Gahns - Schneeberggebiet

#1
Dieser Beitrag handelt über die HKL der letzten Wochen des zweiten Weltkrieges vom Payerbacher Bahnviadukt bis zum Schneeberg.

Ausgangslage:
Nach Ostern, Mitte April 1945 erreichte die Rote Armee Wiener Neustadt, Gloggnitz und Neunkirchen. Nachdem man den Gebirgsrand erreicht hatte, stockte der Vormarsch und die Front verfestigte sich und hielt mehr oder weniger bis Ende des Krieges.

Rot eingezeichnet ist die HKL (letzter Stand) und in rot die Stoßrichtung der Roten Armee. In einem Bericht waren sie zuletzt auch auf dem Mitterberg gesichtet, deshalb auch der rote Stoß dorthin.
Gelb ist die Straße auf den Gahns (zu dieser Zeit) und lila die von mir ausgemachten vermutlichen Schützengräben.
Bei den Schützengräben ist nicht immer klar, ob es deutsche oder sowjetische sind - vermutlich waren sie auch oft beides. Auch kann nur vieles vermutet werden, da umgestürzte Bäume ähnliche Muster erzeugen können.
Jedenfalls lässt sich ein Muster erkennen: die Befestigungen sind meistens auf einer Anhöhe und die Bodenwiese bildete eine natürliche Sperre. Und die deutsche Artillerie stand auf den beiden höchsten Gipfeln: Saurüssel und Krummbachstein.

Ich bin in ca. 15 Tagen sehr viel abgegangen, wobei für den Zugang zumindest 2 Stunden zu rechnen ist, bei einer Gesamt-Tageslänge von ca. 12-18km. D.h. hat man ein Gebiet erforscht, kommt man um den nochmaligen, anstrengenden Zugang nicht herum.
Und nicht zu vergessen: ich gehe in der Sonne und im Sommer. Damals lag dort noch Schnee und der Boden war hart.

Natürlich ist der Sinn solcher Kämpfe durchaus anzuzweifeln, weil all die Straßen und Wege dort eine Einbahn darstellen und an den unüberwindlichen Wänden des Schneeberges und des Höllentales enden werden. d.h. Verlust allen schweren Gerätes und nur die Menschen selbst im schwierigen Gelände entweichen können.
Vielleicht war es auch dieser Umstand, weshalb die deutsche Artillerie bis zuletzt auf den Höhen der hintersten Berggipfel stand - ohne Aussicht das schwere Gerät evakuieren zu können.

Ich selbst wurde inspiriert von meinem Großvater, welcher mir in meinen jungen Jahren immer von seinem Schneeberg-Einsatz erzählte. Wie er als Teil eines dreiköpfigen Granatwerfer Teams für den Transport der Bodenplatte zuständig war und in dieser Gegend schlussendlich desertierte - weil er in der Nähe wohnte. Er sagte "es ist genug" und ging nach Hause.
Sein Name war Leister - und sein Kommandant meinte nur "Leister, sie leisten sich was!".

Gahns Amap bearbeitet.jpg

Quelle der Karte

Aschenbrenner.jpg

Quelle
 
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#3
Areal:
Zentraler Mittelpunkt ist der Gahns (Namensbedeutung: die Gegend am Felsen).
Ein 2.150 Hektar großes, heute praktisch menschenleeres Plateau mit steilen Abbrüchen und einigen wenigen beschwerlichen Zugängen.
Die wichtigste davon ist die „Gahnsstraße, welche 1911 durch italienische Arbeiter errichtet wurde und nicht öffentlich benutzt werden kann.
Ursprünglicher Eigentümer war das Adelsgeschlecht Hoyos-Sprinzenstein. Durch Fehlspekulationen in finanzieller Bedrängnis geraten, wurde der gesamte Gahns-Besitz 1937 an die Stadt Wien verkauft.

Diese ergänzte ihre Besitztümer, um die Quellen der Wiener Hochquellwasserleitung zu schützen.
Dadurch ist dieses Gebiet touristisch sehr gering erschlossen.

