteil für ein Bild von Österreich nach dem Krieg gehabt. „Wobei die Alliierten schon ein bisschen mit der Idee gespielt haben, mit dieser Erklärung auch großen Breitenwiderstand zu initiieren. Das ist aber nicht passiert. Das muss man sich auch vor Augen halten, trotz vieler, zahlreicher, furchtbar blutiger und missglückter alliierter Operationen, etwa mit Fallschirmspringern. Die meisten dieser Aktionen sind schiefgegangen. Und viele sind auch wegen Denunziation durch die lokale Bevölkerung gescheitert“, erläuterte der Zeithistoriker.

Votava / Imagno / picturedesk.com
Plakate der Roten Armee zur Befreiung Wiens 1945

Eine breite Österreich-Idee, die sich als eine Art von emotionaler Basis für einen großen Widerstand geeignet hätte, die sei in den Kriegstagen jedenfalls nicht entstanden. „Die Österreich-Idee ist etwas Pragmatisches; es zahlt sich einfach langfristig politisch besser aus, das merkt man auch in den Kriegsgefangenenlagern.“

Am Ende speise sich diese Idee eben auch aus der Haltung „Wir sind nicht Preußen“. Die Inhalte seien sehr diffus und rückwärtsgewandt: „Wenn man heute Ernst Fischer liest, glaubt man, man hat eine Broschüre der Vaterländischen Front vor sich. Es ist doch ein langer Weg zu einer mehr mit Inhalt gefüllten Österreich-Ideologie.“

26.04.2020, Gerald Heidegger, ORF.at
Links:
1945/2020: Die Sowjets und die Österreich-Idee
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#8
27. April 1945: Aufbruch und finaler Terror

1588005498831.png
Am 27. April 1945 hat Österreich im bereits befreiten Wien seine Unabhängigkeit erklärt. Doch während in Wien schon viele Menschen feierten, begingen die Nazis im Rest des Landes noch Zehntausende Verbrechen, wie die Historikerinnen Monika Sommer und Heidemarie Uhl in einem Gastbeitrag schreiben.
Online seit heute, 6.00 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Auf Twitter teilen

Dieses Foto findet sich wohl in fast jedem österreichischen Zeitgeschichte-Schulbuch: die Mitglieder der Provisorischen Regierung mit Staatskanzler Karl Renner an der Spitze am 29. April 1945, auf dem Weg vom Wiener Rathaus zum Parlament, gesäumt von einem Spalier jubelnder Menschen.

APA/HEEREGESCHICHTL. MUSEUM / ARSENAL
Es gibt weitere Fotos von der Wiener Ringstraße an diesem Tag. Sie zeigen Menschen, die zu den Klängen einer sowjetischen Militärkapelle Walzer tanzen. Der eigentliche Gründungsakt der Zweiten Republik ist jedoch nicht fotografisch dokumentiert. Am 27. April 1945 proklamierte die Provisorische Regierung in der Unabhängigkeitserklärung die Wiederherstellung der demokratischen Republik Österreich.

Sieben Jahre, seit dem „Anschluss“ im März 1938, war das Land Teil des nationalsozialistischen Deutschen Reichs gewesen. Die provisorische Regierung wurde von der sowjetischen Armee eingesetzt, ihr gehörten Vertreter der Sozialistischen Partei, der Volkspartei und der Kommunistischen Partei an. Bereits unmittelbar nach der Befreiung Wiens am 13. April 1945 hatten sich die politischen Parteien wieder konstituiert.

Standgerichte fällten Todesurteile
An diesem 27. April 1945 waren weite Teile des Deutschen Reichs noch unter nationalsozialistischer Herrschaft oder aber Kriegsgebiet. Beim Kampf um Berlin starben in diesen Tagen Zehntausende Soldaten und Zivilist/inn/en. Auch im Großteil des heutigen Österreich war das NS-Regime noch bis zum Kriegsende an der Macht. Damit konnte der nationalsozialistische Terror gegen tatsächliche oder vermeintliche Regimegegner und Deserteure weiterhin wüten. In der Endphase des Krieges, die Niederlage Hitler-Deutschlands vor Augen, verübten nationalsozialistische Funktionäre insbesondere auch auf regionaler und lokaler Ebene einen beispiellosen Terror nach innen, gegen die eigene Bevölkerung.
Diese Endphaseverbrechen – dieser Begriff hat sich in der historischen Forschung im letzten Jahrzehnt durchgesetzt – kennzeichnen die letzten Kriegstage im gesamten deutschen Reich. Wer sich gegen die fanatischen Durchhalteparolen wandte und sinnlose Gewalt verhindern wollte, war mit dem Tod bedroht. Ab Ende Februar 1945 konnten in „feindbedrohten“ Gebieten Standgerichte eingerichtet werden, die jeden verfolgten, der „die deutsche Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit“ gefährdet – so der Wortlaut der Verordnung über die Errichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945. Todesurteile wurden zumeist sofort vollstreckt.

Schlacht um Wien
Im Frühjahr 1945 war der militärische Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland nur noch eine Frage von einigen Wochen. Für Österreich begann das Ende des NS-Regimes am 29. März 1945. An diesem Tag überschritten sowjetische Truppen die Grenze im burgenländischen Klostermarienberg. Das Ziel war Wien. Am 2. April erreichten sowjetische Truppen Baden.


VGA/Pressestelle der Stadt Wien
Am 3. April wurde Wien von den Nationalsozialisten zum Verteidigungsbereich erklärt. Plakate forderten Frauen und Kinder auf, die Stadt zu verlassen. Eines dieser Plakate ist im Haus der Geschichte Österreich ausgestellt – jemand hat es handschriftlich mit der treffenden Frage „Wohin?“ versehen. Gauleiter Baldur von Schirach forderte die Wienerinnen und Wiener auf, ihre „Pflicht bis zum äußersten“ zu tun. Zugleich verhängte er das Standrecht.

Letzte Massaker
Von einem Standgericht verurteilt wurden in Wien etwa Major Karl Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke, weil sie als Angehörige des militärischen Widerstandes versucht hatten, Kontakt zur Roten Armee aufzunehmen. Ihr Ziel war es gewesen, Wien kampflos zu übergeben, um Menschenleben zu retten und weitere Zerstörungen zu verhindern. Die drei Militärs wurden am 8. April 1945 am Floridsdorfer Spitz öffentlich gehenkt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Rote Armee bereits in der Wiener Innenstadt.

Noch in den letzten Stunden der Schlacht um Wien machten SS-Einheiten Jagd auf Regimegegner, fahnenflüchtige Soldaten und auf die letzten in Wien verbliebenen Jüdinnen und Juden. Am 11. April 1945, kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee, verübten SS-Männer ein Massaker an neun Jüdinnen und Juden, die sich in einem Keller in der Förstergasse im 2. Wiener Gemeindebezirk versteckt hatten.

Am 13. April war die Schlacht um Wien nach sieben Tagen zu Ende. Mehr als 35.000 Menschen – Soldaten und Zivilist/inn/en – haben dabei ihr Leben verloren. Für jüdische U-Boote, untergetauchte Deserteure und Regimegegnerinnen und -gegner – darunter der spätere Bundeskanzler Leopold Figl – war die Gefahr gebannt, nationalsozialistischen Fanatikern noch in den letzten Tagen und Stunden des Krieges zum Opfer zu fallen. Der Aufbruch in die Zukunft konnte beginnen. Aber in weiten Teilen Österreichs war der Nationalsozialismus noch an der Macht. Tausende Menschen sollten dem NS-Terror noch in den letzten Kriegstagen zum Opfer fallen.

Politische Häftlinge auf der Todesliste
Gauleiter Eigruber etwa ließ Ende April im KZ Mauthausen alle oberösterreichischen politischen Häftlinge in der Gaskammer ermorden, denn dem neuen Staat sollten keine „aufbauwilligen Kräfte“ überlassen werden. Das war der letzte Einsatz der Gaskammer von Mauthausen, die unmittelbar danach abgebaut wurde, um die Spuren des Massenmordes zu verwischen. Auch in Graz wurden in den letzten Kriegswochen politische Häftlinge aufgrund einer von Gauleiter Uiberreither erstellten Todesliste ermordet.

APA/HARALD SCHNEIDER
Das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen

Mordaktionen an Regimegegnern, untergetauchten Jüdinnen und Juden, an Menschen, die sinnlose Kampfhandlungen und Zerstörungen verhindern wollten, prägten die letzten Wochen der nationalsozialistischen Herrschaft. Hunderte Wehrmachtssoldaten wurden als Deserteure hingerichtet und ihre Leichname oft zur Einschüchterung und Abschreckung an öffentlichen Plätzen zur Schau gestellt. Allein im Raum Amstetten, einem Knotenpunkt beim Rückzug der Wehrmacht, verzeichnete die Gendarmeriechronik 250 hingerichtete Soldaten.

Todesmärsche von ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern
Die weitaus größte Opfergruppe der Kriegsendphase auf österreichischem Gebiet waren ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die seit Herbst 1944 beim Bau des sogenannten Südostwalls an der ungarischen Grenze eingesetzt waren. Die Befestigungsanlagen und Panzergräben, die den Vormarsch der Roten Armee aufhalten sollten, erwiesen sich als völlig nutzlos. Mit dem Heranrücken der Roten Armee begannen die Evakuierungsmärsche. Menschen, die nicht arbeits- oder marschfähig waren, wurden ermordet.

Beim Kreuzstadel im burgenländischen Rechnitz erschossen lokale Täter mehr als 180 Menschen. Ab Ende März 1945 wurden bis zu 40.000 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch das Burgenland, die Steiermark, Nieder- und Oberösterreich in Richtung des Konzentrationslagers Mauthausen getrieben. Vor den Augen der Bevölkerung durchquerten Züge mit Tausenden hungernden, elenden Menschen das Land. In unzähligen Orten entlang der Marschrouten, die die Historikerin Eleonore Lappin-Eppel rekonstruiert hat, wurden Menschen erschlagen, erschossen, starben an Hunger und Erschöpfung. Oft wurden lokale Wachmannschaften, Volkssturmmänner, Hitlerjungen zu Tätern. Einheimische haben aber auch geholfen, Flüchtende versteckt oder versucht, den ausgehungerten Menschen Essen zuzustecken.

23.000 jüdische Opfer
Eines der größten Massaker mit über 200 Toten fand am obersteirischen Präbichl statt, verübt von Eisenerzer Volkssturmmännern. In Hofamt Priel bei Persenbeug drangen Angehörige der Waffen-SS in der Nacht auf den 3. Mai 1945 in ein Auffanglager ein, das für Menschen, die beim Hauptmarsch zurückgeblieben waren, errichtet worden war, und erschossen mindestens 228 Menschen. Insgesamt 23.000 ungarische Jüdinnen und Juden verloren in diesen Todesmärschen auf dem Gebiet des heutigen Österreich in den letzten Kriegswochen ihr Leben.

AP/Lynn Heinzerling
Eingang zum Konzentrationslager Mauthausen im Juli 1945

Zielort der Todesmärsche war das KZ Mauthausen – eines der letzten noch nicht befreiten Konzentrationslager im Deutschen Reich. Mitte April war das KZ Mauthausen jedoch bereits völlig überfüllt. Die erschöpften, ausgezehrten Menschen, die bereits Hunderte Kilometer zu Fuß zurückgelegt hatten, wurden weiter in das Lager Gunskirchen bei Wels getrieben.

Im Lager Gunskirchen wurden rund 18.000 Menschen auf engstem Raum und ohne ausreichende Versorgung zusammengepfercht. Die Häftlinge wurden von den Wachmannschaften drangsaliert und wegen geringfügiger Verstöße ermordet – etwa wenn sie nachts die Latrine aufsuchten. Für jeden erfolgreichen Flüchtling wurden zur Abschreckung zehn Lagerinsassen erschossen.

