Linz zwischen Befreiung, Besetzung und Freiheit

josef

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„Linz zwischen Befreiung, Besetzung und Freiheit“.

Die Geschichte Oberösterreichs ist in den Jahren von 1945 bis 1955 eine Periode voller Widersprüche. Das Land war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in vielfacher Hinsicht gespalten. Zunächst erfolgte die Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft durch die Alliierten und damit die Auflösung des Gaues Oberdonau. In der Folge war Oberösterreich zwar befreit aber auch wieder besetzt.

Oberösterreich als einzig geteiltes Bundesland
Beim Einmarsch erlässt der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, eine Proklamation an das österreichische Volk, die jene enttäuscht, die geglaubt hatten, die Amerikaner kämen als Befreier. „Die Alliierten rücken in Österreich als Sieger ein“, heißt es in dieser Proklamation, „denn Österreich hat als wesentlicher Bestandteil des Deutschen Reiches gegen die Vereinigten Nationen Krieg geführt“. Die Beschlüsse machten Oberösterreich überdies zum einzig geteilten Bundesland mit Ausnahme von Wien. Linz als geteilte Stadt, ein Zustand, der bis zum Jahr 1955 andauern wird.
12. März 1938. Um 20.25 Uhr betritt Adolf Hitler den Balkon des Linzer Rathauses am Hauptplatz und spricht zu den Massen.
7. Mai 1945. Die BBC berichtet von der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands.
8. Mai 1945. Der britische Premierminister Winston Churchill verkündet im Radio die uneingeschränkte Kapitulation der nationalsozialistischen Truppen.

Die ersten amerikanischen Divisionen drangen von der bayerisch-oberösterreichischen Grenze aus vorwiegend über das Mühlviertel bei Kollerschlag, Neufelden, Walding bzw. Zwettl und den Haselgraben nach Linz vor. Vereinzelt kam es zu kleineren lokalen Kämpfen. Der Linzer Kreisleiter Franz Danzer und der wegen seiner Englischkenntnisse beigezogene Chirurg Fritz Rosenauer führten am 4. Mai in Rottenegg mit den Amerikanern Gespräche zur Übergabe von Linz. Die gewünschte Kapitulation der militärischen Führung durch den Linzer Stadtkommandanten Alfred Kuzmany fand zwar nicht statt, dennoch blieb ein Angriff auf Linz aus.

Linz wird kampflos übergeben
5. Mai 1945. 11.00 Uhr. Die ersten amerikanischen Einheiten der 11. Panzerdivision der 3. Armee rollen von Urfahr kommend über die Nibelungenbrücke auf den Hauptplatz. Genau an jenen Platz, auf dem sieben Jahre vorher das Großdeutsche Reich geschaffen wurde. Die Stadt wird kampflos übergeben. Die Linzer jubeln, sie sind von Krieg und Nazi-Terror befreit. Jedoch schlägt die Feierstimmung rasch um, denn die Befreier erweisen sich als Besatzungsmacht. Gegensätze prallen aufeinander. Es gab anfangs zwar keine Feindseligkeit aber auch keine offene Freundschaft.

Von diesem Tag an prägen die amerikanischen Soldaten zehn Jahre lang das Stadtbild. Sie greifen massiv in das Leben der Österreicher ein und dominieren jeden Bereich. In den ersten Augusttagen ziehen die Sowjets ein. Linz wird zweigeteilt. Die Amerikaner beherrschen die Stadt südlich der Donau, das Zentrum von Linz mit den Stadtteilen Innere Stadt, Waldegg, Lustenau, Kleinmünchen, St. Peter und Ebelsberg. Die Sowjets sind nördlich der Donau in den Stadtteilen Urfahr, Pöstlingberg und St. Magdalena sowie im ganzen Mühlviertel stationiert. Die Kontrollposten der Sowjets auf der Urfahraner Seite der Nibelungenbrücke und der Posten der Amerikaner auf der Linzer Seite sind Symbole für das zweigeteilte Linz. Ein Amerikaner konnte nicht einfach die Demarkationslinie passieren und über die Nibelungenbrücke nach Urfahr spazieren. Überhaupt durften Russen und Amerikaner nur in seltenen Fällen die andere Zone besuchen.

Befreit, aber nicht frei
Die Österreicher sind zwar befreit aber nicht frei. Zu Beginn der Besatzungszeit dürfen Zivilpersonen grundsätzlich nur mit einem Passierschein der jeweiligen Besatzungsmacht ihren Wohnort verlassen. Dieser wird am 20. November durch einen viersprachigen Identitätsausweis in Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch ersetzt und erlaubt bis 1955 das Überschreiten aller Demarkationslinien. Nur die Kinder sind von den amerikanischen Soldaten und deren unbekannten Süßigkeiten begeistert.

