Nachterstedt - Braunkohlerestloch - und weg ist das Haus....

H

hebbel

Nicht mehr aktiv
#42
Hmm. Kleine Ergänzung im Detail.
Im Bereich der Halde 2 könnte es doch durch den Haldenkörper hindurch eine "neue" Schachtteufe gegeben haben. (Teufe auf einen Altschacht oder völlig neu? Der Zeitpunkt wurde leider nicht in Erfahrung gebracht.) Dieser soll der Wetterführung gedient haben und wurde unrühmlich bekannt, weil zwei Kinder dort verunglückten. Danach wurde er verfüllt.
Altstrecken der Tiefbaue wurden zur Entwässerung der Förderbereiche des Tagebaues genutzt. (Zumindest diese Strecken müssten dann ja einigermaßen instand gehalten worden sein.)
Vielleicht hat Plumeyer ja in dem camouflierten Gebiet "Molch 6" gesehen? Die Anlage war aber nach Einschätzung der Amerikaner noch nicht produktionsbereit und hatte mit Giftgas nichts zu tun.

Zur Ursachenforschung:
Die Theorie, daß durch die Hangverdichtung ein Damm für dagegen drängende Wasser geschaffen wurde, hat auch was.
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
Mitarbeiter
#43
In einem Beitrag Echt/MDR wird Dr. Michael Lersov interviewt. Nach seinen Recherchen könnte die Theorie der Hangverdichtung mit schweren Maschinen, und der damit angestaute und somit abgeschnittene Grundwasserstrom gen See, tatsächlich die Ursache sein. Das Wasser wurde solange aufgestaut, bis der "Damm" aus verdichteter Erde nachgegeben hat.

Das würde dann bedeuten, dass es auch an anderen Stellen und Tagebauen zu solch einer Hangrutschung kommen könnte.
Gruß
Joe
 
N

norbert

Nicht mehr aktiv
#44
In einem Beitrag Echt/MDR wird Dr. Michael Lersov interviewt ...
Lersov ist bei weitem kein Experte. Bis 1990 hat in Freiberg an der Bergakademie Vorlesungen in Physik gehalten. Dann hat er Karriere in der SPD gemacht und saß, wenn ich mich recht erinnere, auch im Landtag. Das nächste mal tauchte er als Chef der WISMUT auf und jetzt macht er einen auf Bergbauexperten. :schlecht:
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
Mitarbeiter
#45
Nuja, das ist ja erstmal wohl eine physikalische Geschichte und hat mit Bergbau als solchem nicht mehr viel zu tun. Was nicht heißen soll, dass ich das jetzt werte oder dir widerspreche. Im Namen der Ursachenforschung wird derzeit jede Menge an Geld ausgegeben. Vielleicht kommen da ja auch irgendwann Ergebnisse. Obwohl ich nicht so ganz wirklich daran glaube.
Gruß
Joe
 
N

norbert

Nicht mehr aktiv
#46
Wenn man die Ursache festgestellt hat, wird es auch einen Schuldigen geben (müssen). Ich denke, dass will man möglichst vermeiden.

Mit Nachterstedt ist es wie in Schmalkhalden. Aus allen Ecken kommen plötzlich die "Experten" und produzieren sich irgendwie medial.
Dazu kommt, dass die Öffentlichkeitsarbeit bei dem Sanierer natürlich auch vollkommen unzureichend ist. Das "Scheigen" ist genau der Nährboden für Spekulationen und die Spielwiese der "Experten".
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
Mitarbeiter
#47
Zum Thema passt auch der Bericht in der Sendung Echt vom MDR:

Echt | 02.11.2010 | 21.15 Uhr
Wie kam es zum Erdrutsch von Nachterstedt?

