Hallstatt - prähistorisches Salzbergwerk

josef

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#1
Hallstatt - 3000 Jahre alte Stiege im prähistorischen Salzbergwerk
Schaustelle für älteste Stiege Europas

Vor zehn Jahren wurde im Hallstätter Salzberg die älteste Stiege Europas entdeckt. Wissenschafter wollen die 3.000 alte Treppe jetzt übersiedeln, um sie für die Nachwelt zu erhalten und auch für Besucher zugänglich zu machen.

Die Stiege liegt rund 100 Meter unter der Erdoberfläche im prähistorischen Salzbergwerk, wo vor 3.500 Jahren Salz abgebaut wurde. Die aus Fichten- und Tannenholz gefertigte Treppe ist acht Meter lang und 1,20 Meter breit und gewährt einzigartige Einblicke in die Industrie, Wirtschafts- und Technikgeschichte von damals. Sie ist nur wenig älter als der ägyptische Pharao Tutanchamun.

Archäologen des Naturhistorischen Museums
Die Erforschung der Holztreppe bildet seit Jahren den Forschungsschwerpunkt eines Archäologen-Teams des Wiener Naturhistorischen Museums. Genau vermessen und mit Laserscannern dreidimensional erfasst, mussten die Wissenschafter allerdings feststellen, dass die Stiege unter dem Druck des Gesteinsmassiv erheblich leidet. Auch Stützkonstruktionen könnten da nicht mehr helfen, heißt es.

In den kommenden Wochen und Monaten machen sich die Spezialisten daran, die Treppe zu zerlegen. Im Winter will die „Österreichische Salinen AG“ gemeinsam mit den „Salzwelten Hallstatt“ im festen Gebirge eine Kammer aussprengen. Eine neue Schaustelle soll entstehen, wo die prähistorische Stiege in Zukunft von der breiten Öffentlichkeit bewundert und bestaunt werden kann.
Text- u. Bildquelle: http://ooe.orf.at/news/stories/2581682/
 

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#2
Mehr über die Stiege und Hallstatt

Über Hallstatt: Eine Stiege schreibt Geschichte
Holzstiege - Einzigartiger Fund

1344 v. Chr. Eine archäologische Sensation
WissenschaflterInnen der Universität für Bodenkultur Wien haben die älteste Holzstiege Europas mit der Methode der Dendrochronologie datiert.

Das Datum - 1344 v. Chr. - ist eine wissenschaftliche Sensation. Denn mit 3349 Jahren ist dieser einzigartige Fund wesentlich älter als zunächst angenommen. Entdeckt wurde die perfekt erhaltene Stiege durch ArchäologInnen des Naturhistorischen Museums Wien im Salzbergwerk von Hallstatt / Oberösterreich. Der Fundort liegt inmitten eines Salzabbaurevieres der Bronzezeit. Für die WissenschaftlerInnen stand von Beginn an fest, dass von einem hohen Alter auszugehen ist. Jedoch übertrifft die Datierung auf das Jahr 1344 v. Chr. die Erwartungen um mehr als 200 Jahre.

Die Stiege aus dem Salzbergwerk ist der älteste europäische Beleg für gezimmerte Holztreppen. Der Leiter der archäologischen Ausgrabungen im Hallstätter Salzberg, Hans Reschreiter, ist begeistert: "Die Stiege macht nach der Freilegung einen derart unversehrten Eindruck, als seien erst gestern das letzte Mal Bergleute darüber gegangen. Wir haben bisher bereits über sechs Meter der Stiege freigelegt. Wie lange sie letztlich ist, kann heute noch nicht gesagt werden."

Entdeckt wurde die Stiege im Christian von Tusch-Werk.
Bei der Fundstelle handelt es sich um das untere Ende eines verstürzten Schachtes aus dem 14. Jh. v. Chr. Von diesem Schacht aus folgten die bronzezeitlichen Bergleute dem Steinsalz in horizontaler Richtung. Der Bau der Stiege erfolgte in einer großen Halle (deren Dimension noch nicht abgeschätzt werden kann) auf einer mächtigen Abraumschicht. Es scheint als wäre diese vor Beginn der Bauarbeiten planiert worden, um einen geeigneten Untergrund für die folgenden Arbeitsschritte zu haben. Die Fahrt, wie eine Stiege im Bergbau genannt wird, besteht aus zwei Stämmen mit 20-35 cm Durchmesser, die Wangen, die im Abstand von 1,20 m parallel zueinander gelegt wurden. In die 6 cm breite und 8 cm tiefe Längsnut dieser beiden Seitenteile wurden dann abwechselnd Auftritte und Distanzhölzer geschoben. Sowohl die Auftritte als auch die Distanzbretter sind tangential von Stämmen mit ca. 16-25 cm Durchmesser gespaltene Schwartlinge. Waren die Distanzbretter zu dick, um in die Nut zu passen, wurden sie auf der Waldkantenseite zugehackt. Die Auftritte sind mit einem viereckigen Zapfen in der Nut befestigt. Damit die beiden Wangen nicht auseinander rutschen sind sie mit einem "Schloss" und eingeschlagenen Pfählen gesichert. Alle bisher untersuchten Teile der Fahrt sind aus Fichten, Tannen und wenigen Rotbuchen gefertigt.

Die Auftrittsbreite der Stiege ist mit über 1 m viel größer als man heute von sog. Schurfstiegen kennt. Das ist damit zu erklären, dass von mehreren Personen gleichzeitig im "Gegenverkehrsbetrieb" gefördert wurde, oder dass sehr schwere Lasten (Rüstholz, Salzplatten) zu transportieren waren, die nur von mehreren nebeneinander gehenden Personen getragen werden konnten. Über die Länge der Stiege kann vorerst noch nichts gesagt werden. Sie "steckt" sowohl oben als auch unten noch fest im Berg. Wenn die Theorie stimmt, dass sie zum Schacht führt, müssen wir nach oben noch mit einer Länge von etwas mehr als 10 m rechnen.

Nach unten können zurzeit nur Vermutungen angestellt werden. In der Verlängerung der Stiege nach unten existieren vom modernen Bergbau auf den nächsten 80 m keine Betriebsanlagen und daher auch keine archäologischen Aufschlüsse, die Hinweise liefern könnten. Da die Konstruktion der Fahrt sowohl zeit- als auch materialintensiv ist, gehen wir davon aus, dass dieser Aufwand wahrscheinlich nicht betrieben wurde, um einen nur 15 m vom Schacht befindlichen Abbau mit diesem zu verbinden. Vielmehr denken wir eher an eine dutzende von Metern lange Hauptverbindungsstrecke mit einem ausgedehnten, etwas tiefer liegenden Abbau.

Steighilfe aus der Bronzezeit
Da in dem nur wenige Meter langen Ausschnitt der Fahrt, der bisher freigelegt wurde, eine Verlängerung der Wangen durch Schiftung vorliegt, ist die technische Voraussetzung für diese Überlegung gegeben. Von einer längeren Benutzung zeugt der mehrere Zentimeter dicke schwarze "Belag" auf den Stufen. Dieser besteht aus wenigen abgebrannten Kienspänen und verdichteten Holzkohleflittern, wie sie entstehen, wenn Kienspäne abbrennen. Funde von Stiegenteilen (Wangen und Stufen) in anderen Bereichen des Christian-Tusch-Werkes (Barth 2003/2) und an zwei weiteren Stellen des Berges, belegen eindeutig, dass es sich bei der nunmehr freigelegten Fahrt um keinen Einzelfall, sondern um eine übliche Steighilfe der Bronzezeit handelt.

Es erscheint wahrscheinlich, dass die Einzelteile der Fahrt obertag in Serienproduktion gefertigt und dann in der Grube den Anforderungen entsprechend zusammengestellt wurden. Die Auftritte sind dann jeweils zwischen den beiden benachbarten Distanzbrettern eingeklemmt und in ihrer Position fixiert. Da die Luftfeuchtigkeit in der Grube konstant hoch ist, kann die Konstruktion nicht austrocknen und locker werden.

Die Steigung der Fahrt ändert sich im bisher freigelegten Teil von 30 auf 15 Grad. Inwieweit dies dem ursprünglichen Zustand entspricht oder auf die Bewegung des Berges zurückzuführen ist, lässt sich noch nicht sagen. Die Neigung der Auftritte spricht eher dafür, dass sie ursprünglich steiler - mit 30 Grad Steigung - gebaut wurde. Der Stufenabstand und damit auch die Auftrittshöhe sind nicht einheitlich. Der Abstand variiert zwischen 20 und 30 cm.

Die Fahrt ist auf jeden Fall als weiterer Beleg dafür zu werten, dass bereits in der Bronzezeit ein gut organisierter riesiger Betrieb am Hallstätter Salzberg bestand, der den Vergleich mit den hallstattzeitlichen Betriebsanlagen nicht zu scheuen braucht (Barth 2003/1; Barth &. Lobisser 2002). Was macht nun die besondere Bedeutung der Stiege aus? Trotz der ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen im Salzberg stoßen wir selten auf vollständige in situ befindliche Holzkonstruktionen. Im Allgemeinen bergen wir aus dem Betriebsabfall nur als unbrauchbar zurückgelassene Geräte. Die perfekte Ausführung der Stiege zeigt einmal mehr, mit welchen hohen technischen Standards wir in der Bronzezeit zu rechnen haben. Da vergleichbare Funde fehlen, muss dahingestellt bleiben, ob es sich bei "unserer" Fahrt um eine Spezialanfertigung für den Bergbau handelt, oder ob es der einzige erhaltene Beleg einer üblichen Konstruktion ist.

Dendrochronologie - Die Wissenschaft vom Alter des Holzes
Es gibt mehrere wissenschaftliche Methoden das Alter eines antiken Objektes festzustellen. Die bekannteste ist die Radiokarbon-/C14-Methode, die genaueste die Dendrochronologie. Die Dendrochronologie kann das Alter eines Holzobjektes ohne Zweifel auf ein Kalenderjahr genau festlegen. Dabei machen sich die WissenschaftlerInnen den Umstand zu Nutze, dass ein lebender Baum jedes Jahr aufs Neue eine vollständige Zellhülle - einen Jahrring - ausbildet und hierbei auf Umweltfaktoren reagiert. In schlechten Jahren, z. B. bei ungünstigem Wetter, entsteht ein schmaler Jahrring. In guten Jahren ist genau das Gegenteil der Fall. Die Abfolge der Jahrringe, die ein Baum zeit seines Lebens bildet, ist sehr charakteristisch. Zur Datierung eines einzigen Objektes aus der Bronzezeit ist es notwendig Jahrringabfolgen aus über drei Jahrtausenden in einer lückenlosen Kette aneinander zuhängen, d. h eine Referenzkurve aufzubauen.

Den Ausgangspunkt dieser Kurve bilden Bäume unserer Gegenwart. Die Jahrringsequenz des zu datierenden Stückes muss genau mit der Referenzkurve verglichen werden, um deren exakte Position auf der Kurve und somit dessen Alter zu bestimmen. Zur Datierung der Stiege wurde eine eigene Referenzkurve von Fichten- und Tannenhölzern aufgebaut, die 3500 Jahre zurückreicht, da die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Referenzkurven für den Raum Hallstatt weitestgehend ungültig sind.

Die Datierung der Stiege
Der Erste Schritt war 1999 die Betauchung des Schwarzen See an der Nord-Ost-Abdachung des Dachsteins. Mit Unterstützung des Österreichischen Bundesheeres konnten über 200 subfossile, das heißt im Wasser des Sees konservierte Baumstämme, erfolgreich beprobt werden. Mit diesen Proben konnte eine 3475 Jahre lange Chronologie aus Fichten und Lärchen aufgebaut werden. Im Jahr 2004 wurden weitere subfossile Baumstämme in einem Moor, dem Karmoos in Hallstatt, ausgegraben und beprobt.

