In US-Häfen eingesetzte Kräne aus China könnten Spionagezwecken dienen

josef

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NACH BALLONS
Kräne aus China unter US-Spionageverdacht
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Nach der Aufregung über mutmaßliche chinesische Ballons über den USA und Lateinamerika sieht das US-Verteidigungsministerium laut dem „Wall Street Journal“ („WSJ“) nun in chinesischen Kränen in den USA eine Gefahr für die innere Sicherheit. Die Kräne aus China könnten nämlich auch für Spionage verwendet werden, so das Pentagon. Was vielleicht auf den ersten Blick skurril scheint, hat jedoch einen ernst zu nehmenden Hintergrund.
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US-Beamte sind laut dem „WSJ“ zunehmend besorgt darüber, dass die riesigen Kräne, die in so gut wie allen größeren US-Häfen eingesetzt werden, darunter auch in mehreren vom Militär genutzten Häfen, ein mögliches Spionagewerkzeug für Peking bieten könnten. Und das quasi in der Öffentlichkeit und vor aller Augen versteckt.

Laut der Defense Intelligence Agency (DIA) könnte Peking durch die Software der Kräne möglicherweise den Hafenverkehr drosseln. Die Kräne könnten Fernzugriff für jemanden bieten, der den Warenfluss stören möchte, so auch Bill Evanina, ein ehemaliger hochrangiger US-Beamter der Spionageabwehr, gegenüber dem „WSJ“.

AP/Ted S. Warren
Die Kräne werden per Schiff fertig zusammenbaut angeliefert

Vergleiche mit Trojanischem Pferd
Doch die Kräne könnten auch Daten sammeln und Informationen über die Ladungen bzw. bei Militärhäfen über die militärische Ausrüstung, die verschifft bzw. entladen wird, weitergeben. Die USA haben Militäreinsätze bzw. -stützpunkte auf der ganzen Welt, unter anderem auch bei Chinas Nachbarländern.

Beamte der nationalen Sicherheit und des Pentagon verglichen gegenüber der „WSJ“ die Ship-to-Shore-Kräne – Kräne, die Container vom Schiff in den Hafen bzw. vom Hafen auf das Schiff heben – des in China ansässigen Herstellers Shanghai Zhenhua Heavy Industries (ZPMC) mit einem Trojanischen Pferd.

APA/AFP/Clement Mahoudeau
Kräne des chinesischen Unternehmens ZMPC werden montiert

Fast 80 Prozent Ship-to-Shore-Kräne in den USA
Die ZPMC-Führungskräfte wurden früher in den USA mit offenen Armen empfangen, da in den USA überhaupt keine vergleichbaren Kräne hergestellt werden, so das „WSJ“. ZPMC kontrolliert nach eigenen Angaben rund 70 Prozent des globalen Marktes für Kräne und hat diese in mehr als 100 Ländern verkauft. Laut US-Beamten stellte das Unternehmen fast 80 Prozent der in den USA eingesetzten Ship-to-Shore-Kräne her.

Die riesigen Kräne werden in der Regel bereits montiert in die USA geliefert und über in China hergestellte Software betrieben. In einigen Fällen wird auch chinesisches Personal für einen zweijährigen Einsatz in den USA gestellt – auch das könnte laut „WSJ“ auf das Sammeln von Informationen, sprich Spionagetätigkeiten hinweisen.

AP/Ringo Chiu/Ringo Chiu
Der Long Beach Container Terminal im Hafen von Long Beach im US-Bundesstaat Kalifornien

„Jetzt verkaufen wir Systeme“
Stutzig machte dann bei näherer Untersuchung offenbar die eingesetzte Technik der als kostengünstig und gut verarbeitet beschriebenen Kräne. Laut „WSJ“ enthalten sie ausgeklügelte Sensoren, die die Herkunft und den Bestimmungsort von Containern registrieren und verfolgen können. Genau das führte eben zu jenen Bedenken, dass China Informationen über Material und Güter erfassen könnte, die in das Land oder aus dem Land verschifft werden.

ZPMC-Kräne kamen in die USA vor etwa zwei Jahrzehnten auf den Markt, und sie waren deutlich billiger als westliche Anbieter. In den letzten Jahren hat sich ZPMC zu einem der wichtigsten globalen Akteure für automatisierte Häfen entwickelt. Das Unternehmen arbeitet laut „WSJ“ auch mit Microsoft und anderen US-Unternehmen im Technologie- und Informationsverarbeitungssektor zusammen, um seine Geräte zu verbinden und Daten in Echtzeit zu analysieren.

„Früher haben wir Geräte verkauft, jetzt verkaufen wir Systeme“, so Hailiang Song, der damalige Vorsitzende von ZPMC, laut „WSJ“ in einem Video aus dem Jahr 2017 auf der Microsoft-Website. In dem Video fügte der damalige Präsident des Unternehmens, Qingfeng Huang, noch hinzu: „Über unser Hauptbüro in Schanghai können Sie alle Kräne überwachen“, um bei der Fehlersuche zu helfen.