Wenige Zeit vor der Katastrophe flog der Pilot Helmut Witte über mehrere Äcker am Concordiasee, um sie zu fotografieren. Den Auftrag dazu hatte der Landwirt Herbert Lisso gegeben. Er wollte mit den Luftaufnahmen Aufschluss über den Bewuchs seiner Felder erhalten. Immer wieder ist bei den Aufnahmen auch der See ins Bild gekommen. Nach dem Erdrutsch hat sich Helmut Witte diese Aufnahmen noch einmal genauer angesehen. Diesmal betrachtete er aber nicht die Äcker, sondern den See - und machte dabei eine interessante Entdeckung: Direkt neben der Nachterstedter Böschung trübte sich das Wasser schwarz. Einen Monat vor der Katastrophe wurde aus der Trübung eine riesige Schlammwolke. Nachdem Witte im Juli in "Echt" die Vermutungen des Bergbau-Experten Dr. Michael Lersow hörte, entschied er sich, ihm die Aufnahmen zukommen zu lassen.
Blick auf Wohnhäuser an der Erdrutsch-Abruchstelle am Concordia-See in Nachterstedt
Nachterstedt nach dem Erdrutsch: Hat sich die Katastrophe angekündigt?
Enormer Druck hinter der Böschung

Die Bilder bestätigen Lersows Vermutung, die spätere Verdichtung der Böschung habe dem Grundwasser den Zufluss zum See versperrt. Die Trübungen und später die Schlammwolke direkt neben der Böschung zeigen, dass hier das Wasser unter hohem Druck stand und sich an dieser Stelle seinen Weg in den See gebahnt hat.

"In der Böschung sind - das werden alle Fachleute sagen - noch genügend kohlehaltige Schichten vorhanden. Da ist etwas aufgebrochen und es hat sich eine riesige Kohle-Schlamm-Lawine in den See entladen. "

Dr. Michael Lersow
Auf einem Luftbild, das zwei Tage nach der Katastrophe gemacht wurde, wird sichtbar, wie stark der Grundwasserdruck war: Nach dem verheerenden Erdrutsch strömt Grundwasser ungehindert in den See und reißt gewaltige Schlammassen mit.

Der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), die für den ehemaligen Tagebau zuständig ist, hat über den Gebiet Kontrollflüge durchgeführt. Warum ist niemandem aufgefallen, dass mit der Nachterstedter Böschung etwas nicht stimmt? Nach Dr. Michael Lersow hätten die Fotos zwar bei der Beurteilung der Situation helfen können. Allerdings habe es mit den Wasserständen in den Grundwassermessstellen auch andere Hinweise gegeben:

"Daran hätte man erkennen können, dass auf der Nachterstedter Böschung ein Riesendruck gelastet hat"

Dr. Michael Lersow

Früher wurde der Grundwasserspiegel durch Alarmbrunnen und Pumpen stabil gehalten. Als sie 1992 abgeschaltet wurden, stieg der Grundwasserspiegel an. Dass sich gewaltige Mengen Grundwasser hinter der Böschung des Concordiasees anstauten, zeigen auch Foto von Äckern, die unter Wasser stehen. Die Folgen bekam Landwirt Herbert Lisso, der auch die Luftaufnahmen in Auftrag gegeben hatte, als erster zu spüren. Auf einem rund 1.000 Meter vom Concordiasee entfernten Acker machte er im September 2007 nach mehreren Tagen mit heftigem Regen eine Entdeckung:

"Wir stellten fest, dass wir Brüche auf dem Feld hatten, und zwar in dem Bereich, wo vor ungefähr 100 Jahren hier der erste Tagebau betrieben wurde. Es waren aber nicht nur die Brüche zu sehen, sondern, wenn man an diese Brüche heranging, hörte man dort Wasser rauschen."

Herbert Lisso
Erdrutsch in Nachterstedt 2009
Experten gehen von einem enormen Grundwasserdruck hinter der Böschung aus.

Bis zu zehn Meter breit waren die Erdbrüche. Dieses Rauschen darin habe sich für Lisso so angehört, "als ob es von einer höheren Ebene in eine tiefere Ebene fällt." Landwirt
Lisso meldete den Vorfall der LMBV. Die Löcher wurden zugeschüttet. Damit gab es einen weiteren Hinweis, dass der Grundwasserdruck auf die Nachterstedter Böschung zunahm.
Gleichzeitig schritten die Baumaßnahmen am Ufer voran, die den Durchfluss zum Concordiasee behinderten.
Gefahr noch nicht gebannt

"Echt" hat die Fotos Peter Keck, einem weiteren Fachmann, vorgelegt. Keck leitete in den 1990iger-Jahren das Oberbergamt in Halle. Er war selbst mit der Sanierung des Concordia Tagebaus befasst und stimmt Lersows Modell zu. Wie Lersow kann auch er nicht nachvollziehen, warum das die LMBV erst Ende 2011 ein Gutachten vorlegen will. Und er sieht die Gefahr noch nicht gebannt:

"Mir erscheint der Zeitraum, bis sich hier gutachterlich geäußert wird, eigentlich zu lang - auch aus der Gefahrensituation heraus. Denn das Grundwasser fließt ja weiter zu und der Druck wirkt ja zumindest in gleicher Größenordnung weiter. Es wird notwendig, zumindest vorbeugende Maßnahmen einzuleiten, um die ganze Situation kontrolliert in den Griff zu bekommen."

