Jüdischer Friedhof Währing

#1
Ich hatte am Montag Gelegenheit an einer der seltenen Führungen durch den Jüdischen Friedhof in Währing teilzunehmen. Veranstalter war der ÖGB-Bildung.
Anbei einige Fotos:
Bitte fragt mich nicht, wieso einige thumbs größer sind als andere. Ich bin immer froh, wenn des zeugs überhaupt funktioniert.....







 

josef

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#5


Jüdischer Friedhof: 130.000 für Luftaufnahmen

Einige Gräber am Jüdischen Friedhof in Währing sollten heuer endlich saniert werden. Ein Großteil des dafür vorhandenen Geldes wurde jedoch für eine digitale Karte aufgebraucht, die nicht mal den gesamten Friedhof erfasst.
Die Restauratoren am Jüdischen Friedhof in Währing kommen nicht voran. Sie müssen sich durch dichte Vegetation kämpfen, Holunder- und Brombeersträucher. Und sie müssen die Gräber nummerieren. Das ist schwierig. Einige Grabmäler sind gut erhalten, andere von umgestürzten Bäumen zerstört, zertreten oder zugewachsen. Grabplatten liegen kreuz und quer. Bevor hier ein Grab saniert werden kann, „müssen wir alles neu erfassen, freilegen und durchnummerieren“, sagt Martin Eck.

Er ist Geschäftsführer der Jüdischen Friedhofssanierungs- und Verwaltungs-GmbH (JFS). Die JFS ist Teil der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Auf Basis des Washingtoner Abkommens von 2001 steht der Kultusgemeinde pro Jahr eine Million Euro für die Sanierung und Renovierung Jüdischer Friedhöfe vom Bund zu. 2010 wurde dafür nach zähen Verhandlungen ein Nationalfonds eingerichtet. Für das Großprojekt Währing ist die Summe aber zu niedrig. Eck stellt fest: „Wir müssen uns um 64 jüdische Friedhöfe kümmern, nicht nur um diesen.“


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Budget für 2018 beinahe aufgebraucht
Eigentlich sollte der Friedhof heuer in Ansätzen saniert werden. Das wurde vor etwa einem Jahr beschlossen - mehr dazu in Jüdischer Friedhof: Vorbereitung für Sanierung. Davon ist in der dichten Wildnis wenig zu sehen. Lediglich neue Nummernschilder hängen an einigen Grabsteinen. Die Kultusgemeinde hat von Teilen des Friedhofareals Luftbilder von der Stadt Wien anfertigen lassen. Eine Software-Firma kreierte mit den Daten eine digitale Karte. Diese Maßnahme kostete laut Eck mindestens 130.000 Euro.

Das Budget für den Währinger Friedhof liegt 2018 bei 250.000 Euro. Das Geld dürfte wohl aufgebraucht sein, bevor nur ein einziges Grab saniert wurde. Für die Sanierung des gesamten Friedhofes wären laut diversen Schätzungen 30 bis 40 Millionen Euro notwendig. Die Hälfte der jährlichen Fördermillion für die Friedhöfe muss die Kultusgemeinde selbst aufbringen, nur dann schüttet die Republik Förderungen aus - was laut Eck aber bisher immer möglich war.

In Anbetracht der hohen Summe wäre es klüger, zuerst einen kleineren Teil zu sanieren, meint Tina Walzer. Seit 1995 kümmert sich die Historikerin um den Friedhof, macht Führungen, leitet Freiwilligeninitiativen. Sie hat zudem einen Verein für die Nachkommen der Familien ins Leben gerufen, die hier ruhen. Der Verein zählt 300 Familien als Mitglieder.


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Die Historikerin Tina Walzer kümmert sich bereits seit 1995 um den Friedhof

Datenbank bereits vorhanden
Zudem hat Walzer schon vor Jahren eine Datenbank erstellt, in der jedes einzelne Grab verzeichnet, bebildert und durchnummeriert sein soll. Selbst die Gräber, die entweder nicht mehr existieren, verschüttet wurden oder deren schwere Grabplatten in der Wildnis verrotten. „Es ist schwierig, hier ein klares System zu erstellen“, erklärt sie: „Aber meine Datenbank ist vollständig. Es ist halt nur eine altmodische Excel-Tabelle.“ Viele Gräber seien auf den Luftaufnahmen gar nicht zu sehen.

