Der letzte Bürstenmacher Wiens

josef

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Bürsten aus Hernals in Saudi-Arabien gefragt
Ein seltenes Handwerk ist noch in Hernals zu finden. Norbert Meier ist der letzte Bürstenmacher Wiens. Der 69-Jährige hat sich auf Ware für Bäckereien oder Rauchfangkehrer spezialisiert und liefert diese bis nach Saudi-Arabien.
Bürsten, Bürsten, Bürsten - so weit das Auge reicht und ein klassischer Werkstattgeruch. Seit mehr als 40 Jahren fertigt Norbert Meier in der Taubergasse in Hernals diverseste Modelle an: Früher waren es einmal die klassischen Haushaltsbesen oder Malpinseln. Diese werden mittlerweile aber fast ausschließlich industriell und in Fernost produziert.

Mundpropaganda statt Werbeprospekte
Deshalb hat sich der Bürstenmacher vor allem auf Ware für Gewerbebetriebe spezialisiert. „Wir stellen heute hauptsächlich Industriebürsten für alle möglichen Gewerbe her, Bäckereien Druckereien, Rauchfangkehrer. Das sind oft kleine Stückzahlen: Wenn einer nur ein Stück braucht, dann braucht er nur eines und nicht 1.000“, erklärt Meier im Interview mit ORF Wien.


























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Kleine Stückzahlen, auf die Wünsche der Kunden zugeschnitten, lautet das Geheimrezept in der Bürstenwerkstatt. Auf einer Verkaufsmesse war der Unternehmer noch nie, auch Werbematerialien gibt es keine. Das Geschäft laufe über Mundpropaganda, so Meier: „Der Kunde ruft mich an und sagt, er hat ein Problem, das irgendwie gelöst werden muss. Wenn die Maschine stillgelegt ist, schaue ich mir das an und weiß dann meist, was die Bürste braucht.“

Von einmal 30 Bürstenmachern in Wien ist Meier als einziger übergeblieben. Viele sind in Pension gegangen, die Betriebe wurden nicht mehr weitergeführt. Die Palette der in Hernals teils maschinell, teils händisch hergestellten Bürsten ist breit.

Rasierpinsel für Luxuslabel Hermès
Zu den Kunden zählt etwa die Österreichische Nationalbank. Für diese hat Meier eine Bürste aus Messingdraht hergestellt, mit der die Druckmaschinen abgebürstet werden. Installateure verwenden Meiers Bürsten für die Rohrreinigung. Besonders prestigeträchtig: Ein Rasierpinsel für das französische Luxuslabel Hermès, der Körper aus Büffelhorn, die Borsten sind Dachsborsten.


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Rosshaare sind ein gefragter Rohstoff für die Bürstenproduktion

Auch nach Saudi-Arabien, China oder Russland werden die Bürsten geliefert. Die Arbeitsdauer ist je nach Modell unterschiedlich: „Es ist oft eine Bürste, da hat man den ganzen Tag Arbeit. Andere macht man 20, 30, 40 in der Stunde“, so Meier. Auf die Frage, was ihm an seinem Handwerk am meisten Spaß macht, sagt der Unternehmer: „Mir macht es immer Spaß, wenn man etwas produziert und dann auch einen Erfolg dabei sieht. Das heißt, einer der mir sagt, mit dem kann er gut arbeiten, das hat man sehr oft.“

Rosshaar bis Schweineborsten als Material gefragt
An Aufträgen scheitert es nicht in der Bürstenwerkstatt, dafür aber oft an den Rohstoffen. Diese müssen teuer aus Asien oder Südamerika importiert werden, wie Meier erzählt: „Früher hat es bei uns Rinderhaar, Schweineborsten, Rosshaare oder Wildschweinborsten gegeben. Heute wird das meistens alles weggeworfen und wir müssen das bei dem kaufen, der es gerade hat.“

Norbert Meier ist 69 Jahre alt. Mit Jahresende will er den Betrieb an einen jungen Nachfolger übergeben, der auch schon feststeht. Weil sich die Werkstatt in einer Wohngegend befindet, soll sie allerdings aus Hernals abgesiedelt werden. „Es wäre zu aufwändig und teuer, hier wieder um eine Betriebsanlagengenehmigung anzusuchen“, lautet die Begründung. Den Bürstenmacher selbst kümmert das dann nicht mehr, er will sich dann mehr Zeit für seine Hobbys nehmen, zum Beispiel das Segeln.
Claudia Peintner, wien.ORF.at

Publiziert am 18.04.2019
Bürsten aus Hernals in Saudi-Arabien gefragt
 
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