Gerichtszeichner

josef

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Gerichtszeichner bei Terrorprozess
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Was innerhalb von Gerichtssälen passiert, darf meistens nicht von Kameras verfolgt werden – Zeichnungen hingegen sind erlaubt. Für den Terrorprozess in Wien wurde aufgrund des großen Interesses der Gerichtszeichner Gerald Hartwig engagiert.
Online seit gestern, 19.05 Uhr
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Bei großen Gerichtsprozessen wie etwa dem Terrorprozess sind Kameraaufnahmen meistens nur vor und nach der Verhandlung zulässig. Die Zeichnungen von Hartwig sind das einzige Bildmaterial, das den Schwurgerichtssaal beim Terrorprozess verlassen darf und in Medienberichte einfließt. „Wenn man nicht weiß, was drinnen ist, möchten die Leute wissen, was drinnen passiert. Also versuche ich, die Stimmung darzustellen“, so Hartwig gegenüber „Wien heute“.

Somit sehe die Öffentlichkeit, was hinter den geschlossenen Türen passiert. Hartwig fokussiert sich bei seiner Arbeit auf Gesichtsausdrücke, kleinste Details, imposante Erscheinungen – versucht, das Geschehen in Zeichnungen festzuhalten. Die Pausen während des Prozesses nutzt er zum Kolorieren der Skizzen.

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Gerichtszeichner als aussterbender Beruf
Gerichtszeichner wie beim Terrorprozess gibt es nur noch sehr selten, oft reichen den Medien die Aufnahmen vor und nach dem Prozess. Demnach kann er von dem Job auch nicht leben – unterrichtet hauptberuflich an einer Schule in Graz Kunst und Design. In Amerika ist das ganz anders. „In Amerika gibt es diesen Beruf tatsächlich, die sind aber vom Gericht angestellt. Ich denke aus archivarischen Gründen“, sagt Hartwig.

Während er in den Pausen vor dem Verhandlungssaal sitzt und den Zeichnungen Farbe verleiht, erklärt er: „Das war der Moment, wo die Justizwachebeamten noch neben dem Angeklagten stehen, gerade beim Reinkommen. Das war irgendwie spannend dynamisch, weil sie auch die anderen Angeklagten beobachtet haben.“

Fotostrecke mit 6 Bildern
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Die Justizwache beim Hineinbringen einer der Angeklagten mutmaßlichen Unterstützer des Terror-Attentäters
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Einer der Verteidiger bei seinem Plädoyer

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Eindrücke aus dem Gericht

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Zwei der Angeklagten

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Ein Justizwachebeamter und dahinter die Richterin, die nicht erkenntlich gezeichnet werden darf

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Ebenso darf auch die Staatsanwältin nur skizziert/unkenntlich dargestellt werden

„Bitte nicht zu blad zeichnen“
Der Fokus beim Prozess rund um sechs mutmaßliche Unterstützer vom Wien-Attentäter liegt auf den Angeklagten und den Verteidigern. Aber auch der Gerichtszeichner muss Grenzen ziehen: „Die Staatsanwältin darf ich nicht darstellen, oder zumindest nicht so, dass sie erkenntlich ist“, erklärt der Zeichner.
Das Gleiche gilt für Geschworene, diese dürfen und wollen auch nicht gezeichnet werden. „Dem Wunsch muss man entsprechen, weil das eine Anonymitätsgeschichte ist. Die Richter in dem Fall auch nicht, bei den Anwälten nicht, weil die sind ja schon interviewt worden. Die mögen das ja auch, dass man ihr Gesicht sieht. Ich wurde nur aufgefordert, dass ich einen nicht zu blad (also dick) zeichne, da habe ich gesagt: ‚Schau ma mal‘. Das war lustig.“

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Emotionen fließen in Zeichnungen ein
Von den brutalen Inhalten, die in vielen Prozessen geschildert werden, will er sich persönlich aber distanzieren. „Emotionen sollen und müssen ja auch in die Zeichnungen einfließen“, betont der Grazer. Für ihn ist das Zeichnen in Prozessen eine „Notwendigkeit“. Ein Stift müsse hier die Kameras, die Linsen, ersetzen.
Wichtig dabei sei das schnelle Erfassen von Gesichtern und Situationen. Die größte Herausforderung sei, einen guten Blickwinkel zu bekommen. Lernen könne man das aber nicht wirklich. „Ohne überheblich wirken zu wollen“, betont Hartwig, dass das „etwas ist, wo man sagt, es liegt einem Menschen, schnell Gesichter und Situationen zu erfassen, oder eben nicht.“ Für den Terrorprozess in Wien ist ihm das schon gelungen.
02.12.2022, Carmen Ludwig, wien.ORF.at
Gerichtszeichner bei Terrorprozess
 
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