Walzer wäre für ein „Probe-Eck“, in dem ein Teil des Friedhofes renoviert wird. Den ganzen Friedhof könne sowieso niemand sanieren. „Eine Mischung aus Friedhof und Park wäre sinnvoll“, meint sie. Die Kultusgemeinde hat etwas andere Pläne. Sie will sich um den „starken Bewuchs“ kümmern, ein eigenes System erstellen und umgefallene Grabplatten wieder aufstellen. „Wir haben versucht, die Daten von Frau Walzer mit unserem System zu verbinden. Es hat nicht funktioniert“, beteuert Eck und spricht von einem „riesigen Puzzle“.

Freiwillige Initiativen überlebenswichtig
In einem Punkt sind sich beide Seiten einig: Priorität hat, dass der Friedhof wieder begehbar wird. Dass regelmäßig die Bäume geschnitten werden, dass Grabsteine gesichert werden, die umfallen könnten, dass unsichtbare Löcher im Boden gefüllt werden, bevor sich jemand ein Bein bricht. Die Kultusgemeinde sieht sich auch in einer „historischen Verantwortung“.

Bis 1898 wurden auf dem Friedhof 30.000 Personen begraben. Der letzte Friedhofsgärtner hieß Theodor Schreiber. Die Nazis deportierten und töteten ihn 1938. Ohne den Einsatz vieler Freiwilliger wäre der Zustand des Friedhofes heute noch schlimmer, als er ohnehin ist. „In den letzten zehn Jahren wäre sonst nichts geschehen“, bedankt sich Walzer bei den vielen Initiativen, die unter anderem von der Grünen Jennifer Kickert angeführt werden.


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Geschändete Gräber stehen teilweise immer noch offen

Mindestens 30 Millionen für Gesamtsanierung
Ein Bereich des Friedhofs ist verloren: Dort steht seit 1960 nämlich ein Hochhaus. Die Nazis wollten in diesem Bereich eigentlich einen Bunker errichten. Deshalb gruben sie einen Teil des Friedhofs ab. Die Grabsteine wurden einfach auf den anliegenden Teil des Friedhofs geworfen, wo sie bis heute verwildern. Die Nazis bauten den Bunker dann doch nicht, dafür errichtete die Wiener Stadtregierung auf dem freien Grundstück später das Hochhaus.

Dort, wo die Grabsteine hingeschmissen wurden, könne die Zerstörung nicht mehr rückgängig gemacht werden, sagt Eck. Walzer gibt ihm Recht: „Am Klügsten wäre hier eine Gedenktafel, die auf die Verbrechen der NS-Zeit hinweist.“ Sie erklärt gegenüber „Wien heute“ mit lexikalem Wissen das Aussehen der Grabsteine, die aus unterschiedlichen, jüdischen Kulturen stammen. Sie weiß, wo dieser Schriftsteller oder jener Architekt begraben liegt, wo die Gründer der Ottakringer Brauerei ruhen.

Geschändete Gräber stehen noch immer offen
Oft spricht Walzer auch über die dunkle Geschichte des Friedhofs. Er diente als Experimentierfeld für die sogenannte „Rassekunde“ der Nazis. Etwa 400 Leichen wurden während der NS-Zeit exhumiert und in das Naturhistorische Museum gebracht. Die Exhumierungsprotokolle zeigen ein grausames Bild. Teils minutiös beschrieben sind die Leichenschändungen, wie Fleisch von den Knochen abgetrennt wurde, das Entfernen von Goldzähnen.

Tatsächlich stehen einige der geschändeten Gräber noch immer offen, zeigen metertiefe, schwarze Schlunde. Selbst in den vergangenen Jahren kamen Räuber über einen anliegenden Zaun, stahlen Grabtafeln. „Besucher sind meistens fasziniert von den Grabmälern, aber auch angewidert von den anderen Umständen“, berichtet Walzer.

