Video des Außenministeriums über Atombombenabwurf auf Wien sorgt für Empörung

josef

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#1
"Atombombenabwurf auf Wien": Video des Außenministeriums sorgt für Empörung
Das Video steht für seinen angstmachenden Charakter unter Beschuss, für Wiener Bürgermeister Michael Ludwig „indiskutabel“

Das Video zeigt einen Atompilz in der Hauptstadt Wien
Foto: Österreichisches Außenministerium

Am Freitag veröffentlichte das österreichische Außenministerium ein Video, das in sozialen Netzwerken für Empörung sorgte.

In einem Youtube-Video wird veranschaulicht ,
was passieren würde, wenn Wien Ziel eines Atomwaffenangriffs werden würde. Konkret handelt es sich dabei um den fiktiven Abwurf einer Atombombe mit einer Sprengkraft von 100 Kilotonnen– " Eine Bombe die sich sehr häufig in Waffenarsenalen findet" (sic!), wie es im Video heißt.

“Menschen brennen“
Im Video werden Drohnenaufnahmen der Hauptstadt und rot gefärbte Bilder der Zerstörung mit dramatischer Musik unterlegt, um die "Folgen eines Atombombenabwurfs auf Wien" darzustellen. Mit eingeblendetem Text soll das Ausmaß der Explosion verdeutlicht werden, wie etwa ihre Reichweite: "Radius Feuerball: 380 m – Alles Asche".

Nach einer Minute Zerstörungsaufnahmen wird Außenminister Alexander Schallenberg im Video zitiert: "Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) läuten wir den Anfang vom Ende dieser heimtückischen Waffen ein". Dem Video zufolge gäbe es weltweit 13.400 nukleare Waffen.

Wiener Bürgermeister empört
Im Internet traf das Image-Video zunehmend auf Kritik. Wiener Bürgermeister Michael Ludwig nannte es auf Twitter "indiskutabel", es lasse jegliche Sensibilität vermissen.

Auf sozialen Medien reagierten Nutzer mit Entsetzen und kritisierten vor allem die Wirkungskraft der Bilder während einer psychisch belastenden Pandemie. Besonders in Zeiten der Krise sei ein Video, das Angst vor Atombomben schüre, unangebracht.

Angesichts der Kritikwelle meldete sich das Außenministerium auf Twitter zu Wort und erklärte, dass die Gefahr, die von Nuklearwaffen ausginge, kein abstraktes Problem von Großmächten sei. "Wir wollen zeigen, dass die Bilder, die wir aus Hiroshima und Nagasaki kennen, leider nicht der Vergangenheit angehören", schrieb das Außenministerium auf Twitter. Das Video ist im Zuge des Atomwaffenverbotsvertrags, der am Freitag in Kraft getreten ist, veröffentlicht worden.
(Tiana Hsu, 23.01.2021)
"Atombombenabwurf auf Wien": Video des Außenministeriums sorgt für Empörung - derStandard.at
 
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#2
;)
Godzilla-Video parodiert Atombomben-Clip des Außenministeriums
"Schlenderman"-Macher zeigen Folgen des Angriffs der Riesenechse auf die Bundeshauptstadt

Noch verheerender als eine 100-Kilotonnen-Atombombe: Ein 1000-Kilotonnen-Godzilla.
Foto: Team Turbo/Youtube

Untermalt von düsterer Musik schlägt in einem Video des Außenministeriums eine Atombombe in Wien ein. In einem Radius von 2,5 Kilometern würden Menschen bei einem solchen Einschlag zu brennen beginnen. Selbst in Hütteldorf würden noch Fenster zerspringen. Mit über 230.000 Toten und 500.000 Verletzten wäre zu rechnen. Die nukleare Verseuchung würde bis Graz reichen.