Besonders der sowjetischen Besatzung geht ein schlechter Ruf voraus. Sie traten im Gegensatz zu den Amerikanern, die von der Bevölkerung als „Gebende“ wahrgenommen wurden, durch „Nehmen“ in Erscheinung: Plünderungen, Demontagen und Beschlagnahmen.

Marshall-Plan und Care-Pakete
Die amerikanischen Besatzer wollen die Bevölkerung von ihrem Gesellschaftsmodell überzeugen, nämlich für eine demokratische Ordnung und diese stand für einen gewissen materiellen Wohlstand. Durch den Marshall-Plan, durch Care-Pakete und kulturelle Angebote wurde versucht, die aktuelle Situation der Linzer zu verbessern.

Auf Landesebene war vorerst Alois Oberhummer für zwei Tage als Landeshauptmann tätig, dann wurde eine provisorische Beamtenregierung ernannt, die unter Adolf Eigl vom 16. Mai bis 25. Oktober 1945 im Amt blieb. Ihr gehörte auch der letzte Landeshauptmann vor 1938, also vor dem Einmarsch in Österreich, Heinrich Gleißner, an. Er übernahm das Landwirtschaftsreferat.

Zwei Drittel der Linzer Wohnungen sind zerstört
Linz gleicht 1945 einem Trümmerhaufen. Zwei Drittel der Wohnungen sind zerstört. Die verheerenden Schäden müssen beseitigt werden, der Wiederaufbau ist eine ungeheure Aufgabe für den neubestellten Bürgermeister Ernst Koref. Es fehlt an Allem. Es fehlt an Arbeitskräften und Baumaterial. Doch der Aufbauwille der Linzer siegt über das Chaos. Langsam erhält die Stadt das heutige Aussehen. Koref und Gleißner unternehmen alles, um die Not zu lindern und hatten dabei manch schweren Weg.

Es gilt nicht nur die Stadt aufzubauen. Auch die früheren Göring-Werke sind schwer beschädigt, die Wiederherstellung der Eisen- und Stahlwerke ist für die Linzer lebensnotwendig. Erster Höhepunkt im Aufbau: die Rückgabe der Industrieanlagen von den Amerikanern an die Österreicher. Die Austria Wochenschau berichtete davon.

Alles ist rationiert
Glück heißt in diesen Tagen ein Stück Butter zu bekommen. Die Ernährungslage ist katastrophal. Lebensmittelhilfe aus dem Ausland vor allem für die Kinder ist bitter nötig. Es ist eine Zeit, in der die österreichischen Kochtöpfe oft leer bleiben. Alles ist rationiert. Glücklich ist in dieser dürftigen Zeit, der ein Stück Garten hat oder zum Hamstern einen Bauern in der Umgebung kennt. Eine ebenso teure Angelegenheit wie der Schwarzmarkt und noch dazu streng verboten. Die Grundregel für Schwarzmarkt und Hamsterfahrten: „Bloss nicht erwischen lassen!“

Mit den Jahren sollte sich die Ernährungssituation in Linz langsam verbessern. Nach und nach verschwinden die Bezugsscheine für Lebensmittel, die Geschäfte füllen sich wieder mit Waren. Ein Kleid aus Fallschirmseide ist eine Kostbarkeit. Denn Stoff ist rar und extrem teuer. Improvisation ist an der Tagesordnung. Frauenjournale aus dieser Zeit sind voll von Tipps, wie man aus Vorkriegskleidern neue Modelle macht.

Bedürfnis nach Zerstreuung ist groß
Das Warenhaus „Kraus & Schober“ wird eröffnet und auch der „Konsum“ nimmt seinen Betrieb auf, Kaufhäuser wie „Die Chance“ und „Texhages“ konzentrieren sich auf die einkommensschwache Klientel. Linz blüht auf. Es gibt wieder Ausstellungen, Konzerte, Ballettaufführungen und Theater. In allen Stadtteilen entstehen Bühnen. Und zur Freude des kunstbegeisterten Publikums gastieren so prominente Schauspieler wie O.W. Fischer oft und gerne in Linz.

Das Bedürfnis nach Zerstreuung und Unterhaltung ist groß, das Kino spielt dabei eine große Rolle. Es können anfänglich nur vier Lichtspielhäuser ihren Betrieb wieder aufnehmen: das Landestheater-Kino, das Lifka-Kino, das Klangfilm-Theater und das Kleinmünchener Kino. Die anderen drei, wie das Kolosseum-Kino, die Atlantis- und Phönix-Lichtspiele bleiben wegen der starken Bombenschäden geschlossen. 1950 eröffnet startet an der Landstraße das erste Nonstop-Kino. Dort gibt es vor jedem Film die Austria-Wochenschau sozusagen als Nachrichten.


Michael Huemer; ooe.ORF.at
Text u. Bilder: http://ooe.orf.at/radio/stories/2714679/
 

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