Mexiko: Über 600 Menschenschädel in einer Aztekenruine in Mexiko-Stadt gefunden

josef

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603 Menschenschädel in einer Atztekenmauer gefunden

Nach fünfjährigen Ausgrabungen haben Forscher in einer Aztekenruine in Mexiko-Stadt insgesamt mehr als 600 Menschenschädel entdeckt. Es handelt sich um eine kreisförmige Mauer mit eingeschlagenen Schädeln geopferter Menschen, die bereits 2015 bei Ausgrabungen in der Nähe des größten Azteken-Tempels im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt gefunden worden war.


APA/AFP/INAH
In einem neu entdeckten Teil der Mauer seien zuletzt 119 Schädel gefunden worden, die zu den 484 zuvor bekannten hinzukämen, teilte das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) gestern mit. Darunter seien die Schädel von Frauen wie Männern und von mindestens drei Kindern.

Die Mauer, wo die Azteken dem Kriegsgott Huitzilopochtli Opfer brachten, habe einen Durchmesser von 4,7 Metern. Der neu ausgegrabene, äußerste nordöstliche Teil stamme spätestens aus der Zeit zwischen den Jahren 1486 und 1502, hieß es. Sie habe bis zu 3,5 Meter unter der heutigen Straße gelegen.

Mauer war 34 Meter lang
Der 2015 entdeckte Teil der „Huei Tzompantli“ (etwa „Wand oder Gestell der Schädel“ in der indigenen Sprache Nahuatl) war nach damaligen Angaben etwa 34 Meter lang und 45 Zentimeter hoch und lag rund zwei Meter tief.

Wegen des Standortes handelte es sich Archäologen zufolge vermutlich um die Haupt-„Tzompantli“ der ehemaligen Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan. Über deren Ruinen liegt Mexiko-Stadt, die bevölkerungsreichste Stadt Nordamerikas.

Menschenopfer waren üblich bei vielen Völkern in der Region vor der spanischen Eroberung im 16. Jahrhundert. Gefangene Krieger aus benachbarten Dörfern wurden den Göttern geopfert und ihre Schädel oft zur Einschüchterung möglicher Eindringlinge zur Schau gestellt. Vor allem die Azteken im heutigen Zentralmexiko, wo die Hauptstadt liegt, pflegten einen grausamen Opferkult.
12.12.2020, red, ORF.at/Agenturen
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GEOPFERTE FRAUEN
Neue Vermutungen zum Menschenopferkult der Azteken
Rezente Analysen zeigen, dass vermutlich viel mehr Frauen geopfert wurden als bisher gedacht. Dafür gibt es neue Erklärungsversuche
Die Menschenopfer der Azteken sind legendär und geben der Wissenschaft nach wie vor Rätsel auf. Lange war man dabei auf Berichte der Konquistadoren – etwa Bernal Díaz del Castillos "Wahrhafte Geschichte der Eroberung von Neuspanien" (1519–1521) – angewiesen. In diesen alten Augenzeugenberichten war etwa davon zu lesen, dass die damaligen Herrscher im heutigen Mexiko sogenannte Tzompantlis errichtet hätten, riesige hölzerne Gestelle, auf denen bis zu 100.000 Schädel von Geopferten aufgereiht worden seien.


Darstellung eines kleinen Tzompantli (rechts) im Codex Tovar (1587).
Gemeinfrei / Wikimedia

Das wurde im 20. Jahrhundert immer wieder als Gräuelpropaganda der spanischen Eroberer infrage gestellt: 100.000 Schädel klang dann doch etwas übertrieben. Doch 2015 stieß man bei Grabungen in Mexiko-Stadt erstmals auf Überreste jenes Schädelgestells, das am Fuße des Templo Mayor errichtet worden war, also des Zentrums der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan, die im Jahr 1521 von den Eroberern dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Bei weiteren Grabungen 2018 wurden dann die wahren Dimensionen des riesigen Tzompantlis abschätzbar, der 36 Meter lang gewesen sein dürfte und vermutlich jeweils zwei bis drei Meter hoch und tief. Dazu gab es an den Seiten zwei rund 1,7 Meter hohe Türme mit einem Durchmesser von fünf Metern – voll mit Schädeln. Ende 2020 fand man weitere 119 Schädel.

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38 Prozent Frauenanteil
Inzwischen liegen genauere Untersuchungen von immerhin 655 dieser Schädel vor, die erste Analysen korrigieren. Nahm man zunächst an, dass die Schädel vor allem von männlichen Kriegern stammten, die von den Azteken gefangen genommen worden waren, so ergibt sich nun ein etwas anderes Bild, wie der Archäologe Raúl Barrera Rodríguez vor wenigen Tagen bei einem Vortrag in Mexiko-Stadt erklärte.

Ursprünglich war man von einem Frauenanteil von nur 20 Prozent ausgegangen. Doch nun zeigte sich, dass die Schädel zu 38 Prozent von weiblichen Individuen stammten, nur 60 Prozent waren männlich. Dazu kommen noch zwei Prozent Säuglinge. Waren die Tzompantlis lange Zeit (auch) als triumphales Zeugnis der Siege über feindliche Stämme verstanden worden, so rückte auch durch diese neuen Erkenntnisse die Menschenopferkomponente wieder in den Vordergrund, die auch Barrera Rodríguez bei seinem Vortrag bemühte.

Mythische Deutungen des Geschehens
Grundsätzlich sei es bei den mythischen Opferungen darum gegangen, das Wertvollste des Menschen dem Sonnengott Huitzilopochtli darzubringen, also das Leben selbst, um so den Sonnenaufgang zu ermöglichen und damit den Fortbestand der Welt zu garantieren. Gefangene Krieger wurden zu diesem blutigen Zweck zum Templo Mayor geschleppt. Dort schnitt ihnen ein Priester das noch schlagende Herz heraus und hielt es als Opfergabe für Huitzilopochtli in die Höhe, bevor er den Kopf des Opfers abtrennte und ihn dem Tzompantli hinzufügte.


Darstellung einer aztekischen Opferung im Codex Magliabechiano aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Laut neuen Analysen dürften weit mehr Frauen geopfert worden sein als bisher angenommen.
Gemeinfrei / Wikimedia

Es wird angenommen, dass der Körper dann vom Opferaltar geworfen wurde, um symbolisch den Höhepunkt des Kampfes zwischen Huitzilopochtli und seiner Mondschwester Coyolxauhqui nachzustellen, der damit endete, dass der Sonnengott den zerstückelten Körper seiner Schwester vom heiligen Berg Coatepec warf, der durch die Architektur des Templo Mayor repräsentiert wurde.

Unbekannte Herkunft der Frauen
Die Tatsache, dass so viele der gefundenen Schädel von Frauen stammten, lässt Barrera Rodríguez vermuten, dass die Azteken weibliche Opfer verwendet haben, um die Authentizität dieser Nachstellung zu erhöhen. Woher diese unglücklichen Frauen stammten, sei aber schwer zu sagen. "Historische Quellen erwähnen weibliche Krieger nur selten", sagte der Archäologe. "Wir haben aber auch Zeugnisse wie jene des Spaniers Francisco de Aguilar, der berichtete, dass während der letzten Belagerung von Tenochtitlan viele Frauen zu den Waffen griffen und die Stadt verteidigten."

Nicht restlos geklärt ist auch der Grund für die Opferung der Säuglinge, aber auch dafür hat Barrera Rodríguez eine Vermutung: Sie könnten möglicherweise zur Nachstellung der Geburt des Sonnengottes verwendet worden sein.
(Klaus Taschwer, 5.3.2023)

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