Ich gehe nun die angenommene Front – bitte nur als Übersicht zu verstehen – ab, und beginne am Payerbacher Viadukt, welches zu dieser Zeit mit einer Panzersperre gesichert war.

Zuerst hinter dem Viadukt die Sackgasse hinauf 20230822_082057.jpg

Kommt man zu einem Tal in welchem ein Bauernhaus liegt. Anscheinend gab es hier auch Probleme mit der Zustellung.
Hinter dem Bauernhaus gibt es einen Hügel, welcher einen guten Ausblick auf das Viadukt gibt - hier sind die ersten Stellungen.
 

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#4
Neben dem Bauernhof führt auch die Schmalspurbahn von Payerbach nach Hirschwang:
20230822_082320.jpg

Auf dem Weg vom Schneedörfl zum Aufstieg - hier der Blick nach Reichenau:
20230822_091601.jpg

Es wird steil und felsig; hier reicht schon eine einfache Postenkette:
 

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#5
Aber auch diese Hänge sind umkämpft, wie das einfache Bauernhaus "Hochberger", welches inmitten des Hanges auf einer Erhebung thront.
Es herrschten hier einige große Waldbrände.
20230822_111633.jpg

Etwas höher hat man auch eine gute Übersicht über den Frontverlauf auf der anderen Seite des Viaduktes:
Details Hier und Hier usw.
20230822_111737.jpg

Sodann erreiche ich mühevoll die Waldburg Anger Hütte. Eines war sicher, der Nachschub an Munition und Nahrung für die deutschen Truppen wurde nicht über diesen Teil der Front durchgeführt.
Der Nachschub war so, wie der Abzug später, nur über die "Eng" hinter dem Hotel Thalhof in Payerbach oder über Kaiserbrunn (im Höllental) möglich.

Hier noch die Waldburg Anger Hütte, welche Kampfzone war:
20230822_121049.jpg

Ein Bericht hat sich erhalten, erzählt von Josef Zottl (geb. 1924) von der Waldburg Anger Hütte:
……um den Heeresstreifen auszuweichen, stieg ich beim Zug rückwärts aus und ging zu meinen Eltern auf den Gahns….. zu Ostern war es soweit, die Russen waren durchgebrochen und bis Gloggnitz vorgedrungen. Es war der 5. Oder 6. April 1945, da besuchte ich den SS-Hauptscharführer (Anmerkung: führte Holzkohlenexperimente auf der Bodenwiese durch, Details Hier) in seiner Baracke, der ebenfalls schon Zivilkleidung trug. ….ich hörte Schreie und Schüsse……ich musste so schnell wie möglich nach Hause….zu meinem Vater sagten die SS-Männer, sie werden eine Hausdurchsuchung vornehmen….dabei berichteten sie, daß drei SS-Leute, die schon Zivilkleider trugen, von einer hochrangigen SS-Streife als Deserteure erschossen wurden....
Quelle: Augustin Stranz "Vergessene Vergangenheit".

Am 17. April konnten die Russen die Waldburg Anger Hütte erreichen-man zählte nach dem Kriegsende 46 deutsche Granateinschläge vor der Hütte und das Dach war aufgerissen.
 
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#6
Die Waldburg Anger Hütte befindet sich am äußersten Zipfel der Bodenwiese.
Hier ein Blick vom Standort der Hütte zur Bodenwiese:
20230822_121214.jpg

Dann der Aufstieg auf die Spitze des Saurüssels, wo sich eine wichtige Artilleriestellung der deutschen Truppen befand.
Man passiert die Schedwiese (benannt nach einem Bauernhof an den Hängen des Gahns), welche lt. Berichten sehr stark vermint war:
20230822_135337.jpg

Und kommt zur Spitze des Saurüssels, welche allerdings für eine Artilleriestellung eher ungünstig ist. Wahrscheinlich war die Stellung auf einer Wiese nebenan.
Hier der Aufstieg zur Spitze:
20230822_140620.jpg

Und hier die Wiese nebenan:
20230822_141712.jpg
 
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#7
Auf der Spitze des Saurüssels gibt es einen Hochstand, wo man einen gewissen Überblick hat.
Interessant ist auch die Anlage mit 5 Schußkanälen, wo das Treffen des Wildes stark vereinfacht wird:
20230822_143810.jpg

Natürlich gibt es auch hier rundum Hinweise auf Stellungsbau, Schützengräben (löcher) etc.:
 

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#8
Eine Auswahl von anderen Stellungen am Gahns.
Leider sind die Bilder nicht sehr realistisch - zu verzerrt.
 