Neue Lösungen werden dringend gesucht
Nun, wo eine Lösung angekündigt wurde, weiß niemand so recht, wohin die Reise geht. „Unsere größten Probleme sind der Bewuchs und die Unordnung. Niemand kann eine seriöse Prognose stellen, wie viel welches Vorhaben kosten wird“, analysiert Eck. Walzer will trotz diverser Meinungsverschiedenheiten weiterhin auf dem Friedhof tätig sein: „Dieser Ort spiegelt das Leben einer untergegangenen Welt wider.“

Für den 25. Mai ist ein „Runder Tisch“ geplant, an dem Kultusgemeinde, Stadt, Restauratoren und auch Walzer teilnehmen sollen. Eck will als Moderator auftreten. Er wolle „historische Theorie und operative Praxis“ in Einklang bringen. Der Währinger Friedhof sei der Kultusgemeinde ein Anliegen, „aber wir haben so viele andere Projekte. Uns fehlt einfach das Geld“, sagt Eck und nennt „Patenschaften für Gräber“ als mögliche Finanzierungsquelle.

Michael Hammerl, wien.ORF.at

Links:
Publiziert am 30.04.2018













Alle Fotos ORF

http://wien.orf.at/news/stories/2909450/
 

josef

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#6
400.000 Euro für Jüdischen Friedhof
Seit Jahren klagen die Verwalter des jüdischen Friedhofs in Währing über finanzielle Schwierigkeiten, die Gräber verfallen. Jetzt wurden für das nächste Jahr 400.000 Euro genehmigt, damit soll u.a. die Friedhofsmauer saniert werden.
Die Kosten für die Mauer werden etwa 200.000 Euro betragen, heißt es vom Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe, der das Geld genehmigt hat. Dazu sind auf dem Friedhof teure archäologische Grabungen notwendig, denn es gibt eine ganze verschüttete Grabreihe, die vorsichtig wieder freigelegt werden muss. Geplant ist, dass die archäologischen Arbeiten nächstes Jahr im Frühjahr starten und bis Herbst abgeschlossen sind.


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8.000 Grabstätten in schlechtem Zustand
Der Friedhof in Währing ist der drittgrößte jüdische Friedhof in Österreich - der Zustand der rund 8.000 Grabstätten ist allerdings denkbar schlecht. Zu den Zerstörungen in der NS-Zeit kommen schwerwiegende Schäden an den Grabmälern durch Verwitterung und Bewuchs hinzu. Bis 1898 wurden auf dem Friedhof 30.000 Personen begraben. Der letzte Friedhofsgärtner hieß Theodor Schreiber. Die Nazis deportierten und töteten ihn 1938. Viele Gräber wurden zerstört.

Ohne den Einsatz vieler Freiwilliger wäre der Zustand des Friedhofes heute noch schlimmer, als er ohnehin ist. In den vergangenen Jahren wurde vor allem auch daran gearbeitet, abgestorbene Äste und Bäume aus dem Friedhofsareal zu entfernen, damit es begehbar bleibt - und die Gräber zu erfassen und zu katalogisieren. Eigentlich hätte die Sanierung bereits 2018 starten sollen. Das wurde vor etwa einem Jahr beschlossen - mehr dazu in Jüdischer Friedhof: Vorbereitung für Sanierung.


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In den vergangenen Jahren ging es vor allem um die Zugänglichkeit

Komplettsanierung kein Thema
Davon war im Frühsommer jedoch noch wenig zu sehen. Lediglich einige Grabsteine wurden mit neuen Nummernschildern ausgestattet. Dafür ließ die Israelitische Kultusgemeinde von Teilen des Friedhofareals Luftbilder von der Stadt Wien anfertigen. Eine Softwarefirma kreierte mit den Daten eine digitale Karte. Diese Maßnahme kostete rund 130.000 Euro - mehr dazu in Jüdischer Friedhof: 130.000 für Luftaufnahmen.

