Norwegen: 1,7 km langer Schiffstunnel geplant

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Riesiger Schiffstunnel in Startlöchern
1617649066591.png

Stadhavet, das Meer vor der Halbinsel Stad im Westen Norwegens, gilt als besonders gefährlich: Erst 2019 sorgte die Havarie des Kreuzfahrtschiffs „Viking Sky“ für Schlagzeilen. Seit Jahren gibt es deshalb Pläne für einen Tunnel, der es auch großen Schiffen erlauben würde, den starken Strömungen auszuweichen. Nun nimmt der Stad Skipstunnel Form an, schon nächstes Jahr soll gebaut werden – das Projekt ist aber nicht unumstritten.
Online seit heute, 18.29 Uhr
Teilen
1.700 Meter lang soll der Stad Skipstunnel werden – beeindruckend sind aber vor allem Breite und Höhe des Projekts: Vom Boden zur Decke sind es 50 Meter, von einer Seite zur anderen 36 Meter. Damit wäre der Tunnel selbst für Passagierschiffe geeignet, die entlang der Hurtigruten – der Schiffsstrecke entlang der Westküste Norwegens – im Einsatz sind und 1.000 Passagierinnen und Passagiere befördern können. Auch kleinere Frachtschiffe könnten den Tunnel benutzen.

Erst vor wenigen Wochen nahm das Projekt eine wichtige Hürde: Verkehrsminister Knut Arild Hareide gab grünes Licht für den Bau des „weltweit ersten Tunnels in dieser Größe“, wie es in einer Aussendung heißt. Ab 2022 soll gebaut werden, 2025 oder 2026 könnte der Tunnel bereits fertig sein. Ziel des Projektes sei, die Sicherheit auf See zu erhöhen – das Unfallrisiko soll auf für die Küste durchschnittliche Werte gesenkt werden, so der Plan.

Kystverket
So oder so ähnlich könnte der Tunnel, der ab 2022 gebaut werden soll, aussehen

Knapp 300 Mio. Euro fließen in Bau des Tunnels
Um die Halbinsel durchqueren zu können, müssen laut offiziellen Angaben rund drei Millionen Kubikmeter Gestein extrahiert werden. Der Tunnel soll mit unterirdischen Bohranlagen gegraben werden, Details gibt es bisher wenige. Es ist aber zweifellos ein aufwendiges Projekt – auch was die Kosten anbelangt: Insgesamt wurden für das Projekt knapp drei Milliarden Norwegische Kronen (rund 295 Mio. Euro) bewilligt.

1617649033618.png

Terje Andreassen, Projektleiter bei der norwegischen Küstenbehörde, sagte gegenüber dem Sender CNN, dass die Küste „eine der stürmischsten Regionen in Norwegen“ sei. „Man hat hier jede Menge merkwürdige Strömungen“, zitiert CNN den norwegischen Experten. Freilich spielt das Wetter in einem Tunnel dann keine Rolle mehr.
Das könnte aber nicht nur Auswirkungen auf die Sicherheit haben – auch für die Wirtschaft ist der Tunnel relevant. Denn wegen der harschen Wetterbedingungen müssen Schiffe oft mehrere Tage im Hafen auf eine Verbesserung warten. Der Tunnel könnte dieses Problem beheben, so der Plan. Auch eine Schnellverbindung per Fähre durch den Tunnel ist denkbar. „Es wird einfacher zu reisen“, so Andreassen.

Kystveket/Snøhetta
Der Tunnel könnte die Reisezeit für Schiffe deutlich verkürzen

Auch Häuser müssen abgerissen werden
Nach dem grünen Licht durch die Regierung aus Konservativen, Christdemokraten und Liberalen muss jetzt erst einmal überhaupt der Grund erworben werden, dann wird eine Ausschreibung in die Wege geleitet. Bis zum Jahresende will man diese abgeschlossen haben.
Für den Bau des Tunnels – Teil einer breitangelegten Infrastukturinitiative des Landes – müssen auch bewohnte Häuser weichen. Der norwegische Rundfunk NRK zitiert einen Mann, der berichtet, „zehn Jahre in einem Vakuum gelebt“ zu haben – nun habe er Gewissheit, dass sein Haus abgerissen wird. Obwohl der Mann sein Haus verliert sieht er den Bau des Tunnels positiv: Endlich investiere die Regierung auch in die Küste, nicht nur in die Hauptstadt Oslo.
Kystverket/Snøhetta/Plomp
Weitreichende Bauarbeiten werden das Projekt wohl begleiten

Es ist wohl auch ein Prestigeprojekt: Der Direktor der Küstenbehörde, Einar Vik Arset, sagt, der Tunnel sei ein wichtiges Vorhaben für die norwegische Küste – und man sei bereit, den weltweit ersten Tunnel für Schiffe in normalen Größen zu bauen. Bisher war das nämlich nur bei Kanälen üblich – bekannt ist etwa der 1963 eingestürzte Tunnel du Rove in Frankreich, auch der etwas kürzere Riquevaltunnel befindet sich inFrankreich.

Wohl nicht alle Reedereien werden Tunnel nutzen
Umstritten ist das Projekt momentan vor allem deshalb, weil noch nicht klar ist, wer den Tunnel letztlich überhaupt benutzen wird. Laut einem NRK-Bericht vom Dezember habe die Reederei Hurtigruten, die die gleichnamige Strecke bedient, bereits gesagt, dass man den Tunnel nicht verwenden werde, da er keine Ersparnisse bringen würde.
Kystverket/Snøhetta
Noch ist nicht klar, welche Schiffe den Tunnel letztlich nutzen werden

Auch für die Reederei Fjord Shipping spielt der Tunnel offenbar keine Rolle: Für Schiffe ab einer gewissen Größe sei das Stadhavet kein besonderes Problem, zitiert die NRK einen Mitarbeiter. Auch in der norwegischen Presse gab es Kommentare, die den Sinn des Tunnels anzweifelten, da er in erster Linie für kleinere Schiffe relevant sein werde, schreibt etwa der Journalist Jon Hustad.

Kritik, die man in der Region Stad nicht gelten lassen will: Bürgermeister Alfred Björlo kritisierte Hustad scharf, er sei „zu lange allein in einem dunklen Büro in Oslo gesessen“ und habe keine Ahnung von der Geschäftswelt an der Küste. „Schiffe in allen Größen werden den Tunnel nutzen“, zitiert NRK Björlo. In Stad ist man überzeugt, dass der Stad Skipstunnel große Auswirkungen auf die Wirtschaft haben werde – und die Kosten dadurch schnell wieder ausgleichen könne.
05.04.2021, bock, ORF.at

Links:
Norwegen: Riesiger Schiffstunnel in Startlöchern
 
Oben