Peter Keck
LMBV-Sprecher: Kein einfacher Prozess

Vertreter der LMBV, die "Echt" mit Luftaufnahmen und den Schlüssen der Experten konfrontierte, wollen sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Pressesprecher Dr. Uwe Steinhuber sieht die Sachlage komplizierter:

"Wenn es eine einfache Antwort gegeben hätte, wie es manch Kaffeesatzleser denkt, der sich als Experte hier selber bemüßigt fühlt, ... dann wäre die Antwort schon längst da. Dann wäre es schon für jeden nachvollziehbar, dann wäre es ein einfacher Prozess gewesen. Aber der ist es nicht."

Dr. Uwe Steinhuber, Pressesprecher der LMBV
Trotzdem werden die Schlüsse von Lersow und Keck nicht abgelehnt. Auch die Fotos will man im Zuge der eigenen Untersuchungen auswerten.

"Auf jeden Fall können die Gutachter keinen der Gründe, die Sie genannt haben, derzeit ausschließen."

Dirk Henssen, LMBV, Projektgruppe Nachterstedt

Vielleicht bringen die Fotos ja auch die Untersuchungen der LMBV voran. Demnächst will man sich über Pontons der Unglücksstelle nähern, um auch dort Bohrungen vorzunehmen. Zeitlich bleibt es dabei: Frühestens im Sommer 2012 können Teile des Concordiasees wieder freigegeben werden.

Während in Nachterstedt noch nach Ursachen gesucht wird, gab es am 12. Oktober im ehemaligen Tagebau Spreetal bei Hoyerswerda einen gewaltigen Erdrutsch. Ein Landstreifen von 1,8 Kilometer Länge und 600 Breite rutschte in die Tiefe. Wie durch ein Wunder kamen keine Menschen zu Schaden. Wie lange wird die Ursachenforschung hier dauern? Und können sich solche Ereinisse wiederholen?

Der Druck auf die Bergämter und die LMBV wächst. Und zumindest im Fall Nachterstedt mahnt Dr. Michael Lersow zur Eile:

"Die Tagebausanierung in Ostdeutschland ist eine Erfolgsgeschichte und das soll sie auch bleiben. Also sollte man alles tun, um zu zeigen, dass man dieses schlimme Ereignis aufarbeiten kann."

Dr. Michael Lersow
Da die ÖR Sender ihre Onlineinhalte nach einer Frist löschen müssen, habe ich den ganzen Text hierher kopiert.

Gruß
Joe
 
N

norbert

Nicht mehr aktiv
#48
Die Frage ist ja, ob man verlässliche und überwachbare Indikatoren hat, die solche Kathastrophen in Zukunft vorhersehbar machen und zusätzlich Maßnahmen ergriffen werden können. um solche Ereignisse zu minimieren.

Die Flutung von Restlöchern und die damit einhergehende Neueinstellung des Grundwasserspiegels sind keine einfachen Prozesse. Natürliche Fließwege des Wassers sind unterbrochen, es entstehen Rutschungsflächen, Auswaschungen usw..
Ein weiteres Thema ist die Versauerung des Wassers durch Markasit und Pyrit.

Es ist tragisch für die Menschen, die dort direkt oder indirekt zu Schaden gekommen sind und das dieses Ereignis eine Folge des Bergbaus ist, ist auch klar. Ich denke aber, dass bei der Sanierung/Fkutung alles so gemacht wurde, wie es der damalige Stand der Technik war. Jetzt muss man alles etwas überdenken ...
 
#49
Genau so ist es Nobi .
...und bevor jetzt weiter Physiker zu Wort kommen , sollte man die Ergebnisse der Gutachter (promovierte Geologen-bzw. Geotechniker) abwarten.
Die aktuellen Informationen kann man auf der Seite der LMBV abrufen.
 
