Die Militarisierung der Wiener Feuerwehr im Zweiten Weltkrieg

josef

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#1
Bekam von @zwölfaxinger einen interessanten "71 Seiten-Bericht" über die Entwicklung der Wiener Berufsfeuerwehr zur Feuerschutzpolizei 1938-45 zur Weitergabe:

"Die Militarisierung der Wiener Feuerwehr im Zweiten Weltkrieg"

Ein toller Bericht in der von Renato gewohnten Qualität, besten Dank :bravo::superOK

Autor Renato Schirer (Achtung: 6,73 MB)
 

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josef

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#2
Frage zu splittergeschützten Fahrzeugunterständen beim Hafen Freudenau

Auf Seit 35 schreibt Renato:
Auf dem Gelände der Rennbahn in der Freudenau und bei der Freudenauer Hafenstraße, ebenso wie an der Seitenhafenstraße wurden zusätzliche Wohn- und Geräte- Baracken für den FE-Dienst und die Luftschutzpolizei errichtet. Hier begann man im Spätsommer 1944 mit der Errichtung zweier gegen Bombensplitter geschützter Fahrzeugunterstände. Diese sollten die wertvollen Löschfahrzeuge während des Bombardements Schutz bieten. Dies war nötig geworden, da die Einrichtungen des Hafens bei fast bei jeden Angriff im Bombenhagel der angreifenden Geschwader lagen.

Beide Fahrzeugunterstände bestanden aus je sieben Fahrzeugboxen, die in einem Abstand von zwei Metern nebeneinander lagen. Die Unterstände wurden mit einer Wandstärke von 50 Zentimeter Stahlbeton ausgeführt und boten jeweils Platz für zwei Löschfahrzeuge, so dass in jeder Reihe 14 Fahrzeuge splittersicher untergestellt werden konnten. Die einzelnen Stände wurden zusätzlich noch durch eine massive Erdaufschüttung untereinander, zu einem massiven Ganzen, verbunden. Ein dieser Fahrzeugunterstände kam zwischen dem Hafenbecken des Winterhafens und der Freudenauer Hafenstraße, unweit des heute nicht mehr bestehenden Gasthauses „Arche Noah“ zur Ausführung. Die zweite Anlage wurde an der Seitenhafenstraße, zwischen dem Straßenzug der Hafen-Zufahrtsstraße und der Freudenauer-Hafenstraße sowie der Helling-Straße errichtet.
Frage an die "Experten für Schutzbauten" wie @Cerberus usw., ist von diesen Objekten noch etwas übrig? Dürften der Beschreibung nach ja größere Bauwerke gewesen sein. Andernseits wurde ja gerade dieses Gelände bei den laufenden Hafenerweiterungen und Umgestaltungen sehr verändert...

lg
josef
 
#3
Bekam von @zwölfaxinger einen interessanten "71 Seiten-Bericht" über die Entwicklung der Wiener Berufsfeuerwehr zur Feuerschutzpolizei 1938-45 zur Weitergabe:

"Die Militarisierung der Wiener Feuerwehr im Zweiten Weltkrieg"
Hallo,
zum Thema Feuerschutzpolizei Wien bei Kriegsende in Mauthausen gibt's im Jahrbuch 2011 "Mauthausen Memorial" einen interessanten Beitrag.

Das Jahrbuch kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden:

http://www.mauthausen-memorial.at/d...reich=4&cthema=50190&carticle=1058&fromlist=1

LG Zwölfaxinger
 
#4
Bekam von @zwölfaxinger einen interessanten "71 Seiten-Bericht" über die Entwicklung der Wiener Berufsfeuerwehr zur Feuerschutzpolizei 1938-45 zur Weitergabe:

"Die Militarisierung der Wiener Feuerwehr im Zweiten Weltkrieg"

Ein toller Bericht in der von Renato gewohnten Qualität, besten Dank :bravo::superOK

Autor Renato Schirer (Achtung: 6,73 MB)
Zur Ergänzung der Studie gibt es nun im Anhang ein Bericht der US-Militärregierung über die Rückgabe von Feuerwehrfahrzeugen (außer jenen die bereits früher an die Stadt Wien - siehe "Die Militarisierung der Wiener Feuerwehr im Zweiten Weltkrieg" - übergeben worden waren). Mit Hilfe dieser Aufstellung lässt sich der Weg von manch "Feuerwehr-Oldtimer" nachvollziehen.

