Israel: Riesiger unterirdischer Friedhof für Jerusalem

josef

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Platzmangel erzwingt Millionenfriedhof in Jerusalems Untergrund
Lissy Kaufmann aus Jerusalem

Ab Ende 2018 sollen im Har Hamenuchot, dem Berg der Verstorbenen, Leichen in einer Nekropolis bestattet werden
Jerusalem – Kalt, dunkel und ungemütlich ist es hier unter der Erde. Wie man sich einen Untergrundfriedhof eben vorstellt. Und ziemlich laut. "Das wird sich alles noch ändern", ruft Yehuda Bashari gegen das Dröhnen der Bohrmaschinen, Bagger und Zementlaster an. "Es wird hier Licht geben, eine Klimaanlage und sogar Aufzüge. Alles neuste Technik."

20.000 Gräber sollen hier unter der Erde auf rund 25.000 Quadratmetern entstehen: Im Boden und in den Steinwänden – und dort, wo das Gestein nicht durchbohrt werden kann, sollen die Toten in Styroporgräbern entlang der Wände bestattet werden. Seit drei Jahren schon rollen Laster Steine und Geröll aus dem Berg, um Platz zu schaffen für die Tunnelröhren.

Baukosten bei 50 Millionen Euro
"Wir werden hier übereinander drei Balkonreihen bauen, über die Besucher zu den Gräbern in den Wänden gelangen", erklärt Yehuda Bashari, der technische Leiter auf dem Bau dieses modernen Untergrundfriedhofs im Har Hamenuchot, dem Berg der Verstorbenen. Ein Wahnsinnsprojekt, findet Bashari, der schon von Anfang an dabei ist. Die Kosten lägen bei rund 50 Millionen Euro. "Aber es ist wie mit einem Start-up: Gerade wenn dir Leute sagen, du bist verrückt, dann musst du das Projekt durchziehen."

Hinzu kommt: Den Friedhofsbetreibern bleibt kaum eine Alternative. Denn der Platz oberhalb der Erde wird demnächst ausgehen. Schon jetzt ist Har Hamenuchot mit rund 200.000 Gräbern der größte Friedhof in Jerusalem. Wer über die Hauptzufahrtsstraße aus dem Zentrum des Landes nach Jerusalem fährt, sieht ihn hoch oben – ein Berg übersät von hellen Grabsteinen.

Begehrte letzte Ruhestätte
Vor allem gläubige Juden wollen gerne in Jerusalem begraben werden, in der Stadt, in der nach jüdischem Glauben irgendwann der Messias auftauchen wird. Jerusalemer selbst haben ein Anrecht auf einen Bestattungsplatz in ihrer Stadt. Nach jüdischem Gesetz müssen sie nach dem Tod innerhalb eines Tages bestattet werden, komme, was wolle.

Und wer nicht in der Heiligen Stadt wohnt, kann sich zu Lebzeiten ein Grab kaufen – was beispielsweise viele jüdische Amerikaner auch täten, erklärt Yehuda Bashari, der für Kehilat Jerushalayim arbeitet. Dieses Bestattungsunternehmen hat den Bau unter Tage in Auftrag gegeben.

"2000 Bestattungen haben wir hier jährlich", erzählt Bashari. Es wird also eng. Und Gräber sind im Judentum etwas für die Ewigkeit: "Im Judentum ist es verboten, die Toten irgendwann wieder aus den Gräbern zu holen oder die Erde umzugraben" erklärt Yehuda Bashari. Auch Feuerbestattungen sind tabu.

Und die besonders strenggläubigen Juden, die Charedim, lehnen auch Doppelgräber ab, ebenso Wandgräber oder die Gräber in den mehrstöckigen Etagen, die bereits oberhalb auf dem Friedhof gebaut wurden und aussehen wir offene Parkhäuser. Für die Strengreligiösen kommt nur eine Einzelbestattung in der Erde infrage.

16 Stockwerke im Berg
Und so treffen jahrtausendealte jüdische Tradition und modernstes israelisches Hightech zusammen: "Es sieht so aus, als seien die Gräber in den Steinwänden für die Charedim in Ordnung, schließlich befinden sie sich ja unterhalb der Erde", erklärt Yehuda Bashari. Tief drinnen im Tunnel, dort, wo der Berg am höchsten ist, strahlt plötzlich von weit oben Licht nach unten. Bashari wirft den Kopf in den Nacken: "Das wird einer der Eingänge. Mit mehreren Aufzügen kommen die Besucher nach unten. 16 Stockwerke mit 300 Wandgräbern werden in diesem Schacht entstehen."

Damit die Besucher sich nicht verlaufen, sollen an den Eingängen Computer aufgebaut werden, die den Weg zum Grab zeigen. Außerdem wird darüber nachgedacht, eine App zu erstellen, die Besucher zur richtigen Stelle navigiert.

