Segelfrachter sollen Emissionen um 90 Prozent drücken

josef

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Schwedischer Segelfrachter soll Emissionen um 90 Prozent drücken
Bereits in vier Jahren soll die Oceanbird aus dem Hafen laufen und regelmäßig 7.000 Autos über den Atlantik schippern

Die Oceanbird soll schon in vier Jahren auf dem Atlantik unterwegs sein.
Foto: Wallenius Marine

Kann man noch von Innovation reden, wenn man mittels einer jahrhundertealten Technik ein neues Zeitalter der Schifffahrt einleiten will? Die schwedische Reederei Wallenius Marine ist davon überzeugt, und tatsächlich muss man ihr zugutehalten, dass die modernen Segel von heute mit den alten wenig bis gar nichts mehr zu tun haben. Viel eher muten sie an wie Tragflächen von Flugzeugen. Ähnliche Segel kommen mitunter bereits im Segelsport zum Einsatz und sorgen dort für Geschwindigkeitsrekorde.

Die Geschichte bisher.
Wallenius Marine

Fünf Stück harter Segel sollen schon 2024 auf der Oceanbird landen und der Frachter damit in See stechen. Der erfahrene Schiffsbauer will durch die völlig neu konzipierten, 200 Meter langen und 40 Meter breiten Schiffe bis zu 7.000 Fahrzeuge von Autobauern in Europa und den USA zu ihren jeweiligen Kunden auf der anderen Seite des Nordatlantiks schiffen. Zunächst will man sich auf sogenannte Roll-on-Roll-off-Transporte konzentrieren, also alles, was auf vier Rädern transportiert werden kann. Theoretisch sei das Konzept aber freilich auf alle Frachten anwendbar, heißt es bei Wallenius Marine.

Während für den Betrieb in den Häfen und zur allgemeinen Sicherheit auch ein Motor "mit sauberer Energie" mit an Bord ist, soll auf hoher See die Windkraft allein für eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund zehn Knoten (rund 18,5 km/h) sorgen. Damit liegt man bei weitem nicht im Spitzenfeld, was Atlantiküberquerungen betrifft. Ganz im Gegenteil: Man braucht sogar rund vier Tage länger als mit handelsüblichen Verbrennerfrachtschiffen. Dennoch glaubt man, die Rentabilität durch die enorme Spritkostenreduktion zu erreichen, aber auch, mit dem Umweltargument zu punkten.

Viel weniger CO2
Satte 90 Prozent weniger an Kohlendioxid würde die Oceanbird laut Berechnungen der renommierten Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm (KTH) und des maritimen Forschungsinstituts SSPA, die ebenfalls an der Entwicklung beteiligt sind, ausstoßen.


Die Segel lassen sich um 360 Grad wenden und bis zu 60 Meter einfahren.
Foto: Wallenius Marine

Auf die gesamte Schifffahrtsindustrie hochgerechnet wäre der Effekt immens. 40 Tonnen Brennstoff pro Tag braucht ein handelsüblicher Frachter aktuell bei seinen Trips auf den Weltmeeren. Mehrere hundert sind tagtäglich von ihnen unterwegs. Knapp 80 Prozent der Fracht weltweit werden per Schiff transportiert. Insgesamt zeichnet die Industrie für zwei Prozent der globalen Kohlendioxidausstöße verantwortlich. Es ist eigentlich nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch auf den Weltmeeren strengere Umweltgesetze gelten müssen. Alles wieder zurück zu den Anfängen der Schifffahrt also?

Überwindbare Hürden
Noch gibt es Hürden, vor allem bei der Konstruktion der bis zu 80 Meter hohen und um 360 Grad rotierbaren Segel. Immerhin sind die ausgefahrenen Segel doppelt so hoch wie heute üblich. Bei Starkwind oder dem Unterfahren von Brücken sollen sie aber um bis zu 60 Meter eingefahren werden können. Dann ragen sie "nur" mehr 45 Meter über dem Meeresspiegel empor. Unüberwindbar seien die Herausforderungen aber nicht mehr. Vorstandsmitglied Per Tunell sprach vor wenigen Wochen davon, dass er sich im Gegensatz zur Einschätzung vor fünf Jahren mittlerweile zu hundert Prozent sicher sei, dass das Schiff vom Stapel laufen würde. Sowohl die Technik als auch der Markt seien mittlerweile bereit. Es gebe "eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen". Und die zahlreichen Forschungsergebnisse der Windmessungen in bis zu 100 Meter Höhe hätten viele verwertbare Ergebnisse gebracht.