Die Instandsetzung aller jüdischen Friedhöfe in Österreich wird, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, bis 2030 vom Bund mit einer Million Euro pro Jahr unterstützt, die Renovierungen werden vom Bund und den Friedhofseigentümern jeweils zur Hälfte getragen. An den Friedhof Währing sind bisher rund 700.000 Euro geflossen. Bis jetzt wurden immer nur Teilbereiche instand gesetzt oder saniert, eine Komplettsanierung steht derzeit nicht zu Debatte. Laut diversen Schätzungen wären dafür 30 bis 40 Millionen Euro notwendig.

Links:
Publiziert am 24.11.2018
400.000 Euro für Jüdischen Friedhof
 

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#7
Heer saniert jüdischen Friedhof
Der jüdische Friedhof in Währing ist seit vielen Jahren sanierungsbedürftig. Der Verein Jüdisches Erbe Austria kämpft für eine Generalsanierung des 240 Jahre alten Ruheplatzes. Nun konnte das Bundesheer zur Unterstützung gewonnen werden.

Verteidigungsminister Thomas Starlinger nahm ein entsprechendes Ansuchen des Vereins an und schickt 32 Soldaten zur Hilfe, wie am Freitag – dem Gedenktatg der November-Pogrome – bekanntgegeben wurde. Die aus Wiener Pionieren und Gardesoldaten bestehende Einheit wird ab Montag Instandsetzungsarbeiten verrichten – vor allem geht es um Grünarbeit wie Bäume schneiden, Wege begehbar machen, Wildwuchs entfernen und auch umgefallene Grabsteine aufrichten.

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Rund 8.000 Grabstellen sind nachgewiesen
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Der Friedhof ist seit vielen Jahren sanierungsbedürftig

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Der Verein „Jüdisches Erbe Austria“ kämpft bereits seit einiger Zeit für eine Generalsanierung

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Verteidigungsminister Thomas Starlinger schickt nun Soldaten zur Hilfe

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Die Grabsteine sind zumindest teilweise noch sehr gut erhalten

Der Einsatz, der im Rahmen einer Unterstützungsleistung stattfindet, ist für eine Woche anberaumt, sagte ein Sprecher. Die Arbeiten erfolgen in Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG).

Zentrale Begräbnisstätte bis 1879
Der Friedhof wurde 1784 von der stark gewachsenen jüdischen Gemeinde angekauft und ständig erweitert. Er diente bis 1879 als zentrale Begräbnisstätte der Gemeinde. Insgesamt konnten auf dem 21.209 Quadratmeter großen Friedhof rund 8.000 erhaltene Grabstellen nachgewiesen werden, wobei die Zahl der Bestatteten um ein Vielfaches höher sein dürfte.

Zur Zeit ist der Friedhof laut Website der Kultusgemeinde aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt. In den nächsten Jahren sei eine luftbildgestützte Planerfassung und anschließende Renovierung des Friedhofes geplant, heißt es. Das denkmalgeschützte Taharahaus wurde bereits saniert.
red, wien.ORF.at/Agenturen
Politik: Heer saniert jüdischen Friedhof
 

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#8
Freiwillige sanieren Jüdischen Friedhof
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Am jüdischen Friedhof Währing beginnt heute Sonntag wieder die Freiwilligenarbeit. Sie ist Teil der schon seit 2010 andauernden Bemühungen, den Friedhof zu sanieren. Die Kosten dafür werden auf insgesamt zehn bis 15 Millionen Euro geschätzt.
Online seit heute, 8.05 Uhr
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Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden jüdische Bürger auf dem Friedhof Währing ihre letzte Ruhestätte. Hier finden sich die Gräber so bedeutender Familien wie der Bankiers Eskeles und Arnstein. Der Friedhof steht unter Denkmalschutz, war aber jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben. Seit 2010 wird auf dem Gelände gearbeitet, Dickicht beseitigt, Brombeeranken entfernt und Grabsteine gerade gerichtet. Das Bundesheer war ebenso schon da wie zahlreiche Freiwillige.

