Hallstatt - prähistorisches Salzbergwerk

josef

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#21
Prähistorisches Bergwerk Hallstatt virtuell begehbar
Seit rund 7.000 Jahren wird in Hallstatt Salz abgebaut, und seit rund 60 Jahren erforschen Archäologen des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien die einstigen Stollen. Mittels Virtual Reality (VR) kann man sich künftig wieder durch die einst riesigen Abbauhallen bewegen.
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Am Wochenende (17.-18.8.2019) wird das neue VR-System bei der Veranstaltung „Archäologie am Berg“ in Hallstatt gezeigt.
„Einzigartige Kultur- und Industrielandschaft“
Seit der Steinzeit wird das „weiße Gold“ in der Region Hallstatt abgebaut. So hat sich eine weltweit einzigartige Kultur- und Industrielandschaft und um 700 vor Christus eine der vermutlich reichsten Gemeinschaften Mitteleuropas entwickelt, die einst halb Europa mit Salz versorgt hat, hieß es bei der Vorstellung des VR-Systems am Dienstag im NHM in Wien. Eine ganze Kulturepoche, die Hallstattzeit, wurde nach dem Ort im Salzkammergut benannt.
Schon in der Bronzezeit, um das Jahr 1.100 vor Christus, und in der Hallstattzeit um 700 vor Christus hatte der Bergbau im Hochtal über dem touristisch mittlerweile extrem frequentierten Ort riesige Dimensionen. Die hallstattzeitlichen Abbauhallen waren rund 300 Meter lang und 30 Meter breit, erklärte der Leiter der Ausgrabung und Forschung im prähistorischen Salzbergwerk, Hans Reschreiter, von der Prähistorischen Abteilung des NHM.

NHM Wien, Alice SchumacherVirtual-Reality-Station im NHM Wien

Salz hat uraltes organisches Material konserviert
Freilich haben zwei katastrophale Murenabgänge und der Bergdruck diese größten bisher nachgewiesenen prähistorischen Bergwerke wieder geschlossen. Mit zahlreichen Forschungsstollen sind die Archäologen aber weit in die einstige Welt unter Tage eingetaucht. Gerade in Hallstatt sind die Bedingungen dazu perfekt, da das Salz auch uraltes organisches Material konserviert hat, das sonst verrotten würde. Aus aufsehenerregenden Funden, wie dem ältesten Rucksack und den ältesten Handschuhen Europas, lasse sich vieles über das frühere Leben herauslesen. Trotz der im Rahmen von Sonderführungen zugänglichen Forschungsstollen könne man aber vor allem die einstige Dimension des Bergbaus nicht darstellen.

I.Slamar / J. Prenner / NHM Wien, D. Brandner + H. Reschreiter
Bronzezeitlicher Bergmann bei der Arbeit

Als Bergmann oder Archäologe unterwegs
Aus diesem Grund gingen die Archäologen zusammen mit Experten der Scenomedia GmbH in rund einjähriger Arbeit daran, ein VR-System zum bronzezeitlichen Abbau zu entwickeln, das nun in einem um rund 400.000 Euro erbauten eigenen Raum in den Salzwelten zur Verfügung stehen wird. Die beiden VR-Brillen bieten die Option, entweder in die Rolle eines prähistorischen Bergmannes oder in jene eines Archäologen zu schlüpfen, der das Areal im Berg erforscht. So habe man die Möglichkeit, die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragenen Informationen kompakt selbst zu erleben und „sich mit der Brille in diese Zeit zu begeben“, sagte Scenomedia-Geschäftführer Andreas Scheucher.

„Bergbau fühl- und erlebbar gemacht“
Man habe „den damaligen Bergbau fühl- und erlebbar“ machen wollen und die VR-Technologie sei „das perfekte Mittel, um Wissenschaft zu transportieren“, so Reschreiter. Das bringe letztendlich auch Aufmerksamkeit und Verständnis für die damaligen Herausforderungen, die den heutigen mitunter nicht unähnlich waren: In den Resten des alten Bergbaus finde man nämlich Hinweise auf sehr aktuelle Fragen zur Verknappung von Ressourcen, zum Transport wertvoller Güter und letztendlich zu Umweltveränderungen, mit denen der Bergbau vor Tausenden Jahren konfrontiert war.

I.Slamar / J. Prenner / NHM Wien, D. Brandner + H. Reschreiter
Holzarbeiterin im Bergwerk

„Salzwelten Exklusiv“
Dass diese laut NHM-Generaldirektor Christian Köberl „sehr neue Art und Weise, die Forschungsarbeit zu visualisieren“, auch umgesetzt werden konnte, sei auf die langjährige gute Kooperation mit den Salzwelten zurückzuführen. Letztere könnten heuer möglicherweise erstmals die 400.000-Besucher-Marke knacken, sagte Geschäftsführer Kurt Reiter. Angesichts des Touristenandrangs brauche es nicht nur Angebote für die Masse, sondern auch hochwertige Angebote etwa im Zuge von Spezialtouren. Das neue VR-Angebot wird unter dem Namen „Salzwelten Exklusiv“ angeboten.
red, ooe.ORF.at/Agenturen

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Geschichte: Prähistorisches Bergwerk Hallstatt virtuell begehbar
 

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#22
Und jährlich grüßt das Salzbergwerk
Was uns über sechs Meter hohe Profile verraten, wie informativ ein Holzhaufen sein kann und welche Funde sich noch im 3.000 Jahre alten Betriebsabfall verbergen
Nach wie vor forschen wir an der bronzezeitlichen Fundstelle Christian-von-Tusch-Werk im Salzbergwerk Hallstatt. Seit 1992 finden dort regelmäßig archäologische Ausgrabungen statt, wodurch einiges über diese prähistorische Abbaukammer der letzten 3.000 Jahre bekannt ist. Wir kennen die ungefähre Größe der Abbaukammer, wissen, wo sich die Schächte in die darüber- und die darunterliegende Abbaukammer befinden, und können die zahlreichen Funde aus Holz datieren.
Doch dadurch, dass wir nur enge, schmale Stollen in den ehemaligen und nun verfüllten Hohlraum treiben können, bewegen wir uns beim bereits erforschten Raum noch immer unter einem Prozent des Gesamtvolumens. Demnach sind wir bei der Befundinterpretation zu einem großen Teil auf die Profile der Stollen angewiesen. An ihnen lassen sich die Schichtverläufe von in der Bronzezeit abgelagertem Betriebsabfall, damals verbrochenem Material und schließlich dem eindringenden Tagmaterial, das die Abbaukammer verfüllte, erkennen.

Der Nordvortrieb – über sechs Meter hohe Profile
Das bisher größte und aufschlussreichste dieser Profile befindet sich im Nordvortrieb. Als erster Vortrieb, angelegt in den 90er-Jahren, stellt er einen Querschnitt durch die bronzezeitliche Abbaukammer dar. In den letzten Jahren wurde der Forschungsstollen Schritt für Schritt überhöht, um die Geschichte der Abbaukammer bis zur letzten Benutzungsphase verfolgen zu können. Diese Arbeiten werden heuer bis zur nördlichen Wand aus festem Salz, einer Grenze der Abbaukammer, fortgeführt und das entstandene Profil dokumentiert und interpretiert.


Die mittlerweile über sechs Meter hohen Profile im Nordvortrieb geben Auskunft über die Ablagerung des Betriebsabfalls der bronzezeitlichen Bergleute in Hallstatt.
Foto: Daniel Brandner - NHM Wien

Das Westend – eine sichere Grenze
Auch 2019 wurde das "Westend" weiter untersucht. Seinen Namen hat der nach Westen aufgefahrene Vortrieb daher, dass hier tatsächlich sowohl die originale Sohle als auch Ulm (Boden und Seitenwand) der prähistorischen Kammer verfolgt werden können, wodurch auch schon einige erhaltene Abbauspuren zutage kamen. Wie so oft taucht auch hier die Sohle nach wenigen Metern Vortrieb nach unten ab, die Ulm beschreibt einen Bogen, wodurch sich eine Kammer bildet. Diese Kammer wurde in den letzten Jahren Stück für Stück ergraben, wodurch mehrere Lagen von Rundhölzern sichtbar wurden, die in demselben Winkel, in dem die Sohle abfällt, abgelagert sind. Diese werden nun mitsamt des umgebenden Heidengebirges geborgen, freigelegt und untersucht. Dadurch hoffen wir erklären zu können, wie und warum die Hölzer in diese Ecke der Kammer gelangt sind, ob sie sorgsam dort deponiert, flüchtig hingeworfen oder durch das eindringende Tagmaterial mitgerissen wurden.


Die diesjährige Ausgangssituation im Westend: schräg abfallende Sohle, darauf Heidengebirge und abgelagerte Hölzer.
Foto: Daniel Brandner - NHM Wien

Edlersberg Rutschenfuß – neuer Blickfang für Touristen
Kurze archäologische Betreuung verlangte auch die Fundstelle Edlersberg Rutschenfuß. Wie der Name schon sagt, liegt diese genau am Ende einer der Bergmannsrutschen, die täglich mehrere hundert Touristen auf ihrer Führung durch die Salzwelten Hallstatt passieren. Die eisenzeitliche Fundstelle wurde innerhalb eines Projekts unter Zusammenarbeit des NHM Wien mit dem Bundeskanzleramt, dem Land Oberösterreich, dem Bundesdenkmalamt und der Salinen Austria AG saniert. Nun sind sowohl die eisenzeitlichen Abbauspuren in Form herzförmiger Negative im Salz als auch die darunter liegenden Schichten von Leuchtspänen, die prähistorische Fundstellen für uns erkennbar machen, wieder sichtbar.