Über 300 Holzproben wurde geborgen. An Hand dieser Hölzer konnte eine bis 1498 v. Chr. durgehende reine Fichtenchronologie aufgebaut werden.Bisher wurden aus dem Bereich "Alter Grubenoffen, Christian-Tusch-Werk" 550 Holzproben entnommen, die Holzart bestimmt, und die Jahrringbreiten gemessen. Die Stiege selbst steuerte 18 Proben bei. Auch die 18 Proben der Stiege sind Teil einer 282 Jahre langen Mittelkurve. Alle Bäume die zur Errichtung der Stiege verwendet wurden, wurden im selben Jahr gefällt.

Die Christian-Tusch-Werk Mittelkurve konnte eindeutig auf der am Dachstein und in Hallstatt aufgebauten Mittelkurve datiert werden: Das Enddatum dieser Mittelkurve ist 1245 vor Christi Geburt. Es ergibt sich hieraus das Fällungsjahr der für die Stiege verwendeten Bäume von 1344 vor Christi Geburt.

Forschungsgeschichte
Am Anfang lag das Hauptaugenmerk der Forschungen darauf, die vielen im Berg bekannten Fundpunkte genauer einordnen zu können. Es stellte sich bald heraus, dass der Salzbergbau bereits lange vor dem weltberühmten Gräberfeld der älteren Eisenzeit (ca. 800 - 350 v. Chr.) im Hochtal begann. Auch die Dimension der prähistorischen Stollen stellte alles bisher Bekannte und Erwartete in den Schatten. In der späten Bronzezeit folgte man dem Steinsalz mit immensen Schächten in Tiefen von weit über hundert Metern. In der Hallstattzeit wurde die Abbautechnik grundlegend umgestellt und es wurden riesige horizontale Kavernen angelegt, die dem Kernstreichen folgen.

Eine dieser Hallen konnte in den letzten Jahrzehnten intensiver erforscht werden und weißt die unglaubliche Länge von über 170 m Länge bei einem Querschnitt von 20 m Höhe und 10 - 20 m Breite auf. Die Forschungen der letzten Jahre zeigen immer deutlicher, dass wir spätestens seit dem 14. Jh. v. Chr. einen gut organisierten, arbeitsteiligen riesigen Bergbau-Industriebetrieb am Hallstätter Salzberg haben - wenngleich der Beginn der Salzproduktion schon vor über 7000 Jahren anzusetzen ist.
Quelle: http://www.hallstatt.net/ueber-hallstatt/geschichte/eine-stiege-schreibt-geschichte/
 

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#3
Älteste Holzstiege Europas übersiedelt

Am Hallstätter Salzberg wird derzeit die älteste Stiege Europas übersiedelt. Wie berichtet, ist bei dem wertvollen prähistorischen Fund Gefahr im Verzug. Denn der Gebirgsdruck droht die Holztreppe zu zerstören.
Ein Team des Naturhistorischen Museums ist gerade dabei, die „ewige Stiege“ - wie sie auch genannt wird - Stück für Stück abzutragen.

60 Einzelteile
Es ist ein Umzug der besonderen Art. Die Aktion in 100 Meter Tiefe mitten im Hallstätter Salzberg ist generalstabsmäßig geplant. Um die rund 60 Einzelteile der ältesten Stiege Europas auszubauen, steht sorgfältiges Arbeiten an erster Stelle. Dies sei eine kritische Phase für den prähistorischen Fund, der sich gerade wegen der klimatischen Bedingungen seit 3.400 Jahren nahezu perfekt erhalten hat, sagt Hans Reschreiter vom Naturhistorischen Museum.
Die einzelnen Teile werden besonders aufwändig verpackt, so Andreas Rausch vom Naturhistorischen Museum.


Stiege wird in Wien und Leoben untersucht
Anfang November wird die Holzstiege zuerst in Wien und dann in Leoben von Experten weiter untersucht. Ab Mai 2014 kann sie dann an einer neuen Außenstelle im Hallstätter Salzberg vom Publikum besichtigt werden.
Quelle: http://ooe.orf.at/news/stories/2605286/
 

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#4
Ab 29.05. kann man die Stiege wieder besichtigen

Älteste Holzstiege Europas übersiedelt

Die älteste Holzstiege Europas hat eine neue Bleibe gefunden. Die 2002 entdeckte Stiege wurde aus ihrem Stollen im Hallstätter Salzbergwerk entfernt, weil sie der Druck im Gebirge zu zerstören drohte. Jetzt wird sie in einem „Bronzezeit-Kino“ wieder aufgebaut.

Es ist ein Umzug, der höchstes Fingerspitzengefühl von den Archäologen verlangt. Ist doch die älteste Holzstiege Europas, auf der einst das Salz zu Tage befördert wurde, über 3.000 Jahre alt. Unter wissenschaftlicher Beobachtung wird die acht Meter lange, komplett erhaltene Konstruktion derzeit in eine riesige Großraumvitrine übersiedelt, die sich in 400 Metern Tiefe ganz in der Nähe ihrer alten Fundstelle befindet.

3D-Animationen zum bronzezeitlichen Bergbau
Die über 70 Einzelteile der Stiege werden aktuell auf feinen Salzstaub gebettet und genauso eingerichtet, wie sie bei der Entdeckung vor zwölf Jahren vorgefunden wurden. Das gemeinsame Projekt der Salinen Austria und des Naturhistorischen Museums in Wien sieht vor, dass künftige Besucher mittels 3D-Animationen alles über den bronzezeitlichen Bergbau in Hallstatt, sowie über den Alltag der Menschen damals erfahren. Ab 29. Mai kann die prähistorische Stiege von der Öffentlichkeit bestaunt werden.
Text u. Fotos: http://ooe.orf.at/news/stories/2695206/
 

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#5
Seltene Pilze auf ältester Holzstiege entdeckt

Seltene Pilze auf ältester Holzstiege entdeckt

Bei einer Untersuchung der ältesten Holzstiege Europas, die 2013 in Hallstatt gefunden wurde, haben Wissenschaftler jetzt seltene Schimmelpilze entdeckt, die offenbar die hohe Salzkonzentration im Bergwerk nicht nur ausgehalten, sondern sogar gebraucht haben.

Die besonderen Bedingungen im prähistorischen Salzbergwerk Hallstatt (OÖ) machten es möglich, dass eine Holzstiege dort 3.350 Jahre überdauerte. Im Zuge der Untersuchung ging es den Forschern in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien darum, herauszufinden, „wie die Stiege in Zukunft sicher gelagert werden kann, ohne dass diese Pilze aggressiv oder schädlich werden“, hieß es dazu in einem Artikel im Fachblatt „PLOS one“.

Trockene Lagerung wichtig
Für die Mikroben gelte, dass sie vor allem dann gut gedeihen, wenn ihnen genug Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Hans Reschreiter, von der prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien stellte fest: „Je trockener, desto inaktiver sind sie.“ Dementsprechend war klar, dass die Kammer im Schaubergwerk vor allem trocken sein muss. Unter den derzeit optimalen Lagerungsbedingungen bestehe aber keine Gefahr für die Stiege, so die Forscher.

Mehr als 20 Pilzarten
Bei weiteren Analysen des Pilzbefalls fanden die Wissenschaftler auch Arten, die sehr selten sind. Unter den insgesamt mehr als 20 Pilzarten waren nicht nur solche, die die hohen Salzkonzentrationen im Bergwerk aushalten, sondern auch solche, die auf Salz angewiesen sind. Da im Salz selten Pilze untersucht würden, fanden sich im Hallstätter Bergwerk nur wenig bekannte Arten. Einige der Mikroben waren vermutlich schon immer im prähistorischen Bergwerk aktiv, andere könnten die Forscher beim Freilegen der Stiege unabsichtlich von der Oberfläche mitgebracht haben.

Als besonders problematisch erwiesen sich jene Mikroorganismen, die sich von Zellulose - dem Hauptbestandteil von Holz - ernähren. „Die sind eigentlich nicht zu vernichten, aber bei stabilem, trockenen Klima können wir sie weitgehend inaktiv halten“, sagte Reschreiter. Gefährlich für die Stiege würde es ab einer Luftfeuchtigkeit von exakt 74,6 Prozent, da dann die Salze im Holz von der kristallinen in die gelöste Form wechseln und das Material feucht würde.

2002 in Hallstatt gefunden
Aufgrund des Bergdrucks an ihrem Fundort musste die 2002 in einer bronzezeitlichen Salzabbaukammer in 100 Metern Tiefe entdeckte älteste Holzstiege Europas 2013 fachmännisch zerlegt und getrocknet werden. Bereits an der Originalfundstelle der Stiege im Hallstätter Bergwerk fiel den Wissenschaftlern Schimmelbefall auf. Seit vergangenem Jahr ist die Stiege wieder in einer eigenen Kammer im Schaubergwerk „Salzwelten“ zu sehen.

In einer eigenen Kammer ist der wertvolle Fund vom Besucherraum durch eine spezielle Folie abgetrennt, um sie vor Schwankungen der Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu schützen.

Die Erkenntnisse zu den idealen Aufbewahrungsbedingungen für die Stiege seien auch für die Lagerung aller anderen Fundstücke aus dem Bergwerk wichtig. Denn im Depot des NHM liegen Hunderte bedeutende Funde aus der Hallstattzeit aus organischem Material, wie Holz, Leder oder Stoffe, die ebenfalls mit Mikroben behaftet sind, hieß es.
http://ooe.orf.at/news/stories/2758244/
 

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#6
Suche nach „Mann im Salz“ wird wieder aufgenommen

Erneute Suche nach „Mann im Salz“

Archäologen haben in Hallstatt erneut die Grabungen nach dem „Mann im Salz“ aufgenommen. Bereits 1734 fand man ein Opfer eines Bergwerksunglücks, das sich vor etwa 1.000 Jahren zugetragen hat. Weitere Salzleichen werden vermutet.

Die Grabungsarbeiten beginnen genau an jener Stelle, an der man vor fast 300 Jahren den berühmten „Mann im Salz“ entdeckte. Neueste Untersuchungen brachten Hinweise, dass es eine Serie von Bergewerksunglücken im Hallstätter Salzberg gab, bis man letztendlich kapitulierte und den Bergbau einstellte.

Fund vergleichbar mit Ötzi
Die Entdeckung einer Salzleiche durch die Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien wäre eine archäologische Sensation. Man vermutet Männer, Frauen aber auch Kinder im Berg, deren Leichen durch die Lagerung im Salz sehr gut erhalten sein könnten - besser als die Leiche von Ötzi.

Rückschlüsse auf Leben vor 1.000 Jahren
Für die Wissenschafter ergäben sich durch die Funde ganz neue Einblicke in das Alltagsleben der Menschen von damals - etwa wie sie Körperhygiene betrieben haben, wie oft sie sich waschen konnten oder wie sie sich rasiert haben. Auch Analysen des Darminhalts würden wichtige Rückschlüsse auf Leben, Ernährung und Krankheiten liefern.

Schwieriger Zugang zur Fundstelle
Probleme macht den Wissenschaftern nur, dass viele Stollen im Bergwerk, die zu Fundstellen führen könnten, schon seit langer Zeit nicht mehr für den Bergbau benötigt und daher nicht gewartet werden. Einige hundert Meter Stollen darf man mittlerweile gar nicht mehr betreten. Für diese Abschnitte soll ein Sanierungs- und Erhaltungskonzept erstellt werden.
http://ooe.orf.at/news/stories/2760789/

Link zu: Kulturlandschaft Hallstatt - Dachstein - Salzkammergut
 

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#7
Hallstätter See - Mit dem Bohrer in die Steinzeit

Mit dem Bohrer in die Steinzeit

Eine schwimmende Plattform mitten im See - Bohrer, die in 120 Meter Tiefe ins Klimaarchiv der Sedimente am Seegrund stoßen: Ein ehrgeiziges Forschungsprojekt in Hallstatt soll helfen, die letzten Lücken im Wissen um die Geschichte des ältesten Salzbergwerks der Welt zu schließen.

Von einer schwimmenden Plattform mitten im See in die Tiefen der Geschichte Hallstatts: Angetrieben von einem Dieselaggregat und unterstützt von GPS und Echolot bahnt sich der Bohrer seinen Weg in Richtung Seegrund. Dort angekommen gilt es - immer aus demselben Loch - einen jeweils zwei Meter langen Bohrkern zu entnehmen, insgesamt zwanzig Meter tief.

