Der durch die CoV-Beschränkungen lahmgelegte Flugverkehr ist beinahe wieder auf Vorkrisenniveau angelangt - Flugzeuge sind Mangelware

josef

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Flugzeuge als Mangelware
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CoV-Beschränkungen gehören der Vergangenheit an, der zwischenzeitlich lahmgelegte Flugverkehr ist beinahe wieder auf Vorkrisenniveau angelangt. Oder könnte zumindest – Fluglinien kämpfen mit einem Mangel an Maschinen, die Auftragsbücher der großen Hersteller sind über Jahre hinweg voll. Dazu kommen Probleme in der Lieferkette und ein Mangel an Arbeitskräften. Mit einer Reaktivierung des Superjumbos A380 suchen Airlines Abhilfe.
Online seit gestern, 23.19 Uhr
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Der europäische Flugzeugbauer Airbus wird heuer weniger Flugzeuge ausliefern als geplant und hat außerdem mit dem weiteren Hochfahren der Produktion in den nächsten zwei Jahren zu kämpfen. Die für 2022 angepeilte Marke von 700 Verkehrsflugzeugen sei außer Reichweite, räumte der weltgrößte Flugzeugbauer Anfang Dezember ein – nach elf Monaten stand Airbus bei 565.

Der Überhang aus dem laufenden Jahr könnte auch die Planungen durcheinanderbringen, die Produktion von Kurzstreckenmaschinen der A320/A321-Baureihe bis Anfang 2024 auf 65 Flugzeuge im Monat hochzufahren. Zuletzt wurden 50 Maschinen pro Monat geschafft, vor der CoV-Krise waren es 60.

Bestellungen schnellen in die Höhe
Gleichzeitig kann sich Airbus vor Bestellungen kaum retten. 647 Aufträge kamen in den ersten drei Quartalen herein, Stornierungen schon abgezogen. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum waren es 133, und auch 2018 und 2019, also vor der Pandemie, waren es mit 256 und 127 deutlich weniger. Mit einem Bestellbuch von 7.294 Maschinen könnte Airbus theoretisch mehr als zehn Jahre produzieren, ohne dass es neue Aufträge brauchen würde, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) Ende Oktober.

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US-Konkurrent Boeing konnte erst im Dezember einen Milliardenauftrag für seinen Langstreckenjet 787 Dreamliner und den Mittelstreckenjet 737 Max an Land ziehen: Die Fluggesellschaft United Airlines bestellte 100 Dreamliner und sicherte sich Kaufoptionen für weitere 100 Maschinen des Typs. Außerdem hat United 44 Exemplare der 737 Max gekauft, weitere 56 dieser Flugzeuge bestellt und sich zusätzliche 100 Optionen dafür gesichert. Boeings Gesamtauftragseingang belief sich ohne Stornierungen bis November auf 571 Flugzeuge.

Große Nachfrage trifft auf mangelndes Angebot
Die Reisenachfrage nach der Pandemie hat sich überraschend schnell und stark erholt, vor allem auf der Kurz- und Mittelstrecke. Doch das Interesse der Fluggesellschaften, ihr Angebot wieder aufzustocken und ihre veralteten Flotten aufzufrischen, trifft auf erhebliche Probleme in der Lieferkette – von der Beschaffung der erforderlichen Komponenten bis hin zum Arbeitskräftemangel.

Klimafeindlicher Flugverkehr
Flugzeuge zählen zu den klimaschädlichsten Verkehrsmitteln. Der Anteil der Flugbranche am menschengemachten Klimawandel wird auf rund 3,5 Prozent geschätzt.
Steven Udvar-Hazy, Gründer des riesigen Flugzeugleasinggebers Air Lease Corporation (ALC), sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg vor einigen Tagen, dass jede Maschine, die in den letzten zwei Jahren an ALC geliefert wurde, verspätet gewesen sei. „Wir haben kein einziges Flugzeug pünktlich bekommen, egal ob es sich um eine 737 Max oder eine 787 oder eine A330 oder A350 handelt. Wir hatten Verspätungen von bis zu sechs oder sieben Monaten. Das ist eine Kombination aus Problemen in der Lieferkette, zu schnellem Hochfahren der Produktion und Arbeitskräftemangel. Die Produktionsmitarbeiter können nicht von zu Hause aus arbeiten. Es ist also ein echtes Problem.“

Die Tausenden von Flugzeugen, die die Airlines während der CoV-Pandemie in Wüsten auf der ganzen Welt geparkt haben, weil sie nicht wussten, wann die Nachfrage zurückkehren würde, tragen ebenfalls zu dem Mangel an Maschinen bei. Hunderte von ihnen wurden nicht wieder in die Flotten aufgenommen, entweder weil sie nach so langer Zeit des Nichtgebrauchs dringend gewartet werden müssen oder weil die Fluggesellschaften planten, sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Reuters/Juan Medina
Die Lufthansa-Maschine war im spanischen Teruel eingemottet, neben mehreren A380 des Konkurrenten Etihad aus Abu Dhabi

Rückkehr des Airbus-Superjumbos
Die Lieferprobleme verleiteten allerdings viele zu einem Umdenken: Die Lufthansa etwa holte den eigentlich schon ausgemusterten Airbus A380, das größte Passagierflugzeug der Welt, in den Dienst zurück. Anfang Dezember landete nach mehr als zwei Jahren wieder eine A380 auf dem Frankfurter Flughafen. 2020 hatte das Unternehmen den Jet auf einem Flugzeugparkplatz im spanischen Teruel abgestellt. „Nach gründlicher Prüfung soll die Lufthansa-Maschine nun ab März in München wieder in den Liniendienst gehen und pro Flug bis zu 555 Gäste in alle Welt bringen“, schrieb die „WirtschaftsWoche“ („WiWo“) unlängst.

Auch andere Fluglinien reaktivieren laut „WiWo“ ihr einstiges Flaggschiff, mittlerweile seien mehr als die Hälfte der insgesamt 251 ausgelieferten Maschinen von zehn der bisher 15 Betreiber von ihren coronabedingten Parktplätzen zurückgeholt worden. Zwar koste es bis zu 20 Millionen Euro, eine eingelagerte A380 ins Leben zurückzuholen, doch für viele Fluglinien dürfte sich das lohnen.

APA/AFP/Mark Ralston
Im kalifornischen Victorville parkten vor allem asiatische Linien ihre großen Flugzeuge – und holen sie nun zurück

Niedrigere Preise nicht in Sicht
Dennoch dürfte der schon oft totgesagten A380 kein langes Leben mehr beschieden sein: Schon vor der Pandemie hatte Airbus im Februar 2019 das Produktionsende verkündet, weil die Nachfrage zusammengebrochen war – es gab nur wenige Strecken, wo sich die Flugzeuge gewinnbringend füllen ließen. Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt sagte der „WiWo“ zur Rückführung: „Für fast alle Betreiber, die es tun, ist das Flugzeug auf die ein oder andere Art nur ein Lückenfüller für begrenzte Zeit.“ Danach dürften die Maschinen auf Flugzeugfriedhöfe in verlassene Gegenden zurückkehren.

Für potenzielle Fluggäste verheißt die Gemengelage nichts Gutes, dazu kommen die anhaltend hohen Ölpreise und die abrupte Wiedereröffnung Chinas nach der Pandemie. Niedrigere Flugpreise sind derzeit nicht in Sicht.
30.12.2022, aloh (Text), scho (Grafik), beide ORF.at/Agenturen

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