Gitarrenbauwerkstatt

josef

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Gitarrenbau: Zwischen Holzarbeit und Kunst

Gegenüber der Grazer Hochburg der darstellenden Künste und Musik, der Kunstuni Graz, befindet sich die Gitarrenbauwerkstatt von Christoph Seewald. Einzigartig in Graz erhält er hier Altes und kreiert Neues.

„Selbstständig sein ist kein Kindergeburtstag, und dafür gönnen wir uns ein bisschen einen Luxus“, lacht Christoph Seewald - mit dem „Luxus“ meint er die Musik, die er während seiner Arbeit hört und die bis vor die Türe der Gitarrenbauwerkstatt tönt. Seine Musiksammlung lässt auf einen vielseitigen Musikgeschmack schließen: Von Prince über Jeff Buckley bis hin zu Amy Winehouse ist alles dabei.

Der 32-jährige Grazer begann mit sechs Jahren, Gitarre zu spielen. Nach einem abgebrochenen Volkskundestudium an der Uni Graz, hielt er nach einer Lehrstelle im Instrumentenbau Ausschau - die Suche blieb aber erfolglos. Daher entschied sich Christoph Seewald dazu, eine Ausbildung in Gitarrenbau in der Berufsfachschule für Instrumentenbau im oberbayerischen Mittenwald zu absolvieren. Seit Ende 2015 betreibt er nun in der Grazer Brandhofgasse seine eigene Meisterwerkstatt, die er von dem Geigenbauer Edmund Resch übernommen hatte.


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Christoph Seewald bei der Arbeit in seiner Werkstatt

Von der Fachzeichnung zum spielfertigen Instrument
Als erster Schritt wird eine Fachzeichnung von der Gitarre angefertigt, die entweder von dem Gitarrenbauer selbst oder von dem künftigen Besitzer der Gitarre gezeichnet wird.

Ganz besonders wichtig bei dem Bau der Gitarre ist die Auswahl des richtigen Holzes - dabei gilt wie beim Rotwein: Je älter, desto besser. Zumeist wird das Holz über zehn Jahre gelagert, bevor es im Gitarrenbau Verwendung findet. „Ich muss das Holz auch hier in der Werkstatt akklimatisieren lassen, bevor ich es verbaue“, erklärt Christoph Seewald.


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Der Grazer Gitarrenbauer versucht, bei seinen Instrumenten nur heimische Holzarten zu verarbeiten

Fichtenholz eignet sich aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften - wie dem geringem Gewicht in Kombination mit einer hohen Steifigkeit - vor allem für die Decke der Gitarre, die hauptverantwortlich für den Klang des Instruments ist. Für den Boden und die Seitenteile wird zumeist höher belastbares Hartholz wie Eiche oder Esche verwendet.

Traditionelle Handwerkskunst
Hals und Korpus werden getrennt voneinander gefertigt und anschließend verbunden. Traditionell wird dafür mit Warmleim, der aus tierischem Bindegewebe gewonnen wird, gearbeitet - dieser besitzt die für den Instrumentenbau wichtige Eigenschaft der Wasserlöslichkeit: Dadurch können Instrumente wie die Geige oder Gitarre immer wieder geöffnet werden, ohne dass es zu Beschädigungen des Klangkörpers kommt.


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In seiner Meisterwerkstatt in der Brandhofgasse kümmert sich Christoph Seewald vor allem um die Reparatur verschiedenster Saiteninstrumente

Heute wird aber vor allem Kalt- und Weißleim für das Verbinden der einzelnen Gitarrenteile verwendet.

„Jeder Auftrag ist irgendetwas Abgefahrenes“
Bis zum Schluss bleibt der Bau einer Gitarre spannend, denn „das was das Allerwichtigste ist an der Gitarre, und zwar wie sie klingt, das eröffnet sich erst ganz zum Schluss“, meint der Gitarrenbauer.

Eine jede handgefertigte Gitarre ist ein Unikat: „Seit ich da bin, war noch nie zweimal ein ähnlicher Auftrag, es ist immer irgendetwas Abgefahrenes“, so Christoph Seewald. Gerade arbeitet er an einer Baritongitarre, die durch ihren übergroßen Korpus sowie ihrem überlangen Steg besonders hervorsticht.


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Neubau Baritongitarre von Christoph Seewald

Der Prozess von der Anfertigung der Fachzeichnung bis hin zur spielfertigen Gitarre dauert rund zwei Monate: „Vom Holzknecht bis zur filigransten Mosaikarbeit ist alles dabei“, erfreut sich der Geigenbauer an seinem vielseitigem Handwerk.

Unverhofft kommt oft
Seit knapp einem Jahr arbeitet Christoph Seewald nicht mehr alleine in seiner Werkstatt: Im Juli 2017 kam Abbas zunächst für ein einwöchiges Praktikum zu ihm.

Der 17-jährige war mit 13 Jahren aus seinem Heimatland - dem Iran - nach Österreich geflüchtet. Im SOS-Kinderdorf hielt er seine erste Gitarre in der Hand und war fortan begeistert. „Ich habe mich irgendwann dafür interessiert, wie die klingt und habe dann einfach die Gitarre ausgeborgt und gespielt“, so Abbas. Immer mehr hat er sich dann dafür interessiert, was hinter den Klängen steckt, wie man eine Gitarre baut. „Ich habe im Iran noch nie davor eine Gitarre gesehen, ich habe nicht gewusst, was das für eine Musik ist“, erzählt Abbas weiter.


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Abbas baut gerade seine erste spanischen Konzertgitarre

Mithilfe finanzieller Unterstützung von Freunden sowie dem AMS, konnte Christoph Seewald eine Lehrstelle für Abbas auf die Beine stellen. Mit seiner Geschichte möchte er zudem ein Zeichen setzen: „Menschen, die zu Menschen, vor welchen sie Angst haben, Kontakt haben, haben danach keine Angst mehr“, so Seewald.

Link:
Publiziert am 13.05.2018
http://steiermark.orf.at/news/stories/2911359/
 
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