Ein Rüstungsauftrag der anderen Art:

josef

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#1
Ein Schmiedebetrieb in Molln OÖ. rüstet die "Schweizer Garde" im Vatikan aus:

Vatikan-Rüstungsauftrag - 80 Harnische aus Molln
Die Schmiede der Familie Schmidberger in Molln (Bezirk Kirchdorf) schließt bis Jahresende einen „Rüstungsauftrag“ für den Vatikan ab. Sie stellte 80 Harnische für die päpstliche Schweizergarde her, die „mehr als 100 Jahre halten“.

Die Mollner bekamen den Auftrag auf Empfehlung des Landeszeughauses Graz, anlässlich eines Papst-Besuches 2006 in Mariazell – „da wollte die Landesregierung der Steiermark als Geschenk die Harnische der Schweizergarde aufarbeiten lassen“, so Johann Schmidberger gegenüber dem ORF, der den Zwei-Mann-Betrieb mit seinem Bruder Georg führt.


APA/Schweizergarde
Schweizergarde des Vatikans; alleine in den Helmen stecken 120 Stunden Arbeit

Die Verschleißerscheinungen an den Rüstungsteilen waren aber so stark, dass eine Neuanfertigung überlegt wurde – „und da kamen wir ins Spiel", so Schmidberger.

Rüstungen waren 500 Jahre alt
2009 bekamen dann die oberösterreichischen Handwerker, die noch ganz traditionell arbeiten, den Großauftrag für den Vatikan. Seither stellten sie die Körper und Arme bedeckenden Gala-Harnische her - die letzten Teile werden voraussichtlich im Herbst geliefert, so Schmidberger. „Die Rüstungen halten wieder etliche hundert Jahre.“ Produziert wurden sie nach Schneidermaßen in neun verschiedenen Größen. Die neuen Rüstungen aus Molln sind die ersten seit 500 Jahren.


ORF
Zum Schluss müssen die Teile des Harnisches perfekt zusammenpassen

Der Kommandant bekam einen vergoldeten Offiziersharnisch und war zur Anprobe im Vorjahr in Molln. Er sei sehr beeindruckt gewesen, dass ein so kleiner Betrieb so viele unterschiedliche Dinge herstelle, so Schmidberger.

Folgeauftrag: Helme für Leibwache
Die Schmidbergers haben aber bereits einen Folgeauftrag an Land gezogen: Als nächstes werden die charakteristischen Helme - Morions genannt - der päpstlichen Leibwache in Oberösterreich entstehen, 30 bis 40 Stück an der Zahl.


ORF
Johann Schmidberger

„Schmiedegerechtigkeit“
Die Mollner „Schmidten bei der Lacken“ - so der Originalname der Schmiede - besteht seit dem 14. Jahrhundert. Den Vorbesitzern verlieh Kaiserin Maria Theresia um 1750 das Privileg der „Theresianischen Schmiedegerechtigkeit“.

Im Grundbuch aus dem 18.Jahrhundert findet man die Eintragung: „Auf diesem Hause haftet die Schmiedegerechtigkeit.“ Es wurde nur solchen Meisterbetrieben gewährt, die seit mindestens 200 Jahren ununterbrochen bestanden hatten.

Die Schmiede produziert von Rüstungen über Schwerter bis hin zu Eisengeländern „alles, was historisch ist“, wie Schmidberger es zusammenfasst. „Wir restaurieren auch viel.“

Für Museen, Theater und Sammler
Die Erzeugnisse kommen in internationalen Opern- und Schauspielhäusern - u.a. bei den Salzburger Festspielen oder in der Bayrischen Staatsoper - sowie in Museen, bei Mittelaltermärkten, Turnieren und Schaukämpfen zum Einsatz. Sammler gehören ebenso zu den Kunden wie historische Vereine - und eben der Vatikan.

