#1
Um den steigenden Strombedarf in Österreich nach dem ersten Weltkrieg zu decken, begann man um 1920 in Vorarlberg mit dem Bau von Pumspeicherkraftwerken.

In Niederösterreich gab es auch ein Projekt eines Pumpspeicherkraftwerkes - welches in Vergessenheit geriet.

Ausgangslage:
Die Bodenwiese bei Payerbach/NÖ, ca. 1.100m hoch gelegen, 97 Hektar, 3 km lang und 500m breit:
Anmerkung: am linken Bildrand sieht man Kaiserbrunn, die Ursprungsquelle der ersten Wiener Hochquellenwasserleitung.

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Die Bodenwiese ist eine Alm und am rechten Bildrand sieht man die Waldburg-Anger Hütte, im Hintergrund das Steinfeld mit Wiener Neustadt:

Bodenwiese2.PNG

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Das Syndikat
Im Jahr 1930 reichte ein „Syndikat zur Errichtung eines Pumpspeicherkraftwerkes Payerbach-Bodenwiese“ ein diesbezügliches Projekt beim Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft ein, mit dem Ersuchen dieses als begünstigtes Bauvorhaben im Sinne der kaiserlichen Verordnung von 1914 und des öffentlichen Interesses zu genehmigen.

Dieses Projekt wurde von Dr. Ing. Karl Söllner, a.o. Professor der technischen Hochschule in Wien und Sektionschef in Ruhe verfasst. Er befasste sich schon Jahrzehnten mit der Elektrizitätswirtschaft und dem Bau von Kraftwerken.

Technische Beschreibung
Es war vorgesehen, die Bodenwiese als oberes Speicherbecken mit einem Fassungsvermögen von 42 Mio. m3 Wasser zu nutzen.
Sollte die Abdichtung der gesamten Wiese nicht möglich sein, könnte man nur den südlichen, dichten Teil verwenden, welcher ca. 1,7 Mio. m3 fasst.

Die Gegenbecken dazu waren am Talgrund geplant, mit einer ca. 2km langen Druckrohrleitung verbunden.
Pumpen befördern das abgeleitete Wasser vom Gegenbecken wieder auf das obere Speicherbecken zurück. Der Strom für die Pumpen sollte von einem in der Nähe von Wien zu errichtenden Donaukraftwerk angeliefert werden. Der Spitzenstrom war vorwiegend für Wien bestimmt.

Die Bauzeit für das Donaukraftwerk wurde mit fünf Jahren veranschlagt, für das Pumpspeicherkraftwerk 2 Jahre. Die Leistung des Pumpspeicherkraftwerkes sollte 210 MW betragen.
Es wurden umfangreiche Grundablösen im Bereich der Bodenwiese geplant.

Realisierung
Nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens und der Finanzierungsfrage begann die eigentliche Arbeit mit der Untersuchung der Bodenbeschaffenheit der Bodenwiese.
Die Probebohrungen begannen im Jahr 1935, zuerst händisch mit 6 Männer, später mit Dieselkompressoren. Die Probebohrungen erfolgten je nach Bodenbeschaffenheit in einer Tiefe zwischen 20 und 300m.

1937 übernahmen das Projekt die „Wiener Städtischen Elektrizitäts-Werke“.
5 Ingenieure mieteten sich 1937 auf der Waldburg-Anger-Hütte auf der Bodenwiese ein.

Im Jahr 1939 wurde bei einem feierlichen Festabend der städtischen E-Werke in den Wiener Sophiensälen von der Errichtung eines neuen Dampfkraftwerkes in Wien, sowie der Bau des Pumpspeicherkraftwerkes Payerbach - Bodenwiese informiert.

Zur gleichen Zeit war im „Völkischen Beobachter“ über das Projekt eines Pumpspeicherkraftwerkes auf der Bodenwiese bei Payerbach zu lesen:
„Es kamen weder das rote, noch das schwarze System über politische und wirtschaftliche Geschäftemacherei mit dem Entwurf hinaus. Es musste der Nationalsozialismus kommen.“

Einstellung
1941 erfolgte wahrscheinlich wegen des Krieges die Einstellung des Projektes.

Auf einem Teil der Bodenwiese bildete eine Doline die tiefste Stelle auf der Bodenwiese.
In ihr fand das von den Hängen herabkommende Wasser, das auch öfters Schmutz mitführte, den Abfluss.
Diese Doline wurde im Jahr 1949 zubetoniert, um das Einzugsgebiet für die erste Wiener Hochquellenleitung zu schützen. Zur Entlüftung setzte man ein Entlüftungsrohr ein, dieses ist noch heute sichtbar.
Bei einem Versuch wurden 9 Tonnen Salzwasser eingeführt und das Wasser bei den Quellenaustritten der weiteren Umgebung kontrolliert. Nach ca. 9 Stunden soll das erste Salzwasser bei der Kaiserbrunnenquelle festgestellt worden sein.

Im Jahr 1952 brachte man zusätzliche 300 Kubikmeter Lehmmaterial zur Abdichtung auf die Betonschicht auf.
Aus dem Schutz der ersten Hochquellenwasserleitung – auch wenn der Boden des Speicherbeckens abgedichtet wäre – wurde das Projekt nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr weiterverfolgt.

Quellen
Vergessene Vergangenheit – das Leben der Menschen in Pottschach und Umgebung Band 2, von dem im Vorjahr verstorbenen Augustin Stranz, sowie eigene Dokumente und ANNO.
 
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josef

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#5
Laut
> Alfred Horn, Peter Wegenstein; Eisenbahn-Handbuch-Sonderausgabe 2015 - Die Bautätigkeit der DRB in Österreich 1938-45, Seite 67-(Quelle Staatsarchiv)<,
wurde 1941 im Bahnhof Payerbach-Reichenau eine AB (Anschlussbahn) zum Baulager der Baustelle des geplanten "Pumpspeicherwerkes Payerbach-Bodenwiese" hergestellt.
 

josef

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#6
Lageplan:
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Pumpen befördern das abgeleitete Wasser vom Gegenbecken wieder auf das obere Speicherbecken zurück. Der Strom für die Pumpen sollte von einem in der Nähe von Wien zu errichtenden Donaukraftwerk angeliefert werden.
Das für die Bereitstellung der notwendigen Energie für die Pumpen zur Rückführung des in den "Gegenbecken" im Tal gesammelten "abgearbeiteten" Wassers zum Speicherbecken am Berg geplante Donaukraftwerk sollte bei Fischamend (Wehr bei Stromkilometer 1917,6) entstehen.
Quelle: Grundlagen und Entwicklung der Energiewirtschaft Österreichs
 
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#7
Weitere Nutzung während des zweiten Weltkrieges:
Nach der Einstellung des Projektes wurden 1942 ca. 100 Personen kriegsversehrter Soldaten der Waffen-SS in den bestehenden Baracken einquartiert.
Diese versuchten, in einem neuen Retortenverfahren Holzkohle in besserer Qualität und in kürzerer Zeit zu erzeugen.
Der Ofen bestand aus drei Ringen. Man setzte sie aufeinander.
Das Verfahren war sehr vielversprechend durch die kontrollierbare Frischluftzufuhr.

Mit Einbruch des Winters 1944 dürfte diese Art der Holzkohlengewinnung eingestellt worden sein, da die Bodenwiese und deren Umgebung über längere Zeit unmittelbare Kampfzone gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurde.

Quelle: das Leben der Menschen in Pottschach und Umgebung Band 2, Augustin Stranz

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