Neben allerlei Forschung in Windkanälen und anderen Einrichtungen wird aktuell auch noch mit einem rund sieben Meter langen, ferngesteuerten Schiff ein Testbetrieb erprobt. Besonderes Augenmerk muss dabei darauf gelegt werden, das Schiff trotz der enormen Windstärken von der Seite möglichst wenig in Schräglage über das Wasser fahren zu lassen. Kenner der Schifffahrtsbranche sehen vor allem positiv, dass es sich bei der Reederei um einen Betrieb handelt, der seit mehr fast 90 Jahren im Geschäft ist. Unterstützt wird das Projekt außerdem mit fast drei Millionen Euro auch vom schwedischen Staat. All dies spreche für eine wahrscheinlichere Umsetzung als bei so manch exotischer Start-up-Idee mit Drachen oder einem windauffangenden Rumpf. Die Kosten für die Oceanbird sollen übrigens nicht höher sein als bei einem herkömmlichen Frachter.
(Fabian Sommavilla, 22.10.2020)

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NACHHALTIGKEIT
Wie die Schifffahrt mithilfe von Wind und Segeln grün werden will
Jedes Jahr schleudern Containerschiffe Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Nun wollen einige Frachter auf moderne Segel für den Antrieb setzen. Kann das gelingen?

Gewaltige Segel sollen künftig die Emissionen im Schiffsverkehr reduzieren.
Foto: Mauric

Seit mehr als 5000 Jahren gibt es Segelboote wohl bereits, seit die alten Ägypter damit den Nil befuhren. Erst mit der Globalisierung und Industrialisierung wurden sie beim Warenverkehr zunehmend von dieselbetriebenen Schiffen abgelöst. Heute transportieren rund 93.000 Schiffe weltweit Öl, Gas, Waren und andere Rohstoffe über die Meere und sind für rund 80 Prozent der weltweiten Fracht zuständig. Gleichzeitig verursacht die kommerzielle Schifffahrt rund drei Prozent der weltweiten Emissionen – in etwa so viel wie ganz Deutschland. Ohne weitere Maßnahmen könnten diese bis 2050 sogar noch um 50 bis 250 Prozent steigen, heißt es in einer Studie.

Um die Schifffahrt grüner zu machen, wollen sich einige Hersteller nun auf ihre Ursprünge besinnen – und Containerschiffe wieder mit Wind und Segeln antreiben. Allerdings gleichen die modernen Segel kaum jenen aus der Vergangenheit: Stattdessen sind sie weit größer und effizienter als ihre Vorgänger, aufblasbar und flexibel oder auch stabil wie Flugzeug-Tragflächen.

Aufblasbare Segel
Ein Unternehmen, das mit neuen Frachtschiffsegeln experimentiert und mit der Schifffahrt bisher eher weniger zu tun hatte, ist der französische Reifenhersteller Michelin. Gemeinsam mit zwei Schweizer Ingenieuren entwickelte das Unternehmen riesige weiße Segel, die sich per Knopfdruck aufblasen lassen. Mithilfe von Sensoren sollen diese messen, aus welcher Richtung der Wind bläst und sich automatisch danach ausrichten.

Laut dem Unternehmen sollen sich die Segel auf bestehenden Frachtschiffen montieren lassen und das Schiff gemeinsam mit dem bereits installierten Motoren fortbewegen. Damit sollen sich zehn bis zwanzig Prozent des Dieselverbrauchs eines Schiffes einsparen lassen. Besonders bei älteren Frachtschiffen, die auch einen höheren Emissionsausstoß haben, gebe es großes Potenzial.

Indem sich die Segel automatisch aufblasen, soll keine extra Segelcrew dafür notwendig sein.
Foto: Michelin/Wisamo

Allerdings sind die Segel noch weit von einem großflächigen Einsatz entfernt. Eine kleinere Version des Designs wurde bisher auf einer Schweizer Yacht getestet. Im kommenden Jahr wolle man die Segel dann auch auf Frachtern testen, heißt es von dem Unternehmen.

Segel wie Flugzeugtragflächen
Ähnliche Pläne verfolgt die britische Forschungs- und Beratungsstelle für Schiffstechnologien Bar Technologies. Die dort designten "WindWings" sind 45 Meter hoch und sollen ebenfalls auf bestehenden Frachtern montiert werden und dadurch 25 bis 30 Prozent des Treibstoffes einsparen. Dafür arbeite man bereits mit dem US-Handelsriesen Cargill zusammen. Anders als die Michelin-Segel bestehen die WindWings allerdings aus Stahl und würden ähnlich wie eine Flugzeug-Tragfläche funktionieren.