Ein schwieriges Unterfangen, denn die Bohrkerne müssen auch heil an Bord der schwimmenden Forschungsplattform gebracht werden – und je tiefer gebohrt wird, umso mehr Kraft und Zeit sind notwendig. Die Plattform wurde von einer österreichischen Firma entwickelt, das Forschungsteam ist interdisziplinär. Naturhistorisches Museum (NHM) Wien, Uni Innsbruck und das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam realisieren das Projekt.

Archive unter Wasser
Der Hallstätter See liegt inmitten schroff abfallender Berge – und das Gefälle setzt sich bis in eine Tiefe von 120 Metern fort. Dort unten am Seegrund sammelt sich seit dem Ende der letzten Eiszeit alles, was Flüsse, Unwetter, Bergbau und Viehzucht in den See geschwemmt haben.

Diese Seesedimente liefern wichtige Informationen über Temperaturentwicklung, Niederschlagsmengen, Hochwasserereignisse, über die Pflanzenwelt rund um den See sowie Bergstürze und Murenabgänge: ein wertvolles Archiv, das nur etwas schwierig zu erreichen ist. Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten, Mikroorganismen und Gesteinsmaterial werden über Luft und Wasser in den See eingetragen. Diese lagern sich Jahr für Jahr in Schichten am Seegrund ab – ein jahrtausendealtes Klimaarchiv von unschätzbarem Wert.

Offene Fragen – Antworten auf dem Grund
„Es gibt noch viele offene Fragen, was die Geschichte des Salzbergbaus in Hallstatt anbelangt. Wann er in der Steinzeit begonnen hat zum Beispiel oder wie es nach den Römern um 400 nach Christus weitergegangen ist, wissen wir nicht genau“, sagt Hans Reschreiter, Leiter der Erforschung des prähistorischen Salzbergbaus am Naturhistorischen Museum. „Da erhoffen wir uns Antworten aus den Analysen der Bohrkerne aus der Tiefe.“

Auch Kerstin Kowarik , die auf umweltarchäologische Fragstellung am NHM spezialisiert ist, setzt auf die Seekernbohrung und die Kooperation verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen. Sie weiß, dass gewisse Fragen von der Archäologie allein nicht beantwortet werden können.

„Wie haben die Menschen in ihre Umwelt eingegriffen, wie viel Wald haben sie gerodet, wie haben sie ihre Ernährungsgrundlage gesichert? Haben sie Ackerbau betrieben, Viehwirtschaft – oder haben sie sich komplett auf den Salzabbau konzentriert und sind die gesamten Lebensmittel aus dem Voralpenraum nach Hallstatt geliefert worden?“

Von Pollen und Unwettern
Die Seesedimente erfahren eine Vielfalt von Untersuchungen. Sedimentologie, Mineralogie und Geochemie widmen sich der Analyse mit geowissenschaftlichen Methoden. Fraglich ist etwa, wie die Sedimente abgelagert wurden, über Hochwasser durch die Bäche, durch Rutschungen oder Windfracht.

Der Geologe Stefan Lauterbach widmet sich der Rekonstruktion von Hochwasserereignissen in den letzten 5.000 Jahren. „Jedes Jahr – wie bei Baumringen – lagert sich Sediment im See ab. Bei extremen Hochwasserereignissen wird viel Material über die Traun eingeschwemmt, und diese ganz charakteristischen Lagen identifizieren wir im Sediment und können so eine Hochwasserrekonstruktion erstellen.“

In den biowissenschaftlichen Untersuchungen stehen die Pollen, der in die Sedimente eingelagerte Blütenstaub, im Mittelpunkt. Die Ergebnisse zeigen, wie sich die Vegetation über die letzten Jahrtausende entwickelt hat, wie der Mensch in die Umwelt eingegriffen hat und welche klimatischen Bedingungen geherrscht haben, Biologie und Zoologie widmen sich Spuren von Pflanzen und Insekten.

An zwei Stellen mitten im See sollen insgesamt jeweils zwei mal 20 Meter lange Sedimentkerne entnommen werden. Mit ersten Ergebnissen der Analysen und Untersuchungen wird frühestens in einem Jahr gerechnet. Das Projekt soll helfen, die Geschichte Hallstatts und des Salzabbaus in dieser Region lückenlos nachvollziehen zu können. Dann wird man wissen, unter welchen Bedingungen die Bewohner Hallstatts vor 5.000 Jahren gelebt haben.


Josef P. Glanz, Ö1-Wissenschaft
Text u. Bilder: http://science.orf.at/stories/2781184/
 

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#8
Grabungen in Bachbett unter Zeitdruck

Neue Grabungen in Hallstatt

In Hallstatt suchen derzeit Archäologen nach Tausende Jahre alten Fundstücken. Den Forschern des Naturhistorischen Museums Wien sitzt dabei die Zeit im Nacken. Denn sie suchen einen Bach ab, der nach diesen Grabungen im Zuge der Wildbachsanierung verbaut werden soll.

Was sie bis dahin nicht finden, wird vermutlich für immer verloren sein. Die Archäologen sind bereits auf erste sensationelle Funde gestoßen.

„Nicht so romantisch wie in Abenteuerfilmen“
Seit Ende Juni arbeiten die Archäologen im Hallstätter Hochtal - es gehört zum Außenareal der Salzwelten - im und entlang des Langmoosbaches. Der Grabungsleiter und Direktor der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien, Anton Kern, über seinen Arbeitsplatz: „Auf jeden Fall ist das nicht so romantisch wie in so manchen Archäologie-Abenteuerfilmen. Die Herren vom Wildbach haben uns den Bach durch ein Rohrsystem quasi umgeleitet und den alten Bach trocken gelegt. Wir können jetzt, ohne allzu nass zu werden, die Uferböschung anschauen, denn da sehen wir, dass sich hier die Kulturschichten der Urzeit, aus der Hallstadt und aus der Bronzezeit sehr schön im Profil zeigen.“

Hölzer aus der Bronzezeit gefunden
Insgesamt zwölf Forscher suchen im Erdreich nach Siedlungsresten der späten Bronzezeit. Sie haben schon Tonscherben und Tierknochen gefunden. Ein Fund, der in fast zwei Metern Tiefe im Lehn gemacht worden ist, könnte eine Sensation darstellen, so Kern: „Das sind sicherlich Hölzer aus der Bronzezeit. Das ist doch für die Obertaggrabung eine mittlere Sensation, weil normalerweise haben wir so gut erhaltene organische Funde wie Holz nur im Bergwerk, wo das Salz die konservierende Wirkung hat.“ Der Blick, der sich den Archäologen auftut, geht weit zurück, so Kern: „Die ältesten Sachen, die wir bis jetzt ausgegraben haben, gehen bis in die Bronzezeit hinein, sind also über 3.000 Jahre alt.“

„Ein Hotspot der Archäologie“
Seit 1993 sind die Forscher jeden Sommer in Hallstatt. Die Region im Salzkammergut hat sogar weltweit einen besonderen Stellenwert, so Kern: „Hallstatt ist sicherlich ein Hotspot der Archäologie und mit dem Gräberfeld eben auch kulturgeschichtlich charakteristisch stellvertretend für eine ganze Epoche. Das ist nicht nur für Österreich von Bedeutung, sondern europaweit und, das traue ich mir auch sagen, dass Hallstatt auch unter den zehn bedeutendsten archäologischen Fundstellen weltweit einzureihen ist.“

Den Archäologen über die Schulter schauen
Heuer ist die Forschungsgrabung etwas anders: „Es ist heuer doch ein zeitlicher Druck da, weil dann die Leute von der Wildbach kommen wollen, um den Bach zu sanieren. Wir haben schon die Zeit, unsere Arbeit zu machen, aber wir schauen schon, dass wir diese Arbeiten auch zeitgerecht abschließen können“, so Kern. Bis Mitte August soll die Arbeit beendet werden. Bis dahin besteht die seltene und kostenlose Möglichkeit, den Archäologen über die Schulter zu schauen, heißt es bei den Salzwelten.
http://ooe.orf.at/news/stories/2786318/
 

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#9
Den Archäologen über die Schulter schauen...

Archäologie hautnah in Hallstatt

Den Archäologen über die Schulter schauen, das kann man am Wochenende am Hallstätter Salzberg. Besucher können sich darüber selbst hautnah ein Bild von dem Leben vor rund 3.000 Jahren machen.

Wie wurden Bronzepickel eingesetzt, womit haben sich die Bergleute von damals nach schwerer Arbeit gestärkt, und woraus besteht eigentlich der Hallstätter Ur-Rucksack? Fragen, die bei „Archäologie am Berg“ beantwortet werden.

Bergwelten digital zu erkunden
Um die faszinierende Welt der prähistorischen Bergleute Hallstatts auch im Internet zugänglich zu machen, arbeitet das Naturhistorische Museum Wien intensiv daran, die erforschten Stollen, Abbaukammern und Funde digital zu dokumentieren und dreidimensional wieder auferstehen zu lassen. Denn der Blick zurück könne auch Erkenntnisse bringen, wohin sich unsere Geschichte bewegt, so Anton Kern vom Naturhistorischen Museum Wien. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber gewisse Abläufe sind immer wieder da“, sagte Kern.

Salz prägt Geschichte
Seit 7.000 Jahren bindet das Salz die Menschen an diesen Ort und prägt deren wechselhafte Geschichte, die wohl noch lange nicht zu Ende erzählt ist. „Archäologie am Berg“ findet von 20. bis 21. August statt.
http://ooe.orf.at/news/stories/2791777/

Link zu "Archäologie auf dem Salzberg in Hallstatt" : http://www.im-salzkammergut.at/veranstaltungen/hallstatt/hallstatt-archaeologie-am-salzberg/
 

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#10
Wie könnte die bronzezeitliche Lebens- und Arbeitswelt im Bergwerk ausgesehen haben?

Hallstatt: Das Gewirr an Hölzern entwirren

Wie könnte die bronzezeitliche Lebens- und Arbeitswelt im Bergwerk ausgesehen haben? Eine neue Information bringt die Forscher zurück ans Zeichenbrett.

Seit fast 20 Jahren finden jedes Jahr für einige Wochen archäologische Ausgrabungen im Christian-von-Tusch-Werk im Salzberg Hallstatt statt. Diese Fundstelle wurde, so wie alle archäologisch relevanten Plätze im Bergwerk, vom modernen Salzbergbau zufällig angefahren und dadurch entdeckt. Es handelt sich hierbei um ein bronzezeitliches Bergwerk, das um 1000 v. Chr. verschüttet wurde.

Durch das Salz und den Luftabschluss haben sich alle Hinterlassenschaften der Bergleute vor mehr als 3000 Jahren erhalten, so vor allem Geräte und Werkzeuge. Es erhalten sich hier besonders viele Funde, für die die Erhaltungsbedingungen normalerweise nicht gegeben sind: Funde aus organischem Material wie Gras, Bast, Haare, Fell, Leder, Rohhaut, Exkremente und vor allem Holz. Spezielle Funde wie die bronzezeitliche Holzstiege verdeutlichen die einzigartige und ideale Konservierung der prähistorischen Grubenhölzer.

Lebens- und Arbeitswelt Bergwerk
Seit Entdeckung der Fundstellen existiert in den Köpfen der Forscher ein Modell, wie die bronzezeitliche Lebens- und Arbeitswelt im Bergwerk ausgesehen haben könnte. Es wird von einem Schachtbau ausgegangen, bei dem ein vertikaler Schacht von der Oberfläche in den Berg getrieben wurde und, davon ausgehend, die Kernsalzzüge in riesigen Abbaukammern verfolgt wurden.

Im Christian-von-Tusch-Werk erforschen wir eine dieser Kammern. Unter anderem können wir hier auch den Bereich direkt unterhalb des Verbindungsschachts fassen. Nachdem die Schächte dem Materialtransport und der Mannsfahrt dienen, finden wir in diesem Bereich vor allem den Versturz der darin verbauten Hölzer.