H

hebbel

Nicht mehr aktiv
#50
Ey Jungs. Ganz locker bleiben und nicht immer auf die vermeintlichen Geo-Gurus schielen. Da gibt es auch welche, die halten fachwissenschaftliche Vorträge und Vorlesungen und rennen dann anderenorts mit der Wünschelrute rum. :lol1:

Natürlich ist das eine interdisziplinäre Angelegenheit; und selbstverständlich sind hier auch Physiker gefragt. Insbesondere, wenn man wie Lersow an der Bergakademie Freiberg mit einem Thema zur numerischen Modellierung des mechanischen Verhaltens von Lockergesteinskörpern promoviert hat und lt. WiKi den komplexen Fragestellungen des mechanischen Verhaltens von Locker- und Festgesteinskörpern unter extremen Belastungen und Randbedingungen (geotechnische Bauwerke und zeitabhängige Standsicherheiten) weiterhin im beruflichen Leben verbunden geblieben ist.

Eine andere Sache ist es natürlich, wie er seiner Meinung gegenüber anderen fachlichen Meinungen Ausdruck verleiht. Das kann ich aber momentan nicht einschätzen.

Gruss
Dieter
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
Mitarbeiter
#51
Wir sind doch ganz locker! Ich finde die diversen Themen wie Nachterstedt, Tiefenort und Schmalkalden superspannend. Die Reaktionen der Politiker, die Reaktionen der Behörden und die Meinungsverschiedenheiten und verschiedenen Theorien der Forscher. Traurig nur, dass immer Menschen in ihrem Leben und ihrer Existenz betroffen sind. Das macht dann keinen Spaß sondern eher traurig bis wütend.
Darum ist eine umfangreiche, ursächliche Aufklärung notwendig. Aber auch die Benennung von "Schuldigen". Allerdings soll ruhig jeder sagen, was er meint, was die Ursache gewesen sein könnte. Das Fazit gibt es am Schluß.
Gruß
Joe
 
#52
Zit. Dieter:"nicht immer auf die vermeintlichen Geo-Gurus schielen."

Die sind aber nunmal Als Gutachter mit dem Thema "Nachterstedt" befasst und meines Wissens nach nicht Herr Lersow.

... und dass war´s von meiner Seite auch zu dem Thema .
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
Mitarbeiter
#54
Aus dem Halleforum.de stammt folgender Bericht von gestern:

Bohrungen am Concordiasee ergeben neue Erkenntnisse
Themen: Nachterstedt Concordia-See Erdrutsch

Stand der Ursachenermittlung der Böschungsbewegung in Nachterstedt

Bei den im Frühjahr 2011 durch die Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) eingeleiteten Untersuchungsbohrarbeiten an Land und auf dem Concordiasee in Nachterstedt konnten erste Erkenntnisse gewonnen werden. Entgegen den bisherigen Vorstellungen weisen an der Böschung neueingerichtete Brunnen lokal deutlich größere Mächtigkeiten der wassererfüllten Sedimente auf oder erbringen ein Vielfaches der erwarteten Förderleistung. Weiterhin wurden unterhalb des Seewasserspiegels im Tagebaurestloch unerwartet hohe Drücke in den liegenden Grundwasserleitern festgestellt. Bei den bisher ausgeführten Laboruntersuchungen an Sedimenten des Böschungsbereiches wurden überwiegend setzungsfließgefährdete Materialien angetroffen. Die bisher durchgeführten Bohrungen erfordern somit Korrekturen der bisherigen Annahmen zum geologischen Schichtaufbau und zu den Grundwasserdruckverhältnissen.

Bei den Bohrarbeiten werden höchste Sicherheitsanforderungen eingehalten, um das Risiko des Auslösens einer weiteren Böschungsbewegung aufgrund der Arbeiten möglichst gering zu halten. Bei den Bohrarbeiten auf dem Concordiasee werden neben den Bodenproben auch die bodenmechanisch relevanten Parameter vor Ort untersucht. Nach Vorliegen der jeweiligen Ergebnisse werden das Bohrregime und der Bohrlochausbau festgelegt. An den gewonnenen Proben werden weiterhin im Labor die bodenmechanischen Kennwerte verifiziert und weitere Parameter ermittelt.

