Mongolei: Ein riesiges Binnenland voller Rohstoffe zwischen den zwei Großmächten China und Russland

josef

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MONGOLEI
Bodenschätze als Ass im Großmachtspiel
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Die Mongolei ist ein Land voller Rohstoffe, die gerade für die weltweit angestrebte grüne Technologiewende unerlässlich sind. Zugleich ist es ein riesiges Binnenland zwischen den zwei Großmächten China und Russland. Die Regierung in der Hauptstadt Ulan-Bator will für den Westen attraktiver werden und versucht dabei einen geopolitischen Balanceakt.
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Der unter anderem an der US-Eliteuni Harvard ausgebildete Premierminister Luwsannamsrajn Ojuun-Erdene will westliche Bergbaukonzerne ins Land locken, um so den Abbau großer Vorkommen von Kupfer, Uran und anderen für die Energiewende nötigen Mineralien voranzutreiben.

Rio Tinto, einer der weltweit größten Bergbaukonzerne, ist bereits seit Jahren im Land aktiv und hat bei der größten Kupfermine Ojuu Tolgoi nun den Untertagebau aufgebaut. Die Mine allein ist laut Rio Tinto für rund zehn Prozent der Staatseinnahmen verantwortlich.

Reuters/Rentsendorj Bazarsukh
Tagbau in der Kupfermine Ojuu Tolgoi in der Wüste Gobi

Für die Mongolei geht es einerseits darum, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung mit Hilfe der Bodenschätze zu schaffen. Die Regierung von Ojuun-Erdene – in dem Land wurde die sozialistische Einparteienherrschaft erst in den 1990er Jahren abgeschafft – will laut „Financial Times“ das Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet rund 13,5 Milliarden Euro bis 2030 auf 45 Milliarden Euro mehr als verdreifachen. Die Armutsrate in dem riesigen Land (18,6-mal die Fläche Österreichs, Anm.) mit einer Bevölkerung von nur 3,4 Millionen Menschen soll bis dahin auf 15 Prozent gesenkt werden.

Große Abhängigkeit von Nachbarn
Zugleich ist die Mongolei extrem abhängig von den einzigen beiden Nachbarn Russland und China. 84 Prozent der Exporte gehen nach China, darunter vor allem Kupfer und Kohle. Aus Russland bezieht das Land 30 Prozent seiner gesamten Importe, darunter 100 Prozent des Gas- und Ölbedarfs. Das Engagement großer westlicher Konzerne soll hier als geopolitisches Gegengewicht dienen.


Grafik: APA/ORF.at

Tatsächlich gibt es aus geopolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen großes Interesse westlicher Regierungen, mit der Mongolei zu kooperieren. So war erst im Mai Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erstmals in dem Land und vereinbarte in Absichtserklärungen Lieferungen von Kupfer, Uran und anderen für die Energiewende wichtigen Mineralien.

Kampf gegen Korruption
Um das nötige Vertrauen aufzubauen und ein sicheres Umfeld für langfristige Investitionen westlicher Konzerne im oft zweistelligen Milliardenbereich zu bieten, treibt Ojuun-Erdene laut „Financial Times“ den politischen Umbau des Landes voran – sprich: Kampf gegen tief verwurzelte Korruption und undurchsichtige oder willkürliche Politentscheidungen. Verfassung und Justiz wurden reformiert, Fälle von Bestechung verfolgt, und vor allem im Bergbaubereich wurden Politik und Rechtsgrundlagen überarbeitet.

APA/AFP/Jade Gao
Der mongolische Premier zu Gast beim großen Nachbarn China – hier mit Amtskollege Li Qiang Ende Juni

Es ist aber weiter unklar, ob die Änderungen auch langfristig umgesetzt werden. Im Dezember des Vorjahres gab es Massenproteste, als bekanntwurde, dass im staatlichen Kohlebergbau Vermögen in Milliardenhöhe gestohlen wurden – auch von Parlamentsabgeordneten. Ojuun-Erdene startete eine breite Kampagne zur Bekämpfung der Korruption. 17 Personen wurden mittlerweile an die mongolischen Behörden ausgeliefert, die Regierung leitete an Interpol noch mehr als 90 weitere Haftbefehle weiter.

Laut Justizminister Khishgee Nyambaatar, einem engen Vertrauten von Ojuun-Erdene, sollen die Beteiligungen des Staates in vielen Wirtschaftsbereichen, insbesondere im Bergbau, zurückgefahren werden. Solcherart soll Korruption verringert werden. 2024 steht die nächste Wahl an.

Ausbalancieren der Beziehungen
Unklar ist, ob Ojuun-Erdene die Wählerinnen und Wähler bis dahin überzeugen kann, dass er seine Pläne tatsächlich auch umsetzen kann und wird, oder ob interne Gegenspieler oder die Übermacht der beiden Nachbarn das verhindert. So ließ China laut dem Magazin „Economist“ immer wieder seine Muskeln spielen: Als Ulan-Bator 2016 den Dalai Lama empfing, fror Peking als Reaktion Kredite ein und schränkte den bilateralen Handel stark ein. Das Vorgehen Pekings verstärkte antichinesische Stimmungen in der Mongolei, die die Unterdrückung der mongolischen Bevölkerung in der chinesischen Inneren Mongolei ablehnt.

Reuters/Rentsendorj Bazarsukh
Die im Frühjahr in Betrieb genommene Untertag-Kupfermine in Oyu Tolgoi

Umso mehr setzt die Mongolei auf eine schon länger dauernde Kooperation mit der NATO und dem Ausbalancieren von Beziehungen: Erst vor einem Monat war Ojuun-Erdene von Chinas Präsident Xi Jinping empfangen worden. Dabei wurde unter anderem die Verdreifachung des grenzüberschreitenden Handels vereinbart. Am selben Tag unterzeichnete die Mongolei mit den USA eine Absichtserklärung über die Lieferung von Mineralien der seltenen Erden.

Wie eng der außenpolitische Spielraum für Ulan-Bator ist, zeigt sich daran, dass sich das Land bei Abstimmungen über UNO-Resolutionen zum russischen Überfall auf die Ukraine bisher stets der Stimme enthielt.
30.07.2023, guti, ORF.at/Agenturen

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