Gewirr an Hölzern
In diesem Versturz befinden sich einerseits große, bearbeitete Rundhölzer, die eine tragende Rolle innerhalb der Plattformen einnahmen, andererseits schmalere Stücke, die den Boden der Plattformen gebildet haben dürften. In diesem Gewirr an Hölzern finden wir auch immer wieder Teile, die eindeutig Stiegenkonstruktionen zuzuordnen sind, welche die Plattformen miteinander verbanden. Die ineinander verkeilten Hölzer des Schachtversturzes wurden vor Jahren durch einen der Forschungsstollen von unten angeschnitten. Das heißt, wir konnten nun jahrelang einen Holzhaufen von 14 Metern Durchmesser nur von unten betrachten.

Mit den Zeichnungen des 1880 angefahrenen, ebenfalls bereits in der Bronzezeit genutzten Appoldwerks im Hinterkopf, wurde der riesige Holzhaufen im Christian-von-Tusch-Werk auch als zusammengebrochener Zentralschacht interpretiert. Erst seit einigen Jahren wird – durch einen höher angelegten Vortrieb – dem Holzhaufen auch von oben zu Leibe gerückt, um sowohl die ursprüngliche Konstruktion der Schachteinbauten als auch den Verschüttungsvorgang an sich besser verstehen zu können.

Aus der Maulwurfsperspektive
Leider ist es aus statischen Gründen nicht möglich, allzu große Bereiche im Berg offenzulegen, weshalb wir uns mit der Maulwurfsperspektive begnügen und meist nur schmale Forschungsstollen anlegen. So wird in jeder Grabungskampagne ein in Relation zu den eigentlichen Ausmaßen kleiner Teil des Befundes freigelegt. Doch jede noch so kleine, neue Information kann unser Gedankenmodell ins Wanken bringen.

Das ist gerade passiert. Die Verbindung des oberen mit dem unteren Vortriebsstollen unter dem Schacht ist gelungen, praktisch mitten durch den Holzhaufen. Die Überraschung dabei: Es handelt sich nicht um eine gewaltige Auftürmung, sondern nur um zwei oder drei dünne Lagen verstürzter Hölzer.

Zurück ans Zeichenbrett
Wie immer, wenn eine Theorie widerlegt wird, tun sich sofort zig neue auf. So könnte der Verbindungsschacht zum Beispiel wesentlich niedriger sein als bisher angenommen. Dafür wären deutlich weniger Plattformen und Stiegen im Schacht notwendig. Es hieße aber auch, dass der Abstand zwischen den Abbaukammern viel geringer ist als gedacht. Zumindest diese Annahme lässt sich aber vielleicht sogar noch in dieser Grabungskampagne bestätigen oder widerlegen. Durch geoelektrische Messungen soll versucht werden, den Berg ein Stück zu durchleuchten. Hoffentlich gelingt es dabei, einige neue Befunde sichtbar zu machen.

Wir kehren jetzt, zumindest metaphorisch, zurück ans Zeichenbrett. Die neue Befundsituation will durchgedacht und das Modell weiterentwickelt werden. Dann geht’s wieder ab in den Berg, um unsere Theorien zu verifizieren oder wieder über den Haufen zu werfen.
Glück auf!


(Fiona Poppenwimmer, Hans Reschreiter, 8.9.2016)
http://derstandard.at/2000044011728-5441/Hallstatt-Das-Gewirr-an-Hoelzern-entwirren

1. Die Arbeitswelt der bronzezeitlichen Bergleute im Salzbergwerk Hallstatt nach aktuellem Forschungsstand
2. Der Ablauf des Salzabbaus und des Versturzes um 1000 v. Chr.
3. Die Hölzer der verstürzten Schachteinbauten von unten aus gesehen.
4. Der Versturz des Schachtes im Appoldwerk – einer zweiten bronzezeitlichen Fundstelle im Hallstätter Salzberg.
5. Die verstürzten Grubenhölzer von oben. Eindeutig zu erkennen: Die Hölzer sind für spezielle Konstruktionen gefertigt.
 

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#12
Auch diese Jahr besteht wieder die Möglichkeit, den "Archäologen über die Schulter zu schauen..."


Eintauchen in „Archäologie am Berg“
In die Zeit des wohl ältesten Salzbergs der Welt in Hallstatt können Besucher am Wochenende bei der Veranstaltungsreihe „Archäologie am Berg“ eintauchen. Am Salzberg werden seit Jahren immer wieder bedeutende Funde gemacht.

Egal ob Arbeitsgeräte von damals, Schmuck, Essensreste oder eine 3.500 Jahre alte Holzstiege: Unsere Vorfahren faszinieren uns seit Menschengedenken, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Reihe „Archäologie am Berg“ Jahr für Jahr viele Besucher nach Hallstatt lockt, um am Salzberg mehr über das Leben vor über 3.000 Jahren zu erfahren. „Wenn Knochen sprechen und Hightech in die archäologische Forschung einzieht“ lautet heuer das Motto.

„Wenn Knochen sprechen“
Dabei kann man den Archäologen über die Schulter schauen. Während die Experten versuchen, den Jahrtausende alten Skeletten ihre Geheimnisse über die Arbeit der damaligen Bergleute zu entlocken, können Interessierte eine virtuelle Reise in das Innere des Salzbergs unternehmen. Seit 7.000 Jahren bindet das Salz die Menschen an diesen Ort und prägt deren wechselhafte Geschichte, die wohl noch lange nicht zu Ende erzählt ist.

Link:
Publiziert am 18.08.2017
http://ooe.orf.at/news/stories/2860913/
 

josef

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#13
Hallstatt: Altes Bergwerk, neue Fragen

Was ein prähistorischer Abfallhaufen im Salzbergwerk verrät: Die Ergebnisse der diesjährigen Grabungskampagne im Überblick
So viel uns die Befunde aus dem Hallstätter Salzbergwerk über die Salzgewinnung und das Leben vor 3.000 Jahren erzählen, so viele Fragen werfen sie auch auf. Auch in der diesjährigen Grabungskampagne arbeiten wir wieder daran, den bronzezeitlichen Bergbau an unserer Ausgrabungsstelle, dem Christian-von-Tusch-Werk, ein Stück weiter zu begreifen. Die Vorhaben konzentrieren sich dabei vor allem auf die Freilegung der prähistorischen Betriebsabfälle und die Erweiterung der Stollenprofile. Diese Befunde sollen uns bei der Interpretation helfen, besonders im Hinblick auf die unterschiedlichen Benutzungsphasen und den Niedergang des Bergbaus während der Bronzezeit.

Vieles haben wir auch geschafft. Im Vortrieb, der dem südlichen Ende der bronzezeitlichen Abbaukammer folgt, wurde ein Querschnitt durch den Haufen an dort angesammeltem Betriebsabfall der prähistorischen Bergleute angelegt. Das ermöglicht uns eine genaue Betrachtung der dort abgelagerten Schichten des "Heidengebirges" und hilft, die verschiedenen Benutzungsphasen bis hin zu den damaligen Arbeitsabläufen zu verstehen. Im nächsten Jahr kann dann der verbliebene Rest des Abfallhaufens Schicht für Schicht ausgegraben und genau untersucht werden. In diesem Teil unserer Ausgrabungsstelle wurden an den Ulmen – bergmännisch für die Stollenwände – vor einiger Zeit auch originale Arbeitsspuren des Salzabbaus entdeckt, die nun weiter verfolgt und freigelegt werden.

Unterschiedliche Benutzungsphasen
Zum Verständnis der zeitlich unterschiedlichen Benutzungsphasen trägt auch die Erweiterung der Profile im nördlichen Teil der Grabungsstelle bei. Dieser Stollen befindet sich in dem Teil der ehemaligen Abbaukammer, in dem der Schacht in die darüberliegende Etage lag. Das ist an den zusammengestürzten Schachteinbauten – jetzt ein Haufen von Konstruktionshölzern – erkennbar. Die Ausdehnung dieses Schachts konnte immer noch nicht erfasst werden, er ist also weit größer als vermutet. Momentan beträgt der Durchmesser, in dem Schachthölzer gefunden wurden, 16 Meter. Zudem sind in diesem Teil der Ausgrabung die Schichtabfolgen besonders gut ersichtlich, weshalb die Profile bei der Interpretation des Befundes essenziell sind. So kann hier oft deutlich zwischen Begehungs-, Abbau- und Arbeitshorizont unterschieden werden.

Sanierungsarbeiten notwendig
Ein weiteres Vorhaben wäre die Freilegung des zweiten bekannten Schachts im Christian-von-Tusch-Werk, jenes in die darunterliegende Abbaukammer, gewesen. Leider machte der Berg hier unserem Zeitmanagement einen Strich durch die Rechnung. Die erste zu erledigenden Arbeit unserer Grabungskampagne ist jedes Jahr die Sanierung der Grabungsstollen. Dabei wird über den Winter verbrochenes Material beseitigt und Stellen abgesichtert, an denen sich das Gestein vom Berg zu lösen beginnt. Die Standfestigkeit des unsere Stollen umgebenden Gebirges ist von vielen Faktoren wie dem wechselnden Bergdruck und der Luftfeuchtigkeit abhängig. Vor allem Zweitere war im vergangenen Jahr deutlich höher als sonst, wodurch an vielen unserer Arbeitsstellen großflächigere Sanierungsarbeiten als geplant anfielen. Dadurch musste der geplante Vortrieb im Bereich des zweiten Schachts auf nächstes Jahr verschoben werden.

In Richtung Salzgrenze bohren
Auch die Prospektion ist weiterhin im Gange. Die geoelektrischen Messungen der Geologischen Bundesanstalt laufen noch, und auch im Berg ist dahingehend viel passiert. Im südlichen Teil der ehemaligen Abbaukammer wurde mit einem Kernbohrgerät in Richtung der vermuteten Salzgrenze gebohrt, um die weitere Ausdehnung der von Lehm und Gestein verfüllten Kammer zu erfassen. Bisher konnten wir allerdings kein festes Salz mit dem Bohrkern erreichen, was bedeutet, dass die Halle in dieser Richtung weitaus größer sein muss als bisher angenommen.

Enorme Menge an Fundmaterial
Auch die Menge an Fundmaterial war dieses Jahr wieder enorm. Alle laufenden Vortriebe bewegen sich größtenteils im Heidengebirge, wo sich das weggeworfene Werkzeug und der Betriebsabfall der Bronzezeit gesammelt haben. Im Bereich des Schachtversturzes kamen auch wieder interessante Konstruktionshölzer zum Vorschein, einige davon in nie gesehener Ausführung. Den Nutzen und Verwendungszweck dieser Hölzer hoffen wir mithilfe von Rekonstruktionen und experimentalarchäologischen Methoden ermitteln zu können.

Einiges von dem anfallenden Material wird direkt im Berg nach Funden durchsucht, vieles wird ans Tageslicht und auf die Waschanlage zum Entsalzen befördert. Das Prozedere, mit dem die durch das Salz konservierten Funde behandelt werden, ist das Produkt einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen dem Naturhistorischen Museum Wien und der Universität für angewandte Kunst. Dabei wurden eigens auf die hier herrschende Funderhaltung angepasste Methoden zur Freilegung, Bergung, Entsalzung, Trocknung und Lagerung der prähistorischen Hölzer, Textilien und anderen organischen Materialien entwickelt. Außerdem arbeiten ausgebildete Restauratoren an der Konservierung der besonderen Stücke. Zu den diesjährigen Highlights zählen eine vollständige Kratze (die zum Zusammenrechen des kleinstückligen Salzes diente), einige fein gewobene Textilien, die erwähnten Konstruktionshölzer, mehrere Bronzefragmente und Exkremente.

Holz jahrgenau datieren
Alle neu gefundenen Hölzer werden diese Woche wieder durch ein Team der Universität für Bodenkultur beprobt und zur dendrochronologischen Bestimmung weiter untersucht. Bei dieser Methode kann das Fälldatum eines Holzes mitunter jahrgenau datiert werden – sofern es genug Jahresringe besitzt. Für diese Datierungsmethode haben wir heuer auch eigens eine alte Fundstelle des eisenzeitlichen Bergbaus wieder angefahren. Dort konnten einige Leuchtspäne gefunden werden, die genug Jahresringe für eine Datierung besitzen und uns so genauen Aufschluss über die Laufzeit des eisenzeitlichen Salzbergwerks geben.

