Ziegelwerk Schleinbach usw.

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Harald 41

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#1
Hallo;
Machte gestern einen kleinen Ausflug ins nördlichere Weinviertel,auf dem Heimweg fiel mir zwischen Ulrichskirchen und Schleinbach im Bezirk Wolkersdorf
hinter dem Bahnhofsgelände ein desolates Gebäude auf.
Wie ich kurz darauf erfuhr war es einst ein Ziegelwerk (bin dorten schon zig mal vorbeigefahren aber viel mir nie auf komisch).
Jetzt noch meine Frage,könnten diese Gebäude im Krieg eine Bedeutung gehabt haben?
Habe gegoogelt aber nichts in erfahrung bringen können.
Habe noch einige Fotos gemacht und Bitte um Hilfe::danke

LG Harry
 

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#4
Ziegelwerk Schleinbach

Spät aber doch.....bin erst seit heute im Forum dabei !

Es handelt sich um das ehemalige Ziegelwerk Schleinbach im Besitz der Hardegg'schen Guts- und Forstverwaltung.
Standort ist genau zwischen Schleinbach und Unterolberndorf.

Das gesamte Areal in der Größe von ca. 138 500 qm steht heute zum Verkauf.
(Google unter Bauhoffnungsland Schleinbach etc..)

Da ich in Schleinbach aufgewachsen bin sah ich das Werk noch im Vollbetrieb.

Ungefähr 1890 erbaut lag der Ziegelofen am damaligen Schleinbachsee welcher heute jedoch längst ausgetrocknet ist.

Auf einem Deiner Bilder ist ein kleines Transformatorenhäuschen zu sehen mit einem Haus im Hintergrung.

Google Earth 48'25'38 -- 16'29'14


Dies ist die ehemalige Kanzlei des Werkes, also das Büro.
Nördlich davon anschliessend mit dem grauen Dach befindet sich der Wirtschaftshof, also die damalige Garage, Werkstätte etc.

Noch weiter nördlich stehen ebenfalls 2 Gebäude, das kleinere ebenerdig und das letzte mit 1 Obergeschoss. Dies waren die Personalwohnhäuser der

Arbeiterfamilien.
Die heutige Zufahrtsstrasse verläuft dann in nördlicher Richtung und unterquert die Bahnlinie = Schnellbahn nach Mistelbach.

Damals, also 1967 als ich 10 J. alt war, gab es eine Zufahrt südlich der Kanzlei - eine Brücke über die damalige Ostbahn welche in Laa/Thaya endete.

Über diese Brücke wurden auch mit Fuhrwerken (Pferd, LKW) die Ziegel an die Abnehmer geliefert.

Ursprünglich bestand das Werk aus 2 Brennöfen, System Hoffmann, wobei einer eine kreisrunde Form (älter) und der neuere einen ovalen Grundriss hatte.
Der neuere Ofen stand bei > Google Earth 48'25'36' -- 16'29'13', dieser war in meiner Jugend der Hauptofen und immer in Betrieb.

Der Lehm für die Ziegel wurde nordwestlich der Kanzlei abgebaut, mit kleinen Dieselloks zur Ziegelfertigung gebracht und dort mit elektrisch !! betriebenen

kleinen Wagen ähnlich einem Gabelstapler bis zur Beschickung der Öfen gebracht. Das Werk war damals auf dem modernsten Stand der Technik, einzig ein

Verladegleis seitens der Bahn gab es niemals.

Zur Frage die Wichtigkeit der Gebäude im Krieg betreffend kann ich keine Angaben machen, es war in Schleinbach jedoch keine Hauptkampflinie des 3.

Reiches wie etwa im Raum Wien oder Marchfeld. Aber es war ein Ziegelwerk und gebaut wurde auch und gerade im Krieg.

Am Ende des großen Lehmabbaufeldes westlich der Kanzlei gab es damals auch einen kleinen Ziegelteich wo wir im Sommer baden gingen.

Nordnordöstlich am Gelände gab es kleine Höhlen, vermutlich Probegrabungen die Lehmqualität betreffend. Urgeschichtlich wird dieser Platz auch als

Gräberfeld erwähnt.

Der folgende Link ist aus der Homepage der Gemeinde Riedenthal - 2120 Wolkersdorf im Weinviertel

http://www.riedenthal.at/?page_id=128


Das damalige Leben am Ziegelofen war nicht sehr abwechslungsreich da eigentlich immer gearbeitet wurde. Der Samstag war damals ohnehin ein ganz

normaler Arbeitstag, auch natürlich ein Schultag.