Nach derzeitiger Einschätzung dauern die Bohrarbeiten des Untersuchungsprogramms zur Ursachenermittlung bis Herbst 2012 an. Die nachlaufenden Laboruntersuchungen und -auswertungen werden bis Frühjahr 2013 andauern, so dass der Abschlussbericht zur Ursachenermittlung der Böschungsbewegung voraussichtlich im Sommer 2013 erstellt werden kann. Aufgrund des hohen Gefährdungspotenzials muss mit größter Sorgfalt und Umsicht gearbeitet werden, um alle Eventualitäten auszuschließen. Dies gilt sowohl für die Datenermittlung, als auch für die Arbeiten vor Ort.

Die bisher gewonnenen Bodenproben und überprüften bodenmechanischen Kennwerte bestätigen, dass sich die Böschung im Tagebaurestloch Nachterstedt in einem labilen Gleichgewichtszustand befindet. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass durch die LMBV innerhalb des Sperrgebiets eine Sperrzone eingerichtet worden ist, die – auch nicht zu Kontrollzwecken – betreten werden darf. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand müssen alle Kippenböschungen im Tagebaurestloch Nachterstedt als in ihrer Standsicherheit gefährdet angesehen werden. Deshalb sind alle Untersuchungen zur Ursachenfindung auch weiterhin unter größter Vorsicht und mit allen erdenklichen möglichen Sicherungsmaßnahmen für Mensch und Gerätschaft durchzuführen.

Zum Hintergrund: Am 18. Juli 2009 ereignete sich an der Südböschung des Concordiasees in Nachterstedt ein Böschungsabriss von erheblichem Ausmaß, der drei Menschen das Leben kostete und anderen ihr Zuhause nahm. Die bergrechtliche Verantwortung für das betroffene Tagebaurestloch liegt bei der LMBV als Bergbausanierungsunternehmen. Zur Ermittlung der Schadensursache wurde am 21. Juli 2009 das Ingenieurbüro Dr.-Ing. Michael Clostermann, Dortmund, durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) Sachsen-Anhalt eingeschaltet. Nach Auswertung der Akten, unter Berücksichtigung von mehr als 11.000 Dokumenten, wurden insgesamt 14 potenzielle Schadensursachen ermittelt. Es wurde als wahrscheinlich angesehen, dass der großräumige Böschungsabriss durch das gleichzeitige Zusammenwirken verschiedener Faktoren verursacht wurde.

Die Auswertung der seitens der LMBV bereitgestellten Unterlagen ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Weitere Akten wurden nach Auffinden des Werksarchivs Nachterstedt vom 20. August 2010 bis zum 31. März 2011 in insgesamt 108 Umzugskartons übergeben. Die Erfassung und Auswertung dieses komplexen, umfangreichen Aktenbestandes wird bis zum Winter 2011/2012 anhalten.

Aus den vorhandenen analogen Grubenbildern und Bohrprofilen wurde ein digitales 3D-Modell des Altbergbaus erstellt. Durch Verschneidung der untertägigen Streckensysteme mit der Tagebaugeometrie ist die Ermittlung der noch vorhandenen untertägigen Grubenbaue im Bereich des Tagebaurestlochs Nachterstedt möglich geworden. Somit wurde ein unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender Informationen möglichst umfassender Überblick über potenziell hydraulisch wirksame Verbindungen innerhalb der Braunkohlenlagerstätte geschaffen.

Veröffentlichte und in den Archivunterlagen vorhandene Luftbildaufnahmen des Concordiasees zeigen zu verschiedenen Zeitpunkten Eintrübungsfahnen im östlichen und südöstlichen Böschungsbereich. Diese Eintrübungen unterhalb des Seewasserspiegels konnten bis 2004 zurückverfolgt werden und halten auch bis heute an. Durch einen digitalen Abgleich mit dem 3D-Modell des Altbergbaus lässt sich hier ein möglicher Zusammenhang und somit ein weiterer Hinweis auf potenziell hydraulisch wirkende Verbindungen konstruieren.