Schweizergarde - Schutztruppe der Päpste
Die im Regelfall 110 Mann starke Schweizergarde bildet seit einem halben Jahrtausend die militärische Schutztruppe der Päpste. Die Mitglieder kontrollieren die Eingänge zum Vatikanstaat und nehmen Ordnungs- und Ehrendienste wahr. Zudem begleiten sie das Kirchenoberhaupt auf Reisen.

Beitreten können nur unbescholtene, männliche Schweizer Bürger. Sie müssen praktizierende Katholiken sein, in ihrer Heimat den Militärdienst abgeleistet haben und sich für zumindest zwei Jahre verpflichten. Wer Hellebardier werden will, sollte 1,74 Meter oder mehr messen, darf bei Eintritt noch keine 30 Jahre zählen und muss ledig sein. Offiziere und länger gediente Gardisten dürfen heiraten.


Link:
http://ooe.orf.at/news/stories/2835100/
 

josef

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#2
Schweizergarde bekommt Helme aus 3D-Drucker
Gefertigt werden die Helme durch eine Tiroler Firma. Die Herstellungsdauer verkürzt sich von rund 100 auf 14 Stunden
Vatikanstadt – Die päpstliche Schweizergarde erhält neuartige Helme im 3D-Druck-Verfahren. Grundlage ist ein dreidimensionaler Scan des traditionellen frühbarocken Modells aus dem 16. Jahrhundert, wie Kathpress am Samstag meldete.

Anhand der Daten baut ein Spezialdrucker die Helmschale in einem Stück aus schlagzähem und witterungsbeständigem Kunststoff auf. Schutz vor Schussverletzungen bietet der neue Helm ebenso wenig wie sein Vorgänger aus Stahlblech, wie Gardekommandant Christoph Graf bei der Vorstellung am Freitag im Vatikan betonte. Allerdings werden die Helme auch nur bei Wach- und Ehrendiensten als Teil der historischen Uniform getragen.

Gefertigt werden die Helme durch eine Stanser Firma für additive Fertigungstechnik. Gegenüber einem geschmiedeten Stück verkürzt sich die Herstellungsdauer von rund 100 auf 14 Stunden. Die Kosten für ein gedrucktes Exemplar liegen nach Gardeangaben bei 800 bis 900 Euro. Finanziert wurde eine erste Serie von 40 Helmen von privaten Sponsoren, hauptsächlich Einzelpersonen. Spenden für rund weitere 60 Stück sollen eingeworben werden.

Höherer Tragekomfort
Die Initiative zur Fertigung des traditionellen Helms mit innovativer Technik ging von dem Stanser Bauingenieur Peter Portmann aus. Er verwies bei der Präsentation des ersten Kunststoffexemplars auch auf den höheren Tragekomfort durch die Gewichteinsparung und bessere Hitzeeigenschaften. Bei den schwarzlackierten Metallhelmen hatten Gardisten an sonnenintensiven Tagen teils über Brandwunden geklagt. Das Kunststoffmodell absorbiert nicht nur weniger Hitze; in die Helmschale sind auch Belüftungskanäle integriert, die die Stauwärme in den Kamm des Helms ableiten.

Als Traditionsbruch wertete Kommandant Graf die neue Technik nicht. "Wir müssen mit der Zeit gehen", sagte er. Allerdings machte er deutlich, dass die Innovation sich durch einen konkreten Nutzen rechtfertigen müsse. "Eine Hellebarde würden wir nicht aus Kunststoff machen", so Graf. Eine technische Aufrüstung anderer Uniformteile, etwa der Einsatz atmungsaktiver und wasserdichter Stoffe für die Bekleidung, sei auch eine Kostenfrage.