Die Liste bedarf einiger Erläuterungen:
Die Bezeichnung FSchP wurde fehlerhaft in Fire-School übersetzt.
In der Spalte Sent to: hier wurde anstelle der jeweiligen Feuerwehrorganisation die nicht zutreffende Bezeichnung Fire-School verwendet.
WL = (Wehrmacht) Luftwaffe
LS-Pol = LS-Polizei


Ich hoffe die zahlreichen Feuerwehr-Historiker können damit was anfangen. Die Quelle ist NARA, RG-260, Bestandsverzeichnis M 1926 roll 0143.

Renato
 

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Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
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#5
Irgendwo in den CIOS/BIOS/FIAT Berichten ist auch einiges zu den Feuerwehren zu finden. Da ging es aber speziell um die Technik, nicht um bestimmte Orte. Ich kann mich noch an die Zeichnung einer Drehleiter erinnern, die ging, wegen der Länge der Leiter, über drei Seiten.

Interessantes zum Thema Gleichschaltung der Feuerwehr und Militarisierung der Feuerwehr findet man auch in den Ausgaben der alten Zeitung Gasschutz und Luftschutz.
Gruß
Joe
 
#8
Die Beschriftung habe ich auf einem Wiener Dachboden gefunden ..
Sehr interessantes Aufnahme. Danke fürs herzeigen, ich habe bisher noch kein Foto eines solchen Unterstandes gesehen, die damals jedoch sicher in größerer Zahl in Verwendung standen.
Die alliierten Bomberflotten verwendeten zum Teil große Mengen von Stabbrandbomben, so auch in Wien, z.B. im November 1944. Diese Stabbrandbomben waren einige Kilo schwer und durchschlugen die Hausdächer und konnten so den Dachstuhl in Brand setzen. Da die Brandentwicklung jedoch relativ langsam vor sich ging, konnten die auf dem Dachboden aufgestellten Brandwachen in dieser Phase die Stabbrandbomben leicht mit Sand abdecken und so den Brand löschen.
Um dies zu Verhindern versahen die Alliierten ab 1944 ihre Stabbrandbomben mit Sprengladungen, welche dann für die Brandwachen zu eine tödlichen Gefahr wurden.

LG Renato
 

josef

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#9
Brandwache-Unterstand

... auf einem Wiener Dachboden gefunden. ..
:danke Stoffi !

Habe ich auch noch nicht gesehen! Sieht mir irgendwie nach vorgefertigtem Betonfertigteil aus, der an die bestehende alte Feuermauer "angelehnt" wurde bzw. an den Pfeiler rechts angepasst wurde. Eine Splitterschutzzelle am Dachboden eines vielstöckigen Gebäudes aufzustellen, wäre sicher wegen mehrerer Faktoren nicht so leicht gewesen:
- Transport über enge Treppen,
- Gewicht -> Statik der Decke usw.
- Kosten usw. ...

lg
josef
 
#10
Was es alles gegeben hat! Ist das Teil in der Mitte des Unterstandes ein Metallhaken für den Transport oder einfach nur ein Loch? Ist das Stück am Boden einbetoniert?
Sind von innen Beschriftungen oder Hersteller erkennbar?
Stelle ich mir schrecklich vor wenn man damals als Luftschutzwart, Feuerwehrmann, HJ Junge usw. unter einem beidseitig offenen Betonblock hocken zu müssen, während es nicht nur Brand- sondern auch Sprengbomben hagelt!
 
#11
Feuerwehr zu Kriegsende

Ich habe in einem Buch von Rendulic "Gekämpft, Gesiegt, Geschlagen" 1952 Wels etwas interessantes gelesen, das in Widerspruch zum bekannten steht...

