Herkunft der Radioaktivität des Saharastaubs geklärt

josef

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Spuren des Kalten Krieges
Radioaktivität des Saharastaubs aus Algerien hat überraschende Quelle
1960 und 1961 fanden in der algerischen Sahara vier oberirdische Atombombentests statt. Doch die sorgten nicht für die heute ungefährlichen Kontaminationen in Europa

Eine riesige Saharastaubwolke verdunkelte zu Ostern 2024 auch in unseren Breiten die Sonne. Der Staub ist leicht radioaktiv.
IMAGO/Bernd März

Das vergangene Jahr brachte einiges an Saharastaub nach Europa und trübte an einigen Tagen – insbesondere rund um Ostern – auch in Österreich den Himmel gehörig ein. Gesundheitlich bedenklich wurde es unter anderem in Südspanien, wo dadurch die Grenzwerte für Feinstaub überschritten wurden. Saharastaubereignisse gibt es immer wieder. Eines der besonders starken trug sich vor knapp drei Jahren zu und erfuhr eine sehr spezifische Analyse – nämlich auf Radioaktivität im Staub.

Der Hintergrund ist schnell erklärt: Eine der Hauptquellen für den Saharastaub in Westeuropa ist die Region Reggane im südlichen Teil Algeriens. Dort führte das französische Militär in den Jahren 1960 und 1961 vier oberirdische Atomwaffentests durch. Trotz der Behauptung der französischen Regierung, die Bomben würden in einer unbesiedelten Region abgeworfen, wurden Tausende von Einheimischen und französischen Soldaten der Strahlung ausgesetzt.

Das toxische Erbe der französischen Atombombentests in Algerien.
TRT World

Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 60.000 Algerierinnen und Algerier von den Auswirkungen der Explosionen betroffen waren, während das französische Verteidigungsministerium eher von 27.000 Menschen ausgeht. Tatsache ist, dass viele mit erheblichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatten, weshalb die weiteren 13 Tests noch weiter im Süden und unterirdisch stattfanden. Diese Tests gingen bis 1966 weiter, trotz Algeriens Unabhängigkeit 1962.

Studie mit Bürgerbeteiligung
Doch zurück zur neuen wissenschaftlichen Untersuchung, die dieser Tage im Fachblatt Science Advances erschien: Nach einem größeren Ausbruch im März 2022 wurde ein internationales Citizen-Science-Projekt gestartet, um die durch den Staub verursachte Radioaktivität zu untersuchen. Dabei stellten sich vor allem zwei Fragen: Wie groß ist die radioaktive Belastung des Staubs aus dieser Region mehr als 60 Jahre später? Und stammt die gemessene Radioaktivität auch tatsächlich von diesen vier Tests?


Die Verbreitung des Saharastaubs im März 2022. Das Quadrat CSEM in Südalgerien markiert die Region der Atombombentests 1960/61. Die kleinen türkisen Punkte in Europa zeigen an, wo die Proben gesammelt wurden.
Xu-Yang et al., Science Advances 2025

In sechs westeuropäischen Ländern – darunter Spanien, Frankreich, Österreich und Deutschland – wurden insgesamt 110 Proben (zwölf davon aus Österreich) gesammelt, von denen 53 als wissenschaftlich repräsentativ eingestuft wurden. Im konkreten Fall des Saharastaubs vom März 2022 bestätigten geochemische und mineralogische Probenanalysen in Verbindung mit Satellitenbeobachtungen und Rückflugberechnungen einen Ursprung in Südalgerien, einschließlich des Standorts Reggane.

Und um gleich die erste Frage zu beantworten: Die in allen Proben nachgewiesene radioaktive Kontamination stellt ziemlich sicher kein Risiko für die Gesundheit der europäischen Bevölkerung dar und liegt weit unter den Sicherheitsschwellen der Europäischen Union. Vermutlich ist sie nicht wesentlich höher als die Hintergrundstrahlung im Boden. Gesundheitlich problematisch ist laut Studienleiter Yangjunjie Xu-Yang vom französischen Labor für Umwelt- und Klimawissenschaften allein die Belastung durch den Feinstaub.

Herkunft der Radioaktivität
Aber woher kam die Radioaktivität? Die Quelle dafür lässt sich anhand der spezifischen Plutonium-Isotopensignaturen eruieren, die einen einzigartigen Fingerabdruck der jeweiligen Atombomben liefern. Und hier kam es dann doch zu einer gewissen Überraschung: Die gefundenen Signaturen blieben nämlich im Bereich der globalen Fallout-Signatur, die von den Atomtests der USA und der ehemaligen UdSSR dominiert wird – und sich deutlich von der französischen Fallout-Signatur unterscheidet.

Für das IFL-Magazin liefert Hauptautor Xu-Yang eine logische Erklärung: Der Grund dafür sei, dass die Detonationskraft der französischen Tests nur 0,02 Prozent der gesamten Detonationskraft der UdSSR und der USA zwischen 1950 und 1970 ausmachte. Außerdem wurde ein Großteil der Atomwaffentests der UdSSR und der USA auf demselben Breitengrad wie Südalgerien durchgeführt.

Die kontaminierte Materie, die durch diese Explosionen emporgewirbelt wird, erreicht bis zu acht Kilometer Höhe und wurde durch den Wind sehr schnell auf globaler Ebene verbreitet. Und mehr als ein halbes Jahrhundert später wird sie durch Saharastaub immer noch weiter verfrachtet – mitunter bis in unsere Breiten.
(Klaus Taschwer, 3.2.2025)

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