Nachreißen des Profils an der eisenzeitlichen Fundstelle Edlersberg. Dadurch wird das Heidengebirge und die Schichtverläufe wieder klar erkennbar.
Foto: Daniel Brandner - NHM Wien

Wie gewöhnlich: außergewöhnliche Funde
Wenn man im Bergwerk von Hallstatt arbeitet, stehen außergewöhnliche Funde beinahe auf der Tagesordnung. Trotz allem ist immer wieder erstaunlich, welch perfekt erhaltene Gegenstände das Heidengebirge, der bronzezeitliche Betriebsabfall, bereithält. Beide Stellen der Abbaukammer im Christian-von-Tusch-Werk, an denen derzeit Vortrieb gemacht wird, sind außerordentlich fundreich. Von den abertausenden Leuchtspänen, aus denen das Heidengebirge besteht und von denen einige wieder genug Jahresringe für eine dendrochronologische Datierung besitzen, sowie den unzähligen gebrochenen Werkzeugen einmal abgesehen, kamen dieses Jahr auch wieder einige spezielle Stücke zum Vorschein.

Die absoluten Highlights darunter sind wohl zwei gut erhaltene Holzkübel. Speziell daran ist vor allem, dass von diesen bisher großteils nur Bruchstücke bekannt waren und nun eine Handvoll kompletter Exemplare vorliegt. Die Böden dieser Kübel weisen im Normalfall eine starke punktuelle Beanspruchung auf, was die Vermutung nahelegt, dass darin die Bronzespitzen für die zum Abbau des Salzes notwendigen Pickel zum Nachschärfen ein- und austransportiert wurden. Dieses Jahr hatten wir auch die Gelegenheit, die noch erhaltenen Trageriemen aus Rohhaut zu beproben, um an der hoffentlich erhaltenen DNA feststellen zu können, wer diesen Kübel in der Bronzezeit zuletzt getragen haben mag. Selbiges gilt für eine vollständig geborgene Kratze, mit der das kleinstückelige Salz zusammenkratzt wurde. Auch ein ganzer, nur an den Spitzen der Zinken, in denen die Pickelspitze geschäftet wurde, gebrochener Pickelstiel kam zutage. Des Weiteren finden sich auch wieder viele Schnüre und geknotete Streifen aus Bast und Gras, Rohhaut, an der die dafür verwendete Tierart bestimmt werden soll, und einige Textilien aus grober oder feiner Wolle.


Bergung einer vollständigen Kratze, eines bronzezeitliches Werkzeugs, mit dem das kleinstückelige Salz zusammengekratzt wurde.
Foto: Daniel Brandner - NHM Wien


Vorsichtige Freilegung eines vollständigen Holzkübels im Nordvortrieb. Direkt darüber ist bereits der nächste zu erkennen.
Foto: Thomas Gatt - NHM Wien

Noch ist die Grabung in vollem Gange, es warten demnach noch viele Funde, Befunde und neue Erkenntnisse auf uns.
(Fiona Poppenwimmer, 26.9.2019)

Fiona Poppenwimmer ist Studentin der Urgeschichte und Historischen Archäologie und seit mehreren Jahren Mitarbeiterin der Hallstatt-Forschung. Besonders beteiligt war sie an Bearbeitung, Dokumentation und Wiederaufbau der bronzezeitlichen Holzstiege aus dem Salzbergwerk Hallstatt. Sie ist für die Redaktion des Stiegenblogs zuständig, mitverantwortlich für Dokumentation und Durchführung der Grabung im Hallstätter Bergwerk und im Virtual-Arch-Projekt angestellt.

Und jährlich grüßt das Salzbergwerk - derStandard.at
 

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#23
Ganz tief in den Stollen hineinbohren: Erkundungsbohrungen im Salzbergwerk Hallstatt
Wie wichtig das richtige Material und die Bohrtechnik auf der Suche nach Salzabbaukammern sind
Wir von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien erforschen im Salzbergwerk Hallstatt riesige bronze- und eisenzeitliche Abbaukammern, die durch Hangrutschungen bereits in der Urgeschichte mit Material von der Oberfläche verfüllt wurden. Dadurch sind keine Hohlräume mehr erhalten, und die Erforschung dieser urgeschichtlichen Bergwerke erfolgt zum überwiegenden Teil mittels Forschungsstollen. Diese werden von Hand mit dem Presslufthammer vorgetrieben und sind die primäre Informationsquelle über das Leben und Arbeiten der prähistorischen Bergleute – insbesondere im Bereich des auf dem Boden der Abbaukammern liegenden prähistorischen Betriebsabfalls. Aufgrund der zahlreichen perfekt konservierten Objekte, die vor über 3.000 Jahren im Bergwerk zurückgelassen wurden, ergeben sich erstaunlich detaillierte Einblicke in Lebens- und Arbeitsweise im Bergwerk sowie auf die Abfolge verschiedener Abbau- beziehungsweise Betriebsphasen.

Die richtige Bohrtechnik
Geht es allerdings darum, gezielt die einstigen Ausmaße der Abbaukammer zu erfassen, wird seit vielen Jahren mit dem Kernbohrgerät gearbeitet. Dabei wird ausgehend von unseren Forschungsstollen eine Bohrung im Füllmaterial der Abbaukammer, oberhalb des prähistorischen Betriebsabfalls, angesetzt. Sie wird so lange fortgesetzt, bis wieder festes Salz, also die Wand oder Decke der Abbaukammer, erreicht wird. Diese Arbeitsweise spart im Gegensatz zum Anlegen eines eigenen Forschungsstollens viel Zeit und liefert auf die Forschungsfrage nach der Ausdehnung der Abbauhallen dasselbe Ergebnis.

Während in der Vergangenheit überwiegend mit großem Bohrgerät auf einer fix verankerten Lafette und 100-Millimeter-Hohlbohrer gearbeitet wurde, entschieden wir uns dieses Jahr, einen kleineren, flexiblen Schlagbohrer mit einem 65-Millimeter-Bohrer einzusetzen. Ziel war es, den Bohrprozess zu beschleunigen und in kurzer Zeit so viele Versuchsbohrungen wie möglich anlegen zu können, um die ursprünglichen Ausmaße der Kammer zu erforschen. Zunächst allerdings musste die Technik erprobt werden. Da mit dieser Methode keine Bohrkerne gezogen, sondern nur das bröselige Sediment ausgewertet wird, das beim Bohren anfällt, mussten wir sichergehen, dass wir unterschiedliches Material beziehungsweise Gesteinsarten auf diese Weise auch unterscheiden und gezielt beproben können. So ging unser erfahrener Bohrist Thomas Ragger bei unseren aktuellen Untersuchungen in der bronzezeitlichen Abbaukammer im Bereich des Christian-von-Tusch-Werks insgesamt zwei Wochen durch alle Höhen und Tiefen dieser Prospektionsmethode.


Thomas Ragger beim Ansetzen einer Prospektionsbohrung.
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Trotz Materialversagens, steckenbleibender Bohrer – er hat sie alle wieder herausbekommen – und immer länger und schwerer werdender Bohrgestänger konnte er die Verwendbarkeit der Technik unter Beweis stellen. Nicht selten stand er den ganzen Abend mit Schweißgerät und Flex in der Werkstatt des Grabungsquartiers, um durch das Anfertigen von Spezialwerkzeugen den Herausforderungen gerecht zu werden. Die Evaluierung der Bohrtechnik als Mittel zur Feststellung der prähistorischen Abbaugrenzen verlief also zufriedenstellend. Verschiedene Materialien der Füllmasse der Abbaukammern wie Lehm, Kalk, Gips und Salz konnten während des Bohrens aufgrund des Verhaltens der Bohrmaschine erfühlt und auch gezielt über das Auffangen des Bohrkleins beprobt werden. Darüber hinaus war die Geschwindigkeit im Vergleich zu den bisher durchgeführten Kernbohrungen ebenfalls überzeugend.


Allabendliche Vorbereitungen für die nächste Bohretappe in der hauseigenen Werkstatt im Hochtal von Hallstatt.
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Salz!
Während bei besten Bedingungen in zwei Wochen acht Meter gebohrt werden konnten, waren es mit der neuen Methode dieses Jahr fast 25 Meter in derselben Zeit, wenn man alle Bohrungen zusammenrechnet. Die Methode funktionierte also, abgesehen von einigen zu erwartenden Startschwierigkeiten, planmäßig, doch nun kam das nächste Problem: An drei äußerst vielversprechenden Bohrstellen sollte laut unserem – auf dem aktuellen Kenntnisstand basierenden – Modell des prähistorischen Hohlraums nach maximal zwei Metern Bohrlänge bereits die Decke der Abbaukammer, "First" genannt, erreicht sein. Doch die Bohrungen standen nach 3,2 Metern immer noch in der Füllmasse aus Lehm und Kalksteinen an, und mit der bestehenden Ausrüstung konnten wir nicht weiter bohren. Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen!


Proben des Bohrkleins aus unterschiedlichen Tiefen des Bohrlochs: Lehm, Haselgebirge, Steinsalz (v. li.).
Foto: D. Brandner – NHM Wien

Nachdem unser Grabungsleiter Hans Reschreiter es geschafft hatte, die Finanzierung zu organisieren, waren die benötigten Verlängerungsmodule für das Bohrgestänge schnell bestellt, und die Arbeiten konnten fortgesetzt werden. Die Investition sollte sich lohnen. Zwei Stunden nachdem wir die Arbeiten am Bohrloch wiederaufgenommen hatten – aufgrund des langen Bohrgestänges mussten mittlerweile zwei Personen an der Maschine stehen –, war es endlich so weit.

Dass wir die Decke der prähistorischen Abbaukammer gefunden hatten, spürten wir allerdings nicht am Verhalten des Bohrgeräts, sondern schmeckten es zuallererst in der Luft. Nachdem wir, schon fast die Hoffnung verlierend, durch weitere eineinhalb Meter Lehm und Kalkstein gebohrt hatten, rieselte schließlich Salz aus dem Bohrloch an der Decke unseres Forschungsstollens. Wir alle lieben Salz, aber selten hat es so gut geschmeckt wie in jenem Moment. Um sicherzugehen, dass es sich tatsächlich um die Decke der Abbaukammer und nicht um eine Salzplatte im Versturzmaterial handelt, verlängerten wir das Bohrloch nochmals um einen Meter, aber es blieb dabei – Salz!


