1941 – Deutsche Frauen und deutscher Wein

Geist

Worte im Dunkel
Mitarbeiter
#1
Im Abgang zu einem Weinkeller in Österreich hängt eine geschnitzte Fassfront. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches, weshalb ich anfangs geneigt war, achtlos daran vorüberzulaufen. Im Augenwinkel erkannte ich jedoch plötzlich die Jahreszahl 1941, wodurch meine Aufmerksamkeit zurückkehrte. Ich fragte mich, welche Sprüche wohl in einer Epoche in Fässer geschnitzt wurden, in der das Produkt Wein bestens in die vorherrschende Blut-und-Boden-Ideologie eingepasst werden konnte. Ich staunte nicht schlecht, als ich dort die zweite Strophe des sogenannten Deutschlandliedes entdeckte, ursprünglich „Lied der Deutschen“ genannt.

Vorweg möchte ich betonen: Das Lied der Deutschen war nur unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verboten. Seit 1922 diente es als deutsche Nationalhymne und ab 1952 wurde die dritte Strophe des Liedes erneut als Nationalhymne festgelegt, die bis heute gespielt wird. Es liegt dem Anbringen dieses Fasses an der Wand also nichts Anrüchiges oder gar Verbotenes inne. Welche Geschichte das Lied durchlief, beschreibe ich im Artikel.

Die Entstehung des Liedes der Deutschen


Von 11. August bis 5. September 1841 hielt sich der Professor für Literatur- und Sprachwissenschaft August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zum Urlaub auf Helgoland auf. Als Kritiker der damals herrschenden politischen Zustände galt er als glühender Pionier demokratischer Denkweise. Deutschland war zu diesem Zeitpunkt kein zusammenhängender Flächenstaat, keine geschlossene Nation – 39 Einzelstaaten bildeten den Deutschen Bund, der aus einem Kaiserreich, fünf Königreichen, einem Kurfürstentum, sieben Großherzogtümern, zehn Herzogtümern, elf Fürstentümern und vier reichsfreien Städten[1] bestand. Um seiner Liebe zu diesem zersplitterten Vaterland und seinem Wunsch nach der Vereinigung zu einem Flächenstaat Ausdruck zu verleihen, dichtete Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 den Text zum Lied.

„Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich fühlte mich sehr verwaist. Und doch tat mir bald die Einsamkeit recht wohl: Ich freute mich, dass ich nach den unruhigen Tagen wieder einmal auch mir gehören durfte. Wenn ich denn so wandelte einsam auf der Klippe, nichts als Himmel und Meer um mich sah, da ward mir so eigen zu Muthe, ich musste dichten und wenn ich auch nicht gewollt hätte. So entstand am 26. August das Lied ‚Deutschland, Deutschland über Alles!“[2]

Die Melodie, zu der der Text gesungen werden sollte, bestimmte Hoffmann von Fallersleben als die Kaiserhymne von Joseph Haydn, weshalb die Eingangszeile des österreichischen „Gott erhalte Franz, den Kaiser“ am Deckblatt der gedruckten Version erschien.

Doch das Lied kam bei den Regierungen, die politischen Änderungen ablehnend gegenüberstanden – etwa Preußen und Österreich – nicht gut an und wurde zensuriert. Erst am 5. Oktober 1841 wurde es in Hamburg öffentlich gesungen, als sich Professor Carl Theodor Welcker, der der Freiheits- und Einigungsbewegung voranschritt, in der Stadt aufhielt.

In weiterer Folge wurde Hoffmann von Fallersleben 1842 vom preußischen Kultusminister wegen seiner Kritik an der Kleinstaaterei und Fürstenwillkür sowie seiner demokratischen Gesinnung als staatsgefährdend eingestuft, seines Lehrstuhls enthoben und des Landes verwiesen.

Das Lied als Nationalhymne Deutschlands


Nun dauerte es noch 80 Jahre, bis das Lied von Reichspräsident Friedrich Ebert 1922 erstmals zur Nationalhymne erklärt wurde. Dieser Status änderte sich auch im Nationalsozialismus nicht, allerdings beschränkte man sich hier auf die erste Strophe, die der Expansionspolitik des Deutschen Reiches die passende musikalische Untermalung bot. War die erste Strophe gesungen, folgte damals als zweiter Teil der Hymne das Horst-Wessel-Lied – ein politisches Kampflied der SA und NSDAP.