US-Soldaten befreien Mauthausen
Am 4. Mai befreiten amerikanische Truppen das Lager Gunskirchen, einen Tag später das KZ Mauthausen, das größte Konzentrationslager im Gebiet des heutigen Österreich. Von August 1938 bis zur Befreiung 1945 befanden sich im KZ Mauthausen und seinen insgesamt 48 Außenlagern rund 205.000 Häftlinge, die Hälfte von ihnen wurde ermordet oder ging an den unmenschlichen Haftbedingungen zugrunde. Das KZ Mauthausen hatte die höchste Todesrate unter den Konzentrationslagern im Deutschen Reich.

Jährlich gedenken Tausende Menschen bei der Befreiungsfeier in der Gedenkstätte Mauthausen der Opfer des Konzentrationslagers. Seit 1997 ist der 5. Mai, der Tag der Befreiung von Mauthausen, österreichischer Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.
27.04.2020, Heidemarie Uhl, Monika Sommer


APA/HERBERT NEUBAUER
Heidemarie Uhl forscht am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).


APA/HANS PUNZ
Monika Sommer leitet das Haus der Geschichte Österreich in Wien.

Mehr zum Thema
27. April 1945: Aufbruch und finaler Terror
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#9
NÖN - Ausgabe Neulengbach:

REGION WIENERWALD -Teil 2
Ende des zweiten Weltkriegs: „Eine Schreckenszeit“
Über die Ereignisse vor 75 Jahren ist in der Kirchstettener Schulchronik viel nachzulesen. Historiker Marcel Chahrour gibt Einblick.
Von NÖN Redaktion. Erstellt am 25. April 2020

Das Kriegsgefangenenlager in Kirchstetten/Pettenau, im Hintergrund die Ollersbacher Kirche
zVg

Am Freitag, 13. April, wird Wien von der Roten Armee befreit. In den kommenden vier Wochen folgt die schlimmste Zeit russischer Besatzung. Direktor Sehnal berichtet in der Kirchstettener Schulchronik über diese Wochen. Hier einige Auszüge:
„Am 13. April 1945 zwischen 15 und 16 Uhr drangen die ersten russischen Soldaten in den Ort Totzenbach ein. Die schussbereite Maschinenpistole in der Hand, schlichen sie vorsichtig an den Häusern entlang. Sie pochten an die Kellertüren und fragten, ob deutsche Soldaten wo versteckt seien. Ängstlich krochen die Bewohner aus ihren Kellern heraus. Frauen und Mädchen erzitterten beim Anblick der wilden Gesellen. Die Bevölkerung gab den Russen zu essen und zu trinken. Wien war am 13. April in die Hände der Russen gefallen. Genau am gleichen Tag hatte sich auch das Schicksal unseres Dorfes erfüllt. Die Leute atmeten erleichtert auf. . .


Klara Mayer und Sohn Johann fanden kürzlich im Garten Reste eines deutschen Karabiners. Kriegsrelikte wie der zerschossene Helm kommen bei Grabungsarbeiten immer wieder ans Tageslicht.
Chahrour

Die Kampftruppen der Russen gingen am nächsten Tag, dem 14. April , in Richtung Böheimkirchen weiter. Es kamen Scharen neuer Soldaten und mit ihnen begann für unser Dorf die Schreckenszeit. Alle Bauernhöfe wurden systematisch der Pferde, Kühe, Ochsen, Schweine und des Geflügels beraubt. Die Russen durchstöberten die Wohnungen vom Dachboden bis zum Keller. Mit langen Eisenspießen stocherten sie in den Gärten nach vergrabenen Sachen, klopften Mauern und Wände ab und schnüffelten in jeden Kachelofen hinein. Sie raubten Kleider, Wäsche, Schuhe, Nahrungsmittel, Radios, Fotoapparate, Matratzen, Bettzeug und Einrichtungsgegenstände. Polster und Tuchenten schleppten sie in die Schützenlöcher, die sie sich weich auspolsterten. Besonders hatten sie es auf Goldsachen und Uhren abgesehen. Manche Soldaten hatten auf jedem Arm zwei Uhren und auf jedem Finger einen Goldring. Wein und Schnaps wurde mit besonderer Vorliebe geraubt. Sie tranken sogar den Alkohol aus den Flüssigkeitspräparaten der Lehrmittelsammlung. Den ganzen Tag mussten die Frauen kochen und braten und die Russen lebten wie die Grafen. Nachts drangen die betrunkenen Soldaten in die Häuser und vergewaltigten die Mädchen und Frauen. Als Folge traten bald Geschlechtskrankheiten auf.

Die in der Gemeinde bei den Bauern beschäftigten russischen Kriegsgefangenen und ausländischen Zwangsarbeiter schlossen sich teilweise den herumstreifenden Russen an und beteiligten sich ebenfalls an Raub und Plünderung. Doch gab es auch viele Kriegsgefangene und Polen, die in diesen schweren Tagen treu zu ihrem Bauer standen, kein Versteck verrieten. . .
Das Beispiel, das die Russen durch ihre Plünderungen gaben, machte bald bei unserer Bevölkerung Schule. Während der verängstigte Dorfbewohner im Keller Schutz suchte, raubte ihm sein guter Nachbar die Wohnung aus. . .
Als die Russen über Böheimkirchen weiter vorgedrungen waren, legten sie an den Abhängen bei Hinterberg Erdbefestigungen in Form von Laufgräben oder Schanzen an. Männer und Frauen aus Totzenbach mussten diese Arbeiten durchführen. In der Früh wurden die Leute von Soldaten nach Böheimkirchen geführt. Abends durften sie wieder heimgehen. Am Heimweg wurden die Frauen von Russen manchmal vergewaltigt.

Kinder hatten am wenigsten Angst
Am wenigsten Angst in dieser Schreckenszeit hatten die Kinder. Sie brauchten keine Schule besuchen und hielten sich meist beim Soldatenvolk auf. Sie erhielten Geschenke und kein Russe tat einem Kinde etwas zuleide. An der Zivilbevölkerung kamen keine Morde vor. Ein einziger Toter war in Doppel zu beklagen.

Die gefallenen Russen wurden in den Ortsfriedhof gebracht und an der westlichen Friedhofsmauer in einem gemeinsamen Grab beigesetzt. Die gefallenen Deutschen wurden gleich an der Stelle, wo sie gefallen waren, begraben. Die Beerdigungsarbeiten führte die Bevölkerung durch. Insgesamt fielen in unserem Gemeindegebiet 21 Deutsche und 17 Russen.

Die Front hatte sich in einigen Tagen bis St. Pölten vorgeschoben. Nun wurde es in unserem Orte wieder etwas ruhiger. Die Russen zogen weiter und in einigen Tagen kamen wieder neue Soldaten ins Dorf. Es war durch mehrere Wochen ein ewiges Kommen und Gehen und ein dauerndes Rauben und Plündern. Die Ortsbewohner gingen wieder an ihre Arbeit. Die Bauern mussten ihre Felder bestellen. Manches Bauernhaus hatte ein Pferd, aber keinen Wagen, in einem anderen Haus war es wieder umgekehrt. So wurde halt gegenseitig ausgeborgt und in gemeinsamer Arbeit konnte die Frühjahrsbestellung doch so halbwegs durchgeführt werden.

Auf der Straße in Kirchstetten sah man lange Kolonnen gefangener deutscher Soldaten in Richtung Osten marschieren. Viele Österreicher waren unter ihnen und wanderten durchs Heimatland in eine bittere Gefangenschaft nach Sibirien. In einer dieser Gefangenenkolonnen marschierte auch der Bauer Franz Steinböck aus Doppel Nr. 7. Mit Wehmut blickte er nach Totzenbach hinüber und sah in der Ferne den Kirchturm herübergrüßen. Aber es gab kein Flüchten bei Tag. Erst in der Nacht gelang es ihm, bei Maria Anzbach den Russen zu entwischen und heimzukehren.“
Ende des zweiten Weltkriegs: „Eine Schreckenszeit“
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#11
Vor 75 Jahren: Kriegsende in Vorarlberg
Am 1. Mai vor genau 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg in Vorarlberg zu Ende. Die offizielle Kapitulation des Deutschen Reiches war erst am 8. Mai, aber am 1. Mai 1945 besetzten französische Truppen Bregenz und begannen damit, Vorarlberg von der NS-Herrschaft zu befreien. Leider kam es dabei auch ganz am Ende noch zu Schäden und zu Opfern.
Online seit heute, 17.06 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Per Mail verschicken
Gleich mehrere Luftschutzkeller erinnern im Raum Bregenz heute noch an die Zeit, als die Zivilbevölkerung ganze Nächte im Bunker verbringen musste. Einige stehen leer, andere, wie zum Beispiel der Bunker unter dem Gallusstift in Bregenz, wurden zeitweise für die Zucht von Pilzen benutzt.

ORF Vorarlberg
Bunker unter dem Gallusstift in Bregenz
ORF Vorarlberg
Der Bunker wurde zeitweise für Pilzzucht genutzt

Französische Armee beschoss Bregenz
Die französische Armee beschoss in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai von Lochau aus mit Artillerie die Stadt, am Morgen des 1. Mai folgten dann Luftangriffe mit Jagdbombern, bei denen aber keine Brandbomben abgeworfen wurden – sonst wären die Zerstörungen noch viel größer gewesen. Am Nachmittag des 1. Mai rückten dann die gepanzerten Fahrzeuge nach. 80 Häuser wurden durch Brände zerstört, zahlreiche weitere stark beschädigt.

ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Blick von der Kaiser- in die Rathausstraße
ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Neugasse, das ist die Verbindung von Montfortstraße und Jahngasse

ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Fahrradhändler Lang in der Jahngasse bzw. dessen Haus

ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Blick von der Bahnhofstraße nach oben

ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Blick Richtung Bahnhofstraße

ECPAD/Stadtarchiv Bregenz
Blick in Richtung Kaiserstraße und Jahngasse.

Widerstand auch in anderern Teilen Vorarlbergs
Nach Bregenz nahm die französische Armee in den folgenden Tagen auch Dornbirn und Hohenems ein, doch vor Götzis stieß sie neuerlich auf Widerstand der Wehrmacht. Und auch hier musste die Bevölkerung die Rechnung bezahlen: In Götzis wurden zehn Häuser zerstört, allein in der Bäckerei Lampert starben vier Menschen.

1588359367218.png
1588359429509.png
1588359498094.png
1588359598674.png
1588359652260.png
1588359723774.png
1588359805130.png
Screenshots aus ORF-"Vorarlberg heute"

Mehrere Brücken zerstört
Die SS-Angehörigen zerstörten auf ihrem Rückzug mehrere Brücken und töteten Menschen, die Widerstand leisteten – etwa in Bregenz, Bludenz und Langenegg. In Feldkirch ging der Krieg ohne Blutvergießen zu Ende, ebenso im Kleinwalsertal, wo die örtliche Widerstandsbewegung erfolgreich die Macht übernommen hatte.

