Französische "Kanonenlok" aus 1. WK kehrt nach 100 Jahren in die Heimat zurück

josef

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#1
Eine motorgetriebene Normalspurlok aus dem 1. Weltkrieg kehrt nach jahrzehntelanger Anwesenheit in Österreich in ihre Heimat Frankreich zurück.

Die ursprünglich 44 t schwere, 1914 als "Locotracteur ALVF-Crochat“ gebaute Lok, wurde bei den Artillerieeinheiten der französischen Armee zur Beförderung von Eisenbahngeschützen eingesetzt. Die 12,90 m lange und damals mit 2x120 PS Benzin-Motoren bei Achsfolge Bo'Bo' ausgestattete Lok konnte mit nur 2,1 m Drehgestellabstand ganz enge Kurven befahren. Bei einer Geschwindigkeit von 5 km/h bewegte sie immerhin 1.500 t, bei 15 km/h noch 500 t.

Jedenfalls überstand die „Kanonenlok“, oder wegen ihrer eigenwilligen Form auch als „Bügeleisen“ bezeichnete Lok, die Folgen des 1. Weltkrieges sowie die Zwischenkriegszeit und kam als „Kriegsbeute“ im WKII zur Deutschen Wehrmacht oder Reichsbahn… Jedenfalls befand sie sich zu Kriegsende 1945 am Gelände des Wiener Nordbahnhofes.

1953 kaufte die Firma Gebus die Lok und ersetzte die beiden Benzinmotoren durch zwei Sechszylinder-Viertaktdieselmotoren mit 2 x 100 PS Leistung bei 1500 U/min, die weiterhin die Gleichstromgeneratoren der Firma Henry Crochat antrieben. Die so umgebaute Lok wurde von Gebus an die Papierfabrik Nettingsdorf in OÖ. verkauft.

Nach Anschaffung einer neuen Diesellok in Nettingsdorf stand die „Kanonenlok“ ab 1977 am Firmengelände der damaligen Bahnbaufirma „Schmidt & Metzger“ in Trumau (NÖ.) herum. Danach war sie einige Zeit beim „ Österreichischen Eisenbahn- und Straßenbahn-Klub (ÖSEK)“ und ab 1996 beim „Verband der Eisenbahnfreunde (VEF)“, welcher die Lok im Museum in Schwechat hinterstellte.

Nach einem Bericht im „Eisenbahnforum Österreich (EBFÖ)“ wurde die historische Lok diese Woche per Tieflader in ihre ursprüngliche Heimat nach Frankreich gebracht…

Bei einem Besuch im Eisenbahnmuseum Schwechat 2010 machte ich einige Aufnahmen. Leider aus nicht optimalen Sichtwinkel, da die Lok in einem Verband von mehreren Schienenfahrzeugen eingebunden war...
 

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josef

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#3
Verbleib 2. franz."Kanonenlok" aus WKI in Österreich

Ist bekannt, was mit der zweiten Lok passierte, von der in einem der Bildanhänge die Rede ist?
Hallo Thomas,
hier ein Beitrag vom Forum "Drehscheibe" aus 2008 - dürfte sich um die 2. in Österreich gefundene (verbliebene) Lok handeln:
Noch eine Crochat-GEBUS-Lok...

geschrieben von: Matthias Maier
Datum: 14.02.08 01:39

Hallo zusammen,

...die gab’s übrigens bei der Österreichischen Mineralölverwaltung ÖMV:

GEBUS-Nr. 566; Baujahr 1957; Type DGL54b
Sie war zunächst in Dobermannsdorf eingesetzt, dann in Lobau und zum Schluß in Neusiedl. Ausgemustert wurde sie dann 1968, über den weiteren Verbleib ist mir nichts bekannt.

Hallo Stefan,
Zitat:
Also der uns bekannte Lebenslauf der "Kanonen"-Lok:
1916? 1917 ? Französische Artillerie
? 1953 GEBUS ? oder 1956 direkt an Nettingsdorf ?
1956 Papierfabrik Nettingsdorf; Umbau GEBUS Nr. 559/1956 Type DGL 54 von Benzin auf Dieselelektrisch
1976 ÖFM
die Typenbezeichnung DGL54 spricht m.E. dafür, daß der Umbau der Crochat-Lokomotive schon um 1952 in Angriff genommen wurde

DGL steht für Diesel-Gleichstrom-Lokomotive
die Nummern dahinter wurden mit jeder neuen Type erhöht, teilweise sind Lücken geblieben, um später Weiterentwicklungen / verwandte Typen einreihen zu können. Laut GEBUS-Lieferliste wurden 1951 schon die Typen DGL51 und DGL52 erreicht; 1952 dann die Typbezeichnung DGL58 vergeben und im Anschluß die 60er-Reihe verwendet. Das bedeutet, daß auch in diesem Zeitraum eigentlich die DGL54 schon zumindest in Planung gewesen sein müßte, was bei gerade dieser Lok bedeutet, daß die Hardware auch vorhanden gewesen sein sollte...
Zitat:
mit je einem Gleichstrom-Generator mit Gebusverhalten gekuppelt. ( :)was immer das Gebusverhalten sein mag.... ?? funktioniert - funktioniert nicht- funktioniert-....?? :)
das wird’s wohl nicht gewesen sein, sonst hätte das System kaum so eine weite Verbreitung gefunden :)

Zur Erläuterung muß ich ein bißchen weiter ausholen. Das System GEBUS wurde von dem Salzburger Moriz Gelinek entwickelt. Der war im I. Weltkrieg nach mehreren (auch bahnbezogenen Stationen) bei den Heeresfeldbahnen in Albanien gelandet, hier hat er aus Heeresbeständen die erste Lokomotive nach seinem System mit dieselelektrischem Antrieb konstruiert. Nach dem Krieg hat er diesen Ansatz dann weiter entwickelt und 1920/1921 die erste Lokomotive gebaut.