Der Clip, der auch im Vorspann eines postapokalyptischen Actionspiels sein könnte, ist eigentlich als Werbung für den Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) gedacht, erntete aber viel Kritik. Zahlreiche Beobachter warfen dem Außenministerium Angstmache vor, was besonders während einer Pandemie, in der viele Menschen ohnehin schon unter Druck stünden, unverantwortlich und verschwenderisch sei. ""Wir wollen zeigen, dass die Bilder, die wir aus Hiroshima und Nagasaki kennen, leider nicht der Vergangenheit angehören", replizierten die Verantwortlichen knapp auf Twitter.

Team Turbo

Godzilla, Mothra und Cthulhu
Eine andere Form der Kritik hat das "Team Turbo" gewählt. Auf Youtube veröffentlichte man eine eigene Version des Videos. In dieser wird die Bundeshauptstadt nicht von einem Nuklearangriff heimgesucht, sondern von der Riesenechse Godzilla, die eigentlich in den Gewässern vor Japan beheimatet sein soll.

Das Wüten des übellaunigen Megareptils wäre sogar ungleich verheerender, rechnet man vor. Im Umkreis von 5000 Kilometer würde alles und jeder in seinem Feueratem verbrennen. Zudem müsse man sich auf einen verheerenden Endkampf zwischen Godzilla und der Riesenmotte Mothra. Und als wäre das nicht genug, sei auch das Auftauchen des außerirdischen Tentakelgottes Cthulhu in Floridsdorf nicht auszuschließen.
Aufmerksamen Lesern dürfte Team Turbo schon bekannt sein. Das Kollektiv veröffentlichte vor im Dezember ein kostenloses Videospiel namens Schlenderman. Darin galt es, nachts während der Ausgangssperre durch Wien zu gehen, um Klopapier aufzusammeln und dabei Bundeskanzler Sebastian Kurz zu entkommen.
(gpi, 24.1.2021)
Godzilla-Video parodiert Atombomben-Clip des Außenministeriums - derStandard.at
 

josef

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#3
Das Atombombenvideo aus dem Außenministerium: Verstrahltes Wien
Trashkunst oder naiver, als die Diplomatie erlaubt: Für sein Anti-Atomwaffen-Schockvideo bediente man sich des Filmklassikers "The Day After" aus den 1980er-Jahren

Vorlage für das Schockvideo des Außenministeriums: der Atomkrieg-Filmklassiker "The Day After" von 1983.
Foto: Außenministerium/Youtube


Vorlage für das Schockvideo des Außenministeriums: der Atomkrieg-Filmklassiker "The Day After" von 1983.
Foto: Außenministerium/Youtube

Ein Atomkrieg ist eigentlich so ziemlich das Letzte, in das man sich hineinreklamieren wollte. Normalerweise sollte Österreich doch froh sein, dem europäischen Erdteil so inmitten zu liegen, dass sich dadurch eine feine immerwährende Neutralität ausging, und wenn es schon um Atomwaffen ging, dann um deren Abrüstung, die auf Konferenzen in Wien beschlossen wurde.

Der eineinhalb Minuten lange Clip, mit dem das Außenministerium am Wochenende Österreich als bedeutende Signatarmacht beim Treaty on the prohibition of nuclear weapons (TPNW) hervorheben und Alexander Schallenberg wie einen Friedensfürsten aussehen lassen wollte, ist peinlich nicht nur als eine ins Apokalyptische entglittene Größenfantasie.

Er wirft auch Plagiatsfragen auf und lässt ein Bildverständnis erkennen, das mit der ganzen Instagram-Besoffenheit eines Message-Kontrollraums nicht nur über die Filmgeschichte, sondern über eine reiche intellektuelle Tradition der atomaren Betroffenheit hinwegfegt. Dass die CGI-Hobby-Abteilung im Außenministerium gerade einmal so halbwegs einen Atompilz über der Wienerstadt hinbekam, sich dann für die anschließenden Katastrophenbilder aber an so naheliegenden Orten wie dem Klassiker The Day After (1983) bediente, wo die Bäume auch ordentlich wackelten, lässt sich wahrscheinlich zitatrechtlich geradebiegen und sollte auch keinen Upload-Filter nervös machen.