Der sogenannte weiße Helm der Schweizergarde, der zusammen mit dem Brustpanzer hohen Anlässen vorbehalten ist, wird weiterhin von Grund auf aus Eisenblech gearbeitet. Erst vergangene Woche lieferte ein österreichischer Schmiedebetrieb vier solche Gala-Helme in den Vatikan; der Preis pro Stück beträgt laut Garde rund 5.000 Euro. (APA, 5.5.2018)

  • foto: reuters/alessandro bianchi
    Bei den schwarzlackierten Metallhelmen hatten Gardisten an sonnenintensiven Tagen teils über Brandwunden geklagt. Das Kunststoffmodell absorbiert nicht nur weniger Hitze; in die Helmschale sind auch Belüftungskanäle eingebaut.
https://derstandard.at/2000079230410/Schweizergarde-bekommt-Helme-aus-3D-Drucker
 

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#3
Korps der Schweizergarde wird von 122 auf 135 Mann aufgestockt
Im Jänner 2021 wird das Korps der päpstlichen Schweizergarde von 122 auf 135 Mann steigen. Dies sei dem Eintritt neuer Rekruten zu verdanken, teilte die Schweizergarde in einer Presseaussendung am Sonntag mit.
Online seit heute, 18.26 Uhr
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Im Zuge der Reform der Schweizergarde wurden insgesamt 18 neue Kader befördert. Im April 2018 hatte Papst Franziskus im Zuge der Reform der Schweizergarde, neben der Aufstockung des Sollbestandes von 110 auf 135 Mann, auch die Möglichkeit von internen Beförderungen zusätzlicher Kader gewährt.
REUTERS/Remo Casilli
Im Jänner 2021 wird das Korps der päpstlichen Schweizergarde von 122 auf 135 Mann steigen

Schweizer Staatsbürger und praktizierende Christen
Im vergangenen Oktober waren 38 neue Schweizergardisten vereidigt worden. In die Schweizergarde eintreten dürfen nur ledige, männliche Schweizer Bürger zwischen 19 und 30 Jahren, die praktizierende Katholiken sind.
06.12.2020, religion.ORF.at/APA
Korps der Schweizergarde wird von 122 auf 135 Mann aufgestockt
 

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#4
Alte Harnische der Schweizergarde von Experten des Grazer Landeszeughauses restauriert:

Restaurierter Harnisch an Vatikan übergeben
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Der letzte von 83 Harnischen, die in den letzten 13 Jahren vom Landeszeughaus Graz restauriert worden sind, ist am Mittwochabend der Schweizergarde feierlich übergeben worden. Zur Übergabe reiste eine Delegation aus der Steiermark nach Rom.
Online seit heute, 18.08 Uhr
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Die Delegation unter der Leitung von von Landesrat Christopher Drexler überreichte feierlich dem Kommandanten der Schweizer Garde Christoph Graf den letzten restaurierten Feldwebel-Harnisch. Damit wurde offiziell ein Projekt abgeschlossen, das vor 15 Jahren in die Wege geleitet wurde.

„Notdürftige Reparatur“ vor Projektstart
Ein Harnisch besteht aus verschiedenen Stahlteilen, die über Lederriemen und Nieten verbunden sind. Schwachstellen sind Belederung und Nieten sowie Rost. „Bis vor Beginn unseres Projekts wurden die Harnische eher notdürftig repariert“, so der Direktor des Universalmuseums Joanneum Wolfgang Muchitsch im Gespräch mit der APA in Rom. Davor sei die Garde selbst für die Restaurierung der derzeit über 80 Harnische verantwortlich gewesen. Die Notwendigkeit einer fachmännischen Restaurierung sei offenbar nicht bewusst gewesen.

Garde-Kommandant mit steirischen Wurzeln
Die Idee der Unterstützung durch das Landeszeughaus, das die weltweit größte Sammlung antiker Waffen beherbergt, sei bereits 2006 entstanden, weil der damalige Garde-Kommandant Elmar Mäder steirische Wurzeln hatte und schon zweimal das Zeughaus besucht hatte. Die Anfrage von Muchitsch, ob man an Grazer Hilfe interessiert wäre – „weil wir große Erfahrungen mit Harnischen haben“ – sei von Mäder begeistert angenommen worden. Das Besondere sei, dass man Harnische restauriert habe, die noch in Verwendung stehen.