Die Volksschule war in Schleinbach bei der Kirche, der Schulweg der "Ziegelofenkinder" daher dementsprechend weit. 6 km hin und zurück werden es wohl

gewesen sein, bei JEDEM Wetter, OHNE Schulbus !! Den gab es noch nicht, also zu FUSS durch den Hohlweg und über Feldwege. Oft waren diese bis zu 1

Meter hoch mit Schnee verweht, keine Eltern da die die Kinder zur Schule brachten !!

Diese Volksschule wurde damals 8-klassig geführt, dh. nach der 8. Klasse war Schulende und man ging meist arbeiten. Lehre war selten, meist Hilfsarbeiter !

In der Schule gab es 2 Klassenräume:

Nr. 1 = 1-4 Schulstufe je in 1 Längsreihe
Nr. 2 = genau das selbe.

1 Lehrer je Klasssenraum wobei der Lehrer in der Nr.2 gleichzeitig auch Direktor war !

Es gab auch eine Hauptschule in Wolkersdorf, diese war jedoch für die "Ziegelofenkinder" fast unerreichbar da es keine Freifahrt gab und der Bus bezahlt

werden musste !!

Noch heute kenne ich viele Söhne und Töchter der damaligen Arbeiter.
Es ist sind fast alle ehrbare Bürger geworden, haben gute Berufe ergriffen und die damalige Heimat nicht verlassen. Sie wohnen in eigenen Häusern in den

Orten rund um das ehemalige Ziegelwerk.

Auf Deinen Bildern sind auch noch alte, niedrige Hallen zu sehen. Diese gab es damals in dieser Größe noch nicht, sie sind die letzten Zeugen der

Ziegelproduktion in Schleinbach.

Der runde Ofen wurde gesprengt und weggeräumt, ca. 1967. Der ovale war noch bis ca. 1973 in Betrieb, wurde dann aber auch stillgelegt.

In dieser Zeit entstanden die vorhin erwähnten Hallen im Vollausbau - sie dienten ausschliesslich der Ziegelproduktion nach den beiden Hochöfen.
Betrieben wurden die Brenner mit Heizöl schwer, giftg und umweltschädigend. Das Werk lief großteils automatisiert, Personal wurde eingespart wo es ging.

Aber auch Lehmvorräte gingen zur Neige, somit wurde das Ende der Ziegelproduktion in Schleinbach eingeläutet.

Nach nicht ganz 100 Jahren war das Werk stillgelegt, die Anlagen standen für immer still und die ehemaligen Arbeiter siedelten ab.

Nur noch einmal kam danach Rauch aus dem riesigen Schornstein. Schwarz und giftig war die Wolke welche über das Land zog. Irgendein dubioser

Unternehmer verbrannte Kabelreste zur Kupfergewinnung im Ringofen. Dies wurde jedoch sofort behörlich untersagt und somit kehrte Ruhe ein.

Ich war danach noch einmal im Brennraum des Ringofens, nichts erinnerte mich mehr an damals. Die Brennkammer war schwarz wie die Nacht von

verbrannten Kabelresten,es stank nach Säure und selbst mit starken Scheinwerfern konnte man nichts sehen.

Kurzzeitig wurde das Gelände auch als Drogenpartyareal missbraucht, danach aber gesperrt.

Bei der Sprengung des letzten Rauchfangs war ich dabei, das Jahr weiß ich leider nicht mehr (event. ca. 1980).

Die restlichen Gebäude waren verlassen und verfielen, nur im grossen Wohnhaus lebten bis heute noch wenige Menschen. Diese haben mit der

Ziegelproduktion jedoch nichts mehr gemeinsam.
Meist südländischer Herkunft arbeiten sie in der Nähe als Arbeiter in einer Schottergewinnung oder am Bau.

Anmerken möchte ich noch dass mein Grossvater mich einige Dinge die Ziegelproduktion im Weinviertel betreffend gelehrt hat. Er war von 1961 bis 1965

Verwalter im Ziegelwerk Schmid in Neubau-Kreuzstetten welches heute noch in der ursprünglichen Form besteht. Dort habe ich auch einige schöne Stunden

verbracht.