Die im Sommer 2010 durchgeführte Seebodenvermessung erlaubt ebenfalls eine dreidimensionale Auswertung mit hoher Genauigkeit. Auf Basis der zur Verfügung gestellten Messdaten wurden verschiedene Berechnungen durchgeführt, in die auch die Ergebnisse der Seevermessung aus den Jahren 2003 und 2009 mit einbezogen wurden. Insbesondere die Höhenlage des Seebodens konnte für alle Jahre konstruiert werden. Aufgrund der hohen Genauigkeit der Messungen aus dem Jahr 2010 konnten die zu betrachtenden Höhenintervalle der Auswertung relativ klein gehalten werden. Dies führt dazu, dass festgestellt wurde, dass die Reichweite der in Bewegung geratenen Bodenmassen deutlich größer anzusetzen ist als bisher angenommen. Weiterhin lassen sich aus den Messungen drei Hauptbewegungsrichtungen erkennen, so dass sich der mögliche Ablauf der Böschungsbewegung Nachterstedt modelltechnisch nachvollziehen lässt.

Diese Hauptbewegungsrichtungen deuten auf drei Phasen der Böschungsbewegung hin. In der ersten Phase könnte eine Materialumlagerung unterhalb des Wasserspiegels stattgefunden haben. Dieser Prozess kann bereits lange Zeit vor dem Ereignis eingesetzt haben und die Funktionstüchtigkeit der Stützkippe kontinuierlich reduziert haben. In der zweiten Phase könnte ein lokaler Böschungsbruch im westlichen Teil des Rutschungsbereichs aufgrund des Versagens der Funktionstüchtigkeit der Stützkippe eingetreten sein. Die dritte Phase wäre dann durch dieses Ereignis indiziert und hätte damit den östlichen Rutschungskessel verursacht.

In Verbindung mit den ausgewerteten Archivunterlagen und dem bisher erarbeiteten 3D-Modell des Altbergbaus ergibt sich somit eine theoretische Hypothese der wahrscheinlichen Versagenszusammenhänge. Zur Verifizierung dieser These war es zwingend erforderlich, die durch die LMBV geplanten Untersuchungsarbeiten, sowohl auf dem Concordiasee als auch an Land, durchzuführen.

Die Ergebnisse der Ursachenermittlung der Böschungsbewegung Nachterstedt sind die Grundlage einer Bewertung aller noch unter Bergaufsicht stehenden Kippen in Sachsen-Anhalt. Die endgültige Bewertung und Nutzungsfreigabe, auch teilweise, hängt von den Erkenntnissen in Nachterstedt ab.
Quelle: Halleforum.de
 

otto

... nicht mehr im Dienst.
Mitarbeiter
#56
MZ-Online: Warnung vor Unglück in Nachterstedt missachtet?

Warnung vor Unglück in Nachterstedt missachtet?

So jedenfalls liest sich das heute, fast drei Jahre nach dem Unglück, in der Lokalpresse.

MAGDEBURG/MZ. Drei Jahre nach dem verheerenden Erdrutsch am Concordiasee in Nachterstedt (Salzlandkreis) gibt es Hinweise, dass vor dem Unglück mit drei Toten auf Gefahren aufmerksam gemacht worden ist. Nach MZ-Informationen soll ein Sachverständiger des zuständigen Bergbausanierers LMBV dringend geraten haben, die Wasserstände in der Halde mit Drainagen abzusenken. Die Pegel am südlichen Tagebaurand hatten erhöhte Werte angezeigt. Zu den Drainagen kam es aber nicht mehr.

Die LMBV bestätigte auf MZ-Anfrage, dass "einzelne Pegel höhere Wasserstände als erwartet aufwiesen". Diese seien mit dem zuständigen Sachverständigen erörtert und "Maßnahmen eingeleitet" worden. Welche genau, wie hoch die Pegelstände lagen und in welchem zeitlichen Zusammenhang sie mit dem Unglück stehen, teilte die LMBV nicht mit.

Nach Informationen der MZ ermittelt die Magdeburger Staatsanwaltschaft inzwischen gegen drei Verantwortliche der LMBV und einen aus dem Landesamt für Geologie und Bergwesen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Die zuständige Staatsanwältin Petra Hagemann wollte sich dazu nicht äußern. Auf die Frage, ob erhöhte Wasserstände Ursache für das Unglück gewesen sein könnten, sagte sie: "Das kann ich weder bestätigen noch dementieren." Hagemann hofft, die Ermittlungen noch in diesem Jahr abschließen zu können.

Der vom Land und der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachter Michael Clostermann war bereits Ende 2010 zu der Erkenntnis gelangt, dass Wasser eine wesentliche Rolle bei dem Unglück spielte. Sowohl die Alt-Kippe - auf der eine inzwischen aufgegebene Wohnsiedlung steht - als auch ein vor die Kippe gesetzter Stütz-Damm seien weggespült worden. Bereits vor dem Unglück war auf Luftbildern zu sehen, wie Material aus der Kippe in den See gespült wurde. Die LMBV hatte wiederholt behauptet, die Kippe sei standsicher.

