Damit kann man vielleicht bald schon von Sigmundsherberg nach Zellerndorf fahren: Rupert Öhlknecht würde gerne eine Draisinenstrecke als Touristenattraktion anlegen.
FOTO: Paul Horntrich
Die interessante Vergangenheit des Bahnstandortes Sigmundsherberg und die Geschichte der Franz-Josefs-Bahn können im Waldviertler Eisenbahnmuseum Sigmundsherberg bestaunt werden.
Im Eisenbahnmuseum kann man sich auch über das Kriegsgefangenenlager Sigmundsherberg informieren, in dem im Ersten Weltkrieg tausende Italiener untergebracht waren.
Ältere können sich vielleicht noch an den eleganten Vindobona erinnern: Rot-weiß lackiert und mit langer Schnauze verband der Hingucker-Zug lange Zeit Wien, Prag und Berlin und prägte die Geschichte der Franz-Josefs-Bahn. Wenn alles glattgeht, gibt es 2024 ein Wiedersehen: Rupert Öhlknecht vom Eisenbahnmuseum Sigmundsherberg will den legendären Zug wieder ins Waldviertel holen.
Rupert Öhlknecht, Gründer des Eisenbahnmuseums Sigmundsherberg, kam 1970 als Dampflokführer hierher. Als das Dampflokzeitalter 1973 vorbei war, hieß es, auch der Standort Sigmundsherberg werde nicht mehr gebraucht. Die ÖBB wollten sich zurückziehen, das Aus des Bahnhofs stand im Raum. Öhlknecht, schon damals begeisterter Eisenbahner, fasste den Entschluss, eine Sammlung aufzubauen. Sein Ziel: Die lange Geschichte des Eisenbahnstandorts Sigmundsherberg zu dokumentieren. „Ich wollte den Alltag der Eisenbahn darstellen“, so Öhlknecht zur NÖN über seine damalige Motivation. Die Geschichte der Marktgemeinde sei so innig mit der Franz-Josefs-Bahn verstrickt, es wäre eine Schande gewesen, hier nichts zu tun, erzählt der Eisenbahnfan Öhlknecht.
Schwieriger Start: Viel Engagement gefragt
Die ersten Jahre gestalteten sich schwierig, auch war lange unklar, wie es mit dem Bahnhofsareal weitergehen würde, berichtet Öhlknecht. Mit großer Beharrlichkeit setzte sich der Museumsgründer aber durch und konnte schließlich klare Verhältnisse schaffen. Die alten Hallen wurden unter Denkmalschutz gestellt und Öhlknecht konnte mit der Einrichtung seines Museums beginnen. 1982 war es dann soweit: Die ersten Ausstellungsräume wurden eröffnet und von Anfang an gut angenommen. Nun ging es Schlag auf Schlag. Öhlknecht setzte jährlich Ausstellungen um, organisierte Oster- und Adventmärkte, später ein Sommerfest, und arrangierte Fahrten mit Sonderzügen. 1994 wurde der Verein gegründet, der bis heute hinter dem Museum steht. Derzeit umfasst der Verein 280 Mitglieder. 2004 wurde ein neues Museumsgebäude geplant, das 2010 feierlich eröffnet werden konnte.
Das Museum bietet seinen Besuchern einiges. Öhlknecht hat eine enorme Menge originaler historischer Gegenstände zusammengetragen, die die Geschichte der Eisenbahn im Waldviertel dokumentieren. Im Erdgeschoß gibt es eine schier unglaubliche Menge an Exponaten zu bestaunen. Egal ob alte Lampen, Fahrscheine, Stellwerke oder der Nachbau eines Fahrdienstleiterbüros – hier kann man in die Geschichte der Eisenbahn eintauchen wie kaum sonst wo. Im Obergeschoss wird ein historischer Überblick der Eisenbahngeschichte von der Monarchie bis in die Zweite Republik geboten. Und in der alten Halle kann man sich dann auch originale Diesel- und Dampflokomotiven ansehen, die zu besonderen Anlässen auch für Sonderfahrten genutzt werden. Eine besondere Überraschung ist Museumskatze Susi. Sie ist Rupert Öhlknechts treue Begleiterin und fühlt sich in den Ausstellungsräumen pudelwohl.