APA/Universalmuseum Joanneum/Anna Fras
Die Restauratoren (v.l.n.r.): Maximilian Mischinger, Raimund Bauer, Johann Weichhart und Thomas Köhler

Muchitsch war vom damaligen Landeshauptmann Franz Voves im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch von Papst Benedikt XVI. in Mariazell am 8. September 2007 angesprochen worden, was seiner Meinung nach ein geeignetes Gastgeschenk für den Papst sei. Spontan fragte Muchitsch den Landeshauptmann, ob dieses Geschenk auch eine Dienstleistung sein könnte, nämlich die Unterstützung der Schweizer Garde bei der Restaurierung ihrer historischen Harnische. Die Idee wurde von Oberst Mäder mit Enthusiasmus aufgenommen, da die Garde keine fachliche Kompetenz für die Restaurierung der Harnische und Waffen wie Schwerter, Hellebarden, Lanzen, Doppelhänder hat. Daraufhin wurde das Projekt in die Wege geleitet.

Rüstung im Vatikan und Graz restauriert
Zeughaus-Mitarbeiter besuchten in den vergangenen Jahren immer wieder das „Rüstungs-Arsenal“ im Vatikan. Kompliziertere Fälle, bei denen z.B. Spezialwerkzeug nötig ist, wurden nach Graz gebracht und hier hergerichtet. Zwei Restauratoren des Landeszeughaus verbrachten in den vergangenen Jahren ein bis zwei Wochen pro Jahr in Rom, um im Arsenal die Harnische zu restaurieren. Die Experten schulten auch Garde-Mitglieder für die Restaurierung kleinerer Schäden ein. Reise- und Personalkosten wurden vom Universalmuseum Joanneum, zu dem das Landeszeughaus gehört, übernommen.

ORF
Der sieben Kilogramm schwere Harnisch gesellt sich nun zu den anderen Ausrüstungen in der Waffenkammer der Schweizergarde

Zusätzlich versuchte man, die Geschichte der Rüstungen aufzuarbeiten. Einzelne Marken wurden gefunden, die frühere Hersteller auf den Harnischen hinterlassen haben. Jede Harnischgarnitur besteht aus fünf Hauptteilen, nämlich Kragen, Brust, Rücken und zwei Armzeugen, und wiegt zwischen sieben und acht Kilo. Diese Hauptteile bestehen selbst aus 20 bis 24 Einzelteilen, die mit Lederriemen und Nieten verbunden sind. Pro Harnisch wurden vom Landeszeughaus 50 bis 60 Arbeitsstunden aufgewendet. Dementsprechend wurden in das Projekt im Zeitraum von 13 Jahren rund 4.500 Arbeitsstunden, rund 560 Arbeitstage investiert.

Dienstleistung als Werbung für Zeughaus
Dabei wurden rund 6.500 Nieten verarbeitet sowie 1.200 Lederriemen als Belederung aus sieben großen Hirsch- und drei großen Rindslederdecken geschnitten. Zudem wurden drei Quadratmeter Rohleinen verarbeitet sowie zwei Kilo Silberlot und vier Kilo Polierpaste verbraucht. „Mit der Übergabe des letzten Harnisch haben wir ein großes Projekt beendet, worüber wir stolz sind. Damit haben wir dazu beigetragen, unser Landeszeughaus noch bekannter zu machen. Wir hoffen, dass es in Zukunft weitere Gelegenheiten der Zusammenarbeit mit dem Vatikan geben wird“, sagte Landesrat Drexler.
12.11.2021, red, steiermark.ORF.at/Agenturen

Link:
Restaurierter Harnisch an Vatikan übergeben
 

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#5
Interview mit dem "Rüstungsschmied" der Schweizergarde aus Molln:

ZWISCHEN DEN ZAHLEN
Schweizergarde-Lieferant Schmidberger: "Eisen ist geduldig"
Seine Schmiede macht Rüstungen für die Schweizergarde, Zugbrücken und Nägel. Johann Schmidberger über 600 Jahre alte Ambosse, KI und Preissteigerungen, die ihn nicht stören.
Johann Schmidberger arbeitet gerade drinnen, in seiner Schmiede im oberösterreichischen Molln, an einem Degen. Zum Gespräch bittet er in die Stube des Schmidberger-Hauses vis-à-vis, die voll ist mit schönen alten Dingen.