Die LMBV hat in der vorigen Woche einen Zwischenbericht zu dem Unglück im Wirtschaftsministerium vorgelegt, der dort nach Angaben von Ressortchefin Birgitta Wolff (CDU) ausgewertet wird. Teil des Berichts sind offenbar auch die erfolglosen Versuche, beim Unglück in den See gerutschte Gebäudeteile und die drei Opfer zu finden. "Zur Suche nach den Gebäudeteilen sind weitere Untersuchungen mittels Flugdrohnen vorgesehen", teilte die LMBV mit. Zur Suche nach den Opfern machte die Firma keine Angaben.

Bergbauexperten gehen davon aus, dass die drei Personen nicht zu finden und auch nicht zu bergen sind. LMBV-Chef Mahmut Kuyumcu hatte nach dem Unglück der Suche nach den Opfern immer hohe Priorität eingeräumt.
Quelle & Bilder: MZ-Online 11.07.2012

Schöne Grüße
Gerd
 
H

hebbel

Nicht mehr aktiv
#57
Danke Gerd. Das wusste nicht mal der, der die BSA, in alterbergbaulichen relations, erstellt hat.

LG
Dieter
 

otto

... nicht mehr im Dienst.
Mitarbeiter
#58
Siedlung in Nachterstedt wird abgerissen - News vom 10.12.2012

Siedlung in Nachterstedt wird abgerissen
NACHTERSTEDT/DAPD. Fast dreieinhalb Jahre nach dem Erdrutsch von Nachterstedt wird die Siedlung „Am Ring“ abgerissen. Am Montag begannen die Vorbereitungsarbeiten, wozu die Einrichtung der Baustellen und die Beräumung der Häuser gehört, wie die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH mitteilte. Die eigentlichen Rückbauarbeiten sollen dann im Januar starten.

Betroffen sind ein Einfamilienhaus, zwölf Doppelhaushälften und 48 Nebengebäude. Der Abriss dauert laut Bergbausanierer LMBV voraussichtlich bis Ende April 2013. Insgesamt sollen rund 5.400 Tonnen Material entsorgt werden. Nach Abschluss der Ermittlung der Unglücksursache - voraussichtlich Mitte 2013 - könne mit der Sanierung und Gestaltung des Gebietes begonnen werden, hieß es.

Bei dem Unglück am 18. Juli 2009 war eine Böschung des früheren Tagebaus in den darin entstandenen Concordia-See gerutscht. Dabei kamen drei Menschen ums Leben. 42 Menschen mussten ihre Häuser in der betroffenen Siedlung aufgeben.
Quelle & Meldung: MZ-Online

Winterliche Grüße
Gerd
 
K

Kenno

Nicht mehr aktiv
#59
Droht Nachterstedt neuer Erdrutsch?

Hallo und "Glück Auf" für ale User,
ich möchte mich recht herzlich für den guten Empfang im Forum bedanken.
Ich bin vom HalleSpektrum (Nachfolger vom Halleforum) über einen Link von @Roshi zu euch gestoßen und habe gesehen, dass ihr euch auch mit dem brisanten Thema "Erdrutsch in Nachterstedt" beschäftigt.
Mein Thema im HalleSpektrum ist hier nachzulesen:
http://hallespektrum.de/thema/lmbv-i.../3/#post-37979
Ich möchte gern hier einsteigen und mit euch das Thema "Nachterstedt" weiter diskutieren und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.
Ich bin von Beruf kein Geologe, habe an der TU Dresden mein Diplom in Energiewirtschaft gemacht und habe in Halle auf dem Gebiet der Fernwärmeversorgung zuletzt als Bauleiter für einen bermännischen Streckenvortrieb zum Bau eines Heizkanals unter dem halleschen Marktplatz gearbeitet, wo ich beim der erstmaligen Durchörterung der halleschen Markplatzverwerfung (Hallestörung) mit der Hydrogeologie in Verbindung kam.
Meine Kind-und Schulzeit bis zum Abi habe ich in Aschersleben verbracht und kenne die Entwicklung des Tagebaurestloches zum Concordiasee durch persönliche Besuche auf der abgegangen Besucherplattform im Jahre 2006 sowie durch eine Seebefahrung mit der Seeperle im Jahre 2008.
Vom Braunkohlenabbau als Tiefbau erfuhr ich erstmalig von meiner Großmutter, als sie bei der Bewirtschaftung von Ackerland auf dem damaligen Wilsleber See (früher Junkerssee) fast in einen Tagesbruch geraten war und ca. 1920 der Tiefbau eingestellt worden ist und danach die Flutung des Wilsleber Sees begann.
Einzelheiten des Ascherslebener See`s :
http://de.wikipedia.org/wiki/Aschersleber_See

