Radiumwerk Neulengbach

josef

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#1
Beim Stöbern in der Ansichtskartensammlung der ÖNB stieß ich auf eine historische Fabriksansicht mit der Bezeichnung "Radiumwerk Neulengbach".

Davon hatte ich noch nie etwas gehört bzw. gelesen und auch die Bezeichnung "Radiumwerk" irritierte mich vorerst. Nach einiger Recherche und "herumgoogeln" fand ich dann tatsächlich einige kurze Hintergrundinformationen, so in den "Bezirksblättern Herzogenburg-Traismauer" v. Dezember 2012:
Strahlenabfälle aus Neulengbach können nun in Seibersdorf besichtigt werden.

NEULENGBACH/SEIBERSDORF. Es war der bislang schlimmste Umweltskandal im Wienerwald. Jahrzehntelang schlummerte eine radioaktive Altlast am Gelände des ehemaligen Bauhofes Neulengbach. Im Zuge des Gymnasium-Neubaus auf dem Areal erinnerte man sich an die Geschichte des Platzes. Bis in die 20er Jahre waren die Neulengbacher Radiumwerke vor Ort. Dort wurde Waschpulver, Zahnpasta und Wasser zu Heilzwecken radioaktiv angereichert.

200-fache Strahlung
Um eine Gesundheitsgefährdung für die Schüler auszuschließen, beauftragte die Stadt im Jahr 2008 die „Nuclear Engineering“ aus Seibersdorf mit Messungen. Und tatsächlich - stellenweise wurde das 200-fache des natürlichen Grenzwertes für radioaktive Strahlung festgestellt. Das damalige Bauhof-Gelände musste evakuiert werden. Die Experten aus Seibersdorf begannen mit der Sanierung, Fässer mit kontaminiertem Erdreich wurden ins Zwischenlager im Steinfeld südlich von Wien gebracht. Diesen September gab der Gemeinderat die Rechnung für die Beseitigung frei. Insgesamt fielen Kosten in der Höhe von 1,6 Millionen Euro an. Normalerweise hätte die Stadt als Grundeigentümer die Summe begleichen müssen, der Bund übernahm aber 1,26 Millionen Euro an Spesen. Für die Stadt blieb ein Finanzierungsanteil von 357.856 Euro.

Keine Gesundheitsgefahr mehr
Inzwischen befindet sich das Oberstufenrealgymnasium auf dem gesäuberten Areal. Laut Messungen besteht keine Gesundheitsgefahr mehr. Wen interessiert, wie die Fässer aus Neulengbach gelagert werden, der hat nun die Möglichkeit den heimischen Atommüll zu besuchen. Das Forschungszentrum Seibersdorf hat ein modernes Besucherzentrum eingerichtet. Beim Lokalaugenschein der Bezirksblätter präsentierte Geschäftsführer Günter Hillebrandt Österreichs einziges Lager für Strahlenabfälle. Der Fußboden ist staubfrei wie in einem Operationssaal, mehr als 10.000 Fässer sind in der riesigen Halle gelagert. Selbst einem Erdbeben der Stärke 10 würde die Konstruktion standhalten. Über Besuch würde sich der Nuklear-Forscher freuen: „Wir wollen damit die Vorgänge in unserem Betrieb transparent machen und entmystifizieren. In alle Bereiche gibt es zwar nicht Zutritt, aber im Besucherzentrum gibt es zahlreiche Ausstellungsstücke von Messinstrumenten bis hin zum durchgeschnittenen Fass aus dem Atommüll-Lager.“
http://www.meinbezirk.at/herzogenbu...tommuell-als-ausflugs-attraktion-d430334.html
 

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josef

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#2
Eine weitere Info zum "Radiumwerk Neulengbach":
Dieses Unternehmen ist nur mehr noch Wenigen, vornehmlich Historikern oder Chemikern, bekannt, wobei vorweg einmal die Bemerkung gestattet sei, dass Neulengbach, nur wenige Kilometer westlich von Wien, in den letzten Jahren der k.u.k. Doppelmonarchie so etwas wie eine kleine Chemie-Metropole, war:

Neben dem „Radiumwerk Neulengbach“ ist auch noch die „Englische Lack- und Firniss-Fabrik“ in Neulengbach ansässig gewesen (siehe Beitrag in unserem digitalen Almanach), so wie auch noch die Firma

„Ing. Ernst Bauer, Textil- u Chemische Werke“ der wir noch auf der Spur sind und jede diesbezügliche Information im Sinne der Geschichtspflege mit Dank entgegennehmen.

1907
erwarben die Herren Dr. Alois Fischer und Dr. Rudolf Sommer das Grundstück Neulengbach 96, heute Sindelarstrasse 96. Zu Beginn wurden div. Bade-Extrakte hergestellt; ergänzt wurde diese Produkt-Palette mit Radium-hältigen Bade-Extrakten, die höchstwahrscheinlich aus natürlichen Vorkommen wie Ra-hältigen Wässern oder Erzen stammten und weil man seine heilende Wirkung zu dieser Zeit entdeckte und pries.

1910
Das Unternehmen florierte und ist auf 25 Mitarbeiter an und war unter der Bezeichnung „Chemische Fabrik Dr. Fischer & Co.“ eingetragen.

1911
erfolgte eine neuerliche Umfirmierung: Dr. Sommer übernahm das Werk mit adeliger Beteiligung und wurde dann unter „Radiumwerke Dr. Rudolf Sommer GmbH“ weitergeführt.

1916
kam dann allerdings der plötzliche Konkurs: Das Ende der Monarchie und des Adels war durch die politische Entwicklung, verstärkt durch die Ereignisse im I. Weltkrieg näher gerückt, und man hatte andere Sorgen, als sich mittels radioaktiver Präparate gesundzupflegen.

1918
wurde der Betrieb noch als „Chemische Werke Neulengbach“ weitergeführt, allerdings nur für wenige Monate.

1925
endgültige Schließung
Quelle: http://www.althofen.at/AvW_Museum/Geschichte_der_Chemie/Radiumwerk Neulengbach.pdf
 
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