Interview:
STANDARD:
Die Schmiede, die Sie und Ihr Bruder hier betreiben, existiert seit 1350 und gehört seit rund 200 Jahren Ihrer Familie. Hätten Sie beruflich überhaupt eine andere Wahl gehabt?

Schmidberger: Unser Vater hat uns zu nichts gezwungen. Er selbst hat Schmied lernen müssen, weil er der Älteste war, er wollte das eigentlich gar nicht. Aber uns hat er gefragt, ob wir das wollen – und wir wollten. Wir waren als Kinder schon in der Schmiede, haben mit fünf, sechs die ersten Verbrennungen gehabt. Für mich war klar, dass ich was Handwerkliches mache. Mit den Händen etwas zu schaffen, das ist schon das Beste, fürs Büro bin ich nichts. Und noch zu unserer Familie: Die Schmidberger-Linie lässt sich bis ins 14. Jahrhundert in die Schweiz zurückverfolgen, zu drei Brüdern, die in dem Ort namens Schmidberg Schmiede waren. Von dort stammt auch unser Name. In Molln taucht der erste Schmidberger 1587 auf.



"Moderne Maschinen brauchen wir nicht": Johann Schmidberger.
Regine Hendrich

STANDARD: Wie die Habsburg-Lothringens: Die Habsburg steht auch in der Schweiz.

Schmidberger: Genau. (lacht)

STANDARD: Sie haben auch zwei Schwestern. Gibt es eigentlich viele Schmiedinnen?

Schmidberger: Es gibt welche. Bei uns hat einmal eine ein Praktikum gemacht, sie hat dann aber später auf Krankenschwester umgelernt. Bitte nicht falsch verstehen, aber man braucht als Schmied schon sehr viel Kraft.

STANDARD: Workout im Fitnessstudio brauchen Sie nicht?

Schmidberger: Nein, Gott sei Dank nicht.

STANDARD: Was ist denn das Faszinierende an Eisen?

Schmidberger: Das Faszinierende am Eisen? Dass es geduldig ist. Mit Eisen kann man mehr machen als mit jedem anderen Material. Ich kann es verformen, in alle Richtungen biegen, wenn es 900 bis 1.300 Grad warm ist, immer wieder daran weiterarbeiten, bis es passt. Ganz anders als etwa bei Holz: Wenn ich mich da verschneide, muss ich's wegschmeißen.

STANDARD: In Schmieden ist es recht dunkel: Damit man an der Farbe des Eisens erkennt, wie heiß es ist?

Schmidberger: Ja, wir erkennen das an der Glühfarbe. Bei 900 Grad ist Eisen kirschrot, das kennen Sie vielleicht vom Grillen, wenn der Schürhaken heiß wird, und es geht bis zur Weißglut bei 1.300 Grad. Da ist es hellgelb und kurz vorm Schmelzen. Beim Damastschmieden arbeitet man genau in dem Bereich.


An der Glühfarbe erkennt der Schmied die Temperatur des Eisens.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie und Ihr Bruder sind je zur Hälfte an Ihrer Offenen Gesellschaft, OG, beteiligt und teilen sich auch die Arbeit. Fürs Damastschmieden etwa, bei denen zwei Stahlsorten verwendet werden, sind Sie zuständig, er für Restaurierungen.