Geldmangel bremst Sanierung
Der Sonntag ist nun der erste von drei Terminen bis Juli, an denen Freiwillige mit Gartengeräten, Handschuhen, Rechen und Scheibtruhen wieder daran gehen, Pflanzenwuchs und Laub zu entfernen. Es ist ein mühsames und langwieriges Unterfangen. Der Wildwuchs ist mittlerweile großteils entfernt, und auch die Sanierung des Friedhofs schreitet voran. Rund zehn Prozent der Gräber sind saniert, so Jennifer Kickert, Gemeinderätin der Grünen und Sprecherin des Vereins Rettet den jüdischen Friedhof Währing.
Die Arbeit ist nicht nur anstrengend, die Sanierung kostet auch viel Geld. Schätzungen liegen zwischen zehn und 15 Millionen Euro. Das Geld kommt zum Teil von der Republik Österreich. Sie stellt eine Million Euro jährlich bereit, allerdings für alle jüdischen Friedhöfe Österreichs. 500.000 Euro sammelte Kickerts Verein im Vorjahr an Subventionen und Sponsoren ein.

Ruhestätte für rund 30.000 Menschen
Ein Ziel des Vereins und seiner Arbeit ist es, den Friedhof auch wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Friedhof sei ein einzigartiges Zeugnis der Vergangenheit, einer Zeit, in der Juden und Nichtjuden erfolgreich in der Stadt zusammenlebten. In der Zeit zwischen 1784 und 1879 wurden insgesamt rund 30.000 Personen auf dem Jüdischen Friedhof Währing bestattet. Darunter sind viele Menschen, die die industrielle Revolution ankurbelten, die Kultur der Ringstraße und eine moderne Gesellschaft herausbildeten.
23.05.2021, red, wien.ORF.at

Link:
Verein Rettet den Jüdischen Friedhof Währing
Freiwillige sanieren Jüdischen Friedhof
 

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#9
Der Jüdische Friedhof Währing könnte eine touristische Sehenswürdigkeit werden
100 Jahre lang wurden Jüdinnen und Juden am Jüdischen Friedhof in Währing beerdigt. Seit 2018 wird die Anlage saniert. Sie könnte eine Wiener Sehenswürdigkeit werden

Frühling 2023 auf dem Jüdischen Friedhof Währing: Noch vor wenigen Jahren waren viele der Wege komplett zugewachsen.
Foto: Regine Hendrich

Hinter hohen, unscheinbaren Mauern in Währing vollzieht sich seit Jahren eine bemerkenswerte Wandlung. Wo jahrzehntelang ein Dschungel wucherte und tausende, zum Gutteil umgestürzte und schwer beschädigte Grabsteine zudeckte, entsteht sukzessive ein steinernes Museum. Auf dem Jüdischen Friedhof Währing, errichtet 1784, war die spätere Biedermeieranlage das jüdisches Pendant zum christlichen Friedhof St. Marx, auf dem im Laufe von rund hundert Jahren etwa 30.000 Menschen ihre letzte Ruhestätte fanden. Jene aus der Bevölkerung Wiens genauso wie Durchreisende, die hier verstarben.

Auch Gräber von Prominenten finden sich hier. Etwa der eindrucksvolle Sarkophag des in Odessa geborenen Getreidehändlers Joachim Ephrussi, Gründer der gleichnamigen Dynastie. Oder das Grabmal von Franziska "Fanny" Arnstein, einer der bekanntesten Salonières im Wien des 19. Jahrhunderts. Bei ihr trafen sich nicht nur bedeutende Vertreter aus Wissenschaft, Kunst und Journalismus.

Erster Weihnachtsbaum Wiens
Die gebürtige Berlinerin und Tochter eines Rabbiners soll es auch gewesen sein, die in ihrem Haushalt den ersten Weihnachtsbaum Wiens aufstellte. Cluster von Familiengräbern, wie jene des Bankers Gustav von Epstein oder die Gräber der Familie Schey, deren Oberhaupt Friedrich Schey das Ringstraßenpalais beim Goethe-Denkmal errichten ließ und das Künstlerhaus und den Musikverein finanzierte, finden sich ebenso hier.

Die letzte Beerdigung auf einem reservierten Platz auf dem Friedhof war 1912 – und damit lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich. Doch schon 1879 wurde der Friedhof eigentlich offiziell geschlossen. Es entstand ein neuer jüdischer Friedhof am 1874 eröffneten Zentralfriedhof.


