Wärme aus dem Schutzraum

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Die Internationale Bauausstellung lässt einen Bunker mitten in einem Wohngebiet im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg zu einem Kraftwerk umbauen. Demnächst soll der Bunker grüne Energie für die Anwohner liefern.

Er steht einfach nur herum, seit über 60 Jahren schon. Doch seit kurzem poltert es im Innern des gewaltigen Betonklotzes. In zwei Jahren soll der Bunker umliegende Haushalte mit Wärme versorgen und Ökostrom ins Stromnetz einspeisen. Hierfür plant die Internationale Bauausstellung (IBA) eine Anlage, die verschiedenen Arten der Energiegewinnung nutzt: Biomethan soll Strom und Wärme erzeugen. Ebenso Holzhackschnitzel, die in einem Kessel verbrannt werden. Zudem vorgesehen sind eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie eine Solarthermieanlage an der Südfassade des Bunkers, die aus Sonnenstrahlen Energie gewinnt. Auch die Abwärme eines nahe gelegenen Ölwerks soll im Bunker gespeichert und nutzbar gemacht werden.

Die Teilkraftwerke laden einen 2000 Kubikmeter großen Wasserspeicher auf. Der Tank soll die erzeugte Wärme sammeln, wenn die Haushalte wenig Energie verbrauchen – und sie später bei Bedarf wieder abgeben.

Sind anderenorts Kraftwerke optische Schandflecke, so soll das Wilhemsburger Kraftwerk Menschen anlocken. Ein Architekturbüro hat ein Modell des Bunker-Kraftwerks entworfen, darauf strahlt die Fassade, die Solarzellen spannen sich wie Flügel an dem Gebäude, durch eine Glasfront können Besucher ins Innere des Bunkers blicken.

Auf der obersten Plattform des Bunkers plant die IBA zudem ein Café, das sich zum Ausflugsziel südlich der Elbe entwickeln soll. An einem sonnigen Tag bietet sich den Besuchern ein imposantes Panorama. Von dort sieht man bis zur Elbphilharmonie auf der anderen Flussseite, zu den Kirchtürmen der Innenstadt und dem grünen Dach des Rathauses; hinter der Köhlbrandbrücke ragen im Hafen die Kräne in den Himmel.

25 000 Tonnen Beton

Doch noch steht diese Verwandlung bevor: Damit das Kraftwerk 2013 ans Netz gehen kann, räumt ein Abbruchunternehmen derzeit den Bunker leer. Etwa 25 000 Tonnen Beton müssten ihre Leute nach draußen schaffen, sagt die Bauleiterin. In der von den Jahren geschwärzten Bunkerwand klafft ein Loch, durch das sich Baumaschinen wälzen. Eine Baggerschaufel gräbt sich in den Berg aus Betonbrocken und lässt das Geröll auf die Ladefläche eines Lastwagens prasseln – rund 20 Ladungen Schutt transportieren die LKWs am Tag zur Deponie. Ab dem Herbst soll dann die Fassade saniert werden, bevor die IBA das Gebäude an den städtischen Energieversorger Hamburg Energie übergibt. Dieser wird die Anlagen für die Energieerzeugung bauen lassen und das Kraftwerk betreiben. Rund 25 Millionen Euro wurden für den Umbau kalkuliert.

Die Idee des Versorgers: Er will die benachbarte Wohnsiedlung an ein Nahwärmenetz anschließen und direkt mit Heizwärme und Warmwasser versorgen, zunächst 800, dann in mehreren Stufen bis zu 3000 Wohneinheiten. Strom für bis zu 1000 Haushalte wird in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist. Das Kraftwerk ist Teil eines Plans, bis 2025 den Strombedarf der Gebäude in Wilhelmsburg und bis 2050 auch den Wärmebedarf durch erneuerbare und vor Ort erzeugte Energie zu decken. Zwar wäre es wirtschaftlich gesehen günstiger, die verschiedenen Teilkraftwerke anderswo unterzubringen, sagt Carsten Roth von Hamburg Energie. Aber da der Bunker in Wilhelmsburg leer stehe, sei die Idee zum Bunker-Kraftwerk entstanden.

Mahnmal der Vergangenheit

Und tatsächlich ist der Bunker seit Kriegsende weitgehend ungenutzt geblieben, sagt Margret Markert von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg. Die Geschichtswerkstatt soll der IBA helfen, ein Dokumentationszentrum in einem der Bunkertürme vorzubereiten. Wichtig ist Markert besonders ein Aspekt: Zwangsarbeiter mussten den Bunker zur Luftabwehr errichten, durften ihn bei Angriffen aber nicht betreten. Während der Luftangriffe der Alliierten flüchteten sich Zehntausende in die Schutzräume. 1947 sprengten dann britische Truppen den Innenraum, um den Bunker unbrauchbar zu machen. “Leider ist der langfristige Betrieb der Ausstellung über das IBA-Jahr 2013 hinaus gar nicht gesichert”, sagt Markert. Ob die Stadt die Kosten übernehmen werde, sei unklar.

“Die Geschichte des Bunkers wird in die Ecke gedrängt”, befürchtet auch Jörg von Prondzinski vom Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg. Er kritisiert zudem die Reichweite des Kraftwerks: Ursprünglich plante die IBA noch, einen Wasserspeicher mit zehnfacher Größe zu verwenden. Dieser hätte rund 800 Wohnungen das ganze Jahr über versorgen sollen. Grob vereinfacht würde die Wärme gesammelt und im Winter, wenn der Wärmebedarf der Haushalte steigt, abgegeben werden. Nun setzt die IBA einen Speicher um, der zwar bis zu 3000 angeschlossene Wohneinheiten versorgt, doch nur deutlich kürzer die Wärme halten kann. Der Tank habe “die Möglichkeit, bei einem Ausfall aller Wärmeerzeuger den Wärmebedarf eines Tages komplett zu decken”, heißt es auf der Internetseite der IBA.

“Außerdem erzeugt das Kraftwerk Verkehr”, sagt Prondzinski. Bauschutt muss abtransportiert werden, später müssten Brennstoffe angeliefert werden. Margret Markert nennt einen weiteren Kritikpunkt am Energiekonzept: Das Ölwerk, dessen Abwärme genutzt werden soll, verbreite einen ekelhaften Gestank. Das weiß auch die IBA und verhandelt mit dem Industriebetrieb über mögliche Maßnahmen, um den Geruch einzudämmen.

Viele Anwohner, die das Kraftwerk mit Wärme versorgen soll, sind dem Umbau abwartend positiv gestimmt. Sie finden es gut, dass sich etwas tut, und hoffen, dass die Aussichtsplattform auch Nicht-Wilhelmsburger in ihren Stadtteil lockt. “Das wird irgendwie schön gemacht”, sagt ein Anwohner. Und fügt hinzu: “Das soll gut für uns sein, ne?“ Doch Skepsis bleibt. Schon viele Pläne wurden für den Bunker ent- und dann doch wieder verworfen. Nie sei einer umgesetzt worden.
Quelle: http://www.geo.de/GEO/technik/68841.html?p=1
 
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