Kurze Pause während der Bohrungen – dort oben muss die Decke der Abbaukammer sein!
Foto: D. Brandner - NHM Wien


Das erste Stück Kernsalz aus der Bohrkrone – die Decke der prähistorischen Abbaukammer ist gefunden!
Foto: H. Reschreiter - NHM Wien

Neue Erkenntnisse
Nach der abschließenden Einmessung des Bohrloches und Einbindung in das 3D-Modell unserer Grabungsstollen kann nun ein weiterer kostbarer Fixpunkt für die Rekonstruktion der Abbaukammer hinzugefügt werden. Und wieder einmal übersteigt die festgestellte Größe der von uns untersuchten Hohlräume unsere Erwartungen. Die Decke der Abbaukammer liegt drei Meter höher als gedacht, was bedeutet, dass die Kammer in diesem Bereich also mindestens zwölf Meter hoch ist.


3D-Modell der Forschungsstollen in der bronzezeitlichen Abbaukammer (Christian-von-Tusch-Werk): Der rekonstruierte Hohlraum ist in Grün dargestellt. Die Bohrung, mit der wir die Decke der Abbaukammer feststellen konnten, ist rot eingezeichnet.
Foto: D. Brandner - NHM Wien

Nach dem erfolgreichen Probelauf werden wir nächstes Jahr die Technik noch verfeinern und weiter nach neuen Erkenntnissen bohren!
(Daniel Brander, 14.11.2019)

Daniel Brander ist Masterstudent der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Innsbruck, seit Jahren Mitglied der Bergwerksgrabung Hallstatt und mitverantwortlich für Dokumentation, Durchführung und Visualisierung der Grabung
.
Ganz tief in den Stollen hineinbohren: Erkundungsbohrungen im Salzbergwerk Hallstatt - derStandard.at
 

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#24
„Archäologie am Berg“ in Hallstatt

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Es ist immer wieder faszinierend, was Archäologen zu Tage fördern und welche Rückschlüsse sie aus den oft nur winzigen Funden auf das Leben in der Hallstattzeit ziehen. Am kommenden Wochenende lädt das Naturhistorische Museum wieder zu Archäologie am Salzberg in Hallstatt.

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Mit der Freilegung von Zähnchen und Schuppen von Tiefseehaifischen im Nationalpark Kalkalpen sorgten die Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien erst vor kurzem für Schlagzeilen. Am kommenden Wochenende stellen sie in der Außenstelle in der Alten Schmiede in Hallstatt die jüngsten Forschungsergebnisse rund um das älteste Salzbergwerk der Welt anschaulich vor.

Blütenstaub belegt nachhaltige Waldwirtschaft
Im Mittelpunkt steht dabei die Lebensweise der Vorfahren und wie sie mit den damals vorhandenen Ressourcen umgegangen sind. Durchaus lehrreich, denn die Althallstätter meisterten die Herausforderungen des Lebens ziemlich krisensicher. So belegt jahrtausendealter Blütenstaub eine nachhaltige Waldwirtschaft. Und bei der großen Sudpfanne kann man sich ganz real ein Bild davon machen, wieviel Energie in einem Kilogramm Holz steckt.

Archäologie zum Mitmachen
Besucher von Archäologie am Berg können unter anderem ausprobieren, ein bronzezeitliches Kleidungsstück herzustellen oder ein Bastseil zu drehen, um sich so in die Lebenswelt vor 3.000 Jahren in Hallstatt hineinzuversetzen. Von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr hat man dazu am Samstag und Sonntag bei freiem Eintritt Gelegenheit.
10.08.2020, red; ooe.ORF.at

Link:
„Archäologie am Berg“ in Hallstatt
 

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#25
Krisenresistent und nachhaltig: Hallstatt in der Bronze- und Eisenzeit
Wie die Hallstatt-Forschung urgeschichtliches Krisen- und Ressourcenmanagement erforscht und was das mit der heutigen Zeit zu tun hat
Oft hört man Fragen wie "Was hat Archäologie eigentlich mit der heutigen Zeit zu tun?" oder "Wozu erforscht ihr das?". Bei oberflächlicher Betrachtung kann man sich diese Fragen durchaus stellen, beantworten lassen sie sich vielleicht am besten mit einem Zitat des Philosophen George Santayana: "Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."

Doch in welchen Lebensbereichen können wir Parallelen zur Vergangenheit ziehen? Bei einigen Themen können wir sogar auf tagesaktuelles Geschehen bestens Bezug nehmen. So geschehen beispielsweise Ende August bei der "Archäologie am Berg", der jährlichen Öffentlichkeitsveranstaltung der Hallstatt-Forschung und der Salzwelten Hallstatt, die dieses Jahr unter dem Motto "Ressourcen, Krisen und Nachhaltigkeit durch die Jahrtausende" unter Einhaltung strenger Sicherheitsmaßnahmen trotz anhaltender Corona-Krise stattfand.

Diese Sicherheitsmaßnahmen bestanden vor allem darin, die aufgebauten Stationen nicht, wie sonst üblich, nahe der Alten Schmiede, der archäologischen Außenstelle des Naturhistorischen Museums Wien, aufzubauen, um große Menschenansammlungen zu vermeiden. Erstmals waren die unterschiedlichen Forschungsrichtungen mit ihrer jeweiligen Vertretung über das ganze Hochtal verteilt, was bei den Besuchenden aber durchaus anzukommen schien. Natürlich waren auch alle Beteiligten mit Desinfektionsmitteln bewaffnet und mit entsprechendem Mund-Nasen-Schutz ausgestattet. Denn wie immer wurde die Veranstaltung natürlich nicht durch die Archäologie allein bestritten, wurde sie doch unter anderem dazu ins Leben gerufen, die weit vernetzte und interdisziplinäre Forschung an der Kulturlandschaft Hallstatts sichtbar zu machen.


In diesem besonderen Jahr waren die Stationen der "Archäologie am Berg" über das gesamte Hochtal Hallstatts verteilt.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Unter Einhaltung strenger Sicherheitsbestimmungen konnten trotz allem an die 2.000 Besucherinnen und Besucher empfangen werden.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Starke Vernetzung
So wurde den Besucherinnen und Besuchern beispielsweise anhand der Textilforschung verdeutlicht, wie zeit-, arbeits- und ressourcenintensiv die Produktion von Kleidungsstücken in der Urgeschichte war und immer noch ist, wobei dieser Aufwand heutzutage den wenigsten Menschen bewusst ist. Mit einem kleinen Spinnkurs, einer Spindel und Schafwolle zum Mitnehmen konnten hier auch Kinder einen Teil dieser händischen Produktionskette kennenlernen.

Am Stand der Holzforschung der Universität für Bodenkultur wurde nicht nur die dendrochronologische Datierungsmethode erläutert, sondern auch, gemeinsam mit der Pollenforschung und der Sedimentologie der Universität Innsbruck, die Nachweise für eine nachhaltige Waldwirtschaft der Hallstätter Bergleute vorgestellt. Für Arbeitsgeräte, wie beispielsweise Fülltröge und Kübel, ist ein bestimmtes Holz einer Stocküberwallung notwendig, welches ein Baum über Jahrzehnte hinweg bildet, wenn er gefällt, aber von den umliegenden Bäumen weiterversorgt wird. Solche Spezialanfertigungen benötigen eine generationenübergreifende Planung in der Forstwirtschaft. Als Hands-on-Vermittlung wurde hier auch gezeigt, wie viel Energie in einem Kilo Holz steckt, wie viel Salz man damit in einer Sudpfanne sieden kann und wie viel das umgerechnet in Handyladungen ergibt.

Vor allem eine prähistorische Gesellschaft die in einer Umwelt, wie dem Hochtal von Hallstatt lebt und arbeitet, Salz abbaut und damit Handel treibt, ist mit unserer heutigen Gesellschaft vielleicht besser zu vergleichen, als man auf den ersten Blick denken mag. Immerhin ist etwas, dass gerade in Zeiten wie der aktuell grassierenden Pandemie global bemängelt wird, das mittlerweile vorherrschende "Just-in-time-Management", die starke Vernetzung geografisch oft weit entfernter Wirtschaftspartner und der damit verbundene, logistische Aufwand und die entsprechend engen Zeitfenster. Sprich: wenn nur ein Glied in der Kette aus Produzentinnen und Produzenten, Transportierenden oder Endverarbeiterinnen und Endverarbeiter ausfällt oder sich verspätet, kann das ganze System ins Wanken geraten.


Den Arbeits- und Ressourcenaufwand der Textilproduktion in der Urgeschichte konnten Klein und Groß selbst erfahren.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Welche Info man aus Sedimentablagerungen in Seen und Mooren ziehen kann, erklärt die Sedimentologie und Palynologie.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Nicht anders erging es den Hallstättern der Bronze- und Eisenzeit. Durch die geografische Lage war eine Selbstversorgung mit Lebensmitteln durch Landwirtschaft nicht möglich. Auch viele, für einen Bergbau dieser Größe in beträchtlichen Mengen notwendigen, Betriebsmittel, wie Bronze und gewisse Holzarten, die in dieser Landschaft einfach nicht vorkommen, mussten von außen angeliefert werden. Im Gegenzug konnten die Hallstätter Bergleute das abgebaute Salz ebenso verhandeln, wie vor Ort verarbeitete Produkte. Denn die Speckproduktion dürfte neben dem Salzbergbau ein wichtiges Standbein gewesen sein, wie uns Befunde von Surbecken und die Knochenauswertungen der Archäozoologie verraten.

Krisenresistente Hallstätter
Daraus ergibt sich hier – umso mehr durch den Mangel an modernen Kommunikationsmöglichkeiten – eine streng getaktete Produktions- und Transportkette, die über weite Strecken funktionieren musste und verlässliche Partnerinnen und Partner erforderte, aber scheinbar gut ineinandergriff und funktionierte. Hätte diese logistische Abfolge grobe Fehler aufgewiesen, müssten an den Skeletten, die wir in den obertägigen Ausgrabungen glücklicherweise zumindest für die eisenzeitliche Besiedelung des Hochtals untersuchen können, massive Mangelerscheinungen sichtbar sein. Die anthropologischen Untersuchungen zeigen allerdings zwar chronische Krankheiten wie Stirn- und Nebenhöhlenentzündungen, aber keine Mangelernährung.