1588359944794.png
1588360035303.png
Screenshots aus ORF-"Vorarlberg heute"

01.05.2020, red, vorarlberg.ORF.at
Vor 75 Jahren: Kriegsende in Vorarlberg
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#12
1945/2020
„Inglourious Basterds“ und das befreite Tirol

1588492068756.png
Wer waren die „wahren Inglourious Basterds“ aus dem Kultfilm von Quentin Tarantino? Das haben bereits TV-Dokus gefragt und sie in den Agenten der legendären US-„Operation Greenup“ gefunden, die wesentlich für die Befreiung Innsbrucks war. Zentrale Figuren des Geheimdiensteinsatzes wie Fred Mayer, Hans Wijnberg und der spätere Politiker Franz Weber sind mittlerweile bekannt. Entscheidend war auch die Mitarbeit vieler Frauen, die den Erfolg der Aktion garantierten. Erspart geblieben ist Innsbruck dadurch eine blutige Abwehrschlacht der SS unter dem Tiroler Gauleiter Franz Hofer rund um die Tage des 2. und 3. Mai.
Online seit heute, 7.11 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen
Über die Selbstbefreiung der Stadt Innsbruck zirkulieren bis zur Gegenwart unterschiedliche Erzählungen. Die Faktenlage ist seit der Öffnungen der Archive des US-Geheimdienstes OSS klarer geworden, die historischen Bewertungen unterscheiden sich nach wie vor. Als man in den letzten Apriltagen 1945 in Wien jedenfalls erste Schritte für die provisorische Staatsregierung getroffen und Weichenstellung in Richtung Demokratie und Wiederaufbau vorgenommen hatte, wurde in den meisten Teilen Österreichs noch schwer gekämpft. Und besonders schwer in Tirol, wo der von Adolf Hitler mit der Abwehrschlacht der „Alpenfestung“ betraute Gauleiter Hofer eine Doppelrolle suchte: Mit den Amerikanern in der Schweiz wollte er einen Sonderstatus für Tirol unter seiner Führungsrolle abklären. Gleichzeitig waren die Einheiten, die den anrückenden Westalliierten entgegenstanden, auf Abwehrschlacht eingestellt.

Alpen als „Bollwerk des germanischen Lebensraumes“?
Bereits 1944 hatte Hofer in einem Memorandum an Hitler vorgeschlagen, ein Kerngebiet in den Alpen zur „Alpenfestung“ als letzter Bastion des Reiches auszubauen. Tirol wäre als „Reichsfestung“ das „südliche Bollwerk des germanischen Lebensraumes“. Einen Tag vor seinem Suizid hatte Hitler Hofer zum „Reichsverteidigungskommissar“ der „Alpenfestung“ ernannt. Es war übrigens derselbe Tag, an dem die Heeresgruppe C im italienischen Caserta die Kapitulation unterzeichnete.
ullstein bild / Ullstein Bild / picturedesk.com
1. April 1940 in der Reichskanzlei Berlin: Hitler ernennt die Reichsstatthalter in Österreich. Hofer, dem Hitler auf diesem Foto die Hand schüttelt, wird Gauleiter für Tirol und Vorarlberg.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gestapo in Innsbruck schon einen OSS-Agenten gefangen, der sich unter dem Namen Frederick Mayer und mit französischen Papieren als Ingenieur in die Flugzeugproduktion der letzten Kriegstage eingeschlichen hatte. Es handelte sich um Fred Mayer, einen ins US-Exil geflohenen Juden aus dem deutschen Freiburg im Breisgau, der gemeinsam mit dem in die USA emigrierten Niederländer Hans Wijnberg und dem aus Oberperfuss bei Innsbruck stammenden Wehrmachtsdeserteur Franz Weber den Kern der aus Italien gestarteten „Operation Greenup“ bildete.

ÖSTERREICH
Der Ablauf der „Operation Greenup“


Begonnen hat diese Operation Ende Februar 1944 mit einer spektakulären Gletscherlandung und einer heiklen Versteckaktion in Webers Heimatort im Westen von Innsbruck – mehr dazu auch in tirol.ORF.at. Ziel der Operation des US-Geheimdienstes OSS war die Bestandsaufnahme zum Heeresnachschub über die Brenner-Eisenbahn – und eine Einschätzung der tatsächlichen Wehrkraft der „Alpenfestung“.


National Archives and Records Administration (NARA)
Der Wehrmachtssoldat Weber, der 1944 in Italien zu den Amerikanern überlief. In Italien lernte er beim OSS die zwei Exiljuden Mayer und Wijnberg kennen. Nach dem Krieg wurde Weber Mitglied der ÖVP und Landtagsabgeortneter, später Abgeordneter zum Nationalrat.

Das Versteck in Oberperfuss
Es war nicht zuletzt das familiäre Umfeld von Weber in Oberperfuss, das half, die „Operation Greenup“ am Laufen zu halten. Die Mutter von Webers Verlobter Anni, Anna Niederkircher, eine überzeugte Gegnerin der Nazis aus dem katholischen Lager, spielte auch durch ihre Position im Ort eine zentrale Rolle für die logistischen Abläufe der Operation: Der Funker Wijnberg wurde auf dem Dach einer Scheune versteckt; ihren Schwiegersohn in spe brachte sie in einem entlegenen Zimmer ihres Gasthofs unter.

Wijnberg sollte zentrale Erkenntnisse, die Mayer besorgen sollte, in das OSS-Quartier im italienischen Bari senden, Weber wiederum hatte die Aufgabe, Kontakte zu lokalen Widerstandsnetzen zu knüpfen.


National Archives and Records Administration
Webers Schwiegermutter: Anna Niederkircher spielt als überzeugte Katholikin eine entscheidende Rolle im Oberperfer Widerstand gegen die Nazis

Entscheidend für das Gelingen der Aktion waren auch Webers drei Schwestern, ebenfalls überzeugte Gegnerinnen der Nazis, die in Innsbruck tätig waren. Luisa Weber arbeitete als Krankenschwester und besorgte für Mayer die Uniform eines verstorbenen SS-Offiziers. Unter dieser Tarnung mischte sich Mayer als Offizier auf Genesungsurlaub zunächst unter die lokale SS-Prominenz, um sich Informationen zu beschaffen, die über eine Kontaktkette zu Wijnberg gelangten und von dort weiter gefunkt wurden.

National Archives and Records Administration (NARA)
Wijnberg und Mayer in Tirol 1945

Als Mayer die Rolle wechselte und als französischer Ingenieur von der Gestapo verhaftet wurde, drohte die Operation zu kippen. Mayer überstand die Folter der Gestapo, auch dank eines Arztes, der erkannte, dass Mayer für den lokalen Gauleiter in den Verhandlungen mit den Alliierten nützlich sein könnte. Als Mayer schließlich ins Quartier von Hofer kam, meinte man, einen höheren US-Offizier vor sich zu haben. Mayer bluffte gut und handelte mit Weber die unblutige Übergabe Innsbrucks an die herannahende 103. Infanteriedivision aus – im Gegenzug wollte Hofer wie ein Kriegsgefangener behandelt werden, der nicht für seine Taten in der Nazi-Zeit zur Rechenschaft gezogen werden würde.

„Mayer als Chance für Hofer“
„Fred Mayer war eine Chance für Hofer“, skizziert der Zeithistoriker Peter Pirker von der Universität Innsbruck im Gespräch mit ORF.at die Lage, „weil Hofer vermutete, dass er über Mayer einen Kontakt zu den herannahenden Amerikanern erhalten könne.“ Die Abwehrkämpfe in Scharnitz und auch im Außerfern seien Ende April für die Amerikaner heftiger gewesen als erwartet – „und sie sind entsprechend langsam auf Innsbruck vorangekommen“, weil Hofer davor Brücken habe sprengen und Abwehrstellungen ausbauen habe lassen.

Pirker hat die Abläufe der „Operation Greenup“ bereits im Vorjahr in einem umfangreichen Band auf der Grundlage der Bestände in den US-Archiven beschrieben. Aufgeschlüsselt darin auch: die unterschiedlichen Codenamen, die Tiroler Orte im Rahmen dieser Aktion bekommen haben. Aus „Innsbruck“ war da etwa „Brooklyn“ geworden.


US National Archives and Records Administration
Codenamen für österreichische und deutsche Orte im Rahmen der „Operation Greenup“: Aus Innsbruck wurde „Brooklyn“, der Obersalzberg zu „Bay Ridge“

Die unblutige Übergabe Innsbrucks
Der Deal mit Mayer sei eine Chance gewesen für eine unblutige Übergabe Innsbrucks und für Hofer, dass er vor der Verfolgung seiner Verbrechen davonkomme. Ausgerüstet mit dieser Botschaft sei Mayer mit weißer Fahne im Quartier der Amerikaner, die sich gerade auf ihren Angriff auf Innsbruck vorbereitet hatten, angekommen.

Mayers Botschaft habe die entscheidende Wende gebracht, erinnert Pirker. Dass Ludwig Steiner als Vertreter des Tiroler Widerstands um den späteren Landeshauptmann Karl Gruber bereits am 29. April bei den Amerikanern in Zirl gewesen sei, habe für die Lage wenig geändert. Die Amerikaner hätten ein sehr unklares Bild darüber gehabt, wer in Innsbruck die Kontrolle über Artillerie und Heckenschützen gehabt habe, und Steiner habe dazu keine wesentliche Klärung bringen können.

DÖW
Der Widerstandskämpfer der O5: Steiner, der im Auftrag von Gruber die Amerikaner in Zirl kontaktierte, im Gespräch mit dem US-Leutnant Peter Random (ganz links) und US-Major Bland West

Steiner selbst hatte im Band „Erzählte Geschichte“ des Dokumentationszentrums des österreichischen Widerstandes (DÖW) festgehalten: „Im Büro des Gendarmeriepostens in Zirl begann Major West zusammen mit anderen Offizieren mit mir über die Möglichkeit einer deutschen Gegenwehr auf der Straße nach Innsbruck zu beraten (…); ich versicherte den Amerikanern, dass eine organisierte Gegenwehr vor Innsbruck nicht mehr möglich sei, und dass ich auf der Straße von Innsbruck her nichts von Minen bemerkt hätte. (…) Ich hatte den Auftrag, auf ein rasches Vorrücken der Amerikaner zu drängen. Diese wollten aber vorerst nicht weiter vorrücken, sondern zuerst Infanteriespähtrupps vorausschicken.“

Die 103. Infanteriedivision erreicht Innsbruck
Am 3. Mai konnte die 103. Infanteriedivision jedenfalls in ein befriedetes Innsbruck einfahren und wurde von Widerstandskämpfern zum Landhaus gebracht, wo Gruber mit dem lokalen Widerstand anwesend war. Hofer wiederum wurde am 5. Mai interniert. Ein Umstand, auf den Hofer, wie Pirker erzählt, „empört“ reagiert habe: „Er sieht das als Bruch der Vereinbarungen und macht noch bei der Verhaftung den Hitler-Gruß.“ Nach seiner Überstellung nach Deutschland habe man Hofer zu einer Spruchkammer bringen wollen, wo es um die Fragen seiner Involviertheit in die Verbrechen des Nationalsozialismus gegangen wäre. Hier sei ihm die Flucht gelungen, schildert Pirker. Hofer sei zunächst untergetaucht.

Jim Pringle / AP / picturedesk.com
Die 103. Infanteriedivision der US-Armee in Innsbruck im Mai 1945

CIA-Quellen belegten, dass man aber sehr wohl wusste, wo sich Hofer aufgehalten habe; es sei aber zu keiner weiteren Verfolgung gekommen. „Es gab in der Tiroler Nachkriegsjustiz Akteure, die ab 1947 sehr darum gekämpft haben, dass Hofer ausgeliefert wird“, so Pirker; das sei nicht geglückt. Andere Tiroler Eliten seien allerdings froh gewesen, dass es nie zu seiner Auslieferung Hofers gekommen sei: „Dann hätte das Narrativ der Tiroler Selbstbefreiung Kratzer bekommen; und natürlich war die Tiroler Wirtschafts- und Kulturelite eng mit dem Regime verbunden. All das hat man sich vom Leibe gehalten.“ Zu Hofers Beerdigung (er starb 1975 in Mühlheim an der Ruhr) wurde auch eine Abordnung der Tiroler Schützen geschickt.


