Schule anno 1838 - ein Villacher Chronist blickt zurück, wie das Schulsystem damals funktionierte

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Wie Schule in der Monarchie funktionierte

1582530249037.png
Wie funktionierte Schule in der Monarchie? Der Villacher Chronist Gernot Rader blickt zurück in das Jahr 1838, als Kaiser Franz Josef gerade einmal acht Jahre alt war und sein Onkel Ferdinand, der „Gütige“, regierte.
Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen
Kaiserin Maria Theresia führte 1774 die allgemeine Schul- bzw. Unterrichtspflicht ein. Seit damals wird über das Bildungssystem diskutiert. Doch wie war „Schule“ im Vergleich zu heute? Das Zeugnis eines gewissen Anton Hebein gibt darüber Aufschluss. Laut dem Archiv besuchte er 1897 die Knaben-Volksschule in Villach.

Bis auf „Fleiß“ und „Betragen“ Noten nebensächlich
Die Unterrichtsstunden unterscheiden sich kaum von einem Zeugnis der heutigen Zeit. Gelehrt wurde Religion, Lesen, Sprachlehre, Rechtschreibung, Rechnen und geometrische Formenlehre, Erd- und Naturkunde, Geschichte, Zeichnen, Gesang und Turnen. Aber: Die Noten in diesen Gegenständen waren, so Chronist Rader, völlig nebensächlich.

„Die wichtigsten Noten im Zeugnis waren das Betragen und der Fleiß – das kann ich auch aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich habe vor 60 Jahren in Arriach begonnen zu unterrichten und es war sehr oft so, dass es für die Eltern das wichtigste war, ob beim Betragen und beim Fleiß ein Einser steht. Ob es im Rechnen, wie es damals noch hieß, einen Dreier oder Vierer gab, war nicht so schlimm. Aber im Betragen einen Zweier – da wurde zu Hause die Hose stramm gezogen.“

Zucht und Ordnung ging über alles
Es herrschtem damals also Zucht und Ordnung in der Schule. „Es war ja auch notwendig, weil in einer Klasse bis zu 80 Schüler saßen – da musste auf Disziplin geachtet werden.“ Es gibt dazu auch in einem Schulbuch von damals folgende Benimmregeln: ‚Auf dem Schulwege geht still und sittsam dahin. Müsset ihr über ein Feld gehen, gesellt euch Knaben zu Knaben und Mädchen zu Mädchen. Sitzet während des Unterrichtes immer gerade und haltet die Hände auf die Bank.‘ "Ich bin 1946 in die Volksschule eingetreten. Da war der Auftrag: Gerade sitzen und Hände auf die Bank noch gültig“, erinnert sich Rader.

Auch einige der nächsten Benimmregeln gelten noch heute. Oder sollten es zumindest, so Rader. „Ihr dürfet nicht schwatzen und einander nichts einsagen. Untersteht euch nicht, einen zu necken, der einem anderen Glauben als dem Katholischen zugetan – eine sehr fortschrittliche Anordnung. Vergreifet euch nicht an fremdem Obste – beobachtet all diese Gesetze willig und pünktlich.“

Bestraft wurde streng und oft mit Rute oder Stab
Wer sich nicht daran gehalten hat, musste mit recht strengen Strafen rechnen. „Derjenige, welcher dagegen handelt, wird mit der Abnahme von Fleißzetteln, mit dem Stehen an dem Schandorte, mit dem Eintragen im Schandbuch oder gar mit der Rute oder einem Stäbchen bestraft.“
Maßnahmen, die heute nicht mehr angewendet werden dürfen. Aber zu Zeiten, als Gernot Rader Schüler war, noch ganz normal waren. „1950 war ich in der vierten Klasse der Volksschule – wir hatten einen sehr unartigen Buben, bis es dem Direktor – damals hieß es noch Oberlehrer – zu bunt wurde. Er nahm den Meterstab, hat den Buben über die Bank gebogen, die Hose straff gezogen und ihm mit dem Meterstab Benehmen beigebracht.“

Kaiser Ferdinand: „Nicht die hellste Kerze auf der Torte“
Zum Glück erkannte man aber im Laufe der Jahre, dass Gewalt niemals mit Gewalt gelöst werden kann. Verfasst wurden diese Benimmregeln in der Zeit von Kaiser Ferdinand, der so, sagt es Gernot Rader, selbst nicht die „hellste Kerze auf der Torte" war: „Er war intellektuell wenig begabt. Man konnte ihm nicht den Beinamen ‚Der Blöde‘ geben, also hat man ihn ‚den Gütigen‘ genannt. Was auch sehr verdächtig ist, wenn man jemanden, der offensichtlich geistig minderbemittelt ist, einen solchen Namen gibt – es lässt darauf schließen, dass man mit Güte nicht weit kommt.“

Der „Gütige“ wurde Opfer der Revolution
Irgendwann trieb es Kaiser Ferdinand mit seinen Verordnungen zu weit. Den Untertanen reichte es. Die Folge war einen Revolution, durch die der „Gütige“ abdanken musste. Sein Neffe, Kaiser Franz Joseph übernahm zwar das Zepter, aber, so Rader: „Die Schulordnung war nicht viel anders“. Und so lehrt die Geschichte: Die Bildungsdiskussion gibt es schon seit knapp 200 Jahren und sie wird wohl auch noch etwas länger andauern.
24.02.2020, red, kaernten.ORF.at
Wie Schule in der Monarchie funktionierte
 
Oben