Die Krisenresistenz der Hallstätter Bergleute zeigt sich auch darin, dass die angelegten Abbaukammern zwar immer wieder durch Oberflächenbewegungen verschüttet, der Bergbau jedoch trotzdem stets wieder aufgefahren und weiter betrieben wurde. Offensichtlich war das Netzwerk um Hallstatt also stabil genug, solche einschneidenden Rückschläge abzufedern und auch nach diesen Unterbrechungen den Betrieb wieder aufzunehmen und weiterzuführen.


Besucherinnen und Besucher konnten ausprobieren, wie viel Energie ein Kilo Holz zum Salzsieden liefert.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Nicht nur die vielen verschiedenen Forschungsdisziplinen, vor allem auch engagierte Einzelpersonen sorgen für die Vielfalt der Hallstatt-Forschung und deren Ergebnisse.
Foto: C. Fasching - NHM Wien

Je mehr also über urgeschichtliche Gesellschaften bekannt wird, desto eindeutiger werden die Parallelen als auch die Unterschiede zu unserer modernen Lebensform. Hallstatt ist einerseits durch seine 7.000-jährige Kulturgeschichte, andererseits durch seine einzigartige Funderhaltung und das dadurch entsprechend breite Spektrum an Alltagsgegenständen prädestiniert für diese Vergleiche. Doch all dies wäre nicht möglich, wenn nicht die unzähligen Disziplinen, Forschungseinrichtungen und nicht zuletzt engagierte und motivierte Einzelpersonen die Hallstatt-Forschung zu einem ganz besonderen Gesamtwerk machen würden und immer neue Aspekte entdecken würden, die es zu erforschen gilt. An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön für diese Zusammenarbeit!
(Fiona Poppenwimmer, Hans Reschreiter, 1.10.2020)

Fiona Poppenwimmer ist als Archäologin seit 2013 Mitarbeiterin der Hallstattforschung. Beteiligt an Bearbeitung, Dokumentation und Wiederaufbau der bronzezeitlichen Holzstiege ist sie auch heute noch für die Redaktion des Stiegenblogs zuständig, war mitverantwortlich für Dokumentation und Durchführung der Grabungen im Hallstätter Bergwerk und des Projektes VirtualArch. Seit 2019 ist sie auch im Kuratorium Pfahlbauten für Öffentlichkeitsarbeit, PR, Projektkoordination und -entwicklung des Unesco-Welterbes Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen in Österreich beschäftigt.
Hans Reschreiter ist Archäologe und arbeitet in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. Er leitet die archäologischen Ausgrabungen im Salzbergwerk von Hallstatt. Seine Forschungsschwerpunkte sind prähistorische Salzproduktion, prähistorisches Handwerk, experimentelle Archäologie und Ethnoarchäologie.

Krisenresistent und nachhaltig: Hallstatt in der Bronze- und Eisenzeit - derStandard.at
 

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#26
Hallstatt 3-D-gescannt
Geschichte wird „begehbar“
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Globalisierung, Migration, sich wandelnde Geschlechterrollen: alles nicht neu, alles schon dagewesen – zum Beispiel in der Hallstattzeit. Durch 3-D-Scanner und virtuelle Realität wurden in den letzten Jahrzehnten Quantensprünge gemacht, in der archäologischen Forschung und in der Vermittlung von Wissen, das die Gegenwart durch den Blickwinkel der fernen Vergangenheit in ein neues Licht rücken soll.

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Seit rund 7.000 Jahren wird in Hallstatt Salz abgebaut. Die Spuren der prähistorischen Bergleute finden sich noch überall, konserviert im Inneren des Salzberges und im Schlamm des Hallstätter Sees. Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums in Wien machen in Zusammenarbeit mit Multimediaprofis das Leben der Vorfahren sichtbar und interaktiv erlebbar.

Seit 1997 ist Hallstatt Weltkulturerbe und zieht, wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht, jährlich Millionen Besucherinnen und Besucher an. Grund für den Welterbestatus ist aber nicht die malerische Seekulisse, es sind die vom Salz konservierten organischen Spuren des frühen Salzabbaus. Kindermützen, Werkzeug, Essensreste und Handschuhe, die nach einem langen Arbeitstag im Stollen weggeworfen wurden – jedes Fundstück ist ein Puzzleteil, um das Leben der bronze- und eisenzeitlichen Hallstätter Bergleute zu einem detaillierten Bild zusammenzusetzen.



Hologramme im Stollen
Hallstatt ist ein Welterbe, das von außen unsichtbar ist. Daher arbeiten die archäologischen Teams unter der Leitung von Hans Reschreiter schon seit Jahren an Konzepten, die das Bergwerk virtuell erlebbar machen sollen: „Erst durch die Visualisierung kann das Erbe verstanden und in seiner Einmaligkeit vermittelt werden“, so Reschreiter. 3-D-Scans sind in der Wissenschaft und in der kulturgeschichtlichen Archivierung seit dem Ende der 90er Jahre zunehmend gebräuchlich.

Einen Wendepunkt markierte der 3-D-Scan des David von Michelangelo im Jahr 2000. Seither wurden international Hunderttausende Artefakte und Kunstgegenstände gescannt, es entstanden zahllose virtuelle Museen und virtuelle Rundgänge durch historische Stätten und Lebenswelten. Einhergehend mit dieser Evolution der Medientechnologie wurde auch das Angebot in Hallstatt Stück für Stück erweitert. Zu einfachen Zeichnungen und Illustrationen – den „Lebensbildern“ – kamen in den letzten Jahren Projektionen, Virtual Reality, Hologramme und 3-D-Animationen wie die weiter unten gezeigte.

NHM
In der Kinderbuchästhetik des 19. Jahrhunderts wurde in Zeiten vor der Virtualisierung mit „Lebensbildern“ das prähistorische Leben rekonstruiert – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen

Dreidimensionales Stollensystem
Unter dem Motto „Making the invisible visible“ wurden im Rahmen des EU-Projekts VirtualArch Möglichkeiten erdacht, das enorm verzweigte und insgesamt 4.000 Meter lange Stollensystem digital zu visualisieren. In einem aufwendigen Prozess, der 2014 startete, wurden mehrere Kilometer Stollen mit einem Spezialscanner abgetastet. Die Fundstellen wurden mit insgesamt 56.000 Einzelbildern abfotografiert und mit einer Textur versehen.

Das Resultat: eine dreidimensionale Abbildung des Stollensystems, durch das User sich durchklicken und so seine Struktur und Dimension verstehen können. So wird Geschichte auch für Laien „begehbar“ und dadurch greifbar. Der Archäologe Daniel Brandner hat die 3-D-Simulation erstellt. Er erklärt: „Dreidimensionale Dokumentation ist nicht nur eine wichtige Grundlage für die Erforschung, sondern hier können sich alle Interessierten vertiefen und zum Beispiel die originalen Abbauspuren digital erkunden.“

ORF
Die Realität der Bronzezeit virtuell in Szene setzen: Links Andreas Scheucher, Medienregisseur; rechts Hans Reschreiter, Archäologe des NHM

3-D-Animation zum Durchklicken
Man braucht ein wenig Geduld, um im 3-D-Modell zu navigieren, und darf keine Grafik in aktueller Computerspielqualität erwarten – aber wer sich etwas Zeit nimmt, bekommt nach und nach einen Eindruck, wie es gewesen sein muss, in einem bronzezeitlichen Bergwerk gearbeitet zu haben. Mit der Maus dreht man sich, mit Shift plus Maus geht es hoch und nieder bzw. links und rechts im Modell (das muss man ein wenig üben), mit Strg plus Maus bewegt man sich vorwärts und rückwärts, markierte Punkte kann man für nähere Informationen anklicken:.

Bronzezeitliches Salzbergwerk Hallstatt by d_brandner on Sketchfab

Gigantische Abbauhallen
Dieselben Daten wurden verwendet, um in virtueller Realität die Umgebung einer prähistorischen Abbauhalle umzusetzen. Diese Abbauhallen waren vor allem in der Bronzezeit, also vor rund 3.000 Jahren, von gigantischer Größe: bis zu 300 Meter lang und 20 Meter hoch. Sie sind zum Großteil verschüttet, und es wäre unmöglich, sie vollständig auszugraben. Die Daten erlauben es, ein Raumgefühl für die Dimension der Bergwerke jener Zeit zu bekommen.

Der Hallstätter Salzabbau war ein industrieller Großbetrieb, der enorme Man- und Womanpower, Infrastruktur und eine straffe Organisation erforderte. Durch die VR-Brille findet sich der User im Zentrum einer gewaltigen Abbauhalle wieder, kann den prähistorischen Bergleuten bei der Arbeit zusehen und sich durch den riesigen Raum im Inneren des Berges klicken. Arbeitsabläufe, Werkzeuge und Kleidung werden lebensecht dargestellt – das dient nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch als Trainingstool für Nachwuchsarchäologinnen.

Scenomedia/NHM
Frauen, Männer und Kinder arbeiteten im Salzbergwerk

Mächtige Frauen
Nicht nur der Salzberg birgt Tausende Hinweise auf das Zusammenleben einer eingeschworenen Gemeinschaft am Berg, sondern auch das berühmte Hallstätter Gräberfeld. Es liegt im Hochtal, ein paar hundert Meter vom Stolleneingang entfernt. Grabbeigaben wie Schmuck aus Italien und Elfenbein aus Nordafrika erzählen abenteuerliche Geschichten – von einer vernetzten Gesellschaft, die sich durch einen weit verzweigten Salzhandel Wohlstand erarbeitete. Ihr Markenzeichen, die „Salzherzen“, waren in ganz Europa bekannt und begehrt.