US National Archives and Records Administration
Karte des Gebiets um Innsbruck der US Airforce im Frühjahr 1945

Geschichte und ihre Deutung
Die Geschichte vom Wehrmachtsdeserteur und den zwei jüdischen Agenten scheint jedenfalls lange nicht ins Bild der Erzählungen rund um die Befreiung Innsbrucks gepasst zu haben. Der Widerstandskämpfer und spätere Verleger Fritz Molden, der mit seinem Bruder Otto ja auch das zentrale Ost-West-Scharnier im O5-Widerstand bildete, entwickelte etwa im Buch „Fepolinski & Waschlapski“ sein eigenes Bild des Widerstandes in Tirol, das sich für den Historiker Pirker großartig lesen lasse, in Teilen aber nicht mehr mit den historischen Fakten decke.

Weber selbst berichtete sehr spät, aber sehr ausführlich über seine Geschichte in der Wehrmacht, sein Überlaufen zu den Amerikanern und die „Operation Greenup“. Eine breite Wahrnehmung davon, so Pirker, habe es nicht gegeben. Webers Bericht passte nicht in das Narrativ der Zweiten Republik.

Studio Babelsberg / Action Press / picturedesk.com
Brad Pitt in der Rolle des jüdischen Agenten Aldo Raines. Hier bei den Dreharbeiten in Berlin Babelsberg.

Tarantinos Geschichtsutopie
Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ aus dem Jahr 2009, der sich mit der Rache der Jüdin Shosanna Dreyfus (Melanie Laurent) an der Ermordung ihrer Familie durch den so belesenen SS-Offizier Hans Landa (Christoph Waltz) und einer Gruppe hemdsärmeliger jüdischer Agenten um den Lieutenant Aldo Raine (Brad Pitt) beschäftigt, mag seine Vorlage in der „Operation Greenup“ gehabt haben.

Bücher zum Thema
Peter Pirker, Matthias Breit, Schnappschüsse der Befreiung. Fotografien amerikanischer Soldaten im Frühjahr 1945, Tyrolia (2020), 209 Seiten, 29,95 Euro.
Peter Pirker, Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945. Tyrolia (2019), 385 Seiten, 29,95 Euro.


In den USA, so erzählt Pirker, habe man die „Operation Greenup“ ja schon im Herbst 1945 in einem großen Artikel der „New York Times“ gewürdigt. Mit der Öffnung der OSS-Archive sei ohnedies eine breitere Forschung der US-Agententätigkeit bei der Befreiung Europas in Gang gekommen.

Publizistisch sehr wirkungsmächtig sei etwa Joseph Persicos Darstellung von Mayer in seinem Buch „Piercing the Reich“ gewesen. Und Mayers in Dokus gerne geäußerten Satz „I wanted to kill Nazis“ will man auch als Wiedergänger im Film Tarantinos gehört haben. „Es gibt in ‚Inglorious Basterds‘ Szenen, die an die ‚Operation Greenup‘ erinnern“, erzählt Pirker im Gespräch: „Tarantino wusste natürlich, dass die Amerikaner viele Nazis davonkommen ließen; gegen diesen historischen Umstand hat er dagegen eine Utopie gesetzt, dass die Nazis nicht davonkommen.“

Neuer Blick auf die Geschichte
Für Pirker ist es wichtig, die Narrative zur Geschichte nach 1945 zurechtzurücken. Das bedeute keinesfalls, die Leistung der Leitung des Tiroler O5-Widerstandes um den späteren Landeshauptmann und Österreich-Diplomaten Gruber zu schmälern. Nach dem Krieg habe sich, so Pirker, ein sehr männliches Narrativ durchgesetzt, das die Rolle vor allem männlicher Tiroler Mitglieder des Widerstandes gestärkt habe. Die wichtige Unterstützung von Frauen in diesem Zusammenhang wie etwa bei der „Operation Greenup“ sei da unter den Tisch gefallen.

Screenshot New York Times Oktober 1945
Ausschnitt aus dem Artikel in der „New York Times“ zur ‚Operation Greenup‘ aus dem Oktober 1945

Pirker möchte freilich nicht nur die jüdische Beteiligung bei der Befreiung Tirols in jenes Licht rücken, das den Fakten entspräche: „Im Rahmen der ‚Operation Greenup‘ waren in Innsbruck auch Leute involviert, die aus jüdischen Familien stammten und die es geschafft haben, bis zum Frühjahr 45 in Tirol zu überleben. Und es gibt nicht nur eine jüdische Geschichte auf der Seite der Agenten, sondern auch eine auf der Seite der lokalen Kooperationspartner.“
03.05.2020, Gerald Heidegger, ORF.at

Links:
1945/2020: „Inglourious Basterds“ und das befreite Tirol
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#13
NÖ. - Mai 1945: Der Weltkrieg geht zu Ende

1588573275949.png
Im Mai 1945, vor 75 Jahren, ist in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. In Österreich hat es von den ersten Kampfhandlungen auf heimischem Territorium bis zum Friedensschluss eineinhalb Monate gedauert: Eine Chronologie des Kriegsendes in Niederösterreich.
Online seit gestern, 18.44 Uhr
Auf Facebook teilenAuf Twitter teilenPer Mail verschicken
Die Rote Armee erreichte am 29. März 1945 Niederösterreich. Sie kam über die Bucklige Welt, das Ziel war Wien. Am 2. April wurde Wiener Neustadt eingenommen, die wegen ihrer kriegswichtigen Industrie am stärksten zerbombte und zerstörte Stadt des Landes. Am 5. April begann der Kampf um Wien. Nach etwas mehr als einer Woche war er vorbei: Wien war von der nationalsozialistischen Herrschaft befreit.

Obwohl der Krieg verloren war, ging das Morden und sinnlose Töten der Nazis weiter. Fast 400 Häftlinge wurden am 6. April im Zuchthaus Stein erschossen. Noch am 2. Mai wurden 228 jüdisch-ungarische Zwangsarbeiter bei Hofamt Priel (Bezirk Melk) getötet. Am 13. April wurden in St. Pölten zwölf Widerstandskämpfer hingerichtet. Heute steht in der Landeshauptstadt im Hammerpark ein Mahnmal, das an dieses sinnlose Morden in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges erinnert.

„1945 hat die Stadt St. Pölten für immer verändert“
Um die Befreiung St. Pöltens wurde in diesen Apriltagen des Jahres 1945 zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee erbittert gekämpft. Es gab massive Bombenangriffe, die zu großen Schäden in der Stadt führten.

Stadtmuseum St. Pölten
St. Pölten im Frühjahr 1945

Heinrich Wohlmeyer, Jahrgang 1936, lebte damals in St. Pölten: „Dramatisch waren für uns die Bombenangriffe. Der Bahnhof von St. Pölten war ein Bahnknotenpunkt und daher ein strategisches Ziel. Der Bahnhof wurde richtiggehend umgeackert, ein Bombentrichter war neben dem anderen. Ich kann mich erinnern, dass am Ostersonntag, das war der 1. April 1945, Schienenteile in den ersten Stock meines Elternhauses hereingeflogen sind.“

Hunderte Zivilisten wurden getötet, 39 Prozent des Häuserbestandes der Stadt zerstört oder beschädigt. „Die Ereignisse des Jahres 1945 haben die Stadt St. Pölten und ihre Bewohner für immer verändert. Es sind Ereignisse, die jenen Menschen, die dieses Jahr bewusst erlebt haben, für immer in Erinnerung geblieben sind“, so Thomas Pulle, Leiter des Stadtmuseums St. Pölten.

Ein Land wird befreit
Während österreichweit die Kampfhandlungen teilweise noch lange nicht zu Ende waren, begann am 27. April in Wien die Provisorische Staatsregierung unter Karl Renner mit ihrer Arbeit, die „Wiederherstellung der Republik Österreich“ wurde proklamiert.

Die Historikerin Elisabeth Vavra schreibt im MuseumsBLOG des Museum Niederösterreich über den 27. April 1945: „Dieser Tag war für die Zivilbevölkerung einer der ruhigsten seit Wochen. Durch eine Wetterverschlechterung konnten die Bombereinheiten der US-Army die Alpen nicht überfliegen. Im Wiener Becken nahm die Rote Armee den seit 4. April umkämpften Markt Piesting bei Wiener Neustadt ein. Die Bilanz: 16 tote Zivilisten, 16 Häuser zerstört, 24 schwer beschädigt, zwei Brücken gesprengt. […] Zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 2.000 Stadt- und Ortsgemeinden im Burgenland, in Niederösterreich und der Steiermark von der Roten Armee besetzt.“

Erlauf Erinnert
In der Nacht auf den 9. Mai 1945 trafen einander in Erlauf der sowjetische General Dmitri Dritschkin (r.) und US-General Stanley Reinhart (l.) und feierten gemeinsam den Waffenstillstand

Am 5. Mai befreiten US-Truppen die Gefangenen des Konzentrationslagers in Mauthausen (Oberösterreich), das in Niederösterreich zahlreiche Außenlager wie etwa in Melk, Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) oder St. Aegyd am Neuwalde (Bezirk Lilienfeld) hatte.
Am 7. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht, der Zweite Weltkrieg war zu Ende. In Österreich war am 8. Mai die alliierte Zange zwischen Ost und West geschlossen, in Erlauf (Bezirk Melk) gab es ein erstes Zusammentreffen von amerikanischen und sowjetischen Soldaten.

Links:
Mai 1945: Der Weltkrieg geht zu Ende
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#14
Salzburg 4. Mai 1945: Kampflose Übergabe stand auf der Kippe

1588575316352.png
Am 4. Mai 1945 ist die Stadt Salzburg kampflos an anrückende US-Truppen übergeben worden. Bis zuletzt stand das Schicksal der Landeshauptstadt aber auf der Kippe, obwohl der Krieg längst entschieden war.
Online seit heute, 7.17 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Per Mail verschicken
Der 4. Mai 1945 war ein Freitag und ein prachtvoller Frühlingstag: 15 Grad und Sonnenschein. Wenige Tage zuvor hatte es bei einem Wettersturz noch stark geschneit. Die 3. US-Infanterie-Division rückte nach der Befreiung von München in dieser Zeit in Richtung Salzburg vor.

Bis zu fünf US-Divisionen auf bayerischer Seite
Jetzt standen die amerikanischen Truppen auf der bayerischen Seite der Saalach – und warteten, schildert Militärhistoriker Gernod Fuchs: „Drei bis fünf US-Divisionen stehen von Burghausen bis Salzburg an Salzach und Saalach. In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai entscheidet sich nun das Schicksal der Stadt Salzburg. Es war das Kriegsende absolut absehbar.“
Oskar Dohle, Leiter des Salzburger Landesarchivs, ergänzt: „Es gab auch die Angst vor den Russen im Großraum Salzburg. Denn bis Mitte April 1945 war nicht klar: Würden es sowjetische oder amerikanische Truppen sein, die als erste nach Salzburg kommen?“

ORF Archiv
Amerikanische Truppen auf der Eisenbahn-Grenzbrücke zu Salzburg
ORF Archiv
Amerikanischer Panzer beim Durchfahren der Saalach
ORF Archiv
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
ORF Archiv
Amerikanische Truppen auf Panzer in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
ORF Archiv
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
ORF Archiv
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
ORF Archiv
Weiße Fahnen hingen aus Häusern in der Stadt Salzburg
ORF Archiv
Jubelnde Menschen in der Stadt Salzburg am 4. Mai 1945
ORF Archiv
Amerikanische Truppen nehmen deutsche Soldaten in der Stadt Salzburg gefangen
ORF Archiv
Deutsche Truppen in der Stadt Salzburg mit erhobenen Händen
ORF Archiv
Versorgungswagen für amerikanische Truppen bei Schnee – wenige Tage vor dem 4. Mai 1945 hatte es noch einmal einen Wintereinbruch gegeben

