Dänemark: Im vergangenen Herbst gefundener Wikingerschatz wurde nun vorgestellt

josef

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FUND IN DÄNEMARK
Gewaltiger Wikingerschatz erzählt von unruhigen Zeiten
Vor 1000 Jahren hat jemand über 300 Münzen und zahlreiche Silberschmuckstücke nahe König Blauzahns Festung Fyrkat versteckt – und nie wieder abgeholt
Einer Gruppe der Nordjysk Detektorforening ist im vergangenen Herbst im Nordwesten Dänemarks der Fund ihres Lebens geglückt. Die drei Hobbysondengeherinnen Jane Foged-Mønster, Louise Stahlschmidt und Mette Norre Bækgaard stießen in einem Kornfeld nahe Hobro auf einen beträchtlichen Münz- und Schmuckschatz – einen 1.000 Jahre alten Hort, der mit einer bedeutsamen Wikingerfestung ganz in der Nähe in Verbindung steht, vermutet ein dänisches Archäologenteam, das den Schatz nun vorgestellt hat.

Die Fundsituation des größten Wikingerschatzes seit über 50 Jahren war nicht ideal gewesen: Ursprünglich dürfte es sich um zwei getrennte, nahe beieinander vergrabene Horte gehandelt haben. Beim Pflügen des Feldes wurden sie jedoch in der Neuzeit allmählich auseinandergerissen und über ein größeres Gebiet verstreut und vermischt. Die beiden Hauptansammlungen fand man etwa 50 Meter voneinander entfernt. Mit Sicherheit festzustellen, welche Münze einst zu welchem der Schätze gehörte, war kaum mehr möglich.


Über 300 Münzen fand man unter einem Feld im Nordwesten Dänemarks. Der letzte vergleichbare Fund wurde in Dänemark 1968 gemacht und umfasste 82 Münzen.
Foto: Nordjyske Museer

Aus aller Herren Länder
Das ändert allerdings nur wenig an den Geschichten, die die Geld- und Schmuckstücke zu erzählen haben. Zusammengenommen umfasste der Schatz über 300 Münzen, darunter dänische, deutsche und arabische, sowie zahlreiche kostbare Silberschmuckstücke und Schmuckfragmente. Die unterschiedlichen Herkunftsländer weisen auf fruchtbare frühmittelalterliche Handelsbeziehungen und ambitionierte Raubzüge der Wikinger hin.

Dass auch Irland auf der To-do-Liste der Wikinger stand, verraten beispielsweise zwei 70 Gramm schwere, fein ziselierte Silberkugeln. Die mit Flechtwerk verzierten Kugeln stecken auf einer Halterung und waren offensichtlich einst Teil eines größeren, wertvollen Schmuckstücks, wahrscheinlich einer Ringnadel.
Solche Nadeln seien von Männern an der Spitze der Gesellschaft im Irland der Wikingerzeit getragen worden, erklärt Lars Christian Norbach vom Historischen Museum Nordjütlands. Die hohe Qualität und die Größe der Nadel lassen darauf schließen, dass sie womöglich einem Bischof oder einem König abgenommen worden war.


Unter den Silberstücken fanden sich auch zwei etwa 70 Gramm schwere verzierte Kugeln. Sie stammten wahrscheinlich vom selben Schmuckstück, einer Ringnadel, die vielleicht einst einem irischen König geraubt wurde.
Foto: Nordjyske Museer

Zerhackt und eingeschmolzen
Das Wikingerraubgut wurde auch gemäß den Wikingergepflogenheiten behandelt: Für die Nordmänner und -frauen war nur das Gewicht des geraubten Silberschmucks von Interesse, die künstlerische Ausführung spielte kaum eine Rolle. Daher wurde die silberne Ringnadel auch zerhackt, um als Zahlungsmittel zu dienen oder später vielleicht zu neuem Schmuck im skandinavischen Stil umgeschmolzen zu werden.