Die Gräber erzählen auch von einer Gesellschaft, in der Frauen mächtige Positionen innehatten und wirtschaftliche Beziehungen in ganz Mitteleuropa pflegten. Die aber auch, genauso wie Kinder, unter Tag anpackten und harte Arbeit leisteten. Die Mär von Frauen, die im Bergwerk Unglück bringen, dürfte es damals offenbar noch nicht gegeben haben. Biologistische Argumentationen, die noch heute eine ungleiche Stellung von Mann und Frau historisch rechtfertigen sollen, gehen ins Leere, wie man daran sieht.

Bergleute als Projektion
Um diese gesellschaftliche Vielfalt in all ihren Facetten abzubilden, wurde im Schaubergwerk ein archäologisches Fundstück, das in der Fach-Community als Sensation gilt, mit moderner Technologie verwoben und zur „Projektionsfläche“ gemacht: die älteste Holzstiege Europas, die 2002 vollständig erhalten vom archäologischen Team rund um Reschreiter gefunden wurde. Um dieses statische Fundstück mit Leben zu füllen, wurde es im Stollen vor einer durchsichtigen Leinwand platziert. Auf diese werden animierte Darstellungen der Bergleute projiziert.

Die Stiege bekommt so ihre ursprüngliche Funktion wieder: Menschen gehen über sie auf und ab – Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Kleidung, Haartracht und Stil der prähistorischen Bergleute in der Projektion entsprechen dem aktuellsten wissenschaftlichen Stand. Andreas Scheucher ist Medienregisseur und Gestalter der Stiegenprojektion: „Mit virtueller Realität wissenschaftliche Ergebnisse rüberzubringen und das Publikum dafür zu begeistern, das ist sicher ein Weg der Zukunft.“

Text: Leonie Markovics und Caroline Haidacher, beide ORF TV Wissenschaft. Video: Leonie Markovics. Bearbeitung: Simon 27.10.2020, Hadler, ORF.at.

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Hallstatt 3-D-gescannt: Geschichte wird „begehbar“
 

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#27
Fortsetzung der 2016 begonnenen Bohrungen im Hallstättersee:

Tiefbohrung lässt 11.500 Jahre zurückblicken
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Mit einer Bohrplattform sind Forscherinnen und Forscher in bisher unerreichte Tiefen der Ablagerungen auf dem Grund des Hallstätter Sees (OÖ) vorgedrungen. In den vergangenen Wochen konnten sie in über 100 Meter Wassertiefe 51 Meter in den Seegrund bohren und einen ebenso langen Bohrkern bergen.
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Das ermögliche ihnen eine Zeitreise von 11.500 Jahren zurück in die Klima-, Umwelt- und Kulturgeschichte rund um den Hallstätter Salzberg.

Klima- und Ökologiearchiv
Seit 7.000 Jahren wird in Hallstatt Salz gewonnen – entsprechend reich sind die archäologischen Funde. Die Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien forscht dort seit mehr als 100 Jahren, u.a. mit Grabungskampagnen im Bergwerk selbst, wo sich Spuren prähistorischer Bergwerke finden, die bis 1600 v. Chr. zurückreichen, und im Hochtal mit seinem Gräberfeld aus der älteren Eisenzeit. In den vergangenen Jahren widmen sie sich verstärkt der Erforschung des Wirtschaftsraums sowie der Klima- und Umweltgeschichte der Region.
Dazu wurden seit 2011 auch mehrmals Bohrungen im Hallstätter See durchgeführt, stellen doch die Schicht für Schicht abgelagerten Sedimente ein Archiv vergangener klimatischer und ökologischer Bedingungen dar und dokumentieren die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt sowie Naturereignisse. Bei der bisher tiefsten derartigen Bohrung kam man rund 16 Meter in den Seegrund, „und wir dachten, dass wir damit relativ sicher in der Jungsteinzeit sind. Aber der Hallstätter See hat derart hohe Sedimentationsraten, dass man sehr viel tiefer gehen muss“, erklärte Kerstin Kowarik von der Prähistorischen Abteilung des NHM. Tatsächlich reicht der 16-Meter-Kern „nur“ rund 2.350 Jahre zurück.

Rekordtiefe von 51 Metern erreicht
Den Forscherinnen und Forschern bot sich nun aber eine einzigartige Gelegenheit: Weil man mit herkömmlichen Geräten und zu leistbaren Kosten bisher nur maximal 20 bis 30 Meter in Seesedimente vordringen konnte, beauftragte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die oberösterreichische Firma Uwitec mit der Entwicklung einer entsprechenden Bohrvorrichtung, so Michael Strasser vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Das Ergebnis ist die neuartige Bohrplattform „Hipercorig“, die von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie betrieben wird.
UIBK, Julia Rechenmacher
Bohrkerne fertig zum Transport

Nach ersten Tests am Mondsee und Bodensee kommt sie nun im interdisziplinären, von Strasser geleiteten Projekt „Hipercorig-Hallstatt-History“ zum Einsatz, das am Dienstag in Hallstatt anlässlich des ersten „Österreichischen Welterbetags“ präsentiert wurde. Seit Mitte April arbeiten die Forscher am See und „wir haben jetzt schon die Rekordtiefe von 51 Metern erreicht. Derzeit schaut alles danach aus, dass wir damit in der ausgehenden Eiszeit sind, als die Gletscher begonnen haben abzuschmelzen“, erkläre Kowarik.
Konkret bedeutet das, dass die Forscher anhand der Bohrkerne mehr als 11.500 Jahre in der Geschichte zurückblicken können, wobei die exakte Datierung noch durch genauere Analysen abgesichert werden muss.

Bohrkerne müssen kühl gelagert werden
In den vergangenen Wochen wurden zwei Bohrungen durchgeführt, um „eine sehr gute, lückenlose Sequenz der Sedimente zu bekommen“, so Kowarik. Ergebnis sind zwei Bohrkerne mit 43 und mit 51 Metern. In den nächsten Tagen ist noch eine dritte Bohrung geplant, mit der die Forscherinnen und Forscher die Grenzen des neuen Bohrgeräts ausloten wollen.

Die Bohrkerne werden laufend an die Uni Innsbruck transportiert und müssen bei Temperaturen von vier bis acht Grad Celsius gelagert werden. Nach ersten Messungen noch in der Ummantelung werden sie im Herbst geöffnet und erste Proben entnommen.
Aus den Proben der Seesidemente lassen sich wichtige Informationen über die Temperaturentwicklung der Vergangenheit, Niederschlagsmengen, Hochwasserereignisse, aber auch über die Pflanzenwelt rund um den See sowie Bergstürze und Murenabgänge, über die Eingriffe der Menschen in die Natur sowie ihre Lebensbedingungen ablesen. Denn Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten und Mikroorganismen, Gesteine und viele andere Materialien werden über Luft und Wasser in Seen eingetragen. Selbst die DNA von Nutztieren wie Kühen oder Schafen, die beispielsweise über Fäkalien in den See gelangt, lässt sich nachweisen.

Gute Datenlage zeigt Mensch-Umwelt-Entwicklung
Kowarik interessiert sich speziell für die Zeit ab der Jungsteinzeit: „Im Hochtal haben wir schon 5.000 Jahre v. Chr. Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen und Salzbergbau, da gibt es eine relativ gute Indizienlage, die wir mit den Daten aus den Bohrkernen untermauern wollen.“ So haben die Wissenschaftler erst kürzlich anhand von Bohrungen in einem Moor über dem Hochtal nachgewiesen, dass ab 4300 v. Chr. bis heute eine ständige menschliche Präsenz vorhanden war. „Die zeitliche Auflösung dieser Bohrung im Moor ist allerdings nicht so hoch wie jene des Sees, wo wir sehen können, was sich in Dekaden, oder unter Umständen sogar jährlich verändert“, erklärte die Ur- und Frühhistorikerin.

APA/NHM WIEN/D.BRANDNER
Die Bohrplattform am Hallstätter See

Angesichts einer „unglaublich guten Datenlage“ durch die Archäologie, historische Dokumente und Forschung sowie Umweltarchive wie die Sedimente sieht Kowarik Hallstatt und seine Umgebung als „Modellregion, wo wir uns anschauen können, wie das Wechselspiel zwischen Mensch und seiner Umwelt im sensiblen Alpenraum funktioniert, wie das Ökosystem darauf reagiert und wie der Mensch auf Umweltereignisse reagiert“. Daraus könne man sehr viel für die Zukunft lernen, die Ko-Evolution Mensch-Umwelt besser verstehen, analysieren welche Prozesse sich gegenseitig besonders stark beeinflussen und vielleicht auch zu negativen Entwicklungen führen, spannt Kowarik zu Bogen zum heutigen Klimawandel.

Fingerabdruck extermer Wetterereignisse
Aus Sicht des Geologen Strasser bietet der Hallstätter See aufgrund seiner so hohen Sedimentationsraten „ein fantastisches Archiv im Inneren der Alpen“ für Klimageschichte und Naturgefahren. So hat der Wissenschaftler im Vorjahr jedem historisch dokumentierten Hochwasser der vergangenen 150 Jahre an diesem See die entsprechende Sedimentschicht in bereits vorhandenen Bohrkernen zuordnen können.
„Diesen Fingerabdruck von meteorologischen Extremereignissen im Sediment werden wir nun auf die ganzen 50 Meter des neuen Bohrkerns anwenden“, sagte Strasser, der in dem Projekt neben den österreichischen Forschern auch mit Kollegen des Geoforschungszentrums Potsdam und der Uni Bern kooperiert.
18.05.2021, red, science.ORF.at/Agenturen
Tiefbohrung lässt 11.500 Jahre zurückblicken
 

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#28
Hallstatt-Menü:
Blutwurst, Bier und Käse schon vor 2.700 Jahren
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Im prähistorischen Salzbergwerk Hallstatt wurden Hinweise auf den Verzehr von Blutwurst, Bier und Blauschimmelkäse gefunden. Bestimmte Hefepilze in den Exkrementen einstiger Bergleute lassen darauf schließen, dass diese Lebensmittel dort schon vor rund 2.700 Jahren bekannt waren.
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Der hohe Salzgehalt und die konstanten Temperaturen von acht Grad Celsius in den schon vor Jahrtausenden genutzten Stollen lässt dort organisches Material die Epochen überstehen, das an anderen Orten schon längst vollständig zersetzt wäre. Das gilt auch für die Überbleibsel der Notdurft, die die Bergleute vor langer Zeit dort hinterlassen haben.