Anbei noch zu den Bildern:

1=Stromeinspeisestation für die Elektrokarren auf Schienen.
2=Ehemalige und letzt Produktionshalle für Ziegel.
3=Fundament unbekannt
4=Nachtrockenhalle mit Lüftrohren oben links
5=Lager und Abtransport
6=Lager

Die nächsten..

1=Maschinenraum
2=nicht bekannt....
3= detto, aber ich vermute einen Zugang zu den unterirdischen Heissluftschächten der Brennerei.
4=links sind aufgebroche Luftkanäle
5=Ziegelerzeugung-Maschinenfundamente der Anlage
6= Anlage aus NNW

Der Rest...

1=Wasserbecken und Pumpenhaus
2=Stromeinspeisung für Elektrokarren, unter dem hohen Nasendach lief die Oberleitung !!
Die schräge Rampe ist ein Durchwurfgitterrost für grosse Steine als Trennvorrichtung.
3=Der Haupttransformator, das Werk wurde vollständig mit Strom versorgt. Dahinter rechts die Kanzlei, links die alte Garage/Werkstätte.

In unmittelbarer Nähe befindet sich heute noch der Lagerhausturm, dieser und der nebenliegende Rübenladeplatz hatten in keine Weise jemals etwas mit

dem Ziegelwerk Schleinbach gemein.
An dieser Stelle befand sich damals lediglich ein Tiefbrunnen im Eigentum der ÖBB, er diente zur Wasserversorgung der Tenderdampflokomotiven der

Baureihe 52 - Österreichische Lokomotivfabrik - welche die Ostbahnstrecke von Wien Südbahnhof (Ostbahnhof) bis Laa/Thay beführen.


Dies ist mein Beitrag zum Ziegelwerk Schleinbach, geschrieben aus meinen Erinnerungen an meine Jugend.

Noch Fragen ? Gerne werde ich diese falls möglich beantworten !

LG. Ronald
 
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Harald 41

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#5
Willkommen im Forum Wagramer:D, und :danke für die sehr ausführliche Erklärung über das Ziegelwerk.:gut:
Wie Du weiter unten in deinem Bericht geschrieben hast die Leute die jetzt noch dort wohnen wissen leider nichts,die Erfahrung machte ich damals auch.
In Neubau-Kreutzstetten war ich auch vor einige Zeit,aber da ist heute ein neuer Besitzer dem, das ganze Gelände gehört und der keine Leute duldet wurde mir gesagt.


LG Harry


PS: Der nächst Ziegelofen war schon in Wolkersdorf, aber an den erinnert heute nur mehr eine Strasse.
 
#6
Ziegelofen Wolkersdorf

...natürlich auch bekannt, ich sah damals als junger Fahradfahrer ca. 1968 auch noch diese Anlage. Ob sie noch in Betrieb war weiss ich nicht mehr, es lagerten in den offenen Trocknungshallen aber noch eine Menge Ziegel und daher nehme ich an es wurde noch gebrannt.
Dort gab es nur 1 Brennofen zu meiner Zeit, das Gelände umfasste in etwa das Areal der heutigen Siedlung.
Als diese gebaut wurde waren am hinteren Ende noch die Steilwänder der Abraumhalden vorhanden.
Erbauer war ebenfalls Martin Steingassner um etwa 1870-1880, direkt an der vorbeiführenden damals neuen Bahnllinie von Wien nach Hrusovani CZ in Südmähren wie auch die Werke Neubau-Kreuzstetten und Frättingsdorf NÖ.

Der Bruder des Ziegelbarons war übrigens ein hoher Beamter im damaligen Eisenbahnministerium, somit erklärt sich auch warum so viele Bahnhöfe und Bahnarbeitersiedlungen mit Steingassner Ziegeln erbaut wurden.......

Außer der Ziegelofengasse in Wolkersdorf gibt es noch etwas:

Das Gebäude auf 48'23'00 -- 16'30'00 ist noch Altbestand des Werkes. Auch dieses war ein Arbeiterwohnhaus, heute jedoch im Gegensatz zum damaligen unverputzten Ziegelgemäuer außen etwas hergerichtet.

LG. Ronald

Update:

Topothek Wolkersdorf zum durchsehen !!

http://wolkersdorf.topothek.at/#ipp...ort=publish_date&sortdir=desc&r=1522001416531
 
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Black-Adder

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#7
Hallo,

erstmal danke und wow der ausführliche Beschreibung ist ja ein Hammer.