Schmidberger: Genau, jeder hat sein Spezialgebiet und seine Kunden. Mein Bruder ist zum Beispiel Spezialist fürs Restaurieren antiker Schusswaffen und für komplizierte Schließmechanismen antiker Eisentruhen, die feuerfest waren und in denen wichtige Dokumente aufgehoben wurden. Die Schlösser konnte man mit damaligen Mitteln nicht knacken. Und ich hab grad wieder einen Offiziersdegen mit einer Damastklinge an den Vatikan geliefert.

STANDARD: Was ist das älteste Gerät, das Sie noch verwenden?

Schmidberger: Ein Amboss aus der Gotik, der ist rund 600 Jahre alt. Den haben wir aber grad verliehen, der ist bei der Maximilian-Ausstellung in Innsbruck.

STANDARD: 600 Jahre.

Schmidberger: Ja. Was hat heute noch 600 Jahre Bestand? Was hält so lang?


Das Gebäude der ursprünglichen Schmiede, die "Schmidten bei der Lacken", dient als Museum und ist als internationales Kulturdenkmal geschützt.
Regine Hendrich

STANDARD: Beschäftigen Sie Themen wie KI, die Wirtschaft und Leben verändern trotzdem? Welche modernen Mittel nützen Sie?

Schmidberger: Schon, aber es verursacht mir ein eher unangenehmes Gefühl. Es ist schon viel Wissen verloren gegangen, auch im Handwerk. Aber natürlich verwenden auch wir Geräte wie Bohr- oder Schleifmaschine, sonst könnten wir ja nicht wirtschaftlich arbeiten. Wir nützen auch gewisse Fortschritte, wenn wir zum Beispiel Serienteile brauchen, kaufen wir die bei Firmen, die das schneller und günstiger als wir herstellen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch die alten Techniken behalten und anwenden. Moderne Maschinen brauchen wir nicht: Was nützt mir eine computergesteuerte Maschine, wenn ich fürs Programmieren länger brauche, als wenn ich etwas mit der Hand herstelle?

STANDARD: Ihr größter Auftrag ist auch Ihr bekanntester: Sie beliefern seit 2008 exklusiv die Schweizergarde im Vatikan, also die rund 140 Personenschützer des Papstes, mit Harnischen, Helmen, Hellebarden, Degen. Ist der Auftrag schon abgearbeitet?

Schmidberger: Wir arbeiten nach wie vor für die Schweizergarde. Bis jetzt haben wir rund 80 Harnische gemacht, die tragen die Gardisten aber nur zu bestimmten Anlässen, etwa bei ihrer Angelobung.

STANDARD: Die findet immer am 6. Mai im Damasus-Hof statt, Sie waren schon öfter dabei?

Schmidberger: Ja, heuer zum fünften oder sechsten Mal. Ich hab gleich auch zehn Hellebarden, acht Schwerter und drei Offiziersdegen runtergebracht. Es wurden aber wenig Gardisten angelobt, rund 26.

STANDARD: Für die gibt es auch strenge Anforderungen: Genommen werden nur unverheiratete, katholische Schweizer zwischen 19 und 30, die größer als 1,74 Meter sind und sich für mindestens 26 Monate verpflichten.

Schmidberger: Das wollen sie jetzt lockern. Es gibt nicht mehr viel Junge mit entsprechender Motivation.


Die Helme und Harnische der Schweizergarde des Papstes kommen seit 2008 aus Molln und werden an hohen Feiertagen ausgeführt, wie hier zu Weihnachten auf dem Petersplatz.
Imago/Ulmer Pressebildagentur

STANDARD: Haben Sie bei allen Gardisten selbst Maß genommen?

Schmidberger: Wir haben die Schneidermaße bekommen und acht verschiedene Größen hergestellt, damit sie eine Auswahl haben. Für den größten Gardisten, der ist 1,97 Meter, haben wir aber eine Sonderanfertigung gemacht. Jetzt liefern wir ihnen noch Helme. Da hab ich einen Musterhelm geschickt bekommen, und dann musste ich schauen, wie ich den hinkrieg. Ich hab zwei Monate gearbeitet und dann alles wieder weggeworfen, aber irgendwann hat's geklappt. Und vorige Woche hab ich einen Anruf bekommen, dass ich einen Offiziershelm machen muss – der geht nach Amerika.

