284. Fotorätsel-gelöst: "Sprachrohr" des "Türmers von St.Stephan" in Wien

Rusmuher

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#6
U-Booten? ... Das sind doch die wie von den Schlagmännern beim Rudern.
Durch den Mehrfachkonus soll eher ein Raum beschallt werden. Nur bei der Größe habe ich im Moment null Plan.
 

josef

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#8
Nachfolgend ein kleiner Bericht über die "Türmer von St,Stephan" vom Kustos des "Wiener Feuerwehrmuseums":


Die "Feuerwache" am Turm zu St. Stephan

Am 28. April 1534, fünf Jahre nach der ersten Türkenbelagerung Wiens, wurde der Wiener Magistrat angewiesen, einen Türmer im höchsten Bauwerk der Stadt zu positionieren. Dieser hatte die Aufgabe, nach Bränden Ausschau zu halten und die Bewohner gegebenenfalls zu warnen. Da zu dieser Zeit das Wiener Stadtgebiet nur bis zur heutigen Ringstraße reichte, war es dem Türmer möglich, die Bevölkerung mit Hilfe eines blechernen Sprachrohrs vom Turm aus zu alarmieren, wenn er Feuer und Rauch erblickte. Zudem schlug er die Glocke und schwenkte bei Tag eine rote Fahne, bei Nacht eine roten Laterne in Richtung des Brandes. Anschließend verständigte er den Turmmeister, indem er eine schriftliche Nachricht in eine verschraubbare Beinkugel legte und diese durch ein Blechrohr an der Außenseite des Turmes dem Turmmeister zukommen ließ. Dem Turmmeister wurde so der Auftrag erteilt, die militärische Hauptwache am Petersplatz sowie das Unterkammeramt Am Hof möglichst rasch über den Brand in Kenntnis zu setzten. Um dies zu tun, musste er am Tor den Glockenzug “anreißen” (betätigen). Bis heute findet sich im Feuerwehrjargon die Phrase ““Es reißt an“” für die Alarmierung von Einsatzfahrzeugen.


Infolge der zweiten Belagerung Wiens durch ein türkisches Heer, 1683, bei der die Zerstörung des Pulvermagazins der Stadt nur durch Zufall verhindert werden konnte, wurde beschlossen, eine ständig besetzte Wache im “Wasserstadl” „Am Hof“ einzurichten. Dieses Haus, die heutige Adresse lautet Am Hof 9, scheint bereits in einem Stadtplan aus dem Jahr 1547 auf.


Das Personal der Feuerwache wurde über die Jahre wiederholt aufgestockt, sodass dem Stadtunterkämmerer 1759 vier Feuerknechte, 13 Feiertagslöhner, drei Kutscher und ungefähr 20 Rauchfangkehrer, Ziegeldecker, Zimmerer und andere Handwerksgesellen unterstanden. Als Vorspann waren sechs Pferde vorhanden.


Die ,,Alarmierung““ im Brandfall erfolgte zumeist vom Turm aus. Es ist uns heute nicht bekannt, wie viele Türmer Dienst im Stephansturm versahen, die Zahl der in die Fensterbögen der Türmerstube eingeritzten oder geschrieben Namen ist jedenfalls sehr groß.


Die Stadt wuchs und umfasste bald ein Gebiet, das aus der in 72 Meter Höhe gelegenen Turmstube nicht mehr mit freiem Auge zu überblicken war. Im Jahre 1835 entwickelte Ludwig von Littrow (Direktor der Wiener Sternwarte) einen “Ortsschauer”, Toposkop genannt. Er ließ ihn in der astronomischen Werkstätte des polytechnischen Institutes herstellen. Das Fernrohr war aus Messing geformt, einzelne, kleine Teile, die stärkerer Beanspruchung standhalten mussten, waren aus Stahl, alle anderen Teile des Gerätes bestanden aus Gusseisen.


An allen vier Fenstern des Turmes befanden sich Zapfen, auf die das Gerät unverrückbar aufgesetzt werden konnte. Diese Zapfen mussten gegen Witterungseinflüsse (z.B. Vereisung) geschützt werden. Dazu dienten abnehmbare Kappen aus Blei.


Das Toposkop bestand im Wesentlichen aus einem Fernrohr, das auf einer Säule montiert war, die ein horizontales Schwenken erlaubte. Eine weitere Achse ermöglichte auch eine vertikale Bewegung. Je nach Schwenken des Fernrohrs erhielt man einen horizontalen Wert, der die Richtung des Brandherdes angab, sowie einen vertikalen Wert, der Auskunft über die Entfernung gab. Das auf diese Weise bestimmte Koordinatennetz, half dem Türmer vor allem bei schlechter Sicht oder bei Nacht bei der Ortsbestimmung der Flammen bzw. des aufsteigenden Rauchs.




