"Dreiradler": Das dritte Rad am Wagen

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Das dritte Rad am Wagen – Dreiradler-Highlights
Die Erfindung des Dreirads ist keine neue. Das Dreirad, das Schräglagen fahren kann, ist aber noch ziemlich frisch
Das erste Auto – ein Dreiradler. Der Franzose Nicholas Cugnot stellte 1769 eine Dampfmaschine auf drei Räder. Der Dreiradler an sich, also ohne Motor, der dürfte kurz nach dem Rad, der Achse und dem Wandl erfunden worden sein. Das erste praxistaugliche Automobil – ein Dreiradler. Gemeint ist der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 aus dem Jahr 1886 – das erste Auto mit Verbrennungsmotor. Und es gibt die dreirädrigen Gefährte heute noch. Einmal genial, einmal katastrophal. Also Lastenrad bis Trike.

Um 1900 traten die Dreiräder an, um die Österreicherinnen und Österreicher mobil zu machen. Doch die Autos sollten ihnen bald den Rang ablaufen.
Foto: Verlag Winkler-Hermaden

Das Trike ist die vermutlich unnötigste Ausformung des motorisierten Dreirads. Den Beginn machten Gefährte, bei dem man den Heckantrieb eines VW Käfers nahm und ihm vorn ein Einzelrad mit einer viel zu langen Gabel draufschraubte. Wenig später setzte man Mike Krüger und Thomas Gottschalk als "die Supernasen" auf diese Motorgeschwüre und ließ sie über die Kinoleinwand fahren. Dabei waren die Dreirad-Anfänge so vielversprechend.

Mathias Marschik und Edgar Schütz berichten im Buch Automobiles Österreich, das in der Edition Winkler-Hermaden erschien, von den "Voituretten, die schon um 1900 die Volksmotorisierung ankündigten." Die Tricycles waren auch im Renneinsatz erfolgreich, aber "rasch ging die Entwicklung jedoch in Richtung großer und leistungsfähiger Fahrzeuge".

Günstiger als Autos
Der Vorteil von Dreiradlern gegenüber Zweirädern ist klar – sie fallen nicht so leicht um. Der Vorteil gegenüber Fahrzeugen mit vier Rädern ist, dass sie billiger sind – nicht nur in der Herstellung und der Anschaffung, auch im Unterhalt.

In vielen Ländern gab es für sie steuerliche Vorteile – in England sogar bis in die 1980er-Jahre, was den Erfolg des Reliant Robin erklärt. In manchen Ländern brauchte man für motorisierte Dreiräder bis zu einer gewissen Leistung gleich gar keinen Führerschein. Auch bei uns waren lange die Mopedautos Dreiradler. Eine besondere Nische hat die Ape aufgetan. Als leichtes Nutzfahrzeug mit drei Rädern gehört sie heute noch zum italienischen Straßenbild. Bei uns ist es mehr ein Schauobjekt, etwa als Espressomaschinen-Taxi, das dann im Stadtpark steht und auf Touristen wartet.


Die Ape ist die charmanteste Art eines Dreiradlers. Sie bietet viel Nutzen bei geringem Gewicht und gehört heute noch zum italienischen Straßenbild.
Foto: Piaggio

Eine Attraktion ist auch der 3Wheeler von Morgan. Seine Geschichte reicht bis vor 1910 zurück, wo er schon als Prototyp in London vorgestellt wurde. Angetrieben wurde und wird der 3Wheeler von einem Zwei-Zylinder-Motor, der bei verschiedenen Herstellern zugekauft wurde, einmal luft- einmal wassergekühlt war und vorn zwischen den beiden Rädern den Fahrtwind genoss. Der Wagen war aus mehreren Gründen ein Erfolg. Er war sportlich zu fahren, bot zwei Personen Platz, man konnte ihn mit einem Motorradführerschein bewegen, und man zahlte auch nur die Steuern wie für ein Motorrad.


Der 3Wheeler von Morgan war und ist ein richtiges Spaßgefährt auf drei Rädern – und zudem auch noch fesch.
Foto: Morgan

2012 legte Morgan den 3Wheeler noch einmal auf. Heute leistet der Verbrennungsmotor (Euro 4), 68 PS, ist in rund sieben Sekunden auf Tempo 100 und wird bis zu 185 km/h schnell.

Radaufteilung
Der Vorteil des 3Wheeler gegenüber eines Robin Reliant ist, dass Ersterer durch die beiden Vorderräder, bei flotter angefahrenen Kurven, nicht so leicht umkippt. Den Reliant haben wir in der Glotze ja mehr als einmal umakugeln gesehen. Nicht einmal Rowan Atkinson konnte sich den Spaß entgehen lassen.