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#9
Die russische Artillerie war in Liesling (bei Pottschach) in Stellung und vom Rohrbachgraben griffen Stalinorgeln massiv in die Kampfhandlungen ein.
Bauern mussten vom Rohrbachgraben Munitionstransporte auf den Gahns mit Ochsen durchführen.
Zur Eroberung der Hütte "Pürschhof" und des "Alpl"weiters händisch auf einem Jagdsteig.

Die älteste Jagdhütte am Gahns (erbaut um 1750), der Pürschhof, überlebte die Kämpfe aufgrund einquartierter Zivilisten und deren Kindern. Mehrmals wollten die russischen Soldaten die Hütte anzünden.
Hier ist die Hütte:
20230813_115135.jpg
20230813_123953.jpg

20230716_133737.jpg 20230716_133835.jpg 20230716_134141.jpg

20230716_133756.jpg
Original erhaltene Hüttenkonstruktion auf höchstem Niveau:
 

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#10
Hier ist der Jagdsteig, auf dem die Munition transportiert wurde.
Er geht der Abruchkante entlang - mit guter Sicht auf den Rohrbachgraben, in welchem sich die Russen vorarbeiteten, bis vor dem Krummbachsattel.
Von diesem bogen sie rechts auf den Schneeberg ab und erreichten bis zum Ende des Krieges das Hotel Hochschneeberg.
Links auf das Alpleck (ein Platz) und auf den Berg Alpl.
Damit befand sich die Rote Armee direkt gegenüber dem Krummbachstein, einer der zwei wichtigen deutschen Artilleriestellungen.

Am Jagdsteig:
20230813_132329.jpg 20230813_135305.jpg 20230813_135317.jpg 20230813_135335.jpg 20230813_135401.jpg
Quelle
gelb ist der Jagdsteig:
Screenshot 2023-08-25 172038.jpg
 
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#11
Andere Hütten im Krieg (auf der obigen Karte als Lackabodenhütte und Naturfreundehütte Knofeleben bezeichnet):

Mitte April 1945 wurde die Lackabodenhütte und das Haller-Haus (jetzt Knofeleben Hütte) von der Waffen-SS beschlagnahmt und die Umgebung großflächig vermint.

Im Zuge der Kampfhandlungen brannte die Lackabodenhütte ab und wurde nach dem Krieg wieder im kleineren Ausmaß errichtet. Allerdings wurde sie von der Gemeinde Wien vor einigen Jahren abgetragen.
Das Haller Haus überlebte all die Wirren nahezu unbeschädigt, brannte jedoch im Jahre 2011 aus unbekannten Umständen vollständig ab und wurde als Knofeleben Hütte neu aufgebaut. Die Knofeleben Hütte ist ein moderner Bau.

Als die Russen am Alpl mit ihren Gebirgshaubitzen in Stellung gingen, erhielt die Hütte am Krummbachstein (Alpenfreundehütte) Granattreffer. Der Hüttenwart hatte den Auftrag, die Hütte bei Gefahr zu sprengen, führte diesen Befehl aber nicht aus. Er wurde verletzt, konnte mit Krücken zum Hallerhaus gelangen. Von dort in das Lazarett nach Edlitz, wo ihm ein Bein amputiert werden musste.

Knofeleben Hütte und früher als Haller Haus:
20230827_134539.jpg IMG_0018.JPG
 
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#13
Das Gahns Plateau befindet sich auf einer Höhe von ungefähr 1.200m. Dies ist ungefähr 200m höher als der bekannte Semmering Pass.
Dadurch sind die Temperaturen um ca. 4-10 Grad tiefer als im "Steinfeld" zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen.
Ca. 4 Grad bei durchschnittlicher und ca. 10 Grad bei sehr hohen Temperaturen (das "Steinfeld heizt sich dann auf").