STANDARD: Nach Amerika?

Schmidberger: Ja, der Großteil der Garde-Ausrüstung wird von Sponsoren finanziert, ein Helm oder ein Harnisch kostet ja rund 5.000 Euro netto. Dieser Helm geht an einen Sponsor, der in den USA ein Museum hat und ihn unbedingt haben will.

STANDARD: Sie arbeiten hundert Stunden an einem Harnisch?

Schmidberger: Ja, auch an einem Helm und bei den Offiziersharnischen haben wir bis zu 400 Stunden Arbeitszeit, weil die sind millimetergenau maßgefertigt und komplett verziert. Da zeichne ich die Entwürfe, frage nach, ob das Muster gefällt, weil man kann da ja nicht irgendwas draufmalen.

STANDARD: Sie könnten ja heimlich kleine erotische Motive eingravieren.

Schmidberger: Na, das tät ich mich nicht trauen. Florale Ornamente kommen drauf, die Wappen des jeweiligen Papstes oder Heiligenfiguren. Und jetzt dürfen sich auch die Sponsoren verewigen lassen, natürlich nur dezent, und der Kommandant muss das genehmigen. Cola-Werbung dürfen wir keine reinmachen, ein Familienwappen schon.

STANDARD: Wer sponsert die Garde, das hat ja keinen Werbewert?

Schmidberger: Es gibt ganz unterschiedliche Sponsoren überall auf der Welt, vom Schweizer Kanton über Großindustrielle, Konzerne bis hin zu Anwälten oder ehemaligen Gardisten. Und in der Waffenkammer, die man besichtigen kann, steht sehr wohl bei jedem Helm dabei, wer den gesponsert hat. Andere machen eine Tierpatenschaft – und bei so einem Schweizergarde-Sponsoring hat man sich vielleicht für 400 oder 500 Jahre verewigt.

STANDARD: Wenn Sie ankommen im Apostolischen Palast: Werden Sie da genau gefilzt?

Schmidberger: Schon lang nimmer. Heuer im Mai hatte ich ein paar Freunde mit, und als wir zum Tor kamen, hat mich der Gardist mit "Hej, unser Waffenschmied!" begrüßt und durchgelassen. Das sind schon Privilegien.

STANDARD: Sie statten auch Theater, Opernhäuser und Filmproduktionen mit Waffen aus, haben Rüstungen für Plácido Domingo als Othello, Klaus Maria Brandauer als Wallenstein und Bruno Ganz als Odysseus geschmiedet. Ich dachte immer, auf der Bühne gibt's Kunststoffschwerter.

Schmidberger: Es ist umgekehrt: In den Theatern muss das Publikum den Ton beim Kämpfen hören, bei Filmaufnahmen kann der nachher eingespielt werden, daher kann man Plastikwaffen nehmen. Für die Schauspieler und Domingo hat mein Vater damals gearbeitet. Der Ärmste war sicher Brandauer: Er ist Stunden in unserer Rüstung auf der Bühne gestanden, "Wallenstein" dauert ja so lang. Das war sicher nicht lustig. In Genf haben wir für den gesamten "Ring der Nibelungen" alle Requisiten gemacht, von den Waffen bis zu den Schmiedehämmern – die aber hohl sein mussten, damit sie nicht zu schwer sind. Das war auch ein verrücktes Projekt.


Das Restaurieren von antiken Eisentruhen mit ihren hochkomplizierten Schlössern ist vor allem die Aufgabe von Georg Schmidberger.
Regine Hendrich

STANDARD: Was war denn Ihr schrägster Auftrag?