Entscheidende Rolle von Hans Lepperdinger
Der Salzburger NS-Gauleiter Gustav Adolf Scheel war der erste, der davon sprach, die Stadt Salzburg kampflos an die Amerikaner zu übergeben. Die entscheidende Rolle dabei fiel aber einem anderen zu: dem letzten Kampf-Kommandanten der Stadt Salzburg im Zweiten Weltkrieg, Oberst Hans Lepperdinger. Der 1984 verstorbene Lepperdinger erinnerte sich zu Lebzeiten in einem Interview: „Der Feind war in Bayern herüben, kurz vor Salzburg. Und die Russen hatten Wien eingenommen. Es war für jeden – auch Nicht-Fachmann – ganz klar, dass der Krieg verloren und beendet ist.“
Doch so einfach war die Lage in der Stadt Salzburg nicht, erinnert Militärhistoriker Fuchs: „Die Polizei- und SS-Führung existiert noch. Und es gibt Befehle von Himmler, dass keine Stadt Deutschlands zur offenen Stadt erklärt werden darf – unter Todesstrafe. Und unter diesem Recht steht Lepperdinger nun.“

ORF Archiv
Hans Lepperdinger als Wehrmachtsoffizier

Mit Salzburger Offiziersstab Befehl von oben missachtet
So erzählte Lepperdinger weiter: „Zu dieser Zeit gab mir mein unmittelbarer Vorgesetzter, General von Bork, den Befehl, die Stadt unter allen Umständen zu verteidigen. Ich habe mich zu dieser Zeit schon entschlossen, diesen Befehl nicht auszuführen.“

ORF Archiv
Hans Lepperdinger in einem späteren Fernsehinterview

„Lepperdinger hat sich wohlweislich einen Salzburger Stab aufgebaut“, erklärt Militärhistoriker Fuchs. „Das sind alles Personen, Offiziere aus dem Salzburger Umkreis – zum Teil aus dem Salzburger Bürgertum. Und mit diesen Leuten glaubte er, eine kampflose Übergabe durchführen zu können.“

Am entscheidenden 4. Mai „bin ich dann selbst mit meinem Adjudanten über die Grenze nach Freilassing (Bayern) hinausgefahren“, erinnerte sich Lepperdinger in dem Interview. „Ich habe auf der Grenzbrücke den Kommandeur der mir gegenüberstehenden amerikanischen Division gesprochen.“

Die Amerikaner „sind mit überwältigender Macht in ein Gebiet gekommen, das nicht mehr verteidigen wollte“, erklärt Militärhistoriker Fuchs. „Und es ist so wie in vielen Orten und Städten geschehen: Die Tatsachen haben gesiegt.“

Amerikaner marschierten am Vormittag ein
Am frühen Vormittag des 4. Mai starten die Amerikaner ihren Vormarsch auf Salzburg. Die Straßenbrücke über die Saalach ist zerstört. Die US-Division entschließt sich, mit ihren Panzern nicht über die intakte Eisenbahnbrücke zu fahren, sondern stattdessen direkt die Saalach zu durchqueren.

„Es gibt immer noch Truppenteile, die in der Stadt herummarodieren – auch SS“, sagt Thomas Weidenholzer vom Haus der Salzburger Stadtgeschichte. „Man weiß nicht so genau: Was wird wirklich passieren?“ Kurz vor 12.00 Uhr Mittag rollten die Panzer durch die Salzburger Innenstadt. Laken, Handtücher, jedes Stück Stoff, das als Weiße Fahnen dienen kann, hängten die Salzburger aus den Fenstern.

Historiker: Nur wenige empfanden das damals als Befreiung
„Meiner Meinung nach ist die Anzahl derer, die das wirklich als Befreiung empfinden, damals sehr gering“, sagt Historiker Weidenholzer. „Die, die das wirklich als Befreiung empfinden, sind auch jene, die bekennen: Da ist etwas schiefgelaufen, da haben wir wirklich auch Schuld auf uns geladen. Das sind ganz wenige. Die meisten Menschen schieben das von sich weg und suchen Gründe, warum ich nicht so verstrickt gewesen bin. Für überzeugte Nationalsozialisten – eine ganze Reihe davon – geht eine Welt in Brüche. Wir erleben gerade in den letzten Kriegsstunden und den ersten Tagen nach Kriegsende eine Reihe von Suiziden hoher NS-Funktionäre – so wie der Oberbürgermeister, der sich und seine Gattin erschießt.“

Weitere Kämpfe im Land Salzburg in den nächsten Tagen
Doch der 4. Mai bedeutete nur für die Stadt Salzburg das kampflose Kriegsende, betont Oskar Dohle vom Landesarchiv: „Aber selbst im Großraum der Stadt Salzburg, im Bereich Wiestal (Tennengau) gibt es noch am 7. Mai blutige Kämpfe zwischen Amerikanern und SS-Einheiten. Innergebirg dauert es bis zum 8./9. Mai, bis die ersten Besatzungstruppen dort auftauchen. Immer wieder gibt es Scharmützel, die sehr wohl auch Tote fordern.“

Es dauerte einige Zeit, bis sich alles beruhigte, sagt Stadthistoriker Weidenholzer: „Der erste Tag war – zumindest am Vormittag – ein Machtvakuum, das sich langsam füllt. Dann wird es in der Regel nicht lange dauern, bis wieder ‚Normalität‘ einkehrt, wo auch wieder Lebensmittelversorgung und alle diese wichtigen Dinge kommen.“

Lepperdinger: „An sich war für mich der Krieg beendet“
Hans Lepperdinger erinnerte sich an die unmittelbare Zeit nach der kampflosen Übergabe an die Amerikaner so: „Ich bin dann nach Hause gefahren in das Haus eines Adjutanten von mir, die mich aufgenommen hatten. Ich wollte Zivil anziehen. Aber das war sehr schwierig – denn ich hatte ja kein Zivilgewand. Also ging ich in die Stadt, um mir einen Anzug zu kaufen. Ein Salzburger Geschäftsmann war derartig liebenswürdig zu mir und hat mir einen Trachtenanzug geschenkt. Er sagte, ich hätte ihm so viel erspart, dass er das gar nicht gutmachen könne. Dann habe ich Zivil angezogen und an sich war für mich der Krieg beendet.“

Bei Nacht über die Salzach zur Befreiung Österreichs
Einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten, hatte enge Beziehungen zu Salzburg. Der damals 22-jährige US-Offizier Ernst Florian Winter (Dritter von links) führte in der Nacht auf den 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einen Stoßtrupp von zwölf GI’s mit leichter Infanterie-Bewaffnung bei Burghausen über die Salzach – mehr dazu in ORF-Salzburg "Bei Nacht über die Salzach..."

privat
red, salzburg.ORF.at
4. Mai 1945: Kampflose Übergabe stand auf der Kippe
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#15
Kärnten: Weltkrieg endete vor 75 Jahren

1588775243045.png
Vor 75 Jahren ist der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht zu Ende gegangen und mit ihm sechs lange Kriegsjahre. In ganz Europa gab es Millionen von Opfern, entweder direkt an der Front oder in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Auch Kärnten hatte große Verluste zu beklagen.
Online seit heute, 12.27 Uhr
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Per Mail verschicken
Das Kriegsgeschehen selbst erreicht Kärnten erst spät. Mitte Jänner 1944 fallen die ersten Bomben auf Klagenfurt, Mehr als 200 Menschen kommen ums Leben. 46 weitere Bombenangriffe zerstören zwei Drittel der Häuser.

ORF
Zwei Drittel der Häuser in Klagenfurt wurden zerstört

Tausende Kärntner fielen auf Kriegsschauplätzen
Und auch der Eisenbahnknoten Villach wird Ziel der Alliierten Bombenabwürfe. Zu dem Zeitpunkt waren schon Tausende Kärntner Soldaten auf den Kriegsschauplätzen überall in Europa gefallen.

ORF
Matthias Leitgeb aus dem Gurktal schrieb seiner Frau: „Ein Elend, in das die Menschheit von einigen wenigen Hetzern getrieben worden ist…“

Archiv aus Briefen in die Heimat
Matthias Leitgeb aus dem Gurktal überlebt. Er war auf dem Balkan als Funker stationiert und schrieb immer wieder Briefe nach Hause. Dabei entstand ein umfangreiches Archiv.

ORF
Sohn Matthias Leitgeb zitiert aus Briefen des Vaters

„…als wäre alles Gute aus der Welt verschwunden“
Sein Sohn Matthias zitierte aus einem Weihnachtsbrief seines Vaters an die Ehefrau. „Auch heuer müssen wir diese Tage wieder alleine und im Schatten eines grausamen Kampfes verbringen. In einer Zeit, in der es oft scheint, als wäre alles Gute in der Welt verschwunden und als würde nur noch grausamer Hass und Vernichtungswahn die Menschen führen.“
„Wie viel Leid und Not mussten wir in den vergangenen Monaten sehen“, schrieb der Funker weiter an seine Frau. „Ganze Landschaften sind vernichtet, und dabei ist das nur ein winzig kleiner Teil des Elends, in das die Menschheit von einigen wenigen Hetzern getrieben wurde.“

ORF
Katharina Schrittesser: „haben lange auf den Vater gewartet…“

Viele Männer und Söhne fielen an der Front
Die Frauen mussten in den Kriegsjahren die schwere Arbeit auf den Höfen übernehmen, dazu kam die Angst um die Männer und Söhne an der Front.
Die Großmutter von Katharina Schrittesser hatte neun Söhne, sechs fallen oder werden im Krieg schwer verwundet. „1944 haben wir dann die Vermisstenanzeige von unserem Vater bekommen. Wir haben gewartet, ob er vielleicht doch noch einmal kommt, aber er ist nicht mehr gekommen.“

ORF
Lager der Hitler Jugend am Faaker See

Jugend wurde unter Kontrolle der Partei gebracht
Unterdessen wurde die Jugend im gesamten Großdeutschen Reich unter die Kontrolle der Partei gebracht. In Kärnten wurden zahlreiche Lager errichtet, im Gailtal für den Reichsarbeitsdienst, am Faaker See für die Hitler Jugend (HJ) und die Nationalpolitische Erziehungsanstalt NAPOLA. Am Millstättersee entsteht ein Wehrertüchtigungslager für die „germanische“ Jugend.

Wer nicht in das Schema passte, wurde verfolgt, oder verschwand in den Konzentrationslagern. Auch alles Slowenischsprachige soll ausgemerzt werden. Mitte 1942 wurden rund 1.000 Angehörige der slowenischen Volksgruppe über Nacht von ihren Höfen vertrieben.

ORF
Ab 1944 fielen Bomben auf Kärnten

Mitten in der Nacht: „Gestapo Tür aufmachen“
Auch Maria Gasser aus Ludmannsdorf zählt zu den Vertriebenen. „Ich war acht Jahre alt, als sie mit Bussen gekommen sind. Wir haben schnell etwas in Koffer gepackt, alles andere mussten wir stehen lassen, und dann mussten wir schon gehen.“

Der steigende Druck förderte den Partisanenkampf. Der Großonkel von Rezi Valentinitsch versteckte in seinem Haus in Ludmannsdorf einen verwundeten Partisanen. Tags darauf tauchte die Gestapo auf. „Das war furchtbar. In der Nacht, gegen halber Eins hat’s gepumpert. ‚Gestapo, Türe aufmachen‘, hieß es dann.“

ORF
Elf Familienmitglieder werden auf dem Persmannhof bei Eisenkappel von den Nazis brutal ermordet

Massaker vom Persmannhof
Am 25. April 1945 werden elf Mitglieder der Familien Sadovnik und Kogoi auf dem Persmannhof bei Eisenkappel, einem Partisanenstützpunkt von einem S-Trupp brutal ermordet. Seit 2012 informiert ein Museum über das Massaker. Die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der SS wurden 1949 eingestellt.