Von Draisinen bis zu Dampfloks
Auch Zukunftspläne hat Museumsgründer Öhlknecht schon. Zum einen will er die alte Dampflok Christophorus herrichten und wieder fahrtauglich machen. Derzeit steht diese am Wartungsgleis im Museum. In ungezählten Arbeitsstunden und „mit möglichst viel Eigenleistung, um die Kosten gering zu halten“, wie Öhlknecht der NÖN erzählt, werde die Lok nun Schritt für Schritt modernisiert. „Eine echte Dampflokomotive macht einfach etwas her und das zieht Leute an“, meint der Museumsbetreiber. Christophorus ist der Schutzheilige der Reisenden und hat einen besonderen Bezug zu Sigmundsherberg: Hier ist nicht nur die Pfarre nach ihm benannt, es gibt mittlerweile auch eine ganze Siedlung gleichen Namens. Dass nun auch die Dampflokomotive Christophorus hergerichtet werde, liege auf der Hand, so Öhlknecht.
Ein weiteres Projekt, das er gerne umsetzen würde, sei die Einrichtung einer Draisinenstrecke zwischen Sigmundsherberg und Zellerndorf. Dass das funktionieren kann, zeigt beispielsweise die Weinvierteldraisine, mit der Touristen seit 2007 zwischen Ernstbrunn und Asparn an der Zaya fahren können. Die etwa 15 Kilometer lange, landschaftlich schöne Strecke von Sigmundsherberg nach Zellerndorf habe das Potenzial, diese Art des sanften Tourismus auch im Waldviertel zu etablieren, glaubt Öhlknecht.
Mit dem Vindobona zurück in die Zukunft
Zur Wiederbelebung der Franz-Josefs-Bahn meint Öhlknecht: „Das ist optimal.“ Er freut sich, dass die Strecke, die Sigmundsherberg einst mit den großen Metropolen verband, wieder aufgewertet werden soll. Daher liegt ihm auch ein drittes Projekt besonders am Herzen. Er will den alten und mittlerweile legendären Vindobona, der einst auf der Franz-Josefs-Bahn verkehrte, wieder nach Sigmundsherberg bringen. Die Baureihe VT 18.16. wurde in der ehemaligen DDR gefertigt und fuhr lange Jahre zwischen Wien, Prag und Berlin. Eisenbahnfans bewundern die auch als DDR-ICE bezeichnete Baureihe, die ursprünglich in den 1960er Jahren entwickelt und gebaut wurde, bis heute wegen ihres zeitlos-modernen Designs. Und tatsächlich: Derzeit wird eine alte Garnitur im deutschen Halberstadt modernisiert und soll bald wieder fahrtauglich sein. Dem Museumsgründer schwebt vor, den Vindobona für das Franz-Josefs-Bahnfest 2024 von Berlin nach Sigmundsherberg zu bringen und für Sonderfahrten zu nutzen. Denn die Bahn hat nicht nur eine lange Geschichte, sondern vor allem eine blühende Zukunft.
Sigmundsherberg und der Erste Weltkrieg
Im Bahnmuseum kann man aber nicht nur die Geschichte des Eisenbahnstandortes Sigmundsherberg kennenlernen. Ein Teil der Ausstellung widmet sich auch dem Kriegsgefangenenlager Sigmundsherberg, das 1915, während des Ersten Weltkriegs, gegründet wurde. Auch hier spielte die Bahn eine bedeutende Rolle. Aufgrund der Anbindung an die Franz-Josefs-Bahn machte es logistisch besonderen Sinn, ein derartiges Lager hier anzulegen. Im Lager waren vor allem Italiener inhaftiert. Zu Spitzenzeiten beherbergte es mehrere Zehntausend Häftlinge. Nach Kriegsende wurde das Lager 1919 geschlossen. Im Eisenbahnmuseum kann man nicht nur originale Einrichtungsgegenstände der Lagerbaracken ansehen, sondern auch viele Originalaufnahmen oder das eigens angefertigte Lagergeld, mit dem die Inhaftierten damals im Lager zahlten.
Links:
Waldviertler Eisenbahnmuseum Sigmundsherberg – Herzlich Willkommen
WK I - Kriegsgefangenenlager Sigmundsherberg