Teil des Friedhofes aufgenommen auf einem Spaziergang 2020. Seither wurde ein weiteres Teilstück restauriert. Man arbeitet sich Abschnitt für Abschnitt vor.
Foto: Colette M. Schmidt

Während der NS-Diktatur wurde die Israelitische Kultusgemeinde enteignet und der Friedhof Besitz der Stadt Wien. Noch 1941 wurden hunderte Gräber, etwa von Gründungsmitgliedern der Gemeinde, exhumiert und auf den Zentralfriedhof verlegt. Von den in Währing verbleibenden wurden viele geschändet und zerstört. In der Nachkriegszeit wurde das Areal zwar restituiert, doch ein Teil wurde an die Stadt Wien abgetreten, die diesen nicht als Grünraum bewahrte, wie es religiöse Gebote vorsehen, sondern hier 1960 einen Gemeindebau, den Arthur-Schnitzler-Hof baute. In der jüdischen Religion darf ein Grab nie aufgelöst werden.

Im wuchernden Grün versteckt
Noch in den späten 1990er-Jahren konnte man viele der Grabsteine beim Besuch nicht einmal sehen und sich nur mit enormen Schwierigkeiten durch Teile des Friedhofs kämpfen. Seit 2006 ist der Friedhof regelmäßig durch Führungen zugänglich. Danach halfen immer mehr Freiwillige dabei, Äste, Büsche oder ganze umgestürzte Bäume so weit zurückzuschneiden, dass man überhaupt mit einer ernsthaften Bestandsaufnahme beginnen konnte.

Die Gräber – viele aus stark verwittertem Sandstein – erzählen sogar ohne Namen, schon durch ihre Gestaltung, Geschichten. Da gibt es die sehr schlichten Steine ebenso wie die orientalisch anmutenden sephardischen Grabstätten. Man sieht – nicht erst über die Zeit – abgerissene Säulen: ein Zeichen dafür, dass jemand hier unerwartet früh verstorben ist.


Grabmal mit einer Levitenkanne.
Foto: Regine Hendrich

In viele Steine ist die Levitenkanne gemeißelt, welche die Leviten für kultische Reinigungen im Tempel verwendeten. Auf anderen finden sich die segnenden Priesterhände, die ihren Eingang in die Popkultur durch den aus einer jüdisch-orthodoxen Familie stammenden Schauspieler Leonard Nimoy alias Mr. Spock in Star Trek fanden. Sie können der Hinweis darauf sein, dass jemand aus einem Priestergeschlecht hier begraben wurde.


Die segnenden Priesterhände hinten links. Nicht zufällig auch der Gruß von Mr. Spock im Raumschiff Enterprise.
Foto: Regine Hendrich

Geflügelte Sanduhr
Der Verein "Rettet den Jüdischen Friedhof Währing" hat sich ein anderes beliebtes Symbol als Logo auserkoren: die geflügelte Sanduhr, ein Symbol für die Vergänglichkeit der Zeit. Trotz der leidenschaftlichen Arbeit des Vereins, dessen Obmanns Günther Havranek und seiner Sprecherin Jennifer Kickert (die auch Landtagsabgeordnete der Wiener Grünen ist) hat der Friedhof noch immer nicht die Bekanntheit, die er – auch international – verdienen würde.

Dabei gaben sich parteiübergreifend die Spitzen der Politik vom Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen abwärts in den letzten Jahren die Klinke des Friedhofstors in die Hand. Steuerberater Havranek ist selbst unweit des Friedhofs aufgewachsen und hat schon als Bub über die Mauer kletternd den verzauberten Ort entdeckt. Mit derselben Hartnäckigkeit, mit der er vielen schon durch seinen Vorsitz der Stiftung "Rettet den Stephansdom" bekannt war, hat er nun viele Jahre Promis nach Währing gelockt, wo man rund 9000 Grabsteinen retten will.

