Unterwasserarchäologen erforschen den Grund des Grundlsees nach Relikten "von der Bronzezeit bis zum Zweiten Weltkrieg"

josef

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Abtauchen zu den Geheimnissen des Altausseer Sees

Vor seinem Tod plante der US-Ozeanograf Munk, dem See auf den Grund zu gehen. Forscher suchen nun nach Mikroplastik und archäologischen Überresten

foto: walter munk foundation
Die Trisselwand im Spiegel des Altausseer Sees. Was sich darunter alles verbirgt, wird nun erstmals mit diversen Technologien untersucht.

Eigentlich wollte Walter Munk höchstpersönlich dabei sein, als vergangene Woche ein internationales Forscherteam ausrückte, um den Altausseer See bis in den letzten Winkel genauestens zu vermessen. Die Idee für die umfassende Erforschung des Alpensees im steirischen Salzkammergut hatte der berühmte Meeresforscher, als er letztes Jahr an den See seiner Kindheit zurückkehrte. Doch zu einem weiteren Besuch in Altaussee kam es nicht: Im Februar starb Munk 101-jährig in seiner Heimat im kalifornischen La Jolla.

Munk wurde 1917 in eine Wiener Bankiersfamilie geboren und verbrachte jeden Sommer und Winter seiner Kindheit in Altaussee. Mit 15 Jahren schickte ihn die Familie in die USA, wo er zum Bankier ausgebildet werden sollte. Doch Munk entschied sich anders: Er wurde Meeresforscher und Mitbegründer der Ozeanografie. Bekannt wurde Munk, der 1939 die US-Staatsbürgerschaft annahm, etwa durch seine Analysen des Verhaltens von Brandungswellen, die 1944 maßgeblich zum Gelingen der Invasion der alliierten Truppen in der Normandie ("D-Day") beitrugen.

"Einstein der Ozeane"
Der vielfach ausgezeichnete Forscher, der Jahrzehnte am Ozeano grafieinstitut der University of California, der Scripps In stitution in La Jolla, arbeitete und eine Unmenge wissenschaftlicher Arbeiten veröffentlichte, galt als "Einstein der Ozeane". In späteren Jahren engagierte er sich verstärkt für die Erforschung der Einflüsse des Menschen auf Meere und Gewässerökosysteme.


foto: apa/roland schlager
Der berühmte Ozeanograf Walter Munk verbrachte in seiner Kindheit viel Zeit in Altaussee.

"Munk wollte mit seiner Altaussee-Initiative auch das Umweltbewusstsein und den Gewässerschutz stärken", sagt Erwin Heine, Experte für hydrografische Vermessung an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Munk habe ihn in das Projekt geholt, da er bereits ähnliche Forschungen am Traunsee, am Hallstätter See und am Mondsee durchgeführt hatte.

Neben der Boku als einziger österreichischer Institution sind Forscher der Scripps Institution, des französischen Institut océanographique Paul Ricard und der Universität Aix-Marseille beteiligt. Finanziell gefördert wird das Unternehmen durch die Walter Munk Foundation for the Oceans und die Lounsbery Foundation.

Unterseeroboter und Fächerecholot
Letzte Woche erfolgte also der Start für die zweiwöchigen Arbeiten an dem bis zu 73 Meter tiefen See, auf dem schon James Bond in "Spectre" eine Bootsfahrt machte. Ein Vermessungsboot, ausgestattet mit verschiedenen Hightech-Instrumenten, fuhr zwei Tage lang den See ab, um den Grund flächendeckend zu erfassen. "Ein Bewegungssensor, der 200-mal in der Sekunde die genaue Lage erfasst, sorgt dafür, dass es immer auf Linie bleibt", schildert Heine. Mithilfe eines hochauflösenden Fächerecholots, das bis zu 500 Strahlen gleichzeitig aussendet, konnte ein detailreiches 3D-Modell des Seebodens erstellt werden.

Zusätzlich wurde ein ferngesteuerter Unterseeroboter auf den Grund eines Seezuflusses geschickt, der 2010 entdeckt wurde. Der trichterförmige Zufluss hat auf dem Seeboden einen Durchmesser von 70 Metern und reicht mehr als 20 Meter in die Tiefe. "Der Roboter nahm Proben und filmte etwa, dass sich in dem sauberen Wasser in der Tiefe des Trichters Fische eingenistet haben", erzählt Heine. Ein autonomes, computerprogrammiertes Boot erstellte außerdem ein genaues Strömungsprofil.


walter munk foundation
Ein hochauflösendes 3-D-Modell des Seegrundes dient als Grundlage für weitere Forschungen.

Am Mittwoch beginnen Hydrobiologen der Scripps Institution in einem nächsten Schritt damit, die Wasserchemie zu untersuchen. Im Fokus steht dabei, ob sich in Gewässerproben und in den Seeorganismen Mikroplastik findet. Ebenfalls diese Woche stehen Erkundungen mit einem speziellen Sedimentecholot auf dem Plan. "Dessen Strahlen können bis zu fünf, sechs Meter in den Seeboden eindringen", sagt Heine. "In einem Querschnitt kann man dann die einzelnen Sedimentschichten und jegliche Objekte darin erkennen."

Suche nach Pfahlbauten
Unterwasserarchäologen von der Universität Aix-Marseille hoffen, dadurch auf mögliche archäologische Funde zu stoßen. "Die Leute in Altaussee erzählen sich, dass es hier wie auch am Mondsee Pfahlbauten gegeben haben soll", sagt Heine. "Daher werden wir speziell die Uferbereiche absuchen." Die Ergebnisse des Projekts sollen noch heuer veröffentlicht werden.

Ziel sei neben der exakten Kartierung und Analyse des Ökosystems ein Überblick über das kulturelle Erbe, das der See birgt, "von der Bronzezeit bis zum Zweiten Weltkrieg", sagte Damien Leloup zur APA. Leloup hat schon mit Jacques Cousteau zusammengearbeitet und gemeinsam mit Munk 2015 das Scripps-Zentrum für marine Archäologie gegründet. Schließlich ist die Gegend um Altaussee geschichtsträchtig: So lagerten die Nazis in den Stollen des Salzbergwerkes Altaussee Raubkunst von unschätzbarem Wert – zuletzt aufgearbeitet in dem US-Film Monuments Men.

Leloup ist auch Mitglied des elitären Explorers Club, der distinguierten Wissenschaftern wie Astronauten und Pionieren vorbehalten ist. Nun darf sich Altaussee rühmen, dass hier eine Klubfahne, die bereits Ernest Shackleton in die Antarktis begleitet hat und auch auf dem Mount Everest war, gehisst wird – auf dass die Forscher jedes noch so gut versteckte Geheimnis des Sees ergründen.
(Karin Krichmayr, 22.5.2019)


walter munk foundation
Erwin Heine und Damien Laloup mit einer rund 90 Jahre alten Flagge des elitären Explorers Club.
Link
Walter Munk Foundation for the Oceans – Lake Altaussee
Abtauchen zu den Geheimnissen des Altausseer Sees - derStandard.at
 
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