Ein Team vom Bozner Forschungszentrum „Eurac Research“ und dem Naturhistorischen Museum (NHM) Wien, sowie weitere Forscher aus Italien und den USA hat nun historischen Hinterlassenschaften aus der Bronze- bis in die Barockzeit mit modernen molekularbiologischen Methoden unter die Lupe genommen. „Die Exemplare, die wir untersucht haben, sind nahezu perfekt konserviert – sie enthalten noch menschliche DNA, zudem DNA von Darmbakterien, sowie auch noch Proteine und Teile der gegessenen Nahrung“, so der Mikrobiologe Frank Maixner von Eurac Research zu der nun im Fachblatt „Current Biology“ erschienenen Studie.

Anwora/NHMW
2600 Jahre alte Exkremente aus Hallstatt

Dabei eröffneten sich für die Wissenschaftler um Kerstin Kowarik von der Prähistorischen Abteilung des NHM überraschende Einsichten: In einer Probe aus der Eisenzeit wurden nämlich größere Mengen zweier Pilzarten namens Penicillium roqueforti und Saccharomyces cerevisiae nachgewiesen, wie es am Mittwoch in einer Aussendung des NHM heißt. Diese werden für die Veredelung und Fermentierung von Lebensmitteln verwendet. In diesem Fall deute alles auf Blauschimmelkäse und Bier hin.

Gezielte Verwendung
„Besonders spannend ist, dass wir aufgrund unserer Analysen klare Hinweise darauf haben, dass diese spezifischen Hefepilzvarianten nicht nur aus Zufall verwendet, sondern gezielt für die Bierherstellung gezüchtet und eingesetzt worden waren“, sagte Maixner. Darüber hinaus dürfte auch ein größtenteils aus Rinderblut bestehendes Lebensmittel verzehrt worden sein, das die Wissenschaftler als eine Art eisenzeitliche Blutwurst interpretieren.

„Es wird immer deutlicher, dass die prähistorischen kulinarischen Praktiken nicht nur hoch entwickelt waren, sondern dass auch komplex verarbeitete Lebensmittel sowie die Technik der Fermentation eine herausragende Rolle in unserer frühen Ernährungsgeschichte gespielt haben“, so Kowarik. Spezialprodukte oder Lebensmittelverfeinerung durch Fermentation waren demnach schon vor nahezu 3.000 Jahren im heutigen Salzkammergut offenbar verbreitet. Das verändere auch die Sichtweise auf vergangene Zeiten.

Mikrobiom wie Ötzi
In der Rückschau entpuppte sich die Ernährung der einstigen Bergleute als stark faserhaltig und kohlenhydratreich. Ergänzt wurde sie durch Eiweiße aus Bohnen und seltener durch Früchte, Nüsse oder tierische Nahrung, so die Wissenschaftler, die auch die Besiedelung des Darms mit Bakterien über die Zeit hinweg analysierten.

Dabei wurde klar, dass das Darmmikrobiom in der jüngsten, aber immerhin rund 300 Jahre alten Probe aus dem Salzbergwerk jenem der über 5.000 Jahre alten Gletschermumie Ötzi erstaunlich ähnlich war. Den Darminhalt des Eismannes haben Maixner und Kollegen schon in früheren Untersuchungen analysiert. „Wenn Menschen vor 300 Jahren noch ein Mikrobiom wie ihre Vorfahren vor tausenden Jahren in sich trugen, würde das bedeuten, dass es hier in relativ kurzer Zeit zu großen Veränderungen kam“, so Maixner, schaut doch die Zusammensetzung der Mikroben in der Industriegesellschaft anders aus.
13.10.2021, red, science.ORF.at/Agenturen

Blutwurst, Bier und Käse schon vor 2.700 Jahren
 

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#29
Hallstatt-Dachstein-Region: Wie man ein Welterbe greifbar macht
Das älteste Salzbergwerk der Welt zeigt, wie eine über Generationen andauernde Nachhaltigkeit funktioniert
Wie wichtig es ist, Anrainer und Anrainerinnen in die Erhaltung der Welterbestätten einzubeziehen, beschreiben die Archäologen Johann Rudorfer, Kerstin Kowarik und Hans Reschreiter im Gastblog.
Seit 1997, also seit 25 Jahren, wird die Hallstatt-Dachstein-Region als Unesco-Welterbe geführt. Sie war damals eine der Ersten, die in Österreich diesen Rang erhielten. Daraus geht klar hervor, wie wertgeschätzt das Gebiet rund um den Hallstätter See mit den Gemeinden Obertraun, Bad Goisern, Gosau und Hallstatt wird. Millionen Besucher aus dem In- und Ausland besuchen jährlich diese Region – sei es aus Liebe zu der hervorstechend schönen Landschaft, Interesse an teils jahrtausendealten Kulturgütern oder einfach aus Sympathie den Einheimischen, mit ihren noch immer gepflegten Bräuchen und Sitten, gegenüber.


Wie man an der Kartierung prähistorischer und römischer Fundorte sieht, kann die Welterberegion als archäologischer Hotspot bezeichnet werden. Die Fundstellendaten wurden im Rahmen des Hallimpact-Projekts erhoben.
Grafik: Kerstin Kowarik, Finanzierung ÖAW, Datenquellen: Land Oberösterreich, Image (c) 2022 Salzburg AG / Wenger Oehn, Geoimage Austria, Maxar Technologies, Datenverarbeitung: Julia Klammer, Grafik: Johann Rudorfer (NHM)

Wertschätzung von den Bewohnern
Doch schon seit langem beweisen auch die Einwohner des Salzkammerguts selbst ihre Wertschätzung gegenüber der Region. Stolz auf ihren Lebensraum, der auch oft mit Mühsal verbunden ist, entwickelten sie eine frühe Eigenständigkeit und konnten so selbst zur positiven Entwicklung der gesamten Region beitragen.

Als einer von diesen kann der in Hallstatt geborene Johann Georg Ramsauer bezeichnet werden, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Hallstätter Salzbergbau als Bergmeister, also Leiter des direkt der Hofkammer in Wien unterstehenden Betriebes, arbeitete. In dieser Funktion trug er zu der wirtschaftlichen Entwicklung des inneren Salzkammerguts bei. Daneben weckten antike Funde sein Interesse, die immer wieder am Salzberg, westlich und rund 300 Höhenmeter oberhalb des Ortskerns von Hallstatt gelegen, hervortraten.

In einer Zeit, als sich das wissenschaftliche Fach der Archäologie erst zu etablieren begann, wo vorrangig in antiken Orten des Mittelmeerraums nach den Hinterlassenschaften der bereits bekannten Hochkulturen gesucht wurde, begann er damit, Ausgrabungen im zentralen Mitteleuropa, auf einem der bedeutendsten urgeschichtlichen Friedhöfe, durchzuführen. Wo man andernorts meist gezielt auf Schätze aus war und oft die Zusammenhänge der aufgedeckten Gegenstände vernachlässigte, führte er seine Ausgrabungsarbeiten sehr systematisch durch. Akribisch ließ er das von ihm und seinen Arbeitern im Boden Angetroffene dokumentieren und trug damit zur fachlichen Entwicklung der Archäologie bei. Zudem strich er die Bedeutung des Fundorts hervor, die dazu führte, dass eine ganze Kulturepoche nach dem kleinen Ort Hallstatt benannt wurde.


Beispiel für die Dokumentation Ramsauers.
Foto: NHM

Erforschung des Salzkammerguts
Doch trotz alledem standen die Funde im Vordergrund, und wie das Salz aus dem Berg dem Kaiser gehörte, so gehörten ihm ebenso die am Berg ausgegrabenen Fundstücke. Da ohnehin das Salzkammergut zu einer der Lieblingsdestinationen der kaiserlichen Familie und in weiterer Folge des gesamten Adels und des Großbürgertums wurde, gewannen auch die antiken Ausgrabungsstätten an Beliebtheit.

Da verwundert es nicht, dass die Funde vorrangig in die 1889 beziehungsweise 1891 eröffneten k. u. k. Hofmuseen, das heutige Naturhistorische und Kunsthistorische Museum, nach Wien gelangten. Seit damals beschäftigen sich Wissenschafter und Wissenschafterinnen mit ihnen und versuchen die Kulturen, die hinter diesen materiellen Hinterlassenschaften stehen, zu verstehen und für alle greifbar zu machen. Seit damals also tragen Menschen aus anderen Regionen Österreichs, ja der ganzen Welt zur kulturellen Erforschung des Salzkammerguts bei.

Prähistorische Bergwerke
Dies geschieht aus Anerkennung für das bedeutende Material und die unglaublichen Leistungen, welche die Menschen dahinter vollbrachten. Denn so lag das Salz in prähistorischer Zeit nicht wie heute im Winter auf der Straße, sondern konnte nur durch ausgeklügelte Arbeitsmethoden und ein nachhaltiges Wirtschaften mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen als Grundlage für den wirtschaftlichen Reichtum der gesamten Region dienen. Das älteste Salzbergwerk der Welt zeigt, wie eine über Generationen andauernde Nachhaltigkeit funktioniert. Etwas, was in heutiger Zeit nicht genug wertgeschätzt werden kann.

Die perfekt erhaltenen Reste der prähistorischen Bergwerke liegen in über hundert Metern Tiefe im Salzberg "versteckt". Die Erforschung dieser einzigartigen Bergbauten erfolgt eingebettet in die Kooperation aus Naturhistorischem Museum Wien mit der Salinen Austria AG und den Salzwelten. Gemeinsam wird auch die Vermittlung dieses beinahe unsichtbaren Weltkulturerbes vorangetrieben. Sowohl die Funde als auch die Grabungsstollen können virtuell besucht werden.