Es wird ja als Historisch betrachtet, dass die Wiener Feuerwehr 45 aus Wien abgezogen wurde, um die Stadt nicht schützen zu können.
 

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josef

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#12
Ich habe in einem Buch von Rendulic "Gekämpft, Gesiegt, Geschlagen" 1952 Wels etwas interessantes gelesen, das in Widerspruch zum bekannten steht...
Es wird ja als Historisch betrachtet, dass die Wiener Feuerwehr 45 aus Wien abgezogen wurde, um die Stadt nicht schützen zu können.
Ab Ende 1942 war die Feuerschutzpolizei über die Inspekteure bzw. Befehlshabern der Ordnungspolizei (IdO, BdO) unterstellt, die ihrerseits wieder den „Höheren SS- und Polizeiführern“ unterstanden. Der Abzug 1945 beruht auf einen Befehl Himmlers! Im Bericht von @zwölfaxinger ist der Ablauf (Befehlskette...) klar dargestellt, auch die Evakuierung der Lazarettinsassen usw. ...:
Bezüglich eines Einsatzes der Polizei beim Näherrücken der Front ordnete Himmler, in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Inneren und Chef der Polizei, am 11. Jänner 1945 an:

„Bei angeordneter Räumung sowie
unmittelbarer Feindbedrohung schließen sich die Polizeieinheiten der letzten kämpfenden Truppe an“.


In diesem Runderlass ging Himmler dann speziell auch auf das Feuerwehrwesen ein und befahl:

„Das wertvolle Fahrzeug- und Gerätematerial der FSchP, LS-Pol., Frw. Feuerwehrbereitschaften (mot.) und Freiw. Feuerwehren ist bei unmittelbarer Feindbedrohung durch für den Kampfeinsatz weniger geeignete Kräfte in Auffangstandorte zurückzuführen“.
Diese Anordnung bildete dann auch die Grundlage für den Abzug des FE-Dienstes und der LS-Polizei aus Wien:

Noch am 31. März 1945, also an jenem Tag an dem die Dienststelle des Befehlshabers der Ordnungspolizei Wien ihre Tätigkeit einstellte und sich nach Westen absetzte, wies Generalmajor der Polizei Dr. Bader nochmals auf die strikteste Einhaltung von Himmlers Erlass vom 11. Jänner 1945 hin.

So begann dann in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1945 der Abzug der Polizei aus der Stadt. Endlose Fahrzeugkolonnen der Feuerschutz- und Luftschutz-Polizei setzten sich in Bewegung um sich über die Donaubrücke nach Floridsdorf abzusetzen. Nach einer Irrfahrt von mehreren Tagen, welche die Kolonnen bis ins Waldviertel führten, trafen die Reste der Wiener Feuerwehr, unter der Führung ihres Kommandanten, Oberst der Feuerschutzpolizei Johann Stanzig, am 13. April 1945 beim Konzentrationslager Mauthausen ein, wo die Masse der Fahrzeuge im Steinbruch Wienergraben abgestellt wurde.

...Unbestritten ist jedoch, dass erst der Abzug der Feuerwehr das Entstehen
derart großer Brände, wie sie im Gefolge der Erdkämpfe in Wien entstanden waren, ermöglichte. Die Verantwortung dafür trugen der Reichsstatthalter und Gauleiter Baldur von Schirach, in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar sowie sein Stellvertreter Dr. Dellbrügge, aber auch der Bürgermeister Dr. Blaschke. Sie hatten es in erster Linie zu
verantworten, dass die im Rahmen der Kampfhandlungen entstandenen
Schadensfeuer einen derartigen Umfang annehmen konnten...Doch die für die Stadt Verantwortlichen rührten keinen Finger, als Wien seines Feuerschutzes beraubt wurde. In dieser Stunde der größten Not rächte sich die Militarisierung des Feuerlöschwesens bitter...
Und über die "Objektivität der literarischen Hinterlassenschaft" von Rendulic brauchen wir ja auch nicht weiter zu diskutieren :D

lg
josef
 
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