Kanada: Fragment eines versunkenen Kontinents entdeckt

josef

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Fragment eines uralten versunkenen Kontinents entdeckt
Im Süden der nordkanadischen Baffininsel stießen Geologen auf die Überreste einer der ersten Landmassen der Erde

Tiefengesteinsproben von Buffinisland im Norden Kanadas brachten eine Überraschung ans Licht.
Foto: University of British Columbia

Über die ersten Jahrmillionen nach der Geburt der Erde können Geologen nur spekulieren. Allgemein anerkannt ist die Hypothese, dass unser Planet vor 4,5 Milliarden Jahren mit einem etwa marsgroßen, Theia genannten Protoplaneten kollidiert ist; dem dramatischen Ereignis verdanken wir auch unseren Erdmond. Die aufgeschmolzene Oberfläche erstarrte danach offenbar verhältnismäßig rasch und wurde von einem möglicherweise globalen Urozean bedeckt. Darunter differenzierte sich die erste ozeanische Erdkruste aus.

Aus sogenannten detritischen Zirkonen, die man im Westen Australiens fand, schließen Wissenschafter auf die Existenz einer ersten kontinentalen Kruste vor etwa drei Milliarden Jahren, doch diese zeitliche Einschätzung ist in der Fachwelt umstritten. Wann genau sich die ersten Kontinente aus dem urzeitlichen Meer erhoben, ist daher weiterhin unklar. Einen vielversprechenden Hinweis auf einen dieser frühesten Kontinente haben Wissenschafter nun bei der Analyse von Diamantproben unter der kanadischen Baffininsel entdeckt.

Diamanten gesucht, Kontinent gefunden
Bei der Suche nach Diamanten gelten Kimberlitgesteine als bedeutende Anzeiger für das Vorhandensein der Edelsteine. Kimberlite entstanden vor vielen Millionen Jahren in Tiefen von 150 bis 400 Kilometern und wurden durch geologische und chemische Kräfte an die Oberfläche gebracht. Bisweilen sind Diamanten in diese magmatischen Gesteine eingebettet. "Für Forscher sind Kimberlite gleichsam 'Raketen', die 'Passagiere' auf ihrem Weg nach oben aufnehmen", erklärt die Geologin Maya Kopylova von der University of British Columbia. "Diese Passagiere sind Felsbrocken, die zahlreiche Details über die Bedingungen weit unter der Oberfläche unseres Planeten zu verschiedenen Zeitpunkten konservieren."

Als Kopylova und ihre Kollegen mit der Analyse von Kimberlitproben aus einem Gebiet auf der Halbinsel Hall im Süden der Baffininsel begannen, wurde schnell klar, dass die Gesteine etwas ganz Besonderes waren: Die Proben trugen eine spezifische mineralische Signatur, die auch in einigen bisher entdeckten Überresten eines uralten Kontinents zu finden ist, dem sogenannten Nordatlantikkraton.


Im Süden der kanadischen Buffininsel entdeckten Geologen die Überreste eines der ersten Kontinente der Erde.
Foto: Nasa

"Die Mineralzusammensetzung anderer Teile des Nordatlantikkratons ist so einzigartig, dass man sie nicht verwechseln kann", sagt Kopylova, Hauptautorin der im "Journal of Petrology" veröffentlichten Studie. "Benachbarte alte Kratone in Nordkanada – in Nordquebec, Nordontario und in Nunavut – haben völlig unterschiedliche mineralische Signaturen."

Kontinentales Puzzle
Mit Kratonen bezeichnet man Milliarden Jahre alte Fragmente der kontinentalen Kruste, gleichsam Kerne von vor langer Zeit verschwundenen Kontinenten, die in deutlich jüngeren Erdkrustenteilen eingebettet sind. Einige dieser Kerne befinden sich nach wie vor inmitten bestehender Kontinentalplatten wie der nordamerikanischen Platte. Andere urzeitliche Kontinente sind dagegen in kleinere Fragmente zerfallen und wurden durch die Bewegung der Kontinentalplatten neu angeordnet. "Entdeckt man einen solchen 'verlorenen' Teil, ist das, als würde man ein fehlendes Puzzlestück finden", sagt Kopylova. "Ohne diese Teile ist das Bild von der Frühzeit unserer Erde nicht vollständig."

Die Kontinentalplatte des nordatlantischen Kratons zerfiel vor 150 Millionen Jahren in Fragmente, die sich zwischen Nordschottland über den südlichen Teil Grönlands bis zur Labrador-Halbinsel verteilen. Das nun identifizierte Fragment im Süden der Baffininsel vergrößert die bisher bekannte Ausdehnung des Nordatlantikkratons um etwa zehn Prozent.

Tiefe Einblicke
Die Entdeckung liefert auch wertvolle Einblicke ins Erdinnere: Nach Angaben der Wissenschafter ist es das erste Mal, dass Geologen Teile des Kraton-Puzzles aus einer so großen Tiefe zusammensetzen können. "Mit diesen Proben können wir die Formen uralter Kontinente auf der Grundlage tieferer Mantelgesteine rekonstruieren", sagt Kopylova. "Wir können jetzt nicht nur die oberste dünne Erdschicht verstehen und kartieren, die nur ein Prozent des Planetenvolumens ausmacht, sondern unser Wissen geht buchstäblich tiefer, denn wir können auch Fragmente aus 200 Kilometern Tiefe zusammensetzen."
(tberg, 30. 3. 2020)

Abstract
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Fragment eines uralten versunkenen Kontinents entdeckt - derStandard.at
 
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