Fast jede und jeder Einzelne scheint tief beeindruckt vom Besuch des 18.000 Quadratmeter umfassenden Geländes in der Schrottenbachgasse wieder weggegangen zu sein. Das mühsame, sukzessive Durchforsten des Dickichts hatte ein Ende, als Havranek 2019 mit einem befreundeten ranghohen Militär über das Problem sprach. Dieser vermittelte einen Termin beim Interims-Verteidigungsminister Thomas Starlinger, und dann ging alles ganz schnell: "Das Bundesheer rückte mit Pionierabteilung, Sanitätsabteilung und fahrbarer Küche an", erzählt Havranek immer noch hörbar beeindruckt, "und binnen einer Woche war der Friedhof durchgerodet." Seither kann man wieder durch das gesamte Areal gehen.

Positive Signale aus dem Bund
Die aufwendige Restaurierung von Einzelgräbern und Teilflächen von bisher 700 der insgesamt 9000 Gräber wurde durch Spenden und das Kulturministerium finanziert. Dieses stellte 600.000 Euro, die auf drei Tranchen von 2021 bis 2023 ausgezahlt wurden, bereit. Auf Nachfrage des STANDARD gibt es gute Nachrichten für den Verein. Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen im Parlament, bekräftigt: "Die Finanzierung soll in der gleichen Höhe für die nächsten drei Jahre fortgesetzt" werden.Rendering aus dem Inneren des Taharahauses am Rande des Friedhofes, wo am 27. März Ausstellungsräume zur Geschichte der Biedermeieranlage eröffnet werden.Foto: Jüdischer Friedhof Währing

Im Verein ist man sich sicher, dass sich die Bemühungen um den Erhalt eines wichtigen Stücks Wiener Kulturgeschichte auch eines Tages finanziell zu Buche schlagen könnten. Denn der Friedhof hat in seiner Pracht durchaus das Zeug zum Touristen-Hotspot, ähnlich wie jener in Prag. Neue Ausstellungsräume im Taharahaus, wo einst die Leichenwaschung (Tahara) vor Beerdigungen stattfand, werden am 27. März eröffnet und sind ein Schritt in diese Richtung.
(Colette M. Schmidt, 7.3.2023)
Der Jüdische Friedhof Währing könnte eine touristische Sehenswürdigkeit werden
 

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Ausstellungsraum am jüdischen Friedhof
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Der Jüdische Friedhof Währing wird derzeit saniert und soll künftig für Besucherinnen und Besucher öffnen. Jetzt wurde ein Ausstellungsraum eröffnet. Der Friedhof soll so künftig auch als Ort der Wissensvermittlung dienen.
Online seit heute, 6.00 Uhr
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Der jüdische Friedhof in Währing hat eine lange und bewegte Geschichte. Von 1784 bis 1879 wurden Wiener Jüdinnen und Juden hier begraben. In den Sterbebüchern sind fast 30.000 Verstorbene notiert. Während des NS-Regimes wurde der Friedhof enteignet und zerstört. Nach dem Krieg wurde ein Teil des ehemaligen Friedhofs bebaut, heute befindet sich darauf der Arthur-Schnitzler-Hof.

Sanierung als Zukunftsziel
Die neue Dauerausstellung beschäftigt sich mit gleich mehreren Aspekten – darunter etwa mit der Geschichte des Friedhofs. Ein wichtiger Teil ist auch Tahara, der Status ritueller Reinheit vor einer jüdischen Beerdigung. Im ehemaligen Tahara-Haus ist die Ausstellung angesiedelt und dient künftig als Eingang und Startpunkt für Besucherinnen und Besucher.

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Der Friedhof wird derzeit saniert

Langfristiges Ziel ist es, den gesamten Friedhof zu sanieren und öffentlich zugänglich zu machen. Aktiv wird seit 2018 daran gearbeitet. Im aktuellen Tempo wäre der Abschluss der Arbeiten allerdings erst in 30 Jahren erreicht, heißt es vom Verein „Rettet den jüdischen Friedhof Währing.“ Ab 16. April kann die neue Dauerausstellung besucht werden.
01.04.2023, red, wien.ORF.at

Link:
Ausstellungsraum am jüdischen Friedhof
 
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