Das virtuell aufbereitete Stollensystem in Hallstatt.
Foto: Daniel Brandner (NHM)

3D-Modell eines Bronzepickels, der zum Salzabbau diente.
Foto: NHM

Eine Wertschätzung der jahrtausendealten Geschichte, die sich bis in die Gegenwart erstreckt, denn die Siedlerinnen und Siedler dieser Landschaft hatten es nie einfach. Klima- und Umwelteinflüsse machen es den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Welterberegion bis heute schwer, sich hier zu behaupten. Auch diese Veränderungen werden als Teil der archäologischen Tätigkeiten des NHM erforscht. Kernbohrungen in Seen und Mooren tragen dazu bei, die Siedlungsgeschichte und -intensität rund um den Hallstätter See zu begreifen, und geben darüber hinaus Auskunft über die klimatischen Veränderungen seit der Eiszeit.


Bohrplattform am Grafenbergsee.
Foto: Daniel Brandner (NHM)

Seen als Archive
Seen stellen wichtige Archive dar und liefern eine Fülle an Informationen über vergangene Umweltbedingungen. Im Rahmen der umweltarchäologischen Forschungen wurde der Hallstätter See durch das Hipercorig-Projekt – in über 100 Metern Wassertiefe werden Sedimentbohrkerne von mindestens 40 Metern Länge entnommen – beprobt, und gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut fand im Rahmen der Groundcheck-Initiative die Beprobung des Grafenbergsees auf dem Dachsteinplateau statt.

Zwar lassen sich viele Gefahren mittlerweile langfristig vermeiden. Dazu gehört aber ein Verständnis für die Natur und Kultur ebenso wie für die Menschen. Das Bewahren von Naturraum soll sich ebenso wenig gegen die Menschen richten wie das Bewahren des kulturellen Erbes. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen eine lebenswerte Region vorfinden, denn ohne sie kann kein Welterbe bestehen bleiben.


Hipercoring-Projekt: Tiefbohrung in 120 Metern Wassertiefe.
Foto: Daniel Brandner (NHM)

Nichts verhindern, aber einbeziehen
So wollen auch wir Archäologinnen und Archäologen keine relevanten Bauvorhaben verhindern, aber dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was relevant ist. Nicht der kurzfristige Profit darf hier im Vordergrund stehen. Nirgendwo – und schon gar nicht in einem Gebiet mit einer derartigen Geschichte und einer (noch) reichhaltigen Natur. Sind Veränderungen daran unumgänglich, so können wir, frühzeitig in die Planung einbezogen, dafür sorgen, dass nichts im Boden ungesehen bleibt, bevor es unwiederbringlich verschwindet. So erweitern wir bewusst unser Tätigkeitsfeld vom Salzberg und aus den prähistorischen Stollen heraus ins Tal, um auch hier unsere Kenntnisse für die Bewohnerinnen und Bewohner einzusetzen.

Dies zeigt sich bereits in wichtigen Bauvorhaben, die in den letzten Jahren zur Sicherheit der Einwohnerinnen und Einwohner beigetragen haben. Hier konnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums dafür sorgen, Kulturgüter fachgerecht zu sichten, zu dokumentieren und zu bergen. Diese als "Baubegleitung" bezeichneten Maßnahmen führen dazu, dass wir neue wissenschaftliche Erkenntnisse erlangen, Bauarbeiten fristgerecht erledigt werden und somit die Bevölkerung langanhaltend vor Naturkatastrophen geschützt werden kann. Das NHM trägt so aktiv zu der Erhaltung des Welterbes bei und gliedert sich in die Reihe unterschiedlicher regionaler und überregionaler Institutionen ein.


Baubegleitung am Hallstätter Salzberg.
Foto: Johann Rudorfer (NHM)

Somit dienen wir nicht nur dem Kulturschutz, sondern ebenfalls der Lebensgrundlage der heutigen Bevölkerung. Denn diese liegt im Tourismus. Stolz wie eh und je sollen die Einwohnerinnen und Einwohner der Welterberegion Hallstatt-Dachstein auch zukünftig ihr Erbe all jenen präsentieren können, die diesen nachhaltigen Umgang damit wertschätzen, indem sie diese Gegend zur Erholungs-, aber auch zur Wissenserweiterung aufsuchen.
(Johann Rudorfer, Kerstin Kowarik, Hans Reschreiter, 7.4.2022)

Johann Rudorfer ist Archäologe in der Außenstelle der Prähistorischen Abteilung des NHM in Hallstatt und dortiger Leiter der obertägigen Forschungs- und Rettungsgrabungen.
Kerstin Kowarik ist Umweltarchäologin und erforscht die Mensch-Umwelt-Beziehung über die letzten Jahrtausende im Alpenraum und speziell im Umfeld der Hallstätter Salzbergwerke.
Hans Reschreiter ist Archäologe und hat sich auf die Erforschung und Vermittlung der prähistorischen Salzbergwerke Hallstatts spezialisiert.


Veranstaltungshinweis: Am 18. April findet der 2. Österreichische Welterbetag ab 14 Uhr im Strandbad Bad Goisern statt. Vereine und Firmen aus der gesamten Region zeigen ihre Beiträge zur Erhaltung des Welterbes "Hallstatt-Dachstein". Auch Archäologinnen und Archäologen vom Naturhistorischen Museum Wien sind dabei. Zusätzlich stellen sich zwei andere Welterbe-Regionen Oberösterreichs, der "Donaulimes" sowie die "Prähistorischen Pfahlbauten", vor.
Hallstatt-Dachstein-Region: Wie man ein Welterbe greifbar macht
 

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#30
Sommer, Sonne, Salz und Archäologie
Im Sommer finden Untersuchungen im Bereich des eisenzeitlichen Gräberfeldes in Hallstatt statt. Dabei geht es um viel mehr als nur Bestattungen
Johann Rudorfer berichtet von ausgegrabenen Objekten, verschütteten Holzkonstruktionen und unbekannten "Schriftzeichen":
Jedes Jahr führen die Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien in Kooperation mit den Salzwelten und den Salinen Austria ihre wissenschaftlichen Untersuchungen in Hallstatt durch. Es ist nun gut zehn Jahre her, dass in dem aktuell untersuchten Grabungsbereich hallstattzeitliche Gräber aufgedeckt wurden und dadurch die Ausdehnung des bis dahin bekannten Friedhofareals erweitert werden konnte. Damals kam unter anderem ein vermutlich rituell gebrauchtes Schöpfgefäß zum Vorschein, das dem Grab einer sozial hochstehenden Frau beigegeben wurde.


Kuh-Kälbchen-Gefäß aus dem Grab einer bedeutenden Frau.
Foto: NHM-Wien

Schichten der Geschichte
Unterhalb der bisher gefundenen Grablegungen, die in der Zeit um 500 v. Chr. erfolgten, konnten weitere Strukturen erkannt werden, die es notwendig machten, noch weiter in die Vergangenheit vorzudringen. Zunächst traten uns die Überreste einer mächtigen Massebewegung, also einer Mure oder eines Hangrutsches, entgegen. Darin fanden sich Artefakte, die von weiter oben im Hang, eventuell vom damaligen Siedlungsbereich, mitgerissen wurden und sich an besagter Stelle ablagerten. Anhand dieser Funde dürfte sich diese Katastrophe im 11. Jh. v. Chr. zugetragen haben.

Doch auch damit war unsere Arbeit noch nicht zu Ende, fanden sich doch unter der durchmischten Murenablagerung noch ältere Strukturen aus der späten Bronzezeit. Mittlerweile wissen wir, dass es sich dabei um die noch großteils intakte Konstruktion eines wohl wirtschaftlich genutzten Holzbaus handelt, der zum Teil in Blockbauweise errichtet wurde. Eingetieft in den anstehenden dichten Lehm (Letten) und mit ebenso luftdichten Lehmschichten überlagert, konnte er die Jahrtausende fast unbeschadet überdauern. Nur der nördliche Bereich ist aufgrund eines weiteren Hangrutsches auf die Seite verkippt. Das verbaute Holz ist immer noch in einem derart guten Zustand, dass uns die daraus ermittelte Jahrringabfolge eine exakte Datierung der Konstruktion ermöglicht. Mithilfe der Dendrochronologie ergeben sich Fälldaten von 1142/1141 v. Chr. Da die geschlagenen Hölzer wohl rasch bearbeitet und verbaut wurden, kann dies auch als Baudatum angesetzt werden.


Gesamtkonstruktion mit Datierungen (Vermessung und Bearbeitung J. Klammer).
Foto: NHM Wien

Über mehrere Grabungskampagnen, die jeweils zwischen sechs und zehn Wochen dauerten, konnten so Schritt für Schritt die Elemente eines mehrteiligen Bauwerks ausgegraben und dokumentiert werden. Leider erfasst unser Untersuchungsbereich nicht das gesamte Objekt. Diesem wollen wir in den kommenden Jahren durch gezielte Schnitterweiterungen Folge leisten, um so die noch unbekannte Funktion der Anlage klären zu können. Im letzten Jahr gelang es, die Ausdehnung nach unten zu erfassen. Der innere Teil der Konstruktion reicht noch gut 1,50 Meter tiefer als der Rest. Dort endet er im festen, anstehenden "Letten".


Visualisierung des Innenbaus aus Holzbohlen.
Foto: NHM Wien

An ihm konnten wir sehr gut die aufwendige Bauweise in einer Kombination aus klassischem Blockbau und Rundbohlenständerbau erkennen. So waren die ersten acht bis neun Lagen der waagrechten Holzbohlen an den Enden abgeschwächt und in die Nuten der vier in die Ecken platzierten Ständer eingesetzt. Darüber wurden dann die obersten ein bis zwei Lagen verbloggt.

Kerben als Informationsträger
Auf etwa einem Viertel der gut zwei Meter langen Rundbohlen, die aus Nadelholz, großteils aus Tanne, gefertigt wurden, konnten sehr wichtige Details festgestellt werden: Wohl mit Bronzebeilen wurden hier Markierungen in das entrindete Holz geschlagen. Zumeist konnten parallel verlaufende, rechteckige Kerben oder einfache Hackspuren erkannt werden, aber auch Dreiecke und Trapeze wurden sichtbar. Wir interpretieren diese Zeichen als Markierungsspuren, eine Art Nummerierung, die es den Handwerkern beim Zusammenbau der Anlage erleichtern sollte, die entsprechenden Teile an der richtigen Stelle zu platzieren.