Nuklearer Schund
Gravierender ist schon, dass Schallenbergs Leute ungefähr die Reflexionsstufe von Analphabeten erkennen lassen, die ihr erstes GIF zu sehen bekommen und das für einen Film halten. Man muss angesichts eines derartigen Auftrags natürlich nicht erwarten, dass sich da lauter versierte Kulturhistoriker ans Werk machen. Aber so naiv, dass das Opus, wiewohl eindeutig Trash, nicht einmal ein Bewusstsein für seinen Schundcharakter erkennen lässt, kann Außenpolitik nur in einem Land sein, das sich sonst gern auf seinen Operettencharakter zurückzieht, wenn es ernst wird.
Dass der nukleare Holocaust, wie er häufig genannt wird, eine ausgeprägte Trashkomponente hat, war in der populären Kultur vor allem deswegen immer klar, weil die kriegerische Nutzung der Kernenergie eben immer schon an dessen Gegenteil rührte – an dem Erhabenen, für das der menschliche Verstand und seine Sinnesorgane nicht gewappnet sind. Natürlich gibt es aus Hiroshima und Nagasaki Bilder, aber es gilt doch der Satz aus Hiroshima mon amour, dem Roman von Marguerite Duras und der Verfilmung von Alain Resnais: "Du hast nichts gesehen." Parallelen zu Bilderverboten und zu der Undarstellbarkeit der Shoah sind offensichtlich.

Zugleich wurde in den Jahren, in denen das Wettrüsten zwischen den Supermächten immer wieder auch zu konkreten Atombombenversuchen führte, der Atompilz am fernen Horizont, hinter dem Bikini-Atoll, zu einer Art Ikone für ein Schicksal, das die Menschheit möglichst auf majestätische Distanz zu halten versuchte. Der große Found-Footage-Künstler Bruce Conner arbeitete dann mit seinem A Movie die Verbindung dieses visuell Erhabenen zum Grotesken heraus, während vor allem in Japan verstrahlte Monster wie Godzilla so zu tun versuchten, als wäre die epochale Gefahr angesichts der massiven Erstschlagskapazitäten weglachbar.

Die Achtzigerjahre waren dann das Jahrzehnt, in dem mit nuklearen Mittelstreckenraketen das Undenkbare der menschheitlichen Katastrophe strategisch realistischer wurde. Wohl nicht zufällig gehört in diese Periode auch das Monster, das in der Welt der Watchmen zu einer Verbindung von Atomkatastrophe und biologischer Gestaltwerdung führte: Konkret ist die "11/2 Psychic Shockwave" ein Einschlag an der Grenze zwischen Alieninvasion und Massenillusion. Gemeint war aber natürlich das Ereignis, vor dem es genau schützen sollte: eine Bombe auf New York.

Godzilla als satirische Antwort
Auch in diese Tradition der paradoxen Intervention hat sich das Außenministerium nun mit den letzten Sekunden im Leben des Stephansdoms gemogelt. Dass die Gefahr bis Hütteldorf reicht, wo "Fenster bersten" würden, und dass noch Graz von der Aschewolke betroffen wäre, verblasst aber sogar ein wenig angesichts der unsichtbaren realen Gefahr, die damals von Tschernobyl ausging.

Selbstverständlich gibt es auch bereits einschlägige Reaktionen. Parodien lassen all das Bewusstsein für das Genre des Katastrophenfilms erkennen, das dem Clip mit dem irreführend sachlichen Titel Folgen eines Atombombenabwurfs auf Wien fehlt: Da lässt dann halt Godzilla selbst den Totenzählometer in die Fantastillionen entgleisen, und in Hütteldorf zeigt sich Cthulhu persönlich, das Scheusal aus der Fantasie von H. P. Lovecraft.

Am zweiten, dritten und vierten Tag danach zeigt sich schon sehr deutlich: Das Außenministerium steht mit seinem frommen Wunsch der Wegwünschung "dieser heimtückischen Waffen" durch Alexander Schallenberg naiver da, als es die Diplomatie erlaubt.
(Bert Rebhandl, 26.1.2021)
Das Atombombenvideo aus dem Außenministerium: Verstrahltes Wien - derStandard.at
 
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