ORF
Britische Soldaten sorgten dafür, dass jugoslawische Einheiten wieder abzogen

Am 8. Mai 1945 erreichten britische Panzer Klagenfurt, wenige Stunden nach ihnen rücken erste jugoslawische Einheiten ein. Auf Druck der Briten ziehen sie wieder ab, verschleppten aber Südkärntner. 91 von ihnen sollten nicht mehr zurück kehren.
06.05.2020, red/kaernten.ORF.at

Links:
Weltkrieg endete vor 75 Jahren
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#16
VOR 75 JAHREN - NÖN-Ausgabe Korneuburg:
Kriegsende: Korneuburger Raffinerie brannte lichterloh...
Schwere Kämpfe bis zuletzt gab es rund um Senning, Korneuburg und Obergänserndorf.
Von Herwig Mohsburger. Erstellt am 06. Mai 2020
1588883427341.png
Luftaufnahme nach der Bombardierung der Raffinerie mit Orientierungshilfen. Erkennbar sind auch etliche Fehltreffer

1588883573135.png
Luftangriff auf die Raffinerie, Blick von der Ungerweggasse in Richtung des brennenden Tanklagers der Raffinerie.

1588883682141.png
Durch Luftangriff zerstörte Tankwaggons an der Donaulände im Bereich der Schiffsübernahmestation und des Sägewerks Schaukal.

Bis zum Tag der Kapitulation am 8. Mai wurde vor allem rund um Korneuburg und Leobendorf Richtung Rohrwald gekämpft.
Von großer Bedeutung war dabei der 13. April, erklärt der Korneuburger Stadthistoriker Franz Kaupe. Denn Stoßtrupps der Sowjetarmee durchquerten schwimmend die Donau, etwa von Kritzendorf aus. Ein Teil landete beim Tuttendörfl, ein anderer mitten in der Au oberhalb der Werft.

Rund um Korneuburg tobte der Krieg seit Jahresbeginn
Innerhalb eines Tages vertrieben sie die deutschen Truppen aus Korneuburg. „In der Früh war nur der Teil von Korneuburg zwischen Donau und etwa der Stockerauer Straße von den Sowjettruppen erobert, am Abend war es schon die ganze Stadt“, erzählt Kaupe. Laut Erzählungen hatte ein Fischer die schwimmenden Soldaten gesehen und dies auch im Rathaus Korneuburg gemeldet, Reaktionen blieben aber aus.

Die Deutschen zogen sich in Richtung Leobendorf und dem Rohrwald zurück, bis zum Tag der Kapitulation gab es keine nennenswerten Änderungen der Front. Laut Kaupe zogen auch Truppen aus dem Marchfeld und aus Wien über Bisamberg und Hagenbrunn nach Stetten, wo sie auch einige Tage blieben, bevor sie Richtung Harmannsdorf weiterzogen. In dieser Zeit wurde vor allem der Bereich des Bisambergs heftig von Sowjetgeschützen beschossen, die bereits im Bereich Leopoldsberg und Kahlenberg aufgestellt waren.

Rund um Korneuburg tobte der Krieg aber schon seit Jahresbeginn 1945 sehr heftig, so Kaupe. Vor allem die Raffinerie war ein Ziel der US-Bomberstaffeln, die zumeist von Krems über Stockerau und Korneuburg nach Wien flogen. So wurde am 20. März bei einem Angriff auf die Raffinerie ein Bombenteppich über Korneuburg gelegt, über 140 Menschen starben.

Weitere Ziele waren übrigens der Michelberg bei Haselbach im Rohrwald, denn dort war eine Radarstation aufgestellt, das Militärlager in Senning sowie der Flugplatz nahe Senning. Die Raffinerie wurde schließlich durch Bombentreffer vollständig zerstört – mit Folgen bis in die Jetztzeit. Denn das Erdreich ist noch immer ölverseucht und das ganze Gelände musste unterirdisch abgedichtet werden.

Kaupe berichtet aber auch von einzelnen Trupps aus Korneuburg, die quer durchs Land geschickt wurden. So sei rund um den 1. April 1945 eine Gruppe der Hitlerjugend mit der Rollfähre Richtung Gugging übersetzt worden. Nur wenige Tage, bevor die Sowjetsoldaten diesen Bereich einnahmen, gelangten die Jugendlichen nach Tulln, überquerten die Donau und marschierten nach Dürnstein.

Dort wechselten sie erneut das Ufer und schlugen sich schließlich über Rossatz bis Amstetten durch. Ein junger Mann, der dabei war, hatte Kaupe erzählt, dass er dann in den letzten Tagen als Eisenbahner verkleidet wieder heim kam. Erst in Langenzersdorf war für ihn Endstation.

In der Nacht der Kapitulation verschwanden die deutschen Soldaten aus dem Rohrwald. Da die Sowjettruppen aus dem Norden bereits bis Karnabrunn vorgedrungen waren, führte der Fluchtweg über Stockerau in den Westen. „Die Deutschen wollten nach Möglichkeit die US-Truppen erreichen“, so Kaupe. Nahe Obergänserndorf findet sich übrigens ein Denkmal, das den Frontverlauf zwischen deutschen und sowjetischen Truppen markiert.

Hauptziele bei den Luftangriffen waren die Panzerkaserne – die Firma Blaha befindet sich jetzt auf dem Gelände – und die Raffinerie. Die Werft war nicht mehr interessant, denn wegen der Sperre der Donau wurden keine Schiffe mehr gebaut, erklärt Otto Pacher, Obmann vom Museumsverein Korneuburg.

Im April 1945 waren nur noch 30 Werftmitarbeiter als Werkschutz im Betrieb. Viele Werftarbeiter hatten sich übrigens in Güterkähnen eine kleine Wohneinheit eingerichtet, um mit ihren Familien mit den letzten nach Westen fahrenden Schiffen vor der anrückenden Roten Armee zu fliehen. Diese Kähne lagen längere Zeit in Linz als Wohnschiffe. Erst langsam kehrten die Familien nach Kriegsende wieder nach Korneuburg zurück.

Bei der Vorbereitung zum Rückzug der SS wurden die Werftanlagen und Gebäude mit Sprengsätzen versehen. Einige der Werkschutzleute entfernten heimlich unter Todesgefahr die Zündkapseln. Die Korneuburger Rollfähre allerdings wurde gesprengt.

Einen verheerenden Treffer gab es auch für einen Zug, mit dem sich die Arbeiter der Lofag, der Lokomotivfabrik in Wien-Floridsdorf, vor Bombenangriffen in Sicherheit brachten: Sie fuhren immer ins Augebiet in Spillern. Einmal war der Zug allerdings zu spät dran... In den kleinen Holzwaggon gab es keine Überlebenschance.

1588883997265.png
Zug mit Lofagarbeitern, getroffen bei einem Luftangriff am Weg in die Spillerner Au

„Wenn der Kuckuck gerufen hat, sind die Menschen in die Luftschutzkeller geflüchtet, ein sehr großer war unter der Burg Kreuzenstein mit Zugang vom Burggraben aus“, erzählt Pacher. Der „Kuckuck“, das war das Warnsignal im Radio. Auch Pacher berichtet von dem schweren Beschuss des Bisambergs, weil im Bereich der Elisabethhöhe ein FLAK-Geschütz der Deutschen stationiert war. Wie schwer die Kämpfe in diesem Bereich waren, konnte man noch viele Jahre später erkennen, so Pacher. Denn mitten im Wald waren typische Soldatengräber zu finden.

Nach der Kapitulation wurde Korneuburg zu einer Garnisonsstadt mit rund 3.000 stationierten Soldaten, untergebracht etwa im Bereich der Albrechtskaserne. Das Wohngebiet der Offiziere lag etwa im Bereich Hovengasse und Kwizdastraße und war von einer hohen Mauer umgeben. Das Rathaus wurde umfunktioniert, der große Sitzungssaal wurde zum Turnsaal und eine Näherei wurde untergebracht. Von ursprünglich rund 8.500 Einwohnern lebten nur noch 3.500 in Korneuburg.

Die Front in Obergänserndorf
In Obergänserdorf hat Johann Lackermayer den Krieg und die Kapitulation und den Einmarsch der sowjetischen Truppen erlebt. Im Elternhaus war der Stab der Deutschen untergebracht, seine Familie kam bei einer Tante unter.

„Wir waren im Keller“, erinnert sich Lackermayer an die letzten Kriegstage. In einem der vielen Weinkeller versuchte man zu überleben. „Im Dorf waren schon die Russen, im Wald die Deutschen“, schildert der 85-Jährige die Zeit ab etwa Mitte April. Die Front zog sich von Leobendorf den Rohrwald entlang bis Obergänserndorf und weiter nach Ernstbrunn.

Den heranrückenden russischen Truppen fielen auch zahlreiche Häuser im Ort zum Opfer. „Durch Brandbomben sind 35 der etwa 165 Häuser abgebrannt“, erzählt Lackermayer. Die Deutschen wiederum hatten drei russische Panzer noch wenige Tage vor der Kapitulation zerschossen. Rund ein Jahr standen die Wracks am Waldrand, bis sie entfernt wurden.

Von den deutschen Besatzern ist Lackermayer noch deutlich in Erinnerung, „die haben uns Kindern Zuckerln und Schokolade geschenkt.“ Den Einmarsch der sowjetischen Truppen hat Lackermayer in weniger guter Erinnerung: „ Wir mussten alle aus den Kellern und ins Dorf.“

In den ersten Tagen sei es auch zu Vergewaltigungen gekommen. „Als dann der Stab im Pfarrhof einzog, war aber Schluss damit“, so der Zeitzeuge. Dann sei auch das Verhältnis zu den Soldaten besser geworden. Zudem gab es tägliche Besuche aus der Garnisonsstadt Korneuburg, „die haben bei uns Klee für ihre Pferde geholt“, so Lackermayer.

Lebhaft in Erinnerung sind ihm noch die Essensgewohnheiten der Russen. „Die haben bei Schweinen und Rindern nur das Fleisch gegessen, aber keine Innereien.“ Für Lackermayer und seine Familie natürlich ein Glückstreffer, „bei uns gab es dann regelmäßig Beuschel.“ So konnte der Besatzung Positives abgerungen werden.

Dramatischer Bombenangriff auf Oberolberndorf
An den 31. Jänner 1945 können sich die Zeitzeugen genau erinnern. Die Alliierten bombardierte das Senninger Lager und Stockerau. Doch auch das nahe Oberolberndorf wurde getroffen; 23 Tote waren zu beklagen.
Die Sirene sei viel zu spät losgegangen, „wie man nachgedacht hat, war es schon zu spät“, erinnert sich Karl Steiner. Meist habe man Schutz in Weinkellern gesucht, viele Menschen sind bis Sierndorf gegangen, dort gab es einen langen Stollen.

Einige Leute hatten sich auch in Gruben und unter Schilfmatten beim Sennigbach versteckt, denn „wer schießt schon auf einen Bach?“, erklärt Steiner den Grund. Die Arbeit auf den Feldern und in den Ställen begann in dieser Zeit sehr früh, denn die Luftangriffe erfolgten meistens zur Mittagszeit.

In Erinnerung ist Steiner der 8. Mai: „Wir sind im Garten gesessen und haben über den Zaun geschaut. Da hat es plötzlich gewimmelt von Russen.“ Die hatten Wein mit und waren in Feierlaune. Auch der damals elfjährige Steiner bekam Wein zu trinken. Auf die Freude folgte aber bald die Ernüchterung: „Uns Kindern haben die Soldaten nichts getan. Aber Frauen hatten nichts zu lachen“, erzählt Steiner. Plünderungen wie schon in den letzten Kriegstagen gab es auch wieder.