Vor, während und nach der Grabung wird auch fleißig an der fortschreitenden Visualisierung der Bergwerke von Hallstatt gearbeitet. Das geschieht vor allem mithilfe der "Structure from motion"-Methode, bei der durch fotografische Aufnahme eines Objekts ein dreidimensionales Modell davon entsteht.

All diese verschiedenen Methoden und Schwerpunkte ergeben im Ganzen ein immer detaillierteres Bild der Arbeitswelt bronze- und eisenzeitlicher Bergleute in Hallstatt. Die Fragestellungen werden uns aber zum Glück so bald nicht ausgehen. Und durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Entwicklung neuer Methoden und technischer Möglichkeiten können die verschiedenen Aspekte des prähistorischen Bergbaus unter immer neuen Gesichtspunkten betrachtet werden. (Fiona Poppenwimmer, Hans Reschreiter, 21.9.2017)

Fiona Poppenwimmer ist Studentin der Urgeschichte und historischen Archäologie und seit mehreren Jahren Mitarbeiterin der Hallstatt-Forschung. Besonders beteiligt war sie an Bearbeitung, Dokumentation und Wiederaufbau der bronzezeitlichen Holzstiege aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Seit Anfang des Jahres ist sie auch für die Redaktion des Stiegenblogs zuständig.
Hans Reschreiter ist Archäologe und arbeitet in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. Er leitet die archäologischen Ausgrabungen im Salzbergwerk von Hallstatt. Seine Forschungsschwerpunkte sind prähistorische Salzproduktion, prähistorisches Handwerk, experimentelle Archäologie und Ethnoarchäologie.



foto: nhm wien/daniel brandner
Die Freilegung des prähistorischen Betriebsabfalls und der originalen Arbeitsspuren aus der Bronzezeit


foto: nhm wien/daniel brandner
Im Profil sind die unterschiedlichen Schichten und die verstürzten Schachthölzer klar erkennbar


foto: nhm wien/daniel brandner
Die Sanierungsarbeiten machten dieses Jahr einen großen Teil der Ausgrabung aus


foto: nhm wien/daniel brandner
Die Kernbohrungen sollen klären, wie groß die Ausdehnung der bronzezeitlichen Abbaukammern ist.


foto: nhm wien/daniel brandner
Auf der Waschanlage werden die Funde aus dem Hallstätter Bergwerk vom Salz befreit um die weitere Konservierung zu gewährleisten

https://derstandard.at/2000064368032-5441/Hallstatt-Altes-Bergwerk-neue-Fragen
 

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#14
Ein Seeboden erzählt Umweltgeschichte
Bergstürze, Schlammrutschungen, Murenabgänge und möglicherweise sogar Tsunamis - davon erzählt der Seeboden des Hallstätter Sees. Mit Schall versuchen Forscher nun, die Umweltgeschichte der Region zu rekonstruieren.
Die Schlammschichten auf dem Grund des Hallstätter Sees sind ein wertvolles Umweltarchiv, sie bergen jahrtausendealten Blütenstaub und Insektenreste. Doch auch die Form der Schichten - also das Relief der Oberfläche - birgt eine Fülle an Informationen.


Caroline Haidacher/ ORF
Forschungsboot der Uni Innsbruck auf dem Hallstätter See

Die Kartografierung des Seebodens findet gerade statt: Mit Hilfe eines hochpräzisen Multibeam-Echolots - befestigt an einem Forschungsboot vom Institut für Geologie der Uni Innsbruck - wird der Seeboden gescannt. Schall wird zum Boden des Sees gesendet und aus den Reflexionen ein hochauflösendes Höhenmodell errechnet. Daraus entsteht eine präzise Geländekarte, die den Seeboden zeigt, wie ihn noch niemand zuvor gesehen hat.

Bergstürze und Hochwasser
Die Unterwasserlandkarte zeigt jeden Felsbrocken, Schuttströme und Abrisskanten, die allesamt Hinweise auf vergangene Felsstürze, Massenbewegungen, Hochwasserereignisse oder Erdbeben geben.


Kerstin Kowarik/ NHM“
Detail des See-Scans

Zusammen mit den Daten aus den Analysen der Bohrkerne vom Seegrund lassen sich so Extremereignisse exakt datieren und rekonstruieren. Die erste digitalisierte Reliefkarte des Seegrunds hat schon einige Überraschungen geliefert.

Schlammrutschung samt Tsunami?
Eine sichtbar gemachte Abrisskante erzählt von einer prähistorischen Schlammrutschung in den See, einer regelrechten Schlammlawine. Flavio Anselmetti, Geologe von der Universität Bern, führt gemeinsam mit einem Team der Uni Innsbruck die Messungen durch: „Man kann sich das vorstellen wie bei einem Schneebrett. Eine Schlammlawine rutscht hundert Meter den Hang herunter in den See, ausgelöst vielleicht von einem Erdbeben. Die Schlammmassen verdrängen Millionen Kubikmeter Wasser, da kann sich an der Seeoberfläche ein richtiger Tsunami entwickeln.“

Gezielte Seekernbohrung
Die ersten Informationen der Seebodenvermessung liefern wertvolle Hinweise. Denn die nachgewiesenen Relikte prähistorischer Bergstürze ermöglichen es, ziel- und punktgenau Seekernbohrungen am Ort des Geschehens durchzuführen. Das verspreche wertvolle Informationen, so Stefan Lauterbach von der Uni Innsbruck.


Caroline Haidacher/ ORF
Das Forschungsboot vor Hallstatt

„Bislang haben wir nur zufällig punktuell Bohrkerne entnommen, nun wissen wir aber genau, in welchen Regionen es vielversprechende Aufschlüsse geben kann. Die Untersuchung der Sedimente exakt dort, wo die Extremereignisse ihre Spuren hinterlassen haben, ist natürlich äußert effizient", so der Geologe.

Beziehung zwischen Mensch und Umwelt
Die umfassende Untersuchung der Mensch-Umwelt-Beziehung der letzten 3.500 Jahre ist Ziel des Facealps-Projekts. Verschiedenste Forschungsdisziplinen arbeiten vernetzt an der Rekonstruktion der Lebensbedingungen der Menschen, um zu erfahren, wie sie in ihre Umwelt eingegriffen haben und wie sich Umweltereignisse wiederum auf die Menschen ausgewirkt haben.

Kerstin Kowarik, Umweltarchäologin am Naturhistorischen Museum Wien und Facealps-Projektleiterin: „Die Vermessung des Seebodens ist von großer Bedeutung, weil sie uns detaillierte Informationen über vergangene Umwelteinflüsse liefert.“ Die Kartografierung des Seebodens ergänzt die umfangreiche Datenmenge, die schon aus der Analyse von Seekern- oder Moorbohrungen gewonnen wurde.

Die Gesamtschau hilft, ein Modell der komplexen Beziehung des Menschen und seiner Umwelt zu erstellen. Kerstin Kowarik: „Was die Interdisziplinarität des Facealps-Projekts anbelangt, sind wir führend in Europa. Die Rekonstruktion der Ereignisse von damals und die Reaktionen der menschlichen Gesellschaft liefern auch wichtige Erkenntnisse, wie heute mit den Folgen des Klimawandels umgegangen werden könnte.“

Josef Glanz, ORF-Wissenschaft

Mehr zum Thema
Publiziert am 23.10.2017
http://science.orf.at/stories/2873976/
 

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#15
Hallstatt: Eine Betriebskalkulation für den prähistorischen Großbetrieb
Hans Reschreiter, Fiona Poppenwimmer - 9. November 2017
Kupfer und Zinn für Salz – doch wie viel? Zur Rekonstruktion des bronzezeitlichen Salzbergbaus gehört auch die Frage nach dem Materialaufwand und der Förderleistung an Salz. Wie wir mithilfe von Versuchen Antworten finden und uns dem Ressourcenmanagement der Bronzezeit annähern

Die Erhaltungsbedingungen im Salzbergwerk machen es möglich, dass der gesamte Betriebsabfall der prähistorischen Salzproduktion bis heute perfekt konserviert ist. Tausende bisher im Zuge der Ausgrabungen geborgene Werkzeuge, Geräte, Essensreste und sonstige Hinterlassenschaften der bronzezeitlichen Bergleute ermöglichen es, die Lebens- und Arbeitsverhältnisse vor über 3.000 Jahren in einer Detailgenauigkeit zu rekonstruieren wie an keinem anderen Ausgrabungsort.

Uns geht es aber nicht nur um die Rekonstruktion der Arbeitsabläufe – wir wollen es noch genauer wissen. Eines unserer Ziele ist, eine "Betriebskalkulation" für einen prähistorischen Großbetrieb aufzustellen. Wir wollen herausfinden, was beispielsweise für das Jahr 1243 v. Chr. an Lebensmitteln, Leuchtspänen, Werkzeugen und Geräten, Kleidung, Grubenholz und anderen Bedarfsgütern notwendig war, um den Salzbergbau zu betreiben. Dadurch, dass alles erhalten ist, können wir in Zusammenarbeit mit der TU Wien zum Beispiel Computersimulationen erstellen. Wie viele Pickelstiele, Kratzen und Fülltröge pro gebrochenem Kubikmeter Salz zerbrochen sind, konnten wir damit bereits berechnen.

Wissenschaftliche Fragestellungen
Außerdem wurde in einem "Sparkling Science"-Projekt, in denen mit Schulklassen wissenschaftliche Fragestellungen erarbeitet werden, mit dem Titel "Holz für Salz" der Frage nachgegangen, welcher Aufwand hinter dem Fällen und Liefern der benötigten Grubenhölzer für das Bergwerk stand.

Nun wollen wir noch einen Schritt weitergehen, um Einblicke in den Ressourcenbedarf zu erhalten. Unsere Fragen gehen dabei in zwei Richtungen: Wie viel Salz kann man mit einem Bronzepickel an einem Tag abbauen? Wie oft muss dabei die Pickelspitze aus der relativ weichen Bronze nachgeschärft werden? Und: Wie viel Material der Spitze geht dabei verloren? Wie viel Bronze verschleift man also zum Beispiel für die Produktion von einer Tonne Salz?

Aufwendiger Versuchsaufbau
Da diese Fragen allein in Simulationen nicht zu klären sind, haben wir einen recht aufwendigen Versuchsaufbau gewählt. Erst mussten die entsprechenden Geräte hergestellt werden. Die Archäotechniker Frank Trommer und Stefan Holdermann haben hierfür kurze Pickelspitzen in unterschiedlichen Legierungen – in der Variationsbreite der Originale – gegossen. Eine spezielle Klemmschäftung wurde geschmiedet, um die Spitzen befestigen und testen zu können. Mit dieser erleichtern wir uns das regelmäßige Tauschen der Spitzen zum Nachschleifen und schonen die aufwendig herzustellende Holzschäftung.

Im Bergwerk schließlich wurde die gesamte Messapparatur aufgebaut. Eine Fotostation mit Stativ, Licht, Maßstab zum Dokumentieren der Spitzen, vor und nach den Abbauetappen. Eine Feinwaage zum möglichst genauen Wiegen der Spitzen und eine Hängewaage zum Wiegen des gebrochenen Salzes. Eine Schleifmaschine zum Schärfen der abgestumpften Spitzen. Außerdem wurde die Abbaufläche in regelmäßigen Abständen per "Structure from motion"-Technologie dokumentiert. Hierbei wird aus Fotos ein 3D-Modell erstellt, mit dem unter anderem eine exakte Berechnung des Volumens des dokumentierten Objekts erstellt werden kann. Da wir in einem Bergwerk arbeiten, musste das Ganze natürlich auch noch entsprechend ausgeleuchtet werden.

Ran an den Bronzepickel
Nachdem diese Vorbereitungen abgeschlossen waren, konnte es endlich losgehen. Die erste Bronzespitze in die Klemmschäftung und ran an die ausgewählte Versuchsfläche – einen modernen Stollen durch einen Kernsalzzug. Abwechselnd war immer einer oder eine von uns am Werk und schlug mit dem Bronzepickel eine Schram, also eine Rille in das Salz. Legt man mehrere dieser Schräme nebeneinander an, bricht das Salzgestein dazwischen in Brocken aus.