Deshalb ist der Wald in dieser Höhe sehr gut erhalten und Klima/Käferschäden sind sehr begrenzt, wobei diese von der Stadt Wien sehr schnell beseitigt werden. Es gibt vorwiegend Fichtenbäume, wobei Kahlschläge vermieden werden.
Jagdeinrichtigungen sind sehr weit verbreitet.
Der Wald selbst ist eigentlich nicht leicht zu begehen, da vorwiegend mit Gras bewachsen - dies ist aber gewünscht als Filterfunktion des Bodens für das Quellschutzgebiet.
Insoferne hat sich die Eigentümerschaft der Stadt Wien für die Natur sehr positiv ausgewirkt (z.B. haben sich beim verbleibenden Besitz der Hoyos-Sprinzenstein wie beim Gippel/Göller Gebiet massive Kahlschläge und Forststrassen ausgebreitet).

Hier der Wald am Gahns:
 

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#14
Ich habe auch den "Gahnsschacht" entdeckt, welcher knapp unterhalb einer Anhöhe ungesichert vor sich ruht.
Karte

Unser Höhlenforscher, @fkv, hat mich dankenswerterweise aufgeklärt:
.....Der Schacht ist lt. Plan 5m tief, der Osteingang ist kletterbar..........Unten war nicht viel mehr zu sehen als auch schon von den Einstiegen aus. Höhlen mit "Schacht" im Namen sind meist viel tiefer, aber es können natürlich auch 5 m schon reichen für einen schweren Unfall, oder dass man ohne Hilfe nicht mehr rauskommt....

20230716_124417.jpg 20230716_124429.jpg 20230716_124503.jpg
 
#16
Auszug von "Vergessene Vergangenheit Band 2, Seite 117 von Augustin Stranz":
Bei den Kämpfen um den Gahns kamen auf russischer Seite zwei Soldaten auf dem Lackaboden und zwei Offiziere am Pürschhof ums Leben. Von den deutschen Volkssturmmännern fielen drei auf der Bodenwiese.
Drei SS-Männer wurden von einer SS-Streife erschossen.

Aus Wiki (Quelle):
Nach der Beendigung der Kampfhandlungen war die sowjetische Kommandantur damit einverstanden, die in den Quellschutzgebieten auf dem Schneeberg gefallenen und bestatteten Rotarmisten zu exhumieren und auf einen russischen Soldatenfriedhof zwischen Ternitz und Pottschach zu bestatten.
 
#20
In einer letzten Übersicht noch den ungefähren Frontverlauf am Ende des Krieges dargestellt:
(außerdem beginnt jetzt die kalte, schneereiche Zeit. Da bleibt der Hobbyforscher zu Hause.....wobei sich in der Realität damals gerade die Truppen am Gahns für den Kampf sammelten).

Resümee nach den Erkundungen:
Sinnloser Kampf mit wenig Toten in einem weitläufigen Wald.
Um die Aufrollung der Frontlinie am Gahns vom Rohrbachgraben (und über Gadenweith) zu verhindern, war ein Angriff der deutschen Truppen vom Gahns nach Sieding (Schloss Stixenstein) befohlen und durchgeführt worden. Dieser brachte noch mehr Tote und keinen Erfolg. Brettner hat dies in einem seiner Bücher im Detail beschrieben - dieses habe ich nicht mehr und es deshalb auch nicht im Thread integriert.

Noch ein Paar Tage länger, und die Front wäre zusammengebrochen da die deutschen Truppen mit dem Rücken zum weglosen Schneeberg standen und auch der Nachschub über die Eng nicht mehr lange möglich gewesen wäre.
Mit weitreichenden Auswirkungen zu Kobermannsberg, Eselstein, Payerbach, Reichenau, Hirschwang.

dsdsdsdsdsdsd.jpg
 
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