Auch bei den Münzen zählte für die Wikinger nur das Gewicht in Silber, Aussehen und Herkunft waren zweitrangig. Ganz anders bei den Forscherinnen und Forschern: Für sie ist die Prägung der Geldstücke unschätzbar wichtig, denn sie verrät viel über den historischen Zusammenhang dieses Hortfundes. Besonders haben es den Wissenschaftern einige dänische Kreuzmünzen aus der Regierungszeit von König Harald Blåtand angetan.

Münzen aus "Blauzahns" Zeit
Harald I. Gormsson, genannt "Blauzahn", ist Namenspatron der Datenübertragungstechnik Bluetooth und schaffte es erstmals, Dänemark unter einer Krone zu einen. 960 ließ sich der zum Christentum bekehrte Harald taufen. Ein Wunder des Priester Poppo habe den König überzeugt, heißt es in der Sachsengeschichte von Widukind von Corvey. Dass die entdeckten von Harald I. geprägten Münzen das Kreuz tragen, erlaubt eine recht genaue Datierung der Geldstücke in die 970er- und 980er-Jahre – jedenfalls in die Zeit nach Haralds Taufe.

Etwa zur selben Zeit wurde die nur fünf Kilometer entfernte Wikingerfestung Fyrkat niedergebrannt. Das Team um Norbach hält hier einen Zusammenhang für denkbar. Die kreisrunde Befestigungsanlage gibt zahlreiche Rätsel auf. So lässt sich heute kaum sagen, warum die praktisch neue Burg nur kurz bewohnt war und ziemlich plötzlich wieder aufgegeben wurde. Nach dem Brand wurde die Anlage verlassen und verfiel.


Das Kreuz auf den dänischen Münzen aus der Zeit des Königs Harald I. hilft bei der Datierung: Sie müssen nach der Taufe des Monarchen im Jahr 960 geprägt worden sein.
Foto: Nordjyske Museer

Im Krieg gegen den Sohn
Ausgrabungen an anderen Orten deuten jedoch an, dass Fyrkat ein Opfer des generationsübergreifenden Machtkampfs um den Thron geworden ist. Blauzahns Sohn, Sven Gabelbart, soll gegen den Vater rebelliert haben, weil er sich von der Thronfolge ausgeschlossen glaubte. Ob das tatsächlich stimmt, ist umstritten. Tatsache ist, dass Harald I. im Gefecht mit Rebellen schwer verwundet wurde und zu Allerheiligen 985 oder 986 in Jomsburg auf der Ostseeinsel Wolin starb. Da Haralds legitime Söhne ebenfalls nicht mehr am Leben waren, wurde Sven schließlich doch noch König von Dänemark.

Wahrscheinlich wurde die Wikingerburg Fyrkat im Zuge der gewaltsamen Rebellion verlassen. "Dies geschah wohl im Zusammenhang mit dem endgültigen Kräftemessen zwischen Harald Blåtand und seinem Sohn Svend Tveskæg", meint Torben Trier Christiansen vom Historischen Museum Nordjütlands. In den Wirren dieser Ereignisse dürfte wohl auch der Schatz vergraben worden sein.


Eine der wenigen vollständigen arabischen Münzen aus dem Hort. Die meisten derartigen Geldstücke wurden von den Wikingern in kleinere Zahlungseinheiten zerteilt.
Foto: Nordjyske Museer

Nicht mehr abgeholt
"Diese beiden Silberschätze stellen an sich schon eine fantastische Geschichte dar. Dass sie nur acht Kilometer von Harald Blåtands Wikingerburg Fyrkat entfernt gefunden wurden, ist umso aufregender", so Christiansen. Welcher vermögende Wikinger hier vor 1.000 Jahren seine Reichtümer versteckt hat, wird ein Geheimnis bleiben. Klar ist freilich: Einen solchen Haufen Geld lässt man nicht einfach zurück – es dürfte also kein gutes Ende mit dem einstigen Besitzer genommen haben.

Die Ausgrabungen am Fundort sollen im Herbst nach der Ernte fortgesetzt werden. Wer die Schätze mit eigenen Augen sehen will, hat ab Juli die Gelegenheit dazu. Dann nämlich sollen die Funde im Historischen Museum von Aalborg öffentlich ausgestellt werden.
(Thomas Bergmayr, 30.4.2023)

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