Chinesische Botschaft: Von Paranoia getrieben
Laut dem „WSJ“ reagierten weder ZPMC noch Microsoft auf Anfragen. Von der chinesischen Botschaft in Washington hieß es allerdings, die US-Befürchtungen über die Kräne seien ein „von Paranoia getriebener“ Versuch, den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China zu behindern. Die „China-Karte“ zu spielen und die „Bedrohung-durch-China-Theorie“ in Umlauf zu bringen sei unverantwortlich und werde den Interessen der USA selbst schaden, hieß es.

Reuters/Us Air Force
Auch die Affäre um mutmaßliche chinesische Spionageballons belastet das Verhältnis zu den USA

Die jüngsten Spannungen wegen der mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über den USA haben ein unerwartetes Schlaglicht auf die sich verändernde Natur der Spionage geworfen. Auch darauf, wie Nationen sich gegenseitig im Auge behalten, jenseits der konventionellen Werkzeuge zur Informationssammlung wie etwa durch Spione und Satelliten, so das „WSJ“.

Nicht der erste Fall
Doch diese Tendenz zeichnete sich bereits seit geraumer Zeit ab. In den letzten Jahren wiesen US-Beamte aus dem Sicherheitsbereich bereits auf eine Reihe von in China hergestellten Geräten hin, die entweder Überwachung oder Störungen in den USA erleichtern könnten. Darunter fanden sich etwa Gepäckkontrollsysteme, es gab aber auch allgemeinere Bedenken hinsichtlich Chinas wachsender Kontrolle von Häfen auf der ganzen Welt. China stellt fast alle neuen Container weltweit her und kontrolliert sie auch über einen Versanddatendienst.

AP/Dake Kang
Der Huawei-Firmensitz in Shenzhen

Ein neues Huawei?
Beobachter fühlen sich bei der Debatte über chinesischen Kräne auch an den Fall des chinesischen Netzwerkausrüsters und Smartphone-Herstellers Huawei vor knapp vier Jahren erinnert. Die Kräne könnten das neue Huawei sein, so der ehemalige hochrangige US-Beamte im Sicherheitsbereich, Evanina, zum „WSJ“. Die USA begründen auch weiterhin die damals ausgesprochenen Sanktionen mit Verbindungen Huaweis zu chinesischen Behörden und warnen vor der Gefahr von Spionage bzw. Sabotage.
Dem Konzern wurde unter anderem der Zugang zum US-Betriebssystem Android gekappt, was dessen Smartphone-Geschäft schwer belastete. Wie sehr sich das Geschäft zwangsweise gewandelt hat, zeigte sich Ende Februar auf der großen Mobilfunkmesse in Barcelona, wo Huawei keine neuen Smartphones mehr vorstellte.
Huawei weist die Vorwürfe entschieden zurück. Seit mehr als 30 Jahren arbeite der Telekomausrüster mit mehr als 1.500 Netzbetreibern in mehr als 170 Ländern und Regionen. „Wir haben eine nachgewiesene Erfolgsbilanz in der Cybersicherheit.“ Eine Diskussion über Netzwerksicherheit sei sicher nötig, aber „eine Bewertung anhand des Herkunftslandes“ sei „diskriminierend“, heißt es weiter aus dem Unternehmen.

IMAGO/AAP/Lukas Coch
Überwachungskameras des chinesischen Unternehmens Hikvision in der australischen Hauptstadt Canberra

Australien: Kameras aus China werden abgebaut
Und auch außerhalb der USA geht man gegen chinesische Hightech-Produkte im Einsatz vor. Als jüngstes Beispiel gilt Australien. Die dortigen Behörden wollen Dutzende in China hergestellte Überwachungskameras aus Büros von Regierungspolitikern entfernen lassen – wegen Spionageverdachts, wie es Mitte Februar hieß.
Das australische Finanzministerium bestätigte damals, dass einige Kameras im Rahmen einer umfassenderen Sicherheitsaufrüstung bereits ausgetauscht worden seien, 40 weitere sollten bis April ersetzt werden, sagte das Ministerium. Vertreter westlicher Staaten hatten in den vergangenen Jahren wiederholt vor einer Spionagegefahr durch Kameras aus chinesischer Produktion gewarnt.

USA und Großbritannien als Vorläufer
Insgesamt sind offiziellen Angaben zufolge 913 Sicherheitskameras aus chinesischer Produktion in mehr als 250 australischen Regierungsgebäuden verbaut, so auch in den Einrichtungen des Verteidigungsministeriums. Die Kameras wurden von den chinesischen Unternehmen Hikvision und Dahua hergestellt, die in den USA auf einer schwarzen Liste stehe. Den Firmen wird vorgeworfen, die chinesische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang zu unterstützen.

Die USA und Großbritannien waren in der Vergangenheit bereits gegen die Installation von Kameras aus chinesischer Produktion in Regierungsgebäuden vorgegangen. Beide Staaten hatten die Befürchtung geäußert, chinesische Unternehmen könnten gezwungen werden, von den Kameras gesammelte Informationen mit Pekings Sicherheitsdiensten zu teilen.

Im November vergangenen Jahres hatte Washington die Einfuhr von Überwachungsgeräten von Hikvision und Dahua verboten, da sie ihren Angaben zufolge ein „inakzeptables Risiko für die nationale Sicherheit“ darstellten. Hikvision hatte daraufhin erklärt, es sei „kategorisch falsch“, das Unternehmen als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ darzustellen.
23.03.2023, Peter Bauer, ORF.at/Agenturen

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