Im Jahr 365 löste das stärkste je aufgezeichnete Erdbeben im Mittelmeerraum eine Katastrophe aus

josef

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"TAG DES SCHRECKENS"
Verheerender Tsunami rekonstruiert, der einst Alexandria verwüstete
Im Jahr 365 löste das stärkste je aufgezeichnete Erdbeben im Mittelmeerraum eine Katastrophe aus. Geologen begaben sich nun auf Spurensuche
Der römische Historiker Ammianus Marcellinus beschrieb die Katastrophe detailliert, die am 21. Juli des Jahres 365 über den östlichen Mittelmeerraum hereinbrach: "Kurz nach Tagesanbruch begann plötzlich die ganze Erdfeste, bis auf den Grund erschüttert, zu beben, und das Meer trat mit aufgewühlten Wellen vom Ufer zurück, sodass man auf dem entblößten Abgrund die mannigfaltigsten Geschöpfe des Meeres in dem Schlamme liegen sah. Die in einem Augenblick, da man es am wenigsten erwartete, rückkehrende Meeresflut begrub viele Tausende von Menschen."


Modellierte Wellenhöhen des Tsunamis von 365, der die Küsten im östlichen Mittelmeer traf.
Illustration: Richard Ott

Was Marcellinus beobachtete, war das stärkste je aufgezeichnete Erdbeben im Mittelmeerraum, gefolgt von einen verheerenden Tsunami. In Alexandria war die Zerstörung durch die Flutwellen so groß, dass der 21. Juli 365 jahrhundertelang als "Tag des Schreckens" galt. Das Epizentrum des Bebens wird in der Nähe der griechischen Insel Kreta vermutet – Teile der Insel wurden durch das Ereignis um mehrere Meter angehoben. Ein internationales Forscherteam hat die Katastrophe nun mithilfe fossiler Küstenlinien rekonstruiert.

Mehrere Beben
Die Wissenschafter um Richard Ott vom vom Deutschen Geoforschungszentrum nutzten die Radiokarbon-Datierung, um herauszufinden, wann und wie stark die Küstenlinien auf Kreta gehoben wurden. Konkret untersuchten die Forscher eine sogenannte Brandungshohlkehle im Westen Kretas, die anzeigt, wo der Meeresspiegel in der Vergangenheit stand. Sie liegt bis zu neun Meter über dem heutigen Meeresspiegel und wurde hauptsächlich von Erdbeben emporgehoben. Dort sammelten Ott und Kollegen Schalen und Skelette von toten Meeresorganismen, die Aufschluss darüber geben können, wann die Hebung stattfand: Denn die Lebewesen starben, als sie aus dem Meer herausgehoben wurden.


Spurensuche an der Westküste Kretas.
Foto: Richard Ott

Das Ergebnis, das die Forscher kürzlich im Fachblatt "AGU Advances" präsentierten: Die Küstenlinie im Westen Kretas wurde wahrscheinlich nicht allein durch das Beben von 365 um bis zu neun Meter angehoben. Stattdessen dürfte eine ganze Reihe starker Erdbeben, die in den ersten Jahrhunderten nach Christus rund um die Insel Kreta stattgefunden haben, dafür verantwortlich gewesen sein. Das würde auch zu archäologischen Hinweisen darauf passen, dass der antike Hafen in Phalasarna bereits nach einem Erdbeben im Jahr 66 aufgegeben wurde.

Brüche in der Erdkruste
Die Studienautoren untersuchten auch den Ursprung dieser historischen Erdbeben in der Region und kommen zu dem Schluss, dass vermutlich sogenannte Abschiebungen dafür verantwortlich waren. Dabei handelt es sich um eine bestimmte Art von Brüchen in der Erdkruste, die entstehen, wenn die Erdkruste auseinandergezogen oder gedehnt wird.

Das Forschungsteam modellierte auch die Ausbreitung von Tsunamis bei Erdbeben durch solche Abschiebungen. Demnach würde das Ergebnis gut zum Tsunami-Bericht von Marcellinus passen. Die Flutwellen des Tsunamis von 365 trafen Alexandria und das Nildelta besonders schwer, richteten aber auch in weiter westlich gelegene Küstenstädten wie Neapolis im heutigen Tunesien schwere Schäden an. Überreste der römischen Stadt Neapolis wurden erst vor wenigen Jahren vor der tunesischen Küste entdeckt.
(dare, 17.5.2021)

Studie
AGU Advances: "Reassessing Eastern Mediterranean Tectonics and Earthquake Hazard From the 365 CE Earthquake"

Verheerender Tsunami rekonstruiert, der einst Alexandria verwüstete
 
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