Meine Frage wäre, ob die Gebäude(reste) noch zu betreten sind?

Ich war einige Zeit in der Gegend um Großebersdorf unterwegs, hab aber in der Richtung nie etwas gemerkt bzw. gesehen...
 
S

sch3d

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#8
Hi, ist zwar schon älter aber ich hänge mich hier mal an. Auf aktuellen Bildern sehen die Gebäude noch großteils ganz aus. Zumindest das was noch steht, weiß nicht ob mittlerweile was abgerissen wurde. Werde demnächst mal hingucken.
 
S

sch3d

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#9
War unlängst dort. Ein bisschen was steht noch, ist aber bereits schon sehr "zerwütet" und ausgenommen. Ein paar Dinge gibts noch zu sehen wo man sich denkt, das gibt ein gutes Foto.
 

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Aus dem Forum geworfen
#11
Hallo! War heute wieder dort und dabei ist mir aufgefallen dass ein Häusschen noch relativ gut beisammen war. Es sind neuzeitliche Fenster installiert (alle Scheiben wurden aber eingeschlagen) und die Farbe aussen ist auch noch nicht so schlecht. Im Badezimmer hängen sogar noch die Handtücher :) Weiss jemand wie lange dort noch gewohnt wurde? Foto ist angefügt. Danke! :)
 

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sch3d

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#12
Das ist eine gute Frage, also seit dem ich das Werk kenne, sieht das Gebäude so aus. Die Leute dürften schon eine Weile weg sein. Wann kann ich aber auch nicht sagen.
Was mich unlängst eher gewundert hat, zwei blaue Bau-Müll-Mulden die so aussehen als würde dort jemand zum Aufräumen beginnen.

Schöne Grüße
 
H

Harald 41

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#13
Hallo;
Na ja 2009 wohnte schon noch jemand drinnen,
im vorderen Bereich waren noch einige Wohnungen bewohnt, war aber damals schon alles sehr desolat.
Vermute wenn blaue Container dort stehen wird alles entrümpelt, dass Gelände wird geschliffen und mit Wohnungen oder Häuser bebaut.:Biene:

LG Harry
 
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Harald 41

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#14
Ziegelwerk Schleinbach

Bin vor kurzem Durch Schleinbach gefahren, und machte einen kleinen Abstecher zum ehemaligen Ziegelwerk, vor fünf Jahren wohnten noch ein paar Leute in dem Gebäude, heute ist alles leer.
Machte nur ein paar Fotos im vorbeifahren drinnen war ich leider aus Zeitmangel nicht, ist schon vieles sehr desolat und teilweise eingestürzt.

Hier ein paar Fotos.....
 

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#16
Wieder mal Ziegelwerk.....

Nachdem ich heute das alte Werk besucht habe - anbei einige Bilder.

PS:
Ich habe mir als Vergleichsmöglichkeit für mein Foto:

Titel = "Siehe altes Bild"

das wunderbare Originalfoto von Josef vom FIM Freiland geliehen und mir erlaubt dieses hier nochmals anzuhängen. :bravo:

Der Blickwinkel auf beiden Bildern ist bis auf wenige Grad Abweichung ident, am Ende des Getreidefeldes befindet sich die alte Steilwand - es liegen eben "NUR" 46 Jahre zwischen diesen Aufnahmen !

Auf dem alten Bild kann man auch die Stromführungsmasten in verkehrter U-Form deutlich sehen. Ebenso die Elektro-Draisinen welche die Ziegelkarren schoben. Den Fahrer in der Bildmitte kannte ich persönlich !

Die große Produktionshalle gab es damals noch nicht, es war ausschliesslich der Ringofen in Betrieb.
 

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Harald 41

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#18
Hallo Ronald;
:danke für die Bilder, war gestern Vormittag auch wieder einmal im Ziegelwerk, aber nur ganz kurz im vorbeifahren :D, sieht schon sehr schlimm aus zumindest das -innenleben der Gebäude, Bilder kommen in kürze muss ich erst zurecht machen....

LG Harry
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#20
Hallo Ronald,
ebenfalls besten Dank für die Fotos :bravo:
Besonders interessant (für @Geist :)) Bild 2, Beitrag #17 - wenn die Schrift wirklich aus 1940 stammt...?

lg
josef
 
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