Bis zum Jahr 1854 leitete der Türmer die Brandadresse als handgeschriebene Notiz weiter. Ab 1855 verkehrten Meldungen zwischen dem Stephansturm und der Hauptwache „Am Hof“ mit Hilfe einer Zeigertelegraphenverbindung (Kramer‘sche Zeigerapparate). Bei Aufgrabungen im Jahr 1955 fand man die letzten Reste dieser Anlage: Ein Rohr von zehn Zentimeter Durchmesser, in dem zwei Drähte über Isolatoren gespannt waren.


Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Spitze des Steffls eine Kurzwellenstation installiert. Die ausgerückten Einsatzfahrzeuge gaben Meldung an den Türmer, dieser leitete die Mitteilungen telefonisch an die Zentrale weiter. Um störungsfreien Funk zu gewährleisten, stand der UKW-Sender auf dem Galitzinberg.


Zu dieser Zeit kamen erste Zweifel an der Notwendigkeit eines Türmers auf. Trotzdem wurden im November 1932 zwei neue Fernrohre mit vierzigfacher Vergrößerung bestellt. Darüber hinaus wurden die Fenster der Türmerstube dahingehend verändert, dass sie bei Verwendung des Gerätes nicht mehr geöffnet werden mussten. Die Entscheidung über die Abschaffung des Postens eines Türmers im Stephansdom hatte aber nicht die Feuerwehr, sondern das Metropolitenkapitel zu treffen.


Die Telegrafisten der Feuerwehr, die sich hinter dem Begriff ,,Türmer von St. Stephan““ verbargen, hatten zwölf Stunden Dienst und 24 Stunden Freizeit. 343 Stufen waren vor Dienstantritt zu bewältigen. Wasser gab es in der Türmerstube keines und die Toilette befand sich 220 Stufen tiefer. Neben dem Ausschauhalten nach Bränden waren auch andere kleinere Verrichtungen vorgeschrieben (z.B.: “Bei Dienstantritt Stube auskehren, “Wasser Ausleeren im Nordturm), und Anweisungen einzuhalten (wie z B: “keine Abfälle im Dienstraum”, “höher Steigen bis zur Galerie auf 94 Meter Höhe verboten” usw.) Während des Dienstes war ein Protokollbuch zu führen. Die entdeckten Brände waren rot unterstrichen. Es wurde aber auch auf Besonderheiten hingewiesen, beispielsweise dass der Rauch über Rodaun bei Tag und Nacht nicht zu beachten sei, da er aus der Zementfabrik stamme. Täglich um 18 Uhr wurde die Telefonprobe durchgeführt und ebenso eingetragen wie der Zählerstand der Zusatzheizung, der Kochplatte und was noch wichtig erschien.


In den Kriegstagen des Jahres 1945 wurde der Stephansdom durch eine Reihe von Bränden verwüstet. Am 8. April gerieten die Umplankungen der Dombauhütte, das Holzgerüst am Nordturm und eine 117 Meter hoch gelegene, hölzerne Plattform am Südturm in Brand. Die Flammen konnten gelöscht werden, doch in der Nacht vom 11. auf den 12. April führten neuerliche Brände zu schwerwiegenden Zerstörungen am Dom sowie zum Absturz der 20 Tonnen schweren Pummerin. Die Feuerwehr war gezwungen, den ausgebrochenen Bränden (Parlament, Burgtheater und eine Vielzahl an Häusern) tatenlos zuzusehen. Zwar standen zahllose Schläuche zur Verfügung, aber die Hydranten lieferten kein Wasser mehr. Die wenigen Feuerwehrmänner kämpften einen ungleichen Kampf, den sie verlieren mussten.


Rasch nach dem Krieg wurde mit dem Aufbau von St. Stephan begonnen. 1948 war das Langhaus wiederhergestellt, 1952 der Chor instand gesetzt und der Dom konnte wieder seiner Bestimmung übergeben werden. Schon am 20. August 1945 konnte die Feuerwehr wieder ihren Wachposten am Turm beziehen.


Am 31. Dezember 1955 endete schließlich dieses Kapitel der Wiener Feuerwehrgeschichte. Die letzte Eintragung eines Brandes erfolgte um 20.15 Uhr:


Brand: 8., Langegasse 9


Unterschrift: Maschek



Unter der Buchnummer 3414/22 und der Zeit 24.00 Uhr ist folgender Text zu lesen:
“Nach 421 Jahren Dienstleistung der Türmer zu St. Stephan schließe ich, als letzter Türmer der Feuerwehr der Stadt Wien, dieses Buch – Prosit Neujahr”

Anton Schyr, LM


Dann stieg der letzte Feuerwehr-Türmer die 343 Stufen hinunter und ein Stück Alt-Wien war fόr immer verschwunden.


Heinrich Krenn

Kustos des Wiener Feuerwehrmuseums

Quelle: https://web.archive.org/web/2012051...s/feuerwacheststephan/feuerwacheststephan.htm
 
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