Markierungen im Holz.
Foto: A.W. Rausch (NHM Wien)

Dabei handelt es sich um eine ganz bedeutsame Entdeckung, denn man kennt aus "unserer" Prähistorie noch kaum derartige "Schriftzeichen". Zwar können wir sie (noch) nicht lesen, doch ermöglichen sie uns einen besseren Einblick in die (Arbeits-)Welt der spätbronzezeitlichen Bewohnerinnen und Bewohner Hallstatts. So ist anzunehmen, dass die Hölzer nicht nur aufgrund des komplexen Bauwerks markiert werden mussten, sondern dies insbesondere durch die bereits stark differenzierte Arbeitsteilung erforderlich war. Diejenigen, die die Baumstämme fällten, waren wohl nicht dieselben, die sie zugerichtet und bearbeitet haben. Diese wiederum waren andere als jene, die sie schlussendlich zusammenbauten. So lässt sich hier im Kleinen, wie in jedem Kulturentwicklungsprozess, nachvollziehen, warum es notwendig wurde, sich innerhalb eines gesellschaftlichen Systems visuell zu verständigen. In weiterer Folge wurde die Information abstrahiert und so von ihren geistigen Trägern entkoppelt. Somit konnte die Nachricht auch jemanden erreichen, der in keinem persönlichen Bezug zu demjenigen stand, der das in der Information steckende Wissen trug.

Dokumentation und Konservierung
Da es sinnvoller ist, den gesamten Befund – mit Ausnahme einzelner Funde – im Boden zu belassen, wurde er nach erfolgter Dokumentation wieder mit luftdichtem Lehm verschlossen. Zu aufwendig wäre es, die Konstruktionshölzer zu bergen, um sie dann einem langanhaltenden Konservierungsprozess zu unterziehen und danach wieder zusammenzusetzen. Umso wichtiger ist die umfassende Dokumentation, bei der neben der üblichen 3D-Vermessung und Digitalfotografie auch modernste Methoden zur Anwendung kommen. So können wir dank der Unterstützung der Zentralen Forschungslaboratorien (ZFL) des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) die aus dem Boden gelösten Strukturen auch mittels 3D-Stukturlichtscanner erfassen.


Viola Winkler, Mitarbeiterin der ZFL am NHM, bei der dreidimensionalen Erfassung des Innenbaus.
Foto: A.W. Rausch (NHM Wien)

Dieses für organische Funde günstige Milieu ermöglichte es auch, dass sich neben klassischem Fundmaterial in Form einzelner Keramikscherben, Bronzebruchstücke und Tierknochen, vor allem Artefakte erhalten konnten, die auf Grabungsstellen in trockeneren und luftdurchlässigeren Böden kaum erhalten bleiben. Einige Gegenstände haben bekannte Funktionen oder sind gar aus dem Bereich der prähistorischen Salzminen bekannt. Andere aber kennen wir noch gar nicht.


Zylinderförmige Hölzchen mit unterschiedlichen Einkerbungen sind bislang noch keiner Verwendung zuordenbar.
Foto: A.W. Rausch (NHM Wien)

Im Gegensatz zu dem ebenfalls sehr gut erhaltenen organischen Fundmaterial aus dem Bergwerk sind unsere Artefakte, sobald sie aus ihrem luftgeschützten Milieu geborgen wurden, aufwendig zu erhalten. Nach der ersten Oberflächenreinigung und fotografischen Dokumentation werden die meisten Gegenstände in Spezialfolie einvakuumiert. In diesem Zustand gelangen sie entweder direkt in die Restaurierungswerkstatt der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums oder werden bis dahin in einem mehr als 1.000 Meter tief im Berg liegenden Lagerraum eingeschlichtet. Dort können sie unbeschadet bei gleichbleibender, kühler Temperatur und konstanter Luftfeuchtigkeit auf ihre endgültige Konservierung warten.

Neben diesen Artefakten stellen insbesondere aber auch die botanischen, entomologischen und zoologischen Funde aus den feinen Sedimentationsschichten direkt in und über dem Befund einen wahren Glücksfall dar. Früchte und Blätter von Pflanzen lassen uns Eindrücke darüber gewinnen, wie das Klima zu jener Zeit gewesen ist. Die Überreste von Insekten und Amphibien können uns Anhaltspunkte zu den Verfüllungsprozessen in dem damals offenstehenden Holzbau liefern. Um dies alles zu verstehen, ist mehr als nur archäologisches Wissen gefragt. Daher sind Archäobotanik, Archäozoologie, Entomologie und Geologie wesentliche Fachbereiche der interdisziplinären Forschungsarbeit in Hallstatt.
(Johann Rudorfer, 23.6.2022)

Johann Rudorfer ist Archäologe in der Außenstelle der Prähistorischen Abteilung des NHM in Hallstatt und dortiger Leiter der obertägigen Forschungs- und Rettungsgrabungen.
Mehr darüber können Sie bei einem Besuch der Grabungsstelle erfahren. Dort sind wir heuer vom 4. Juli bis 11. August, von Montag bis Donnerstag, jeweils in der Zeit von 9 bis 17 Uhr anzutreffen und nehmen uns gerne die Zeit, Ihnen unsere neuesten Ergebnisse und Erkenntnisse mitzuteilen. Oder Sie nutzen das Angebot der Salzwelten, um mit einer/einem unserer Archäologinnen oder Archäologen eine prähistorische Führung mitzuerleben (www.salzwelten.at). Aber Achtung: Diese Angebot gibt es nur im Juli und August!


Als neueste Innovation wird es ab Mitte Juli eine eigene Radiosendung im "Freien Radio Salzkammergut" geben, in welcher "Der Archäonaut" Wissenswertes rund um die Forschung in Hallstatt, aber auch von anderen archäologischen Untersuchungsstellen im Salzkammergut und dem Rest der Welt vermitteln wird. Informieren Sie sich bitte auf der Senderhomepage darüber und nutzen Sie auch das dortige Angebot, die Sendung außerhalb des Sendegebiets online zu hören oder nachträglich als Podcast zu konsumieren.

Sommer, Sonne, Salz und Archäologie
 

feuerameise

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#32
Faszinierende Lichtshow im Begwerk zur Veranschaulichung der Entstehung des Salzabbaues.
Unvorstellbar wie die das früher alles geschafft haben und von welchem Zeitraum man da spricht.
 

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josef

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#34
Hallstatt 2022: Urgeschichte trifft auf Hightech
Wie Forschungsobjekte mittels 3D-Vermessung analysierbar und zugänglicher gemacht werden können
Blog
Im Gastblog berichten die Forscherinnen und Forscher von ihren neuesten Funden in Hallstatt und deren Dokumentation mithilfe eines 3D-Scanners.
Wer in den letzten Monaten aufmerksam diesen Blog verfolgt hat weiß vielleicht schon einiges über die noch rätselhafte Holzkonstruktion, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. im Hallstätter Hochtal gebaut wurde und seit mehreren Jahren durch Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) penibel freigelegt und dokumentiert wird. Wie im Juni angekündigt, konnten wir während des Sommers die Untersuchungen daran fortsetzen und einiges Neues und Interessantes zutage fördern.

Mit der Unterstützung durch die Salzwelten Hallstatt und die Salinen Austria AG konnte sieben Wochen am Befund gearbeitet werden. Ein Teil dieser Zeit musste jedoch auch wieder für den Auf- und Abbau der Infrastruktur, etwa das mehrteilige Grabungszelt, verwendet werden. Das Ziel der Kampagne, die Konstruktion im seit 2009 bestehenden Untersuchungsbereich vollständig freizulegen, nach allen Regeln der Kunst zu dokumentieren und dann dauerhaft mit dem zuvor abgegrabenen Lehm zu versiegeln, konnte aber erreicht werden.


Schematische Darstellung der bislang freigelegten Gesamtkonstruktion mit dem gekennzeichneten Untersuchungsbereich 2022.
Foto: J. Klammer

Die Funktion der Holzkonstruktion
Am äußeren Teil der Konstruktion ließen sich dann auch nach Norden hin drei Rundholzbalken feststellen, die allesamt wieder mit den bereits bekannten dreieckig ausgehackten Kerben versehen waren, deren Funktion leider wieder nicht klargemacht werden konnte. Es ließ sich aber erkennen, dass der äußere Teil an einer Stelle auch physisch mit dem Innenbecken verbunden war. Jene beiden auf die östliche Wand des Innenbaus aufgesetzten Rundhölzer wiesen an ihren Enden zugehackte Verjüngungen auf, die ursprünglich in entsprechende Stemmlöcher des äußeren Baus eingepasst waren. Dadurch, dass dieser nördlich gelegene Bereich wohl nach der Nutzungsphase hangabwärts umgekippt ist, hat sich diese Verbindung gelöst. Die drei Balken im Norden sind dabei zur Seite verkippt und haben sich so fast waagrecht abgelagert.


Der hier aus nördlicher Richtung fotografierte Untersuchungsbereich 2022 – gekennzeichnet ist die beschriebene ehemalige Verbindung.
Foto: A. W. Rausch – NHM Wien

Östlich dieser ehemaligen Eckverbindung verliefen die drei Balken bis an die Schnittgrenze weiter, wo sie an einen im rechten Winkel dazu liegenden Rundholz, ebenfalls mit dreieckigen Kerben versehen, anstießen. Wie vermutet verläuft das Bauwerk also noch über unsere Schnittgrenzen hinaus weiter und soll in einigen Jahren, nachdem wir darüber wohl zunächst wieder auf Gräber aus der Hallstattzeit gestoßen sein werden, weiter freigelegt werden.

Es bleibt also spannend, denn auch die Verwendung des Bauwerks konnte abermals nicht geklärt werden. Wieder fand sich kein aussagekräftiges Fundmaterial, obwