Klimafreundlicheres Kerosin: Viel Hoffnung setzt die Branche in neue Treibstoffe

josef

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#1
80 Prozent weniger CO2: Start für neues Kerosin
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Die Luftfahrt hat bis zur Klimaneutralität einen besonders weiten Weg vor sich. Viel Hoffnung setzt die Branche in neue Treibstoffe, die 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen. Jetzt werden sie erstmals eingesetzt – es gibt allerdings noch ein Problem.
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Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Mehr als drei Viertel CO2-Einsparung im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin und das bei identischen Eigenschaften. Dadurch brauchen die neuen Treibstofftechnologien auf den Flughäfen keinerlei neue Infrastruktur, erklärt Fabian Wedam, bei der OMV für die Abteilung Luftfahrt zuständig, gegenüber noe.ORF.at: „Das heißt, man kann sie mit bestehenden Flugzeugen verwenden, mit bestehenden Triebwerken, mit bestehenden Lagerstätten und auch mit dem Hydrantensystem am Flughafen, das das Produkt zu den Parkpositionen der Flugzeuge vertreibt.“

Weltweit wird seit langem an klimaschonenderen Technologien für die Luftfahrt geforscht. Tatsächlich gibt es kleinere Fortschritte, etwa das österreichweit erste elektrisch betriebene Kleinflugzeug, das erst am Montag in Bad Vöslau vorgestellt wurde – mehr dazu in Erstes E-Flugzeug hebt in Bad Vöslau ab (noe.ORF.at; 11.4.2022).
Große batteriebetriebene Passagierflugzeuge sind allerdings noch immer Jahrzehnte von der Marktreife entfernt – zu schwer wären dafür aktuell die Bestandteile. Das beschädigte Image der Branche – Stichwort Flugscham – sollen deshalb die neuartigen, „nachhaltigen“ Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) verbessern. Seit wenigen Wochen setzt die teilstaatliche OMV den ersten davon ein, gemeinsam mit den Austrian Airlines. Als Rohstoff dient dabei altes Speiseöl.

Von der Fritteuse in die Turbine
„Für diesen ersten Schritt, in dem wir gemeinsam mit der Lufthansa, mit den Austrian Airlines, 1.500 Tonnen in Umlauf bringen, beziehen wir den Rohstoff aus regionalen Speiseölkollektoren und verarbeiten ihn dann in der Raffinerie in Schwechat“, sagt Wedam. Die Technologie namens „Co-Processing“, mit der das seit März gelingt, ist für die OMV „ein schneller Weg, um in den Markt einzusteigen. In weiterer Folge werden wir aber andere Produktionsformen ausbauen.“
Das ist auch nötig, um das Ziel von jährlich 700.000 Tonnen SAF zu erreichen, das CEO Alfred Stern in seiner jüngsten Strategiepräsentation vorgegeben hat. So viel Speiseöl wird die OMV nicht bekommen. Deshalb gibt es parallel zur Anlage in Schwechat Projekte in Deutschland und Rumänien. Mittelfristig soll auch der sogenannte „Power-to-Liquid"-Prozess verwendet werden, „also die Anwendung von CO2 und Strom und Wasserstoff zur Verarbeitung von SAF“, erklärt Wedam.
In Schwechat wird der neue Kraftstoff in der bestehenden Pipeline transportiert, die schon bisher Kerosin von der Raffinerie zum Flughafen leitet. Vorerst sind die Austrian Airlines der einzige Abnehmer, sie setzen SAF derzeit auf freiwilliger Basis ein. Der Anfang ist damit geglückt, auch wenn er mit 1.500 Tonnen bescheiden ausfällt. Zum Vergleich: Im Vorkrisenjahr 2019 verbrauchte die AUA knapp 800.000 Tonnen des herkömmlichen Kerosins.

Ein „erster kleiner Schritt“
„Das ist natürlich nur ein erster kleiner Schritt, aber ein sehr wichtiger“, sagt Anna Pachinger, die bei der Fluglinie für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2050 komplett CO2-neutral zu wirtschaften, und nachhaltiger Flugkraftstoff ist einer der wichtigsten Hebel dazu.“

Momentan ist das aber in einer Branche, die auf Kerosin angewiesen ist, reine Utopie. Das liegt nicht zuletzt an der verfügbaren Menge der SAF – und am Preis. So kosten die neuen Treibstoffe das Drei- bis Sechsfache von konventionellem Kerosin. In den kommenden Jahren wird sich das verbessern, hofft Pachinger: „Die Anbieter, die SAF produzieren, werden immer mehr. Mit steigendem Angebot wird sich hoffentlich auch der Preis einpendeln.“ Wettbewerbsfähiger könnte der neue Treibstoff jedoch auch schon alleine dadurch werden, dass der alte teurer wird. Das würde dann wohl zwangsläufig zu höheren Ticketpreisen führen.

50 Euro Aufpreis für das Klima?
Die aktuell hohen Zusatzkosten sollen bei der AUA vorerst besonders umweltbewusste Passagiere übernehmen, sagt Pachinger: „Bei uns kann jeder Passagier über die Plattform ‚Compensaid‘ freiwillig für den Aufpreis mit nachhaltigem Kerosin bezahlen und so den Aufpreis für den eigenen Flug ausgleichen.“ Ein indirektes Konzept: Mit dem Betrag werde dann nachhaltiges Kerosin für zukünftige Flüge eingekauft. Die Plattform der Lufthansa-Gruppe ist bereits aktiv, demnächst will sie die AUA direkt in ihren Buchungsprozess integrieren.

Wie hoch der Aufpreis tatsächlich ausfällt, hängt von der gewählten Strecke und dem konkreten Flugzeug ab. Ein Flug von Wien-Schwechat nach Frankfurt dürfte aber etwa 40 bis 50 Euro mehr kosten. Wie viele von dieser Option aktuell tatsächlich Gebrauch machen? „Das bewegt sich noch im kleinen Prozentsatz“, räumt Pachinger ein.

EU zwingt Fluglinien zu Beimischung
Fest steht: Falls die Airline künftig nicht mehr Passagiere zum Aufpreis motivieren kann, muss sie sich ein anderes Finanzierungsmodell einfallen lassen. Spätestens in drei Jahren. Während eine SAF-Beimischung zum Kerosin aktuell noch freiwillig ist, wird sie dann verpflichtend. Die Europäische Union fordert ab 2025 zwei Prozent, 2030 sollen es fünf Prozent sein, 2050 bereits 63 Prozent.

In der Zwischenzeit geht die Forschung an neuen Antriebsmodellen für die Passagier- und Frachtluftfahrt weiter. So könnten Elektromotoren – ähnlich wie in der Autoindustrie – als Hybridvariante immerhin den Kerosinverbrauch senken, zumindest auf der Kurzstrecke. An Verbrennungsmotoren führt in den nächsten Jahrzehnten aber kaum ein Weg vorbei. Bei einem rein elektrisch betriebenen Flugzeug wären die Batterien um das Zigfache schwerer als heutige Kerosintanks. Nicht zuletzt deswegen bleibt der Traum vom klimafreundlichen Fliegen bis auf Weiteres Zukunftsmusik.
12.04.2022, Felix Novak, noe.ORF.at

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#2
ZUKUNFT DES FLIEGENS
Die größten Hürden der Treibstoffwende
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Die Luftfahrt gilt als eine der klimaschädlichsten Formen der Mobilität – und lässt sich dennoch aus dem Leben vieler Menschen nicht wegdenken. Während es bis zum Einsatz von E-Passagierflugzeugen noch dauern wird, gelten daher nachhaltige Kerosinalternativen als große Hoffnungsträger der Branche. Die Technologien gibt es bereits – ihr flächendeckender Einsatz scheitert aktuell aber noch an anderen Herausforderungen.

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Bereits jetzt arbeitet die Flugbranche emsig daran, ihr Image als Klimasünder loszuwerden. So werden Fluggästen etwa freiwillige CO2-Kompensationszahlungen oder die Finanzierung nachhaltiger Projekte für jeden Flug in Aussicht gestellt, den sie in Anspruch nehmen. Der Begriff „Flygskam“ („Flugscham“), der 2017 in Schweden eingeführt wurde, hat sich trotzdem auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt – denn dass beim Fliegen CO2 entsteht, ist bereits den meisten Menschen bewusst. Laut aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es aber noch einen schwerwiegenderen Nachteil: die Bildung von Kondensstreifen.

„Die meisten Flüge finden am Übergang der Troposphäre zur Stratosphäre statt, die in mittleren Breiten in elf Kilometern Höhe liegt. Das ist ökonomisch günstig, es gibt aber einen Nachteil: Bei der Verbrennung von Kerosin entsteht Wasser, das in dieser Höhe nicht selten zur Bildung von Eiswolken führt, die als Kondensstreifen sichtbar werden“, so die Erklärung von Martin Berens, Stiftungsprofessor für Luftfahrzeugsysteme an der TU Wien. „Die aufheizende Wirkung der durch die Luftfahrt gebildeten Wolken wird von Experten als größer eingeschätzt als die der CO2-Emissionen der Luftfahrt.“


Klimaschutz-Portal/UBA/ORF.at

Emissionen von Auto und Flugzeug schwer zu vergleichen
Der Anteil der Flugbranche am CO2-Ausstoß der EU wird zwar auf „nur“ 3,8 Prozent geschätzt, womit die Luftfahrt hinter dem Straßenverkehrssektor (15 Prozent) liegt. Ob Fliegen oder Autofahren klimaschädlicher ist, kommt laut Berens jedoch auf mehrere Faktoren an, etwa auf die Auslastung pro Auto oder Flugzeug.

Bei typischen Auslastungen seien die CO2-Emissionen von modernen Flugzeugen pro Passagier und Strecke nicht höher als die eines modernen Mittelklasseautos mit Verbrennungsmotor, in dem nur eine Person sitzt. „Man sollte dabei nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“, so Berens. Die Luftfahrt sei zwar energieintensiv, werde aber immer besser. Mit langsameren und effizienteren Verkehrsträgern wie Bahn oder Reisebus könne sie aber trotzdem nicht mithalten.

Sustainable Aviation Fuels als Hoffnungsträger
Geht es nach Berens, könnten sich Nachhaltigkeit und Fliegen in Zukunft aber sehr wohl vereinbaren lassen. Sowohl für den hohen CO2-Ausstoß als auch für die Bildung der Kondensstreifen gebe es bereits Lösungsstrategien. Da die Entstehung von Wasserdampf auch geografisch bedingt ist, könnten bereits kleine Änderungen in der Flughöhe und Streckenführung helfen.

Es gibt aber auch noch eine andere Lösung, die sowohl Wasserdampf als auch CO2 spart: die Sustainable Aviation Fuels (SAF), die als Hoffnungsträger der Branche gelten. Sie werden beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl hergestellt und haben eine bessere Klimabilanz, da die Pflanzen selbst CO2 aus der Luft binden. Auch SAF, die auf Abfällen oder Fetten basieren, werden bereits auf freiwilliger Basis von Fluggesellschaften eingesetzt.

Qantas/ORF.at
„Bei Drop-In-SAF, also synthetisch erzeugtem Kerosin, ist die Dichte der Wolken deutlich geringer, es entsteht eine kleinere Anzahl von Rußpartikeln, und dadurch bilden sich weniger Kondensstreifen“, so Berens. Damit die Produktion von SAF nicht mit dem Anbau von Nahrungspflanzen konkurriere und auch wirklich eine Kreislaufwirtschaft entstehe, sei ein Fokus auf gebrauchtes Speiseöl oder Restmüll wichtig.

EU-Kommission: SAF-Beimischung wird verpflichtend
Auch die EU-Kommission setzt im Rahmen ihrer „Fit for 55“-Initiative auf SAF, um die Luftfahrt langfristig zu dekarbonisieren. Bereits in drei Jahren sollen alle EU-Staaten verpflichtet werden, mindestens zwei Prozent SAF bereitzustellen. Die Austrian Airlines (AUA) mischen dem herkömmlichen Kerosin bereits seit Anfang März im Rahmen einer OMV-Kooperation SAF bei, das auf Altspeiseöl basiert.

Auf diese Weise können mit den gleichen Pipelines, Maschinen und Flugzeugmotoren laut Anna Pachinger von der AUA Emissionen im Ausmaß von 80 Prozent eingespart werden. Ganz CO2-neutral sei auch dieses Kerosin zwar noch nicht, räumt Pachinger ein, die bei der AUA für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist. Es sei aber einer der wichtigsten Hebel, um schrittweise von fossilen Ausgangsstoffen wegzukommen.

Nachhaltiges Fliegen ist teuer
Da die bestehende Infrastruktur weiter verwendet werden kann, merke weder der Pilot noch der Passagier einen Unterschied, zieht Pachinger Bilanz. Einzig beim Preis sei die Umstellung spürbar. „Wir würden von heute auf morgen mit 100 Prozent SAF fliegen, wenn es verfügbar und leistbar wäre“, so Pachinger. Aktuell kostet das alternative Kerosin das fünf- bis neunfache des herkömmlichen Treibstoffes Jet A-1 Fuel – und die AUA setzt in der Finanzierung auf eine freiwillige Ausgleichszahlung der Passagiere.

„Das ist wie im Supermarkt – wenn ich Biofleisch kaufe, zahlt auch nicht der Supermarkt den Aufpreis, sondern das zahle ich selber“, sagt Pachinger. Passagiere der AUA könnten so schon heute CO2-neutral fliegen, indem sie selbst zur Aufzahlung für SAF beitragen. Bei der Flugstrecke Wien-Hamburg beliefen sich die Kosten bei 100 Prozent SAF beispielsweise auf etwa 50 Euro. Man hoffe aber auch auf politische Lenkungsinstrumente und darauf, dass sich die Preise langfristig einpendeln würden. „Die Kosten sind aktuell aber nicht das größte Problem“, so Berens, „sondern eher die verfügbaren Mengen. Der kommerzielle Betrieb von Flugzeugen mit 100 Prozent SAF ist aktuell noch nicht machbar.“

Reuters/Gary Hershorn
Künftig sollen Flugzeuge nicht mehr ausschließlich mit fossilem, sondern auch mit nachhaltigem Kerosin betankt werden

Ganz CO2-neutral mit Flüssigtreibstoff aus Strom
SAF kann auf verschiedene Arten hergestellt werden. Synthetische Kraftstoffe lassen sich mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus Wasserstoff und Kohlendioxid herstellen, wofür viel Wasserstoff benötigt wird – der meist aus Erdgas erzeugt wird. Als eine der vielversprechendsten Möglichkeiten, um künftig ganz CO2-neutral zu fliegen, gilt der Ausbau von Power-to-Liquid-Verfahren. Durch Strom aus Wasser- oder Windkraft entsteht hierbei im Syntheseprozess künstliches Kerosin und Benzin.

„Damit kann die Klimawende in der Flugbranche gelingen“, zeigt sich Berens optimistisch. Im Gegensatz zu anderen Verfahren würden hierfür bei der Kohlenstoffgewinnung nur Rohstoffe verwendet, die nicht für andere Zwecke auch verwendet werden können. Die Mengen von regenerativer Energie, die für diese Herstellungsverfahren benötigt werden, seien aber noch sehr hoch. „Man braucht hier im Megawattbereich arbeitende Windanlagen“, so Berens.

Klimaschutz-Portal/ATAG/ORF.at

Größere E-Flugzeuge wohl erst ab 2030
Eine weitere Alternative wäre die Elektrifizierung der Luftbranche. Kleine elektrische Flugzeuge für Pilotenausbildungsflüge gibt es bereits: Die slowenische Velis Electro von Pipistrel bekam 2020 die Typzulassung von der europäischen Agentur für Flugsicherheit und kommt auch in Österreich zum Einsatz. Und noch in diesem Jahr soll das Elektroflugzeug Alice des amerikanisch-israelischen Unternehmens Eviation bis zu neun Passagiere transportieren.

Wegen der hohen Energie und der geringen Energiedichte der Lithium-Ionen-Akkus gestaltet sich die Elektrifizierung kommerzieller Flüge aber schwierig. „Das wird sich alles vorerst nur im Regionalverkehr abspielen“, prognostiziert Pachinger für die AUA. „In den nächsten Jahrzehnten wird es noch keine Flugzeuge geben, die Wien mit New York verbinden können. Um eine Langstreckenmaschine hochzubekommen, bräuchte man Batterien im Ausmaß von mehreren Fußballfeldern.“

Auch Einsatz von Wasserstoff möglich
Abhilfe schaffen könnte der Einsatz von Wasserstoff. Wie bei Autos plane man bereits, Brennstoffzellen einzusetzen, in denen Wasserstoff und Luftwasserstoff in elektrischen Strom umgewandelt werden, so Berens. Dieser betreibt die elektrischen Motoren, die wiederum die Propeller antreiben. „Bei Mittelstreckenflügen kann die Wasserstofftechnologie noch interessant werden“, so Berens.

Im Gegensatz zum Straßenverkehr denke man hier aber eher in Richtung flüssigen Wasserstoffs, der bei minus 250 Grad Celsius gekühlt werden muss. „Tiefkalter, flüssiger Wasserstoff hat nur ein Drittel des Gewichts von Kerosin bei gleichem Energiegehalt. Die Volumina, die man zur Speicherung braucht, sind jedoch riesig – viermal größer als bei Kerosin.“ Man könne den Kraftstoff auch nicht einfach in die Tragflächen einfüllen, sondern benötige spezielle Tanks.

Getty Images/iStockphoto/den-belitsky
Flugzeuge werden tendenziell immer größer – sie elektrisch zu betreiben ist darum eine Herausforderung

Bereits bestehende Technologien ausbauen
Bereits gebaute Demonstratoren hätten bereits gezeigt, dass die Technik prinzipiell funktioniere – die Herausforderung liege jetzt darin, zu skalieren. „Airbus ist optimistisch, dass bis 2035 ein Flug auf Wasserstoffbasis auf den Markt kommt, aber bis dahin dürfen wir nicht untätig bleiben“, so Berens. Es gelte in den nächsten Jahren, die Technologien auszubauen, die es bereits gibt – wie etwa den vermehrten Einsatz von Propellerflugzeugen und SAF.

„In der Flugzeugentwicklung wird auch aus wirtschaftlichen Gründen weiter daran geforscht werden, wie man effizienter fliegen kann“, so die Prognose Pachingers. In der AUA möchte man künftig neben dem potentiellen Einsatz von Flüssigtreibstoff aus Strom auch beim Flugbetrieb selbst ansetzen.

„Man muss das Problem von allen Seiten angehen und alle Hebel in Bewegung setzen“, ist auch Berens überzeugt. „Durch den Umstieg auf regenerative Kraftstoffe wird Fliegen teurer, weshalb in Europa eine teilweise Verlagerung des Verkehrs auf andere Verkehrsträger wie die Bahn erfolgt – was ja nicht unbedingt schlecht ist.“
29.05.2022, Mona Harfmann (Text), Sandra Schober (Grafik), beide ORF.at

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#3
STUDIE
Große Lücke bei nachhaltigem Kerosin
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Um die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren, braucht es auch im Luftverkehr Alternativen zum sehr klimaschädlichen Kerosin. Abhilfe schaffen sollen dabei Sustainable Aviation Fuels (SAF), also nachhaltige Kraftstoffe, mit denen herkömmliche Flugzeuge betankt werden können. Doch nun könnte ein Versorgungsengpass drohen. Denn einer Studie zufolge braucht die Luftfahrtindustrie schon bis 2030 doppelt so viel SAF, wie derzeit produziert werden kann.
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46 Millionen Tonnen an nachhaltigem Kerosin könnte die Branche weltweit bereits 2030 benötigen, um regulatorischen Anforderungen sowie eigenen Zielen auf dem Weg zum Netto-Null-Emissionsziel gerecht zu werden. Beim aktuellen Ausbautempo der dafür notwendigen Infrastruktur und Raffinerien können 2030 nach Berechnungen der International Air Transport Association (IATA) allerdings höchstens 24 Mio. Tonnen SAF produziert werden.

Das entspricht einer Lücke von 22 Mio. Tonnen SAF – also fast 50 Prozent des Bedarfs. Um diese Lücke zu schließen und ihre Klimaziele noch zu erreichen, müsste die Branche einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Beratungsunternehmens PwC zufolge bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro in SAF investieren. Bis 2035 steigt der Investitionsbedarf auf 215 Mrd. Euro an, bis 2050 liegt er bei mehr als 1.000 Mrd. Euro.

Den größten Bedarf stellt dabei die die APAC-Region (Asien-Pazifik). Werden dort unter den aktuellen Gegebenheiten bis 2030 25 Mio. Tonnen benötigt, wären es 2040 bereits 109 und 2050 gar 200 Mio. Tonnen SAF. In der EU wären es bis 2030 sieben, bis 2040 25 und bis 2050 40 Mio. Tonnen.

IMAGO/Markus van Offern
Um den globalen Bedarf an SAF zu decken, müssen der Studie zufolge bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro investiert werden

Biologische und synthetische Kraftstoffe
Mit zwei Prozent im Jahr 2022 hat der Luftverkehr zwar einen relativ geringen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen. Jedoch ist er einer der Sektoren, in denen die Dekarbonisierung am schwierigsten ist.

2022 haben die 184 Mitgliedsstaaten der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) der Vereinten Nationen in einer Erklärung ein globales Ziel verabschiedet, das bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen im internationalen Luftverkehr vorsieht, um das 1,5-Grad-Temperaturziel des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen von Paris zu unterstützen.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen viele Airlines auf SAF. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für biologische und synthetische Kraftstoffe, mit denen auch herkömmliche Flugzeuge betankt werden können. Damit lassen sich zwischen 66 und 94 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. SAF können beispielsweise aus Bioabfällen und Speiseölresten gewonnen werden, aber auch auf Wasserstoffbasis hergestellt werden.

Verpflichtende Quote in der EU
Benötigt werden solche nachhaltigen Kraftstoffe vor allem auch, um regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Im Rahmen der Gesetzesinitiative „ReFuelEU Aviation“ muss in der EU getankter Flugtreibstoff ab 2025 einen Anteil von zwei Prozent an nachhaltigen Kraftstoffen enthalten, der über die Jahre stetig wächst. Ab 2030 müssen es sechs Prozent sein und ab 2050 70 Prozent. Japan schreibt im Vergleich dazu für 2030 eine Quote von zehn Prozent vor.

Der Studie zufolge müssten außerdem 100 bis 200 SAF-Raffinerien ihren Betrieb bis 2030 aufnehmen, um die Zielvorgaben zu erreichen. „Grünes Kerosin ist aktuell die einzige wirtschaftlich sinnvolle Technologie, um klimafreundlicheres Fliegen zu ermöglichen“, wurde PwC-Partner Simon Treis in einer Mitteilung zitiert. Allerdings hinke die Branche beim Ausbau der Infrastruktur und beim Hochfahren der Produktionskapazitäten hinter den eigenen Ansprüchen und regulatorischen Vorschriften hinterher.

Reuters/Jon Nazca
Um die Zielvorgaben zu erreichen, müssen die Raffinerien in die Infrastruktur investieren und Produktionen ankurbeln

Die auf dem globalen Markt verfügbare SAF-Menge ist aktuell äußerst gering. Nur rund 0,1 Prozent des weltweit benötigten Treibstoffbedarfs der Branche können derzeit mit SAF abgedeckt werden. Weltweit gab es 2022 nach aktuellen Angaben der IATA nur rund 240.000 Tonnen SAF bei einem Gesamttreibstoffbedarf der Branche von 254 Mio. Tonnen Kerosin.

AUA will zukünftig mehr auf SAF setzen
Bei der AUA und beim Mutterkonzern Lufthansa Group soll SAF in Zukunft verstärkt zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen, wie Anna Pachinger, die bei der AUA für Nachhaltigkeitsthemen zuständig ist, auf ORF.at-Anfrage mitteilte. Das aktuell verfügbare und von der Lufthansa Group eingesetzte SAF wird aus biogenen Reststoffen, beispielsweise aus gebrauchten Speiseölen, hergestellt.

2022 hat die AUA zudem erstmals lokal produziertes SAF der OMV auf dem Flughafen Wien-Schwechat eingesetzt. Insgesamt haben die Airlines der Lufthansa Group 2022 rund 13.000 Tonnen SAF eingesetzt, was 0,2 Prozent des gesamten Treibstoffbedarfs (7,6 Mio. Tonnen) ausgemacht hat. Bis 2030 will man diese Zahl auf bis zu eine Million Tonnen erhöhen.

„Die größten Herausforderungen liegen aktuell in Preis und Verfügbarkeit von SAF“, so Pachinger. Aktuell zahle man für SAF aus biogenen Reststoffen drei- bis fünfmal so viel wie für herkömmlichen Treibstoff. Zudem sieht sie eine „drohende Wettbewerbsverzerrung“ durch ungleiche Belastungen für EU-Airlines im Vergleich zu Nicht-EU-Fluggesellschaften. Hier bedarf es einer „gezielten Förderstrategie der Politik, um die Mengen für die SAF-Beimischungsquoten und darüber hinaus erfüllen zu können“.

Emissionen nach Pandemie wieder im Steigen
Wie wichtig nachhaltige Alternativen sind, zeigt auch ein Blick auf die seit dem Pandemieende gestiegenen CO2-Emissionen im globalen Flugverkehr. Diese stiegen bis 2022 auf fast 80 Prozent ihres Höchststands vor der CoV-Pandemie im Jahr 2019.

Nachdem die direkten CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe von 1990 bis 2019 um durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr zugenommen hatten, sanken sie vor dem Hintergrund der Pandemie von mehr als 1.000 Mio. Megatonnen CO2 im Jahr 2019 auf weniger als 600 Mio. Megatonnen CO2 im Jahr 2020.

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Quelle: IEA

Als sich die Nachfrage von Fluggästen 2022 erholte, stiegen die Emissionen in allen Regionen mit Ausnahme von China (wegen der Null-Covid-Politik) und Russland (wegen der Invasion in der Ukraine) wieder auf fast 800 Mio. Megatonnen CO2 an.
Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass 2025 das Niveau von 2019 übertroffen wird, was allerdings dem Netto-Null-CO2-Emissionziel widersprechen würde, die steigenden Emissionen bis 2030 unter 1.000 Mio. Megatonnen CO2 zu senken.
07.11.2023, flam, ORF.at

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Studie: Große Lücke bei nachhaltigem Kerosin
 

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#4
KLIMAWANDEL
Mit Fett und Zucker betriebenes Flugzeug überquerte Atlantik
Ein Flugzeug von Virgin Atlantic ist ohne Kerosin von London nach New York geflogen. Der nachhaltige Treibstoff soll 70 Prozent weniger Kohlenstoff ausstoßen

Erstmals ist ein Verkehrsflugzeug ohne fossile Brennstoffe über den Atlantik geflogen. Für den Testflug von London nach New York wurde das Flugzeug mit einem nachhaltigen Flugbenzin (SAF) aus Zucker und Fett betankt, wie die Fluggesellschaft Virgin Atlantic mitteilte. Das Flugzeug sei am Dienstag sicher am John F. Kennedy International Airport in New York gelandet, hieß es.


Ein Flugzeug von Virgin Atlantic landet am John F. Kennedy International Airport in New York.
EPA/JUSTIN LANE

Der Treibstoff wurde aus Abfallfetten und Pflanzenzucker hergestellt. Er soll der Mitteilung zufolge 70 Prozent weniger Kohlenstoff emittieren als Kerosin auf Erdölbasis.

Die Vorbereitungen für den Flug haben demnach ein Jahr gedauert. Daran beteiligt waren neben Virgin Atlantic und dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce mehrere Forschungseinrichtungen und die britische Regierung. Es sollte auch ermittelt werden, welchen Einfluss der Treibstoff auf die Bildung von Kondensstreifen hat. Diese tragen erheblich zur Klimaerwärmung bei.

Mischen mit Kerosin möglich
Der Flug zeige, dass nachhaltiger Treibstoff bereits jetzt eine sichere und leicht einsetzbare Alternative zu fossilen Treibstoffen sei, mit dem die Luftfahrt dekarbonisiert werden könne, sagte der Chef von Virgin Airlines, Shai Weiss. Bislang gebe es aber einfach viel zu wenig davon. SAF macht weniger als 0,1 Prozent des weltweit verwendeten Flugzeugtreibstoffs aus und kostet drei- bis fünfmal so viel wie herkömmlicher Treibstoff.

Vergleichsweise kurzfristig könne SAF dem herkömmlichen Kerosin beigemischt werden, um zuerst die CO₂-Emissionen von Kurzstreckenflügen und später auch auf Langstrecken zu verringern, hieß es.

In Österreich waren die CO2-Emissionen des Flugverkehrs zuletzt deutlich gestiegen: Im 1. Halbjahr 2023 um 39 Prozent auf 1,25 Millionen Tonnen, wie eine aktuelle Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) zeigt.
(red, Reuters, 29.11.2023)

Mit Fett und Zucker betriebenes Flugzeug überquerte Atlantik
 
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