„Irgendwann hat dann auch die Schule angefangen“, so Steiner. Wie man davon erfahren habe? „Das spricht sich herum, die Eltern wollten ja auch, dass wir wieder was lernen“, erklärt der Zeitzeuge. Meist zu Fuß, selten mit dem Zug ging es dann nach Stockerau. Und da merkte Steiner einen großen Unterschied: „Unser Schmalzbrot haben wir immer gehabt!“

Anders ging es den Klassenkameraden aus Stockerau, die dann um ein Stück der Köstlichkeit gebettelt haben. Schmalz war nach Kriegsende ein beständiges Zahlungsmittel, erklärt Steiner. Als bei einem Kind aus Oberolberndorf eine Blinddarm-Operation nötig war, verlangte der Arzt als Honorar ein viertel Kilo Schmalz.

Mit einem Franzosen, der als Kriegsgefangener auf den Feldern arbeiten musste, entwickelte sich sogar eine lebenslange Freundschaft. Vor 25 Jahren besuchte die Familie Steiner den Mann daheim in der Normandie. Seine Frau – eine gebürtige Ukrainerin – hatte der Franzose übrigens in Oberolberndorf kennengelernt.
Kriegsende: Korneuburger Raffinerie brannte lichterloh
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#17
NÖN-Ausgabe Bruck an der Leitha:

Der ganze Bezirk Bruck/Leitha in Trümmern
Die Befreiung des Bezirks Bruck/Leitha wird von Übergriffen und Plünderungen überschattet.
Von Josef Rittler, Peter Gerber Plech und Stefanie Cajka. Erstellt am 06. Mai 2020
1588885293881.png
KRIEGSENDE 1945: Der ganze Bezirk Bruck/Leitha in Trümmern

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Noch in den letzten Monaten starben etliche Menschen in der Region Bruck infolge der unmittelbaren Kampfhandlungen, an Entbehrungen oder nahmen sich das Leben.

Die Bezirkshauptstadt entging nur durch Zivilcourage am 31. März 1945 einem Sturmangriff durch die Rote Armee. Während vor allem Frauen die Übergabe der Stadt fordern, bringt die Schülerin Josefine Madl dem Brucker Ernst Pfiel, der auf dem Turm Beobachtungsdienst hat, eine weiße Fahne, die Pfiel hisst. Zwar wird die Fahne von SS-Männern wieder eingeholt, Pfiel und die Mutter der Schülerin werden verhaftet, die Sowjets verschonen aber die Stadt. „Herr Pfiel und Theresia Madl, die Mutter von Josefine Madl, werden ins Landesgericht nach Wien eingeliefert. Durch das rasche Vorrücken der Roten Armee wird die Todesstrafe nicht mehr ausgeführt“ berichtet die Brucker Stadtarchivarin Petra Weiß in ihrer Chronik „Eine Stadt erlebt Geschichte 1910 – 1970.

Mein erster Gedanke: „Jetzt hat deine letzte Stunde geschlagen“ berichtet ein Zeitzeuge im Fischamender Heimatbuch
Der historisch interessierte SP-Gemeinderat Michael Komarek schildert das Kriegsende in Maria Lanzendorf. „Oberlanzendorf, Unterlanzendorf und Maria Lanzendorf gehörten in dieser Zeit zu Groß-Wien. Von 1940 bis zum Kriegsende wurde durch die Nationalsozialisten in Oberlanzendorf ein Arbeitserziehungslager (AEL) betrieben. Bereits im April 1945 wurde ein Teil dieses Lagers aufgelöst und einige Häftlinge ins Konzentrationslager Mauthausen getrieben. Kurz vor dem Einmarsch der Russen und dem offiziellen Kriegsende haben verbliebene Wachen die Flucht ergriffen und die letzten Häftlinge und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, die körperlich noch in der Lage waren, haben versucht, sich nach Wien durchzuschlagen. Nach Befreiung des Lagers wurden aber noch Tote gefunden.“ Noch bevor die Russen das Gebiet des heutigen Lanzendorf/Maria Lanzendorf erreicht hatten, wurde von einem Flakturm aus auf die beiden Kirchtürme der Wallfahrtskirche geschossen und dadurch geriet das Dach in Brand.

„Türme, Dach und ein wertvolles Kuppelfresko des Barockmalers Johann Michael Rottmayr wurden zerstört. Dank der Ortsbevölkerung und dem Einsatz italienischer Gastarbeiter konnte immerhin das Kirchenschiff gerettet werden“, berichtet Komarek. Im Zuge der bis in die 1950er-Jahre dauernden Kirchensanierung wurde das Dach in den Jahren 1948/49 erneuert.

Mit dem Einmarsch der Russen, wobei die Mehrheit ukrainischer Abstammung gewesen sein soll, setzte auch eine Plünderungswelle ein. Aber nicht nur russische Soldaten waren daran beteiligt, auch Einheimische sollen sich aus ihrer Warte brauchbare Dinge geholt haben. Auch sei es zu Vergewaltigungen, Morden und Erschießungen durch die neuen Besatzer gekommen. „So ist mündlich überliefert worden, dass zwei Männer, die ein durch den Beschuss beschädigtes Dach repariert haben, fälschlicherweise als Späher gehalten und erschossen worden sind“, sagt Komarek. Die Leichen der beiden wurden in die Schwechat geworfen und tauchten erst Tage später in den Gittern des Wehrs wieder auf.

Auch zu Gefangenen-Erschießung von älteren Flak-Soldaten soll es gekommen sein. Die Leichen dieser Soldaten sind zuerst auf dem Friedhof von Maria Lanzendorf bestattet, später aber wieder exhumiert und in ihre Heimat überführt worden sein.

Die Lage in Fischamend wird im Heimatbuch des ehemaligen Hauptschuldirektors Eberhard Molfenter geschildert. Dort heißt es: „In Fischamend holte man auf dem Hauptplatz das ,Letzte Aufgebot‘ zusammen. Völlig kriegsunerfahrene Fischamender Buben und junge Männer und kriegsuntaugliche alte Männer. Dieser Volkssturm wurde in die ortsnahen Schützenlöcher geschickt, um dort die Russen „aufzuhalten“.

Kurz danach sprengten zurückgedrängte SS-Truppen unter Mithilfe einiger unbelehrbarer örtlicher Nazis die Marktbrücke, steckten die Tuchfabrik in Brand und wollten im Dorf einen voll besetzten Luftschutzbunker mit den darin befindlichen Leuten ebenfalls mit einer geballten Sprengladung in die Luft jagen.

In den frühen Morgenstunden des 6. April 1945 erreichten die Spitzen der Roten Armee den Ort. Ein Zeitzeuge erzählt in der Chronik: „Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich gerade mit einigen Leuten vor dem Eingang des weitläufigen Luftschutzstollens östlich der Enzersdorferstraße, als aus Richtung Königsberg die ersten russischen Soldaten in braungrünen Uniformen mit ihren Maschinenpistolen in den Händen quer über die Felder auf uns zuliefen. Mein erster Gedanke war: „Jetzt hat deine letzte Stunde geschlagen!“. Die Nazipropaganda tat vollauf ihre Wirkung. Man hatte uns mit Wort und Schrift eingehämmert, dass die Russen keine Gnade kennen und auch Zivilisten nicht verschonen würden.“

Doch die zumeist jungen russischen Soldaten hätten niemandem etwas zuleide getan. Sie beschlagnahmten Fahrräder und Uhren. Das sollte sich aber ändern, wie die Chronik berichtet. „Die Bevölkerung von Fischamend, vor allem Mädchen und Frauen, hatten ,Furchtbares mitzumachen‘ - wie man es damals bar einer anderen Sprache auszudrücken vermochte. In Wirklichkeit wurde da nicht „mitgemacht“, sondern musste rohe und menschenverachtende Gewalt wehrlos erduldet werden.“ Ähnliche Übergriffe ereignen sich auch in Bruck und vielen Orten des Bezirks.



1588885444367.png
Die Befreiung des Bezirks Bruck/Leitha wird von Übergriffen und Plünderungen überschattet


Die Besatzungsmacht ist daran interessiert, dass das tägliche Leben rasch in halbwegs geordneten Bahnen verläuft. So werden Bürgermeister und Gemeinderäte eingesetzt und die Menschen aufgefordert, ihrem Beruf wieder nachzugehen. Bis 1955 ist es aber noch ein langer Weg.

Der ganze Bezirk Bruck/Leitha in Trümmern
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#18
NÖN - Ausgabe Mödling:

(Kriegs-)Ende mit Schrecken
Erinnerungen von Zeitzeugen und Erzählungen über die Befreiung Perchtoldsdorfs.
Von Red. Mödling. Erstellt am 06. Mai 2020
1588886054021.png
de. NOEN

Mit Ende März 1945 war in Perchtoldsdorf bereits der erste Kanonendonner zu vernehmen. Die Rote Armee setzte im Raum Stuhlweißenburg (Ungarn) zum Stoß in Richtung Niederösterreich und Wien an. Unter der Bevölkerung wuchsen Erregung und Angst von Tag zu Tag. Ein nicht geringer Teil der zahlreichen Mitglieder der NSDAP setzte sich aus Furcht vor Repressalien seitens der Russen nach Westen ab. Insgesamt gab es in Perchtoldsdorf 1.830 registrierte Parteimitglieder, davon mehr als ein Drittel Illegale.

„Geht nach Hause, der Krieg ist zu Ende“
Schließlich schlugen am 6. April 1945 die ersten sowjetischen Granaten am Marktplatz vor dem Pfarrhof ein. Kleinere Einheiten der Waffen-SS, die zwei Tigerpanzer mit sich führten und auf dem Hochberg ihren Leitstand hatten, wollten den Markt gemeinsam mit Jugendlichen und einigen Volkssturm-Männern unter allen Umständen verteidigen. Der damalige Wehrmachts-Abschnittskommandant und spätere Gemeinderat Karl Wolf (1916 bis 1988) erkannte die Ausweglosigkeit der Situation und gab den Befehl: „Geht nach Hause, der Krieg ist für uns zu Ende.“

1588886197174.png

Die SS-Formationen räumten am 8. April 1945 in den frühen Morgenstunden den Ort. Gegen 6.30 Uhr rückten die ersten Rotarmisten, Angehörige der 9. Sowjetischen Garde-Armee durch die Hyrtlgasse von Gießhübl her kommend, in Perchtoldsdorf ein. Zuvor war allerdings das „Hotel der Stadt Wien“, das Parteilokal der NSDAP, in Brand gesteckt worden und belastende Unterlagen wie Protokolle, Mitgliederlisten, usw. wurden so dem Zugriff späterer Generationen entzogen.

Am 26. April 1945 konnte vom Perchtoldsdorfer Pfarrhof wieder die rot-weiß-rote Fahne gehisst werden. Der Spuk der Naziherrschaft und des Krieges waren nun auch sinn- und augenfällig vorüber. Dennoch konnte von einer Normalisierung der Umstände keinesfalls die Rede sein. Perchtoldsdorf quoll über vor Ausgebombten und Flüchtlingen, die mit nicht viel mehr als mit dem Leben davongekommen waren, und mehr als 250 Witwen, Waisen und Invalide.

Die auf die sowjetischen Kampfeinheiten folgenden Besatzungstruppen brachten viel Leid über die Bevölkerung. Neben zahlreichen Plünderungen, an denen auch Ortsbewohner beteiligt waren, wurden viele Frauen Opfer von Vergewaltigungen durch russische Soldaten – die Pfarrchronik spricht von 60% aller Frauen des Ortes. Beim Einmarsch der Sowjets hatten fast 50 Personen den Tod gefunden, worunter auch etliche Selbstmorde zu verzeichnen waren.