Der Messerschmitt-Kabinenroller und auch die Isetta von BMW nutzen diesen Stabilitätsvorteil für sich, während Nutzfahrzeuge wie die Ape, der Tempo Hanseat oder der Rollfix-Eilwagen hinten zwei und vorn ein Rad hatten. Klar, können es doch zwei Räder mit höheren Lasten aufnehmen, während spätes Anbremsen von Kurven nicht zu den wichtigsten Punkten im Lastenheft eines solchen Fahrzeuges zählt.


Die Isetta gab es als Dreirad – aber auch mit einem Zwillingsrad hinten.
Foto: BMW

Ein noch größeres fahrdynamisches Desaster waren eigentlich nur mehr Beiwagenmaschinen – die auch aus einer wirtschaftlichen Not heraus entstanden sind – aber ebenfalls im Rennsport eingesetzt wurden. Wer sich aber erinnert, wie der Herr Parzer oft mit dem Kopf schon fast auf dem Boden herumradieren musste, damit der Herr Klaffenböck gute Rundenzeiten in den Asphalt brennen konnte, versteht die Schwächen des Konzepts.

Vor dem Hintergrund ist es ein Wunder, dass es bis 2007 dauerte, bis Can-Am den Spider auf den Markt brachte – ein radikal böses Motorrad mit einer dicken Walze hinten und deren zwei vorn. Im Grunde wäre diese Fuhre die perfekte Driftmaschine gewesen, doch die Kanadier programmierten das Stabilitätsprogramm so zahm, dass eher Trike- als Motorradfahrer umstiegen, und das vor allem in Übersee – bei uns eher nicht.

Schräg- oder Schrecklage
Andererseits ist das auch zum Teil verständlich, denn Motorradfahrer lieben und fürchten die Schräglage gleichermaßen. Gut, sie fürchten nicht die Schräglage, sondern dass der Reifen aufgrund der kleinen Aufstandsfläche und der hohen wirkenden Kräfte für kurze Zeit seinen Dienst als linear verbindendes Stück zum Asphalt quittiert.
Das passiert schon bei geringem Tempo auf dem rutschigen Pflaster, wie wir es oft in historischen Teilen italienischer Städte finden. Vielleicht wurde die nächste Neuerung auch deshalb in Pontedera, der Heimat von Piaggio, also auch der Ape und der Vespa, erfunden.


Der MP3 kann aufgrund seiner komplizierten Aufhängung der beiden vorderen Räder auch Schräglagen fahren.
Foto: Piaggio

Der MP3 war und ist ein Großroller, mit zwei Rädern vorn, dem Antrieb hinten. So weit für diese Geschichte noch nichts Außergewöhnliches. Doch die beiden Räder vorn sind über eine Parallelogrammaufhängung verbunden – und so kann man mit dem Roller Schräglagen bis zu 40 Grad fahren. Ja, rein theoretisch geht noch mehr, doch dann hebt das kurvenäußere Vorderrad ab. Dabei sind die beiden Räder vorne gerade das Geniale an diesem Roller. Verliert ein Rad die Haftung, hat man immer noch ein zweites, das hoffentlich Grip hat.

Kopfschwer
Der wichtigste Nachteil, dass dieses Gefährt kopflastig ist, ist im Vergleich zu den Vorteilen so gering, dass inzwischen weitere Hersteller Roller dieser Art bauten. Yamaha hat mit der Niken sogar ein richtiges Motorrad mit dieser Aufhängung am Markt. Wheelen geht halt mit dem Vorbau schlecht.
Der zweite Nachteil dieser Bauart ist, dass die Dreiradler so breit sind, dass man sich in der Stadt nur schlecht zwischen stehenden Kolonnen durchschlängeln kann. Was man übrigens ganz legal darf – nur so als Hinweis.


Auch mit Dreiradlern kann man sich deppert aufführen und ihnen einen vierten Aufstandspunkt improvisieren.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Das Schweizer Unternehmen VR Bikes hat die Idee der Parallelogramm-Aufhängung begeistert, und sie baute ebenfalls Dreiräder, die schräglagentauglich sind. Die VR City ist ein Dreirad mit E-Antrieb der Moped-Klasse, einem Vorderrad und zwei Rädern hinten. Das so ein Gefährt durchaus Spaß machen kann, sieht man am Foto oben. Sinnvoll ist es natürlich nicht, dem Dreiradler noch einen vierten Aufstandspunkt in Kurven zu geben. Aber mit einem ausgeprägten Spieltrieb muss man das natürlich fast probieren.

Sonst ist das System Dreirad fürs Erste wohl ausgereizt. Es kann nun Schräglagen fahren, E-Antrieb gibt es, den MP3 gab es kurz auch als Hybrid. Die charmanteste Art bleibt aber die Ape, ein kleines Fuhrwerk mit großem Nutzen.
(Guido Gluschitsch, 23.8.2021)
Das dritte Rad am Wagen – Dreiradler-Highlights
 
Oben