Schon Ende 2018 sollen hier die ersten Begräbnisse stattfinden, erklärt Bashari. "Rund 6500 Gräber werden bis dahin fertig sein." Bis zur endgültigen Fertigstellung wird es aber noch acht bis zehn Jahre dauern. Doch auch danach sei sicher noch nicht Schluss, ist Bashari überzeugt. Denn auch dieser Platz wird irgendwann ausgehen. (12.2.2018)

  • foto: lissy kaufmann
    Projektleiter Yehuda Bashari vor einer Tunnelröhre im Har Hamenuchot – im Berg wird ein unterirdischer Friedhof für 20.000 Gräber errichtet.
https://derstandard.at/2000074051696/Platzmangel-erzwingt-Millionenfriedhof-in-JerusalemsUntergrund
 

josef

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#3
Israel schafft gigantischen Friedhof unter Tage

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Es wird eine „Stadt der Toten“, eine enorme Nekropole ohne Tageslicht: Weil in Jerusalem, so wie in anderen Großstädten der Welt auch, der Platz für die Unterbringung von Leichen rar wird, baut man hier in die Tiefe – und mit endlos scheinenden Tunneln auch in die Länge: Der erste Abschnitt der neuen Katakomben von Jerusalem wird demnächst eröffnet.
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Seit drei Jahren baut Jerusalem bereits an seinem Projekt unter dem größten Friedhof der Stadt, Har ha-Menuchot. Für den Oktober ist die Freigabe des ersten Teils geplant, der Platz für die sterblichen Überreste von 8.000 Personen haben wird. Insgesamt soll der Friedhof unter der Erde einmal 22.000 Grabstellen beherbergen.

Der Großteil dieser „Totenstadt“, wie CNN die Anlage nannte, besteht aus 1,5 Kilometern an unterirdischen Tunneln. Darin befinden sich die Grabstellen in mehreren Schichten übereinander in den Kalksteinwänden. Die Flammen großer mehreckiger Glasleuchten scheinen auf die Kreuzungen des unterirdischen Labyrinths. Fünf große Eingänge führen in die Nekropole, einer davon direkt vom oberirdischen Friedhof. Drei große Aufzüge werden die Besucherinnen und Besucher befördern. Die zentrale Stelle liegt 50 Meter unter der Erde. Auch wenn der Sonnenschein im Sommer den Boden aufheizt, wird es darunter das ganze Jahr über angenehme 23 Grad Celsius haben.

Antikes Vorbild
Das gesamte Projekt des Tel Aviver Architekturbüros Pelleg kostet rund 45 Millionen Euro. Es ist inspiriert von alten jüdischen Beerdigungsriten. Vorbild war etwa die Nekropole von Bet Schearim nahe Haifa. Die Katakomben wurden in der Zeit zwischen zweitem und viertem Jahrhundert nach Christus genutzt. In den einzelnen Höhlen befanden sich bis zu 400 Gräber. Heute zählen sie zum UNESCO-Weltkulturerbe.

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Die meisten Gräber befinden sich in kleinen Ausbuchtungen, die in den Fels gefräst wurden

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Die Arbeiten dauern schon drei Jahre an. Bis zum endgültigen Ergebnis werden auch noch Jahre vergehen.


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Im Oktober wird aber der erste Abschnitt eröffnet. Darin befindet sich Platz für rund 8.000 Gräber.


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Die Tunnel unter dem Friedhof Har Hamenuchot erstrecken sich über die Länge von 1,5 Kilometern


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Die kleinen Grabhöhlen sind antiken Vorbildern nachempfunden


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Nach der Fertigstellung sollen hier 22.000 Grabstellen untergebracht sein

Damals, so Amit Reem vom Jerusalemer Institut für Archäologie, zur Nachrichtenagentur AP, beerdigten die Angehörigen die Verstorbenen in den Katakombenhöhlen und verschlossen die Tür mit einem Felsen für acht Monate. „Als die Grabstelle wieder geöffnet wurde, waren darin nur mehr die Knochen ohne Fleisch.“ Diese wurden dann oft in Steinbehältnissen innerhalb der Höhlenkammer, in Ossuarien, aufbewahrt.

Begrenzter „Berg der Ruhenden“
Die jüdischen Bestattungsbräuche verbieten die Einäscherung und erfordern das Beisetzen der Toten im Boden. Laut der jüdischen Beerdigungsgesellschaft stimmt der Bestattungsvorgang in den unterirdischen Tunneln mit jüdischen Regeln überein. Dazu habe man sich von orthodoxen Rabbis beraten lassen. Zudem wünschen sich viele Jüdinnen und Juden eine Beerdigung in Jerusalem. Es heißt, dass sie dann bei der Ankunft des Messias als Erste wieder auferstehen.

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Die Flammen großer Glasluster sollen Licht im Höhlensystem spenden

So wie in vielen Städten geht der Platz für Begräbnisstätten aber auch in Jerusalem zur Neige. Der Friedhof Har ha-Menuchot, übersetzt „Berg der Ruhenden“, gerät trotz seiner rund 150.000 Grabstellen langsam an die Kapazitätsgrenze. Und bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung laut Prognosen fast verdoppeln. Daher sorgt man mit der neuen Nekropole unter Tage für die Zukunft vor. „Wahrscheinlich werden die Menschen immer sterben“, so der Geschäftsführer von Rolzur, der Firma, die die Tunnel gräbt, scherzhaft. „Also muss man dafür auch Platz schaffen.“
08.09.2019, smek, ORF.at/Agenturen

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„Stadt der Toten“: Israel schafft gigantischen Friedhof unter Tage
 
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