1923 wurde dann GEBUS-Lokomotiven-Gesellschaft in Salzburg gegründet – der Name GEBUS entstand aus den Anfangsbuchstaben der Gesellschafternamen Gelinek, Buchleitner, Strizek. Ab 1924 meldete Gelinek mehrere Patente an, von denen von besonderer Bedeutung das erste war zum Prinzip der Motorlokomotive mit elektrischer Kraftübertragung, weil dieses System eine stufenlose Regelung der Kraftübertragung und Geschwindigkeit ermöglichte im Gegensatz zu den damals üblichen mechanischen Antrieben. Von den weiteren Patenten ist das zur Elektrische Kraftübertragung mit automatischer Leistungsregulierung für Fahrzeuge hervor zu heben.

1928 wurde nach dem Ausscheiden von Buchleitner der Firmensitz der jetzt GEBUS-Lokomotiven-Konstruktions- und Vertriebsgesellschaft nach Wien verlegt. Wurden bis 1928 gut 800 Lokomotiven gefertigt, die vor allem in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei zum Einsatz kamen, wurde nun der Handel mit Lizenzen zum Hauptgeschäftszweig. Es wurden aber auch weiterhin Lokomotiven gebaut. In den folgenden Jahren kam das System bei vielen europäischen Triebfahrzeugen namhafter Fahrzeughersteller zum Einsatz: so z.B. in Österreich bei der Baureihe 2041/s (2091), VT 42 (5042), VT 43 (5043), beim Fliegenden Hamburger aber auch Schnelltriebwagen in Frankreich und den Beneluxstaaten oder den dänischen ML 84-99 (ML 501-515) von 1929.

Die stufenlose Regelung und die automatische Leistungssteuerung waren es wohl, die das System GEBUS seinerzeit so erfolgreich machten. Gerade ersteres schadet ja beim Verschub oder auf den unebenen Gleisen von Wald- und Feldbahnen nicht, wofür die von GEBUS selbst gebauten Maschinen hauptsächlich verwendet wurden, und ist wahrscheinlich das angepriesene GEBUS-Verhalten.

Weiter gehende technische Informationen liegen mir leider nicht vor, außer das wohl Nebenschlußgeneratoren verwendet wurden.

Auf alle Fälle haben in dieser Crochat-GEBUS-Kombination zwei Pioniere zusammen gefunden. Das wär schon was, wenn er sie wieder zum Laufen bringen könntet.

evtl. ist das System hier ausführlicher beschrieben:
Amt der Salzburger Landesregierung, Schriftenreihe des Landespressebüros, Sonderpublikation Nr. 127
Moriz Gelinek Leben und Werk – Der Salzburger Eisenbahn - Pionier
Herausgeber: Dr. Roland Floimaier
Verleger: Land Salzburg, 1996
ISBN: 3-85015-146-8

Gruß, Matthias
http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,3664167,page=all
 
H

Herbert

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#4
Hallo!
Zum Thema passend, Bilder der Verladung am 19.11.2014 an der AB der Fa.Air-Liquide in Schwechat. Diese AB wird durch das Gelände des Eisenbahnmuseum Schwechat bedient und befindet sich dort gleich nebenan.
Eine belgische Sondertransportfirma erledigt die Fahrt Richtung Frankreich per LKW.
Einiges dazu auch noch hier im Eisenbahnforum zu sehen.
http://www.bahnforum.info/smf/index.php?topic=165388.0
Die letzte Aufnahme zeigt die Lok im Jahr 1997 abgestellt am damaligen Bahnhof Simmering Zentralfriedhof. Ein paar Jahre später stand sie auch noch geraume Zeit, versteckt hinter einem Betriebsgebäude auf den bereits eingestellten Streckengleis unmittelbar vor Einfahrt in den Bahnhof Klein Schwechat. Gr. Herbert
 

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JW200

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#7
Hallo,

kleine Korrektur:

Die Lok kam 1996 nach dem Ausbau des Zahnrades einer Vorgelegewelle direkt vom Bahnhof "Leichenhalle" (=Zentralfriedhof) ins Museum. In einer heißen Sommernacht während einer extremen Gelseninvasion...

Anbei ein Foto von Herrn Mag. pharm. A. Luft aus 1951-52




Grüße

Stefan
 
#8
Ich möchte hier jetzt nichts Falsches behaupten, aber ich bilde mir ein genau so eine Lok vor 3 Jahren in Linz in Schwarz Lackiert gesehen zu haben. Bin gerade schwer am Grübeln...
 
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