Auch aus sehr weiter Vorgeschichte ist bekannt, dass dort schon einmal ein großer See existent war:
http://harzerseeland.de/con_4_8_12/cms/front_content.php?idcat=9&

Aus dem Heimatkundeunterricht war mir bekannt, dass sich im Gebiet Hoym zwischen der B6 und der B6n ein noch heute existiernder Wasserturm befindet, der damals von einem artesischen Brunnensystem gespeist wurde (heute mit Fernwasser aus der Rapbodetalsperre), welches unter einem hohen geodätischen Wasserdruck stand, der sich aus dem Zufluß der höher gelegenen Südharzregionen und dem Höhenzug des Hakels in die bekannte subherzyne Senke am Schnittpunkt zwischen der Halberstädter- und der Athener Störung ergab.
http://www.wasserturm-galerie.de/?id=66&img=248

Auch gab es schon frühzeitig vor dem Erdrutsch in Nachterstedt durch Vernässungen großer Ackerflächen in den heutigen Seeländereien Hinweise auf hohe Wasserstände, die auf die kolabierte Böschung gedrückt haben:
http://www.neu-seeland-agrar.de/infos-seelaenderei.html
Auch Dr.Ing.Lersow, dessen Meinund ich weitgehend teile, hat in der am 12.03 2013 vom MDR ausgestrahlte 2. Sendung "Echt" und dem anschließenden Live-Talk auf die Bedeutung des hochwasserführenden Selkeflusses (letztes schweres Hochwasser 1994) für das Wassermanagement des Concordia-Sees hingewiesen.
Durch neue im Concordiasee mit Drohnen gesichtete Schlammeinleitungen wurde die Frage gestellt:"Droht Nachterstedt ein neuer Erdrutsch?" Hier nachzulesen:
http://www.mdr.de/echt/nachterstedt160.html#

Da muß man sich fragen, warum das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin mit der neuen Messmethode diese Schlammeinträge nicht schon früher entdeckt hat?
http://www.igb-berlin.de/pressemitt...nforschung-zum-erdrutsch-in-nachterstedt.html
Wie es mit Nachterstedt weiter gehen könnte, kann man hier nur erahnen!!!
http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/halle/hmp-nachterstedt100_zc-508684eb_zs-48437b3e.html

Mit einem freundlichen "Glück Auf"
Kenno
 
K

Kenno

Nicht mehr aktiv
#60
Gutachter-Streit zum Erdrutsch von Nachterstedt
Obwohl die Vorlage des offiziellen Gutachtens zur Unglücksursache vom Gutachter der Staatsanwaltschaft erst für Ende Mai 2013 angekündigt worden ist, entbrennt nun ein heftiger Streit mit dem Gegengutachten des LMBV.
Die Freigabe des Concordia-Sees bei Nachterstedt verzögert sich womöglich auf Jahre.
Grund sind widersprüchliche Gutachten darüber, was den Erdrutsch vor vier Jahren auslöste.
Demnach belegt eine Untersuchung des Bergbausanierers LMBV, dass ein eingestürzter Hohlraum für das Unglück verantwortlich ist.
Experten des Landesamtes für Geologie sehen das anders. Sie gehen davon aus, dass die bebaute Kippe nicht stabil war. Sie sei abgerutscht, nachdem der Tagebausee geflutet worden sei.
Wegen der unterschiedlichen Gutachten bleibt der See in Nachterstedt weiterhin gesperrt.
Ich schätze ein, dass wir noch eine sehr heiße und lange Diskussion um das Thema Nachterstedt haben werden und der Streit, wie schon von der LMBV angedeutet, noch vor Gericht landen könnte!!!!
 
Oben