Durch die Vorversuche der letzten Jahre sind wir keine Neulinge am Bronzepickel, aber es dauerte dennoch wieder einige Zeit, bis man sich an das Werkzeug gewöhnt hat. Doch dann ging es erstaunlich gut, schnell erhöhte sich die Treffsicherheit und Effizienz der Schläge. In der Dokumentation wurde alles so genau wie möglich festgehalten. Die Arbeitsdauer mit jeder einzelnen Spitze, die Menge an gebrochenem Salz, das Gewicht vor und nach der Arbeit und dem Schleifen.

Eine Tonne Salz am Tag
Zu unserer Enttäuschung war die erste ausprobierte Spitze bereits nach sieben Minuten stumpf. Dies entsprach einer abgebauten Salzmenge von nicht einmal 500 Gramm. Doch dank steigender Präzision der Schläge konnten wir die Dauer bis zum Nachschleifen der Pickelspitze innerhalb weniger Versuche auf über 50 Minuten erhöhen. Damit waren wir bei einer Förderleistung von fast 15 Kilogramm Salz angelangt. Der Versuch mit der zweiten Pickelspitze verlief sogar noch besser, und wir erreichten damit eine Spitzenleistung von 90 Minuten und fast 22 Kilogramm gebrochenem Salz. Pro Schleifvorgang verliert die Spitze zwischen ein und drei Gramm. Das entspricht in unserer Arbeitszeit von rund acht Stunden bereits einem Materialverbrauch von circa 15 Gramm Bronze. Das mag nach heutigem Maßstab nach wenig klingen, bedenkt man den Aufwand der Gewinnung, des Transports und der Verarbeitung von Bronzegeräten, sieht man diese Menge allerdings in anderem Licht.

Wir waren erstaunt, wie viel Salz man sogar als relativ Ungeübter in kurzer Zeit abbauen kann. In acht Stunden reiner Arbeitszeit haben wir rund 115 Kilogramm Salz gebrochen. Da unsere Treffsicherheit und Technik sicher noch zu verbessern ist, müssen wir davon ausgehen, dass prähistorische Bergleute problemlos weit über 100 Kilogramm am Tag schaffen konnten. Damit konnte eine kleine Gruppe von Arbeitern oder Arbeiterinnen über eine Tonne Salz am Tag brechen und an die Oberfläche liefern. Zum Vergleich: Heute sind Fördermengen von über 3.000 Tonnen pro Tag möglich.

Verschleiß an Bronzebeilen
Wer sich an dieser Stelle fragt, warum wir nicht die letztes Jahr vorgestellte, mögliche Pickeltechnik verwenden: Für den Versuch mit der Frage nach dem Materialverbrauch war es notwendig, eine möglichst effiziente Abbaumethode zu wählen. Dadurch haben wir uns für den uns bekannten und vertrauten Werkzeuggebrauch entschieden, bei dem eine hohe Genauigkeit und Treffsicherheit garantiert war.

Versuche dieser Art wurden noch nicht oft durchgeführt. Wir wissen, dass in der Bronzezeit alles mit Werkzeugen aus ebendieser Legierung aus Kupfer und Zinn hergestellt wurde. Wie viele Bronzebeile aber zum Beispiel für den Bau eines Hauses verschlissen wurden, ist nicht bekannt. Nun sind wir in Hallstatt drauf und dran, einen Wert festlegen zu können, wie viel Gramm der Rohstoffe Kupfer und Zinn für den Abbau einer Tonne Salz notwendig waren.

Wir haben bei den diesjährigen Versuchen auf jeden Fall viel dazugelernt und arbeiten schon daran, sie für das nächste Jahr zu verbessern und weiterzuführen. Ein erster Schritt dazu war die Anschaffung einer noch feineren Waage, mit der der Verbrauch der Bronze genauer festgestellt werden kann. Außerdem werden die Daten analysiert und aufgearbeitet, damit wir die Fragestellungen für die nächsten Versuche anpassen und verfeinern können. (Hans Reschreiter, Fiona Poppenwimmer, 9.11.2017)

Hans Reschreiter ist Archäologe und arbeitet in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. Er leitet die archäologischen Ausgrabungen im Salzbergwerk von Hallstatt. Seine Forschungsschwerpunkte sind prähistorische Salzproduktion, prähistorisches Handwerk, experimentelle Archäologie und Ethnoarchäologie.

Fiona Poppenwimmer ist Studentin der Urgeschichte und historischen Archäologie und seit mehreren Jahren Mitarbeiterin der Hallstatt-Forschung. Besonders beteiligt war sie an Bearbeitung, Dokumentation und Wiederaufbau der bronzezeitlichen Holzstiege aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Seit Anfang des Jahres ist sie auch für die Redaktion des Stiegenblogs zuständig.

Links


foto: nhm wien/d. brandner
Der Stollen mit der Versuchsanordnung


foto: nhm wien/d. brandner
Einsetzen der Bronzespitze in die Klemmschäftung


foto: nhm wien/d. brandner
Die Arbeit beginnt – Pickel an der Versuchsfläche


foto: nhm wien/d. brandner
Pickeln mit der Klemmschäftung im Detail


foto: nhm wien/d. brandner
Das mit einer Pickelspitze gebrochene Salz


foto: nhm wien/d. brandner
Das gebrochene Salz in der Waagschale


foto: nhm wien/d. brandner
Ohne Protokoll und exakte Dokumentation funktioniert ein Experiment nicht

http://derstandard.at/2000067443824...on-fuer-daspraehistorische-Bergwerksgeschaeft
 
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#16
Hallstatt: Woher die Schweine der bronzezeitlichen Fleischindustrie kamen
Wiener Wissenschafter analysierten die Genome von Haus- und Wirldschweinen aus der Bronzezeit

Wien – Jenes Salz, das während der Bronzezeit in Hallstatt abgebaut wurde, haben die Menschen unter anderem zum Pökeln von Fleisch eingesetzt. Archäologische Funde ergaben, dass es sich dabei meist um Schweine gehandelt hat – um welche, das haben nun genetische Untersuchungen gezeigt: Wissenschafter der Vetmeduni Vienna und des Naturhistorischen Museums Wien konnten nun mit einer speziellen Methode die prähistorischen DNA-Spuren genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Hallstätter Salz eignete sich gut für das Konservieren von Fleisch, um es, ohne die sonst notwendige Kühlung, länger haltbar zu machen. Damit entwickelte sich in der Region schon früh eine lukrative Fleischproduktionsindustrie. Knochen- und Zahnfunde belegten, dass vor allem Schweinefleisch in der Hallstättergegend zur Bronzezeit verarbeitet wurde. Diese visuelle Zuordnung, anhand der Knochen und Zähne, und die Datierung kann durch genetische Daten weiter verfeinert werden. Denn in den Fundstücken steckt zumeist noch genug DNA, dass eine Artanalyse der verarbeiteten Tiere möglich ist.

DNA aus Schweinezähnen
Sabine Hammer vom Institut für Immunologie der Vetmeduni Vienna und ihren Kollegen gelang es mit einer speziell entwickelten Methode aus den Schweinezähnen mitochondriale DNA zu isolieren und genetisch einzuordnen. "Aus sieben ausgewählten Proben konnten wir genug DNA für eine sogenannte Markeranalyse gewinnen", erklärt Hammer. "Die Erbgut-Sequenzen die wir dadurch entschlüsselten, verglichen wir per Computeranalyse mit bereits veröffentlichten DNA-Codes. Das Ergebnis war bis auf eine Probe eindeutig. Es scheint, dass nur die, den genetisch gesehen, europäischen Vorfahren zugehörigen Schweinearten verarbeitet wurden."

Die heutigen Schweine sind wissenschaftlich gesehen in zwei Haplotyp-Gruppen aufgeteilt, in denen sich bestimmte Erbgutvarianten evolutionär bei allen Nachfahren nachweisen lassen. "Die Gruppen sind in eine asiatische und europäische Erbgutvariante aufgeteilt", erklärt Hammer. "Laut unseren Ergebnissen waren sechs Proben eindeutig europäischen Ursprungs." Nur eine Probe war zwischen den beiden Haplotypgruppen eingeordnet.

Europäische Wildschweine
"Diese Ergebnisse deuten, als ein erster Schritt, darauf hin, dass Schweine zur Verarbeitung in und um Hallstatt gehalten und gezüchtet wurden", erklärt Hammer. Diese geographische Einschätzung muss jedoch erst durch weitere Proben bestätigt werden. Eindeutig scheint jedoch zu sein, dass neben gezüchteten Tieren auch die für die frühe Hallstätter Fleischindustrie erjagten Wildschweine europäische Vorfahren hatten. (red, 13.6.2018)
Abstract BMC Research Notes: "Bronze Age meat industry: ancient mitochondrial DNA analyses of pig bones from the prehistoric salt mines of Hallstatt (Austria)."

Hallstatt: Woher die Schweine der bronzezeitlichen Fleischindustrie kamen - derStandard.at
 

josef

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#17
In Letten konserviert: Ein alter Hallstätter Holzblockbau gibt Rätsel auf
Sommer, Sonne, Ausgrabung: Archäologen legen auf der Grabungsfläche "Langmoosbach-Süd" einzigartige Befunde aus der Bronzezeit frei
Das Außenthermometer steigt stetig nach oben. Die ersten heißen Junitage kündigen schon den Hochsommer an. Das ist der Zeitpunkt, an dem wieder die alljährlichen archäologischen Grabungsarbeiten im Hallstätter Hochtal beginnen. Von Anfang Juli bis Mitte August steht hier das Ausgrabungsteam rund um Anton Kern, Direktor der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, bereit, im Areal des Hallstattzeitlichen Leichenfeldes Forschung zu betreiben. Dazu gehören auch wir, Julia Klammer und Hans Rudorfer.

foto: andreas w. rausch/nhm
Arbeiten, wo andere Urlaub machen: unser Grabungszelt.

Kleiner Schnitt, weiter Blick
Von 2009 bis 2014 konnten auf einer kleinen Fläche, liebevoll "Langmoosbach-Süd" genannt, sieben Gräber freigelegt werden, darunter fünf Körper- und zwei Brandbestattungen. Die Toten wurden (traditionell) mit zahlreichen Beigaben beerdigt, was an großen Trinkgeschirrsätzen aus Bronze und Keramik, Statuswaffen mit Repräsentationssymbolik, Schmuck in Form von Bernstein- und Glasperlen, Trachtbestandteilen wie Schmuckgürtel und Fibeln verdeutlicht wird. Sogar ein Bärenfell wurde einem der Toten mitgegeben.

Die Gräber datieren in den jüngeren Abschnitt der Hallstattzeit und lassen anhand ihrer Lage und Entfernung zu den älteren erahnen, wie groß der circa 400 Jahre lang genutzte prähistorische Friedhof einst gewesen sein muss.


foto: ralf totschnig/nhm
Freiliegende Gräber.

Seit 2014 konnten im Grabungsschnitt "Langmoosbach-Süd" keine weiteren Bestattungen mehr festgestellt werden. Unter den beschriebenen Gräbern endet allerdings nicht die Geschichte der prähistorischen Menschen. Es offenbaren sich noch weitaus ältere Strukturen, nämlich aus der bronzezeitlichen Ära des Salzbergs (die Bronzezeit in Österreich war circa 2200 bis 800 v. Chr.). Verpackt unter einer dicken Lettenschicht – als Letten bezeichnet einen zumeist grauen, in feuchtem Zustand zähen, schmierig-fettigen Schieferton – konnten sich zahlreiche organische, darunter nicht nur archäologische, sondern auch zoologische und botanische Reste aus der jener Zeit erhalten.

Ein Holzblockbau der Bronzezeit
Bei dem 2013 erstmals entdeckten Befund handelt es sich um einen circa 3.000 Jahre alten Blockbau der Spätbronzezeit, der aktuell noch nicht vollständig ausgegraben ist. Schnell war uns allerdings klar, dass es sich bei diesem Befund um eine Neuentdeckung handeln musste, denn der Blockbau offenbarte einzigartige Konstruktionsmerkmale, die bis heute an keinem der bekannten Objekte in Hallstatt festgestellt werden konnten.


modell: crazy eye/nhm
Perspektivische Ansicht des Holzblockbaus.

