Noch eine kleine Ergänzung für alle Leser, die mit dem Verlauf der Bahnstrecken in Wien nicht so vertraut sind:
Bereich Nordwestbahnbrücke – Bf. Jedlesee und Jedlersdorf
Die seinerzeitigen Privatbahngesellschaften errichteten eigene Endbahnhöfe in Wien (Nord-, Nordwest-, Süd-, Ost-, West-, Franz-Josefs- und Aspangbahnhof). Dies hatte zur Folge, dass die 3 nach NW, N und NO über die Donau führenden Strecken separate Strombrücken erhielten. So entstanden von W nach O gesehen die Nordwestbahn-, Nordbahn- und die Stadlauer Ostbahnbrücke über die Donau.
Nach dem Ende der Donaumonarchie verlagerten sich die Verkehrsströme und die einst so wichtigen Linien in die nördlichen und östlichen Kronländer der Monarchie verloren an Bedeutung. Die zwischenzeitlich durch Verstaatlichung der Einzelunternehmen geschaffene Bundesbahn verlagerte schon in der Zwischenkriegszeit den Personenverkehr der NWB im Wiener Bereich auf die Nordbahn bzw. den Nordbahnhof. Der NW-Bf. diente nur mehr dem Güterverkehr, die Bahnhofshalle wurde stillgelegt und fand fallweise als Versammlungs- und Ausstellungsort für Großveranstaltungen Verwendung. Die Personenzüge Richtung Stockerau (und weiter…) benützten die Nordbahnbrücke und nach dem Bf. Floridsdorf die Verbindungsstrecke zum Bf. Jedlersdorf, wo sie wieder auf die Stammstrecke der NW-Bahn stießen. Der Streckenabschnitt NW-Bf. – NW-Bahnbrücke bis Bf. Jedlersdorf wurde demnach frei von Personenzügen.
Zu Kriegsende wurde die NW-Bahnbrücke teilweise und die Nordbahnbrücke nachhaltig durch Sprengungen von den sich auf die Floridsdorfer Donauseite zurückziehenden deutschen Truppen zerstört. Die NW-Bahnbrücke konnte nach Kriegsende in relativ kurzer Zeit wieder als eingleisiges Provisorium repariert und für den Bahnverkehr freigegeben werden. So gab es auch wieder Personenverkehr über die NWB-Brücke in den 21. Wiener Bezirk (und weiter…).
Nach Wiedererrichtung bzw. Fertigstellung der Nordbahnbrücke 1957 kam es wieder, wie schon in der Zwischenkriegszeit, zur Verlagerung der NWB-Züge auf die NB bzw. wurden und werden über die Nordbahnbrücke. geführt Nun betraf es aber den Gesamtverkehr! Dadurch wurde die NWB-Brücke seitens der ÖBB nicht mehr benötigt und es wurde an gleicher Stelle eine vierspurige Straßenbrücke => Nordbrücke, errichtet. Nach der Donauquerung benützt die neue Straßenverbindung die ehemalige NWB-Trasse bis zur Prager Straße. Das Reststück der NWB zwischen Bf. Jedlesee (mit Anschluss an die Lofag) bis Bf. Jedlersdorf (Vereinigung mit Strecke vom Bf. Floridsdorf der Nordbahn) blieb bestehen.
Floridsdorfer Hochbahn:
Um die durch die getrennten Bahnhöfe und Strecken der privaten Bahngesellschaften entstandenen betrieblichen Schwierigkeiten im übergeordneten Gesamtnetz zu beheben, war es notwendig, die Linien der Gesellschaften durch Verbindungstrassen zu verknüpfen. Eine solche „Netzschwachstelle“ bestand im Raum Floridsdorf zwischen Nord- und Nordwestbahn. Züge von der NWB kommend mit einem Bestimmungsort stadtauswärts von Wien oder umgekehrt, mussten im Bahnhof Floridsdorf mit erheblichen Zeit- und Personalaufwand „gestürzt“ werden. D. h., die Lokomotive musste wegen des Fahrtrichtungswechsels von einem Ende der Zugsgarnitur auf das andere Ende umgesetzt werden…oder die ankommende Lok musste abgekuppelt und am anderen Zugende (in die neue Fahrtrichtung) eine andere Lok angekuppelt werden.
Dies war der Grund, während des 1. Weltkrieges eine solche Verbindungsstrecke zwischen den Bahnhöfen Leopoldau (NB) und Jedlersdorf (NWB) zu errichten. Da die Trasse mehrere wichtige Verkehrswege kreuzt, entschied man sich für die Variante einer „Hochbahn“, die über weite Strecken auf Viadukten verläuft. Die Bauarbeiten begannen im Mai 1916 und die Inbetriebnahme der über 4 km langen Verbindung erfolgte bereits im Dezember des gleichen Jahres! Möglich wurde dies durch massiven Einsatz italienischer Kriegsgefangener, dadurch auch die oft gebräuchliche Bezeichnung „Italienerschleife“!
Im 2. WK erlangte die Italienerschleife wieder große Bedeutung. So war sie Bestandteil einer großräumigen Umfahrungsstrecke des besonders luftgefährdeten Stadtgebietes von Wien von der West- zur Nordbahn. Diese Umfahrung zweigte in St.Pölten von der Westbahn ab (=> aus Richtung München bzw. Passau, Linz… ) ging über Herzogenburg – Traismauer – „Schleife Tulln“ (Donauquerung) auf der FJB zur „Schleife Absdorf“ - Stockerau – Korneuburg – Wien Jedlersdorf „Italienerschleife“ – Leopoldau (=> Nordbahn Richtung Mähren, Polen, Ukraine, Slowakei … oder umgekehrt). Ab 1944 wurde die Trasse immer wieder durch Bombentreffer schwer beschädigt, 1945 sprengten zurückweichende deutsche Truppen weitere Brückenelemente. Dadurch war die Verbindungsschleife zur Gänze unbefahrbar und dem Verfall ausgesetzt.
Mitte der 90iger Jahre des vorigen Jahrhunderts begannen die ÖBB mit der Wiederherstellung dieser Gleisverbindung für den Güterverkehr. Die Inbetriebnahme erfolgte 1998-99.
Dies ist nur ein kurzer, unvollständiger Bericht über die Bahnverbindungen im Bereich der ehemaligen Lofag, ÖAF und Hofherr & Schrantz Werke in Wien 21. Über die Industrie- und Verkehrsgeschichte dieser Gegend könnte man sicher einige Bände schreiben…
1. NWB-Brücke GRÜN => abgetragener Streckenteil, neue Nordbrücke mit anschließender Zufahrt bis Prager Straße und Floridsdorfer Hochbahn HELLBLAU Basiskarte Stand 1937
Quelle: Wiener Stadt- u. Landesarchiv; "Historischer Atlas von Wien"; Karte > Entwicklung Eisenbahnnetz 1837 - 1937 < )
2. Viaduktruinen vor Sanierung.
3. Viadukte bei Sanierungsarbeiten.
4. Detto, mit den Rest einer Splitterschutzzelle am "Schutthaufen".
5. Schematische Darstellung "Floridsdorfer Hochbahn"
Quelle 2. - 5.: G.Dorffner (Hrg.); "Die Floridsdorfer Hochbahn"; 4/4-Verlag Strasshof 1999