Bei Bedarf, etwa wenn das Schiff unter einer Brücke hindurch fahren muss, sollen sich die Segel flach herunterklappen lassen. Auf ein ähnliches Design setzt auch die Oceanbird des schwedischen Schiffsbauers Wallenius Marine, das 2024 erstmals in See stechen soll.

So sollen die "WindWings" funktionieren.
Yara Marine Technologies

90 Prozent weniger Emissionen
Und auch der kleine französische Schiffshersteller TransOceanic Wind Transport (TOWT) will gleich fertige Segelfrachter bauen. Schon jetzt transportiert das Unternehmen mit kleineren Segelschiffen hunderte Tonnen Fracht im Jahr. Ab kommendem Jahr sollen dann auch vier größere Segelfrachter verkehren und je 1100 Tonnen Waren transportieren. Jedes Schiff soll mit 700 Quadratmeter großen Segeln ausgestattet sein und nur in speziellen Fällen den eingebauten Dieselmotor nutzen. Laut Unternehmen sollen sich so 90 Prozent der Emissionen im Vergleich zur herkömmlichen Schiffsfahrt einsparen lassen. Jedes Schiff hat zudem Platz für zwölf Passagiere, die die Fahrt mitfinanzieren sollen.

Noch einen Schritt weiter geht ein kleines Team in Costa Rica. Dort baut das Unternehmen SailCargo an einem Segelboot aus Holz, das ab nächstem Jahr 250 Tonnen Fracht zwischen Nord- und Südamerika transportieren soll. Das 46 Meter lange Boot ist zudem mit einem Elektromotor ausgestattet, der bei Windflauten zusätzlichen Antrieb bieten soll.


Das Schiff Ceiba von Sailcargo soll zum größten Teil aus Holz bestehen und werde laut dem Unternehmen nach Fertigstellung das größte nachhaltige Frachtschiff auf dem Meer sein.
Foto: Sailcargo

Viele Hürden
Noch sind Segelfrachter allerdings eine Nischentechnologie. Nur etwas mehr als ein Dutzend von ihnen ist derzeit weltweit unterwegs – bei mehr als 90.000 konventionellen Frachtschiffen fällt das kaum ins Gewicht. Besonders Segelfrachter, die beinahe zu 100 Prozent auf Wind setzen, seien für viele kommerzielle Schiffsrouten nicht geeignet, wo der Wind unregelmäßig bläst und strikte Lieferzeiten eingehalten werden müssen, sagen Experten.

Ein Video von Sailcargo, das den Bau des Holzfrachter Ceiba zeigt.
SAILCARGO INC.

Aber auch die Aufrüstung bestehender Frachter mit Segeln, wie sie Michelin oder Bar Technologies planen, geht nur schleppend voran. Solange das Mehr an Treibstoffen billiger ist als die Umrüstung auf Segel – was es derzeit in den meisten Fällen ist – wird sich an der Fortbewegung der meisten kommerziellen Schiffe wenig ändern, sagen Expertinnen.

Von Emissionshandel noch ausgenommen
Eine zusätzliche Schwierigkeit liegt laut Experten darin, dass in den meisten Fällen nicht der Schiffshersteller, sondern der Charterer für den Treibstoff zahlt. Für die Eigentümer besteht also wenig Anreiz, eine emissionsärmere Antriebstechnologie zu integrieren. Zudem ist die Schifffahrt derzeit vom Emissionshandel der EU ausgenommen. Das soll sich allerdings bald ändern: Ab 2023 soll die Schifffahrt schrittweise Teil des Emissionshandels werden. Bis 2050 sollen so die Emissionen in der Branche um 50 Prozent im Vergleich zu 2008 sinken, so das Ziel.
Es sind vor allem jene regulatorischen Änderungen, auf die auch die Segelentwickler hoffen. Gäbe es eine globale CO2-Steuer, die hoch genug ist, würden sich die Umrüstung schnell rentieren, glauben einige von ihnen. Ebenso könnte eine Umstellung auf teurere, emissionsärmere Treibstoffe wie beispielsweise Wasserstoff oder Gas den Einsatz von Segeln attraktiver machen. Bis es wirklich so weit ist, könnte es allerdings noch einige Zeit dauern.
(Jakob Pallinger, 21.11.2021)
Wie die Schifffahrt mithilfe von Wind und Segeln grün werden will
 
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