Dieser Kombination mit einem nationalsozialistischen Kampflied hat das Deutschlandlied seinen schlechten Ruf und sein Verbot durch die alliierten Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdanken. Als sich jedoch alternative Vorschläge nicht durchsetzen konnten, sandte Bundeskanzler Konrad Adenauer 1952 einen Brief an Bundespräsident Theodor Heuss mit der Bitte, das Lied der Deutschen wieder zur Nationalhymne zu erklären. Als dieser am 2. Mai zustimmend antwortete, endete die siebenjährige Hymnenlosigkeit Deutschlands. Es wurde bestimmt, dass bei staatlichen Veranstaltungen die dritte Strophe des Liedes gesungen werden sollte.

„Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; es soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten. Ein Lied gesungen gegen Zwietracht und Willkür soll nicht Mißbrauch finden im Parteikampf, es soll nicht der Kampfgesang derer werden, gegen die es gerichtet war, es soll auch nicht dienen als Ausdruck nationalistischer Ueberhebung. Aber so, wie einst der Dichter, so lieben wir heute Deutschland über alles. In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarzrotgoldenen Fahnen der Sang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein.“[3]

Zuvor wurden in den Jahren zwischen Kriegsende und 1952 unterhaltsame Ersatzhymnen vertont, wie etwa Karl Berbuers „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“[4], das auch tatsächlich bei diversen feierlichen Anlässen gespielt und gelegentlich als offizielle Hymne missverstanden wurde.

1991 bestimmten Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl die Beibehaltung dieser Regelung.


Die zweite Strophe des Deutschlandliedes an einem Weinfass

Text aller drei Strophen:

„Deutschland, Deutschland über alles
über alles in der Welt,
wenn es stets zum Schutz und Trutze
brüderlich zusammen hält,
von der Maas bis an die Memel,
von der Etsch bis an den Belt
Deutschland, Deutschland über alles
über alles in der Welt!

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
deutscher Wein und deutscher Sang
sollen in der Welt behalten
ihren alten schönen Klang,
uns zu edler Tat begeistern
unser ganzes Leben lang,
deutsche Frauen, deutsche Treue
deutscher Wein und deutscher Sang!
Deutschland, Deutschland über alles
über alles in der Welt!

Einigkeit und Recht und Freiheit
für das deutsche Vaterland!
Danach laßt uns alle streben
brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand.
Blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland!
Deutschland, Deutschland über alles
über alles in der Welt!“[5]

Die zweite Strophe mit einem Fehler in der fünften Zeile

In der fünften Zeile der Strophe ist am Fass ein Fehler zu entdecken. Anscheinend war der Schnitzer gedanklich bereits in der Schlusszeile, als er sie anfertigte.

Fußnoten:

[1] Die Nationalhymne. Geschichte und Entstehung des Deutschlandliedes, online unter:
https://www.laenderservice.de/hymnen/europa/deutschland/geschichte.pdf (13. September 2020)

[2] Dorlis Blume, Das „Lied der Deutschen“, online unter:
LeMO – Lebendiges Museum Online, Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Rückblick (13. September 2020)

[3] Friedrich Ebert, Ansprache zum dritten Verfassungstag der Weimarer Republik, Berliner Tageblatt, 11. August 1922, zitiert nach bpb, Bundeszentrale für politische Bildung, Vor 95 Jahren: Das „Lied der Deutschen“ wird Nationalhymne, online unter:
Vor 95 Jahren: Das "Lied der Deutschen" wird Nationalhymne | bpb (13. September 2020)

[4] Website des Kölner Karnevals, 1950 – Trizonesien-Song – Nationalhymne der Nachkriegszeit, online unter:
http://www.kölner-karneval.de/histo...onesien-lied-nationalhymne-der-nachkriegszeit (13. September 2020)

[5] Text des Deutschlandliedes, online unter:
https://www.lieder-archiv.de/deutschlandlied-notenblatt_300514.html (13. September 2020)

Interner Link:

Mehr zu den Jahren von 1939 bis Kriegsende:
1939 bis Kriegsende

Link zum Originalartikel: https://www.worteimdunkel.at/?p=11045
 
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