Eine dieser Besonderheiten stellen seine nach außen hin versetzten Holzlagen dar, die zu einer schrägen Wandform führen. Trapezförmige und nach innen offene Kerben sind ein weiteres Spezifikum, das uns aufgrund der fehlenden Vergleiche Rätsel aufgibt. Die Kerben sind dabei vertikal wie auch horizontal linienhaft aneinander ausgerichtet und auch in jedem Rundling eingebracht. Welchen Nutzen diese schrägen Wände mit den unzähligen, aber strukturiert angeordneten Kerben erfüllten, wissen wir noch nicht. Die Geheimnisse um die Funktion und den Zweck des Baus sollen aber im Zuge der heurigen Kampagne gelüftet werden.


foto: hans rudorfer/nhm
Detail der Kerben.

Einzigartige Funde
Organische Funde wie Hölzer eines Blockbaus stellen als archäologisches Fundgut eine wahre Rarität dar, denn nur unter wenigen Bedingungen können organische Substanzen über Jahrtausende hinweg bewahrt werden. Dank des Lettens – des Sediments, das die Hölzer umgibt – konnten sich die Rundlinge des Holzbaus hervorragend erhalten. Vor allem in den tieferen Lagen weisen sie eine verblüffend feste Struktur auf.

Doch nicht nur Holz, sondern auch weitere botanische Reste wie Samen oder Blätter und zoologische Fragmente wie die Rückenpanzer von Käfern (Chitin) haben sich im Letten erhalten. Das zähe und dichte Material hat neben seinen hervorragenden konservatorischen Eigenschaften allerdings auch Nachteile, denn aufgrund seiner Beschaffenheit lässt es sich nur sehr schlecht von den Funden lösen. Darunter leiden vor allem weiche und zarte Reste, die beim physischen wie auch chemischen Trennverfahren in Mitleidenschaft gezogen werden. Der "Fluch und Segen des Lettens", der uns einerseits reiches Fundgut beschert, andererseits uns nur Teile davon sicher bergen und konservieren lässt, schwebt also über uns.


foto: daniel brandner/nhm
Käfer und Samen im Letten.

Vorhaben 2018
Im heurigen Sommer wollen wir diesem einzigartigen Befund seine Geheimnisse weiter entlocken und dem bronzezeitlichen Objekt im wahrsten Sinne des Wortes "auf den Grund gehen".

Ob wir es tatsächlich schaffen werden, welche Rätsel gelüftet werden und welche uns womöglich zu heben noch auferlegt geblieben sind, davon können sich interessierte Besucher am 18. und 19. August im Hallstätter Hochtal bei dem alljährlichen Öffentlichkeitswochenende "Archäologie am Berg" überzeugen. Mit dieser Veranstaltung schließt traditionell die Ausgrabungssaison obertage, doch läutet sie zugleich den Start der archäologischen Arbeiten in den Tiefen des Salzbergs ein.

Wer es nicht schafft, uns vor Ort zu besuchen, dem bietet dieses Jahr auch Servus TV die Möglichkeit, sich über unsere Arbeiten im Hochtal zu informieren. Denn eine heuer produzierter "Terra Mater"-Folge, die bereits im Herbst (Ende Oktober, Anfang November) ausgestrahlt werden soll, widmet sich der langjährigen archäologischen Forschung von Hallstatt. Es bleibt also spannend, "denn sie ahnten ja nicht, was ihnen bevorstand!"
(Julia Klammer, Hans Rudorfer, 28.6.2018)

Julia Klammer ist Archäologin und hat sich auf GIS-Arbeiten, historische Karten und Visualisierung von 3D-Daten spezialisiert. Sie arbeitet in verschiedenen Projekten am Luftbildarchiv des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien und am Naturhistorischen Museum Wien mit. In Hallstatt, seit 2011 Teammitglied, ist sie in erster Linie für die vermessungstechnische Dokumentation der archäologischen Funde und Befunde zuständig.

Hans Rudorfer arbeitet seit 2002, neben anderen Projekten im In- und Ausland, an den Ausgrabungen in Hallstatt mit und ist seit 2012 örtlicher beziehungsweise technischer Grabungsleiter der Obertagegrabungen. Neben der jährlichen Forschungsgrabung im Bereich des prähistorischen Friedhofes gehören dazu auch Baustellenbeaufsichtigungen und Vorabuntersuchungen von durch Bautätigkeit betroffener Flächen, im Rahmen des aktuellen Wildbachverbauungsprojekts, sowie infrastruktureller Maßnahmen durch die Salinen Austria AG beziehungsweise deren Tochterfirma den Salzwelten.
In Letten konserviert: Ein alter Hallstätter Holzblockbau gibt Rätsel auf - derStandard.at
 

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#18


Einblick in Arbeit der Salzbergwerk-Archäologen
Einblick in ihre Arbeit im Salzbergwerk Hallstatt gewähren die Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien am Wochenende. Damit beginnt auch ein bis 2025 anberaumtes Projekt zur Sanierung der Fundstellen unter Tag.
Seit 1960 forschen Wissenschaftler des Naturhistorischen Museums Wien im Salzberg, um Erkenntnisse über das Leben der prähistorischen Bergleute zu gewinnen. Insgesamt 88 Fundstellen sind bisher entdeckt worden.

16 Fundstellen unter Tag
Die Erhaltungsbedingungen im Hallstätter Bergwerk zählen laut Museums-Generaldirektor Christian Köberl (NHM Wien) zu den besten der Welt. Deshalb sei es von besonderer Bedeutung, jene 16 Fundstellen unter Tag, die die Struktur, Organisation und Dimension des Bergwerkes am besten widerspiegeln, zu erhalten.

Einladung zum Entdecken und Erforschen

1,9 Millionen Euro sind für dieses Projekt veranschlagt, das 2025 im UNESCO-Jahr des europäischen Kulturerbes („European Year of Cultural Heritage“) als Musterbeispiel für eine Sanierung unter Tag vorgestellt werden soll. Die Veranstaltung „Archäologie am Berg“ lädt am Wochenende bei freiem Eintritt zum Entdecken und Erforschen der Ausgrabungsstätten ein.

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Publiziert am14.08.2018
Einblick in Arbeit der Salzbergwerk-Archäologen
 

josef

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#19
Hinein in den Stollen: Das virtuelle Bergwerk von Hallstatt

16.000 Fotos und zwei Jahre Arbeit haben ein 3D-Modell des Stollensystems vom Hallstätter Salzberg erzeugt – den kann man nun von zu Hause aus erkunden
Seit über zwanzig Jahren steht das Christian-von-Tusch-Werk im Fokus der montanarchäologischen Forschungen im Hallstätter Salzberg. Von 2014 bis 2016 wurde der gesamte Abbaustollen systematisch durchfotografiert mit dem Ziel, ein hochauflösendes 3D-Modell zu generieren. Nach über 16.000 Fotos und unzähligen Arbeitsstunden ist nun das Stollensystem der Archäologen im virtuellen bronzezeitlichen Salzbergwerk für die Öffentlichkeit zugänglich.

Wie ist es, in engen Arbeitsstollen mitten durch die Überreste verschütteter Abbauhallen eines bronzezeitlichen Salzbergwerks zu spazieren? Wie viele Leuchtspanreste, Pickelstiele, Werkzeugspuren und Seile lassen sich entdecken? Wo lag die älteste Holzstiege Europas? Und was haben die vielen großen Hölzer, angeordnet wie Mikadostäbchen, eigentlich zu bedeuten?

crazy eye

Zwischen den Schichten
Auch Archäologen erforschen gerne virtuelle Welten. Erstmals ist es möglich, den Arbeitsplatz der Hallstätter Archäologen virtuell zu betreten und sich von außen einen Überblick über das Stollensystem zu verschaffen. Man kann so gezielt in die circa 80 Zentimeter breiten Stollen des Bergwerks eintauchen, um sich zwischen meterdicken Schichten aus prähistorischem Betriebsabfall umzusehen. Dadurch wird die räumliche Enge und die Lage der prähistorischen Hölzer erlebbar.

Die Entstehung des virtuellen Salzbergwerks
16.000 hochauflösende Fotos wurden mithilfe von Software ausgewählt, bearbeitet, bereinigt und zu einem gigantischen 3D-Fotomosaik zusammengesetzt. Diese "Image-based Modelling" genannte Methode wird weltweit für die 3D-Aufnahme von Gegenständen, Flächen und auch Gebäuden in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Auch die Dokumentation von geschlossenen, teils schwer zugänglichen Räumen mit schlechten Lichtverhältnissen – wie die Stollen eines Bergwerks – kann mit der richtigen Vorgehensweise gelingen. Eine genaue Planung, Ausleuchtung und Vermessung und die Berücksichtigung komplexer Überschneidungen der Befunde sind bei der Produktion der Fotos unumgänglich. Die Beherrschung von technischer Fotografie und ausreichend Erfahrung mit 3D-Software sind ebenso Voraussetzung.


foto: crazy eye
Heutige Oberfläche des Hochtals mit 3D-Modell der archäologischen Arbeitsstollen und schematischer Darstellung der bronzezeitlichen Abbauhallen innerhalb der rötlichen Salzschichten.


foto: crazy eye
Virtueller Arbeitsstollen der Archäologen mit Maßstab.


foto: crazy eye
Innenansicht des Stollens.

Bedeutung für die Archäologie
Für die Archäologie bedeutet das 3D-Modell eine sehr genaue Dokumentation des Ist-Zustands von 2016, anhand dessen die räumlichen Zusammenhänge von schichtig abgelagertem bronzezeitlichem Bergbauabfall sowie geologischen Komplexen über verschiedene Stollenebenen hinweg sichtbar werden. Wichtig für die Auswertung ist vor allem die hochauflösende Fototextur, die es beispielsweise ermöglicht, Schichtgrenzen zu definieren oder auch kleinste Bestandteile in den Ablagerungen zu erkennen.

Das fertige Modell bietet viele technische Möglichkeiten, von Vermessung und diversen räumlichen Analysen wie etwa Volumensberechnungen bis hin zur öffentlichkeitswirksamen Präsentation. So können nicht nur Grundlagen für Animationen, sondern auch für virtuell begehbare Modelle, Virtual-Reality-/Augmented-Reality-Anwendungen oder Spiele geschaffen werden. Ein interaktiver Rundgang des Hallstätter Bergwerksmodells in "First Person"-Perspektive lädt dazu ein, jedes Detail des Bergwerks zu erkunden. Diese immersive Art der öffentlichen Präsentation ermöglicht nicht nur Wissenschaftern, sondern zum Beispiel auch Kindern und Menschen mit mobiler Beeinträchtigung einen Besuch ohne Verletzungsgefahr.


foto: crazy eye
3D-Modell der Holzstiege.


foto: crazy eye
Verstürzte Hölzer im virtuellen Bergwerk.


foto: crazy eye
Wurzelstock eines Baumes, verstürzt durch Mure in der Bronzezeit (Foto und 3D-Modell).

Hinein in den Stollen
Nicht zuletzt wurde mit der 3D-Dokumentation auch eine digitale Kopie der Ausgrabung für die Nachwelt erstellt. Durch diese virtuelle Erhaltung des Kulturerbes können die Hallstätter Stollen durch das bronzezeitliche Bergwerk trotz des Bergdrucks, der die realen Stollen langsam eindrückt, noch lange begangen und ausgewertet werden. Teile des dokumentierten Bereichs sind schon jetzt nicht mehr begehbar oder einsturzgefährdet und somit im Original für weitere wissenschaftliche Fragestellungen nicht mehr verfügbar. Auch in Fernsehdokumentationen wird gerne auf virtuelle dreidimensionale Modelle zurückgegriffen, wenn es um die visuell ansprechende Erklärung von Zusammenhängen geht. Eine erste Videoanimation des Bergwerks-Modells wurde bereits für das Multimediaprojekt "ArchaeoBits" erstellt, das bis Ende Oktober finalisiert wird. (Aenna Linzbauer, Gerald Raab, 18.10.2018)

Aenna Linzbauer ist Archäologin und Multimediadesignerin. Sie schreibt ihre Masterarbeit über die Schnittstelle von Archäologie und Multimedia-Anwendungen an der Universität Wien, war 2016 Mitarbeiterin des NHM-Grabungsteams im Christian-von-Tusch-Werk und arbeitet derzeit für die Crazy Eye OG.