1588886300485.png
Zug der Pottendorfer Linie im Bahnhof Hennersdorf: Eine rangierende Dampflok der Baureihe 77, die vor der Reihen-Nummer ein „T“ für „Trofej“ führt, das sie als Beutegut der sowjetischen Besatzungsmacht ausweist.
Foto privat
(Kriegs-)Ende mit Schrecken
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#19
NÖN - Ausgabe Lilienfeld:

BEZIRK LILIENFELD
75 Jahre Kriegsende: Prägende Erfahrung im Leben
Die Zeitzeugen Johann Deimbacher und Erich Heider aus dem Bezirk Lilienfeld erinnern sich an das Kriegsende vor 75 Jahren.
Von Astrid Krizanic-Fallmann und Gila Wohlmann. Erstellt am 06. Mai 2020
1588886620803.png

„Urej! Urej!“: Den Schlachtruf der anrückenden Russen haben die Zeitzeugen Johann Deimbacher und Erich Heider noch im Ohr. „Sie kamen nicht – wie vermutet – vom Triestingtal, sondern überraschend vom Norden, von St. Corona am Schöpfl“, berichtet Johann Deimbacher. Dem ehemaligen Kaumberger Bürgermeister sind die Erlebnisse rund um seinen 13. Geburtstag am Montag, 23. April 1945, unvergesslich.

Vieles hat er so wie seine Gattin aufgeschrieben. Am 19. April beschwörte NS-Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels im Radio noch die Verteidigung mit allen Mitteln, tags darauf folgten Angriffe der Russen. „Ganz kritisch war der 21. April“, erinnert sich der Kaumberger. Da SS in der Pfarrkirche vermutet wurde, steckten die Russen das Gotteshaus in Brand. Dach und Turm wurden ein Raub der Flammen, verschont blieb die Sakristei. „Pfarrer Pater Augustin konnte einiges löschen“, erzählt Johann Deimbacher, „so einen Nebel aus Rauch habe ich mein Lebtag nicht mehr gesehen.“ Von den rund 200 Häusern im Ort wurden 29 abgebrannt. Umkämpft war auch die Araburg.

Prägend war die Zeit gleichfalls für den ehemaligen Traisner Vizebürgermeister Erich Heider. Der 91-Jährige befand sich damals mit seiner Familie auf einem Bauernhof in Bernreit. Ende April seien die Russen zu Fuß vom Berg in Bernreit ins Tal über Rainfeld marschiert, um sich eine Schlacht mit den auf der anderen Seite des Gölsentals positionierten SS-Soldaten zu liefern. Oberhalb des bäuerlichen Anwesens hatten die Russen außerdem ihre Geschütze positioniert.

„Die Front überrollte uns mit allen unangenehmen Dingen des Krieges“, schildert er und hat Erschütterndes in Erinnerung. „Russische Soldaten haben sich auf einem nahen gelegenen Bauernhof regelrecht angestellt, um eine junge schwangere Frau zu vergewaltigen. Ich habe das als 16-Jähriger mitbekommen und einen Militärpolizisten informiert. Als dieser eingreifen wollte, haben sie alle die Flucht ergriffen“, sagt er. Vergewaltigungen sind zudem Johann Deimbacher bekannt: „15 betroffene Frauen sind mit einer Begleitung zu Fuß von Kaumberg nach Baden ins Krankenhaus zu einer Untersuchung gegangen.“ Er kann genauso von „netten Begegnungen“ mit russischen Soldaten berichten, die mit ihm und seinem Bruder unter anderem plauderten.

„Rasch wurde auch wieder eine Ordnung hergestellt“, erinnert sich Johann Deimbacher, der am 27. April 1945 als erste Zeitung das „Neue Österreich“ erwarb.


Erich Heider (91) hat Gräueltaten zu Kriegsende miterleben müssen.
Foto Wohlmann

Im Mai 1945 wurde Erich Heiders Großvater bei einer mündlich einberufenen Gemeindeversammlung in Rohrbach zum Bürgermeister gewählt. Doch der Krieg blieb noch lange spürbar. Unvergessen bleibt ihm daher, als er im Oktober 1945 einen zweirädrigen Karren zur Verfügung stellen musste. „Es wurden die Leichen von Gefallenen exhumiert und damit zum Friedhof in Rohrbach transportiert und dort begraben. Nur an ihren Marken konnte man sie identifizieren“, hat Erich Heider noch genau den Anblick der Verstorbenen vor sich.

„Im Laufe der Jahre haben mir viele Menschen ihre Erinnerungen an das Kriegsende 1945 erzählt“, berichtet indes Historikerin Margarete Kowall. „Dabei mischten sich Freude mit Schrecken: An die schweren Kämpfe und die Flucht davor, Feuer und Zerstörung, Hunger und Mangel, Angst vor Vergewaltigung, Mord und Totschlag, Trauer um die Toten, Plünderungen – sogar durch die eigenen Nachbarn, Flüchtlingsströme und Nazis, die sich abgesetzt hatten. All das hat sich tief ins Gedächtnis der Menschen gegraben“, weiß die Hainfelder Expertin. Positiv bewertet sie daher Gedenktage.
75 Jahre Kriegsende: Prägende Erfahrung im Leben
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#20
NÖN - Ausgabe Horn:

HORN
Erinnerungen: „Russen-Zeit war prägend“
Zeitzeuge Richard Zecha und Stadtarchivar Erich Rabl über das Kriegsende und die Russenzeit.
Von Rupert Kornell. Erstellt am 06. Mai 2020
1588887383056.png
Mit Hakenkreuz-Fahnen als Symbol des Nationalsozialismus war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die heutige Florianigasse, damals Hermann-Göring-Straße, „geschmückt“.

Meine kleinen Zwillingsschwestern haben im Gitterbett geschlafen, aber ich war mit meinen Eltern und vielen anderen auf der Straße, die Freude bei allen war riesig“, erinnert sich der seit Kurzem 89-jährige Horner Richard Zecha, vielen bekannt als Mitarbeiter der Sparkasse – zuletzt Leiter des dortigen Reisebüros – und einer der ersten, der beim Aufbau der Bezirksstelle des Roten Kreuzes mithalf und viele Jahre Bezirkskassier war, an die Abendstunden des 8. Mai 1945, als die Kirchenglocken das Ende des Zweiten Weltkrieges verkündeten. Aber schon am nächsten Tag wich die Freude der Ernüchterung, als erste russische Soldaten in Horn einmarschierten.

Prägend waren für ihn dieser Einmarsch und die Zeit danach: „Die Russen sind mit Lastwagen vorgefahren und haben die Häuser in der Riedenburgstraße und Ferdinand-Graf-Gasse räumen lassen und in Besitz genommen. Viele Häuser in Horn sind von den Besatzern geplündert worden, auch unser Haus an der Ecke Misson- und Lazarethgasse – dort war kein Lazarett, es ist ein Flurname – blieb nicht verschont.“

„Ich erinnere mich noch gut an die Maggi- Würfel, die auf der Straße verstreut gelegen sind.“ Richard Zecha über Plünderungen im Kaufhaus Öhlknecht
In besonderer Erinnerung blieb ihm der „Sturm“ der Russen auf das Kaufhaus Öhlknecht in der Pragerstraße, heute der Öhlknechthof. „Aber auch etliche Horner sind mit Leiterwagen gekommen und haben sich geholt, was die Russen übrig gelassen haben. Ich erinnere mich noch gut, wie Maggi-Würfel überall auf der Straße verstreut gelegen sind.“ Nicht vergessen hat er auch die Kommandantur, die in der heutigen (und damaligen) Apotheke eingerichtet wurde und wo ein Schulkollege davor auf der Straße gesessen ist und den Russen die Schuhe geputzt hat. „Diese ,Geschäftsidee‘ habe ich dann auch mit meinem schon verstorbenen Freund Walter Winkler verfolgt.“


Zeitzeuge Richard Zecha aus Horn: „Freude über Kriegsende war riesig!“
R. Kornell

Deutschen Gefangenen Zigaretten zugesteckt
Mit diesem Freund ist er auch oft zu der mit Zaun und Stacheldraht umgebenen Kaserne, in der bis zu 3.000 deutsche Kriegsgefangene untergebracht waren, gegangen und hat den Leuten Zigaretten, Brot und Kartoffeln zugesteckt. „Erwischen hätte man uns nicht dürfen, sonst …“ Der Zaun im Taffatal steht noch heute, die Erinnerung Zechas an diese Zeit ist noch immer lebendig.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet Erich Rabl diese Zeit. Er unterrichtete bis vor einigen Jahren Geschichte am Bundesgymnasium Horn und ist seit etwa drei Jahrzehnten Horner Stadtarchivar. Er hat unter anderem ein Bild dieser 1945er-Tage in einem Jahresbericht des Gymnasiums entworfen und im Gedenkjahr 1985 mit seinen Schülern im Museum eine Ausstellung dazu gestaltet.

Bomben auf die Kaserne und das Krankenhaus
Seine Nachforschungen bestätigen Zechas Schilderungen, er ergänzt sie durch Ereignisse, die älteren Hornern wohl noch geläufig sind. So haben amerikanische Flieger im März 1945 Bomben beim Krankenhaus und bei der Kaserne abgeworfen, „aber Menschenleben waren nicht zu beklagen“. Ansonsten ist Horn von Kriegseinwirkungen weitgehend verschont geblieben. Bevor die Russen einmarschiert sind, sind Kolonnen von Evakuierten aus den russisch besetzten Gebieten durch Horn Richtung Westen gezogen. Noch am 2. Mai ist der Garser Isidor Wozniczak (siehe Seite 6) von den Nationalsozialisten erschossen und im Wald nahe Mödring verscharrt worden.

Zu diesem Zeitpunkt ist Horn noch im Machtbereich der Nazis gelegen, der Pfarrhof war mit der Parole „Und wir siegen doch!“ beschmiert worden. Nach den ursprünglichen Plänen hätte Horn von der Wehrmacht und dem Volkssturm verteidigt werden sollen, aber dazu ist es nicht gekommen. Frauen und Kinder sind am 8. Mai aufgefordert worden, die Stadt zu verlassen, aber Autos hat es nicht gegeben. „Wohl mit eignenen Wagen verschwanden lautlos die Führer der Partei“, notierte Direktor Karl Lux in der Chronik der Hauptschule. „Ähnlich verschwand die in Horn gewesene Wehrmacht.“

Bürgermeister „mutig und unerschrocken“
Russisch-Dolmetsch Friedrich Süßmann beschrieb die Situation im Mai 1945 unter anderem so: „Die Stadt war der Soldateska schutzlos preisgegeben. Den Passanten wurden auf offener Straße Uhren und Ringe abgenommen; in den Wohnungen suchten die Soldaten angeblich nach Waffen, nahmen aber bei der Gelegenheit Schmuck, Photoapparate und Kleidungsstücke mit; die Geschäfte wurden unter der Führung polnischer Arbeiter und dunkler einheimischer Elemente geplündert.“


Stadtarchivar Erich Rabl: „Horn wurde 1945 zweimal bombardiert.“
MK

Zur politischen Situation berichtet Rabl, dass Ende Mai 1945 der Sodawassererzeuger Rudolf Weinmann als Bürgermeister vorgeschlagen und am 13. Juli per Akklamation bestellt wurde. Durch zehn Jahre habe er während der Besatzungszeit sein Amt „mit Mut und Unerschrockenheit“ ausgeübt.

1588887774997.png
In der Zeit nach 1945 waren Johann Krist und der Gymnasialprofessor Adolf Görg (von links mit sowjetischen Soldaten) Gemeinderäte der ÖVP. Das Bild zeigt sie vor der Apotheke am Hauptplatz, wo die Russen die Kommandantur eingerichtet hatten.

Detail am Rande: Beim Bezirksgericht wurde am 16. August 1945 der ehemalige Horner Aufbauschüler und spätere Außenminister und Bundespräsident Rudolf Kirchschläger als Rechtspraktikant und Richteramtsanwärter angelobt …
Erinnerungen: „Russen-Zeit war prägend“
 
Oben