Schmidberger: Wir haben für den Künstler Günter Kaltenecker vor der Schmiede eine acht Meter hohe Skulptur angefertigt, die in Losenstein im Ennstal steht. Gefertigt ist die aus den Überresten der Elisabeth-Brücke in Losenstein, die die Deutschen im Krieg gesprengt haben und die Kaltenecker geborgen und aufgehoben hat.

STANDARD: Und für wen haben Sie die Zugbrücke gebaut?

Schmidberger: Für jemanden, der sein Unternehmen verkauft und sich dann hier in der Nähe eine Burg hingestellt hat. Für die haben wir fast zwei Jahre lang alle Schmiedeeisen-Arbeiten gemacht, von den Türbeschlägen bis hin zur Zugbrücke. Die kann man per Fernbedienung öffnen und schließen, die ist vier Tonnen schwer.


2007 haben Johann und Georg Schmidberger die Schmiede von ihren Eltern übernommen. Der Vater ist 2019 gestorben, Mutter Hildegard hilft mit.
Regine Hendrich

STANDARD: Wie sehr treffen Sie eigentlich die Preissteigerungen?

Schmidberger: Das Gute ist bei uns, dass der Großteil der Wertschöpfung in unserer Arbeitszeit steckt. Ein Helm wiegt ein Kilo. Ein Kilo Eisen kostet drei Euro. Wenn der Preis auf 3,50 Euro steigt, ist das eigentlich egal. Die Energiekosten und die Lieferzeiten treffen uns natürlich schon. Für die Fechtklingen, die ich gerade schmiede, brauche ich einen speziellen Stahl, den hab ich früher binnen zwei Wochen nach der Bestellung bekommen. Den such ich seit einem Jahr in ganz Europa, jetzt macht ihn die Voest für mich. Normalerweise bestelle ich von dem Stahl 100 bis 200 Kilo, jetzt muss ich eine halbe bis eine Tonne nehmen. Sonst greift die Voest den Auftrag nicht an. Das reicht dann halt für drei, vier Jahre.

STANDARD: Sie arbeiten mit Ihrem Bruder Georg und Ihrem Neffen Maximilian als Lehrling, erzeugen alles vom Nagel übers Grabkreuz bis zur Zugbrücke für Burgherren. Wollen Sie mit dem Betrieb noch weiterwachsen?

Schmidberger: Nein, ich bin zufrieden, unsere Auslastung ist ideal. Wären wir mehr Leute, müssten wir bei jeder Ausschreibung und jedem Preiskampf mitmachen, das würde dem Spaß an der Arbeit schaden.

STANDARD: Sie sind groß genug?

Schmidberger: 1,87 Meter. (lacht)

(Renate Graber, 23.7.2023)

ZUR PERSON
Johann Schmidberger (40) ist seit 2007 Geschäftsführer der Schmiede in Molln, in der er mit seinem Bruder Georg (39) und dessen Sohn, Lehrling Maximilian, arbeitet. Gelernt hat er in der seit 200 Jahren familieneigenen Schmiede. Drei Jahre arbeitete er in einem Werkzeugbaubetrieb, 2007 übernahmen die Brüder (es gibt drei weitere Geschwister). Der Schmiedemeister hat eine Tochter (18) und einen Sohn (12), der "nach jetzigem Stand einmal bei mir arbeiten will".

ZUM UNTERNEHMEN
Die Johann & Georg Schmidberger OG gehört dem gleichnamigen Brüderpaar. Die "Schmidten bei der Lacken" im oberösterreichischen Molln gibt es seit 1350. Neben herkömmlichen Kunstschmiedearbeiten werden Waffen, Harnische, Eisentruhen samt Schlössern hergestellt sowie Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Seit 2008 beliefert die Schmiede die Päpstliche Schweizergarde mit Ausrüstung. Der Jahresumsatz liegt bei rund 120.000 Euro.

Schweizergarde-Lieferant Schmidberger: "Eisen ist geduldig"
 
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