Gerald Raab ist Archäologe und 3D-Designer. Er ist verantwortlich für den Bereich Multimedia der Crazy Eye OG, war 2011 bis 2017 Mitarbeiter des NHM-Grabungsteams im Christian-von-Tusch-Werk und 2014 bis 2016 für die 3D-Dokumentation der Bergwerksgrabung in Hallstatt verantwortlich.

Dank gilt Julia Klammer, der die gesamte Vermessung und somit Georeferenzierung der prähistorischen Bergwerksgrabung im Christian-von-Tusch-Werk zu verdanken ist, und Daniel Brandner, der die fotografische Aufnahme in Teilbereichen unterstützt hat. Dank auch an die Salzwelten GmbH, die Salinen Austria AG und die gesamte prähistorische Abteilung des NHM Wien, ohne die dieses jahrelange Vorhaben gar nicht möglich gewesen wäre.

Links
ArchaeoBits Animation Das Projekt:
3D-Modell Hallstatt_Chr. v. Tuschwerk (Offen) - 3D model by Crazy Eye (@crazyeye)
Interaktiver Durchgang Hallstatt_Chr. v. Tuschwerk (Offen) - 3D model by Crazy Eye (@crazyeye)
Crazy Eye OG und auf Sketchfab Leistungen | crazyeye
Salzwelten Salinen Austria Fascinating worlds of salt: 3 historic mines in Austria | SALZWELTEN.at
NHM Wien Naturhistorisches Museum Wien - Naturhistorisches Museum


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josef

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#20
Neben Kriegern und Bergmännern gab es auch "Kriegerinnen" und "Bergfrauen", wie Funde in Schweden und Hallstatt zeigen:

Wie ein Krieger zur Kriegerin wurde
Erst seit wenigen Jahren steht fest: Im Grab eines Wikingerkriegers liegt eigentlich eine Kriegerin. Der Fund erzählt einiges über ihr mögliches Leben, aber auch viel darüber, wie Vorstellungen der Gegenwart die Interpretation der Vergangenheit prägen.

Speere, eine Axt, ein Schwert, zwei Pferde und ein Brettspiel: Die Beigaben des berühmten Grabes BJ 581 im schwedischen Birka erzählten mehr als 100 Jahre lang die scheinbar offensichtliche Geschichte eines hochangesehenen Wikingerkriegers. Für die Forscher, die das Grab im Jahr 1878 entdeckten, war sonnenklar: Es handelt sich um einen Mann. Erst mehr als ein Jahrhundert später wurde diese Annahme von der schwedischen Forscherin Charlotte Hedenstierna-Johnson und ihrem Team in Frage gestellt und überprüft.


ORF/Urban Canyons 2019/Evald Hansen/Bethman
Das berühmte Grab BJ 581 in Birka

Das Ergebnis der DNA- und Isotopenanalyse wurde im Herbst 2017 weltweit als Sensation gefeiert. Bei dem Skelett aus dem berühmten Wikingergrab handelt es sich tatsächlich biologisch um eine Frau – und noch dazu um eine, die sehr viel unterwegs war. Für Hedenstierna-Jonson bedeutet das, den Wikingerkriegerinnen in der Geschichtsschreibung ihren Platz zu geben: „Es ist Zeit, die wahre Rolle der Frauen in der Wikingergesellschaft anzuerkennen und die Geschichte umzuschreiben.“

Technologien widerlegen Vorurteile und Klischees
Für die Archäologin Katharina Rebay-Salisbury vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist allerdings nicht die Erkenntnis, dass es sich beim Birka-Skelett um eine Frau handelt, das Außergewöhnliche, sondern die Tatsache, dass dies erst so spät überhaupt hinterfragt wurde. Dies sage viel über das Rollenverständnis der Gegenwart aus: „Erst als wirklich DNA-Analysen gemacht worden sind, wurde diese ganze Geschichte ernst genommen“.


ORF/Urban Canyons 2019/Sebastian Peiter
Eine Isotopenanalyse der Backenzähne zeigte, dass die Frau viel unterwegs war


Man hielt es mehr als hundert Jahre lang schlicht nicht für möglich, dass das Skelett im Grab von Birka weiblich sein könnte – wie auch die Archäologin Martina Nothnagl in ihrem Blog feststellt: „Wer sich eine Welt, in der Frauen den Männern gleichgestellt sind, nicht vorstellen kann, kann sie auch in den archäologischen Funden nicht erkennen.“

Obwohl bereits zuvor in Norwegen Gräber von bewaffneten Frauen gefunden worden waren, veränderte die Entdeckung von Birka das aktuelle Bild der Wikinger: Kämpfende Heeresführerinnen wurden von mystischen Wesen aus dem Reich der Sagas, Legenden und Serien plötzlich zu realen historischen Figuren: Kriegerinnen, die ihr Leben nicht mit Hausarbeit und Kinderaufziehen verbrachten, sondern in Schlachten zogen.

Wissenschaftlicher Zündstoff
Die Ergebnisse der Untersuchungen von 2017 lösten allerdings nicht nur Begeisterung, sondern auch eine hitzige Debatte aus: Von mehreren Seiten wurden Charlotte Hedenstierna-Jonsons Ergebnisse in Zweifel gezogen. Die Professorin für Wikingerstudien Judith Jesch von der Universität Nottingham beispielsweise vermutete, dass die untersuchten Knochen verwechselt worden und aus einem anderen Grab stammen könnten. Andere hielten den Jubel für überzogen und taten ihn als feministisches Wunschdenken ab.

Im Februar 2019 veröffentlichten Charlotte Hedenstierna-Jonson und ihr Team schließlich einen weiteren Artikel, in dem sie das Ergebnis begründeten und die Kritik an der möglicherweise falschen Zuordnung der Knochen widerlegen konnten. Die Debatte hat dennoch auch für eine vielleicht notwendige Ernüchterung gesorgt. Denn allein die Tatsache, dass die hochrangige Kriegerpersönlichkeit eine Frau war, bedeutet noch nicht, dass die Wikingergesellschaften ein Paradies der Gleichberechtigung waren – im Gegenteil. Es waren komplexe, hierarchische Gefüge, in denen Frauen zwar erbberechtigt waren und die Scheidung einreichen konnten, aber dennoch mehrheitlich für den privaten und familiären Bereich zuständig waren. Alles andere bildete die Ausnahme.

Rotbärtig, furchtlos, brutal. Das ist das gängige Klischee der Wikinger – jener Seefahrer aus dem Norden, die vom 9. bis zum 11. Jahrhundert mit ihren räuberischen Kriegszügen Europa in Angst und Schrecken versetzten.
Und nicht nur die Kategorie Geschlecht definierte die Hierarchien: „Es gab sicher gesellschaftliche Unterschiede, die den Geschlechterunterschied noch mal übertrumpft haben. Als hochgestellte Wikingerfrau hatte man wahrscheinlich einen anderen Zugang zu Rechten und Ressourcen als als Sklavin“, so Katharina Rebay-Salisbury. Mit dem sensationellen Grabfund ist zwar belegt, dass es hochrangige Kriegerinnen gab – die Norm dürfte es in der männerdominierten Wikingerwelt des ersten Jahrtausends nach Christus aber nicht gewesen sein.

Kriegerinnen und Bergfrauen
Die Kriegerin von Birka ist nicht das einzige Beispiel, das die Geschichte mit Blick auf die Geschlechterrollen neu schreiben lässt. Auch das weltberühmte Gräberfeld von Hallstatt hat Erstaunliches zutage gebracht: die Anthropologin Doris Pany-Kucera hat die Knochen der bestatteten Bergleute untersucht, die in der Eisenzeit im Inneren des Berges Salz abbauten. Sie fand heraus, dass Bergfrauen genauso harte Arbeit unter Tag leisteten wie Bergmänner. Dies belegten Muskelmarker an den Knochen der weiblichen Skelette. Zusätzlich wurden Hinweise gefunden, dass sich bereits Kleinkinder im Bergwerk aufhielten – dass also ganze Familien im Bergwerk gearbeitet haben dürften und auch Wohlstand anhäuften, wie die Grabbeigaben vermuten lassen.


ORF/ Marco Tondolo
Abnützungen an den Knochen zeugen von harter Arbeit der Bergfrauen in Hallstatt

Ein weiteres Beispiel sei eine Studie von Fingerabdrücken auf frühzeitlichen Tongefäßen aus Franzhausen wie Katharina Rebay-Salisbury erzählt. Man nehme grundsätzlich an, Töpferarbeit sei etwas typisch „Weibliches“, ein Haushandwerk, das die Frauen nebenbei mit den Kindern erledigten. 80 Prozent der untersuchten Fingerabdrücke auf den Tongefäßen stammten aber von Männern. „Erst wenn wir diese Daten haben, können wir sinnvoll diskutieren, wie Arbeit aufgeteilt wurde und wer beim Arbeitsprozess in welche Schritte involviert war“, so die Archäologin.

Feministische Archäologie
Die Forscherin ist Mitglied beim Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen, „FemArc“, das in den 1990er-Jahren gegründet wurde und die Verbreitung von Fachwissen über feministische Archäologie zum Ziel hat. Frauen sollen sichtbar gemacht werden – sowohl als Forschende, als auch als Akteurinnen der Vergangenheit.


ORF/NHM/ Scenomedia
Im prähistorischen Bergwerk von Hallstatt arbeiteten nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder

Durch den männlichen Blick festgeschriebene Rollenbilder sollen zurechtgerückt werden: „Vor Beginn der Gender-Archäologie hat man im Museum Bilder gesehen, auf denen Männer alles mögliche Tolle tun und die Frauen daheim sitzen und im Kochtopf rühren. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr geändert“, erzählt Rebay-Salisbury. Sie sieht in der Archäologie ein Werkzeug, das eigene Verständnis wie in einem Spiegel anzuschauen und zu überdenken – denn Archäologie und Geschichtsschreibung beinhalten immer auch Interpretation. Und die speist sich aus den Weltbildern der jeweiligen Zeit.

Rätsel und Interpretation
Auch die Erzählung von der hochrangigen Wikingerkriegerin aus Birka ist nicht mehr als eine Interpretation. Fakt ist, dass das Skelett biologisch weiblich ist und die Grabbeigaben und die Kleidung, mit der die Frau bestattet wurde, „männlich“ konnotiert sind - über das tatsächliche Leben der bestatteten Person sagt dies aber genaugenommen nichts aus, so Rebay-Salisbury: „Es könnte zum Beispiel bedeuten, dass die Frau wirklich die Rolle gewechselt hat und als Mann gelebt und gekämpft hat und daher so bestattet wurde. Es könnte aber auch heißen, dass vielleicht irgendwo ein Erbe gefehlt hat und diese Person im Grabbrauchtum für jemanden anderen eingesprungen ist“.


ORF/Urban Canyons 2019/Sebastian Peiter
Die Wikinger waren patriarchale Gesellschaften, Frauen aber nicht rechtlos

Wie das Leben der Frau aus Birka wirklich war, wird man wohl nie erfahren und bleibt zum Teil der Fantasie überlassen. Die Tatsache, dass aus dem Krieger eine Kriegerin wurde, zeigt aber vor allem deutlich, wie sich unsere Gesellschaft im Lauf des letzten Jahrhunderts verändert hat, wie die Archäologin Martina Nothnagl in ihrem Blog schreibt: „War eine Frau als militärische Anführerin im späten 19. Jahrhundert noch so undenkbar, dass nicht einmal das Geschlecht der Skelette bestimmt wurde, ist die Situation heute eine ganz andere. Unabhängige, emanzipierte Frauen sind heute (auch) Realität – und haben so eine Chance, als solche erkannt zu werden.“

Caroline Haidacher, Universum History, Mitarbeit: Leonie Markovics

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Publiziert am 07.06.2019
Wie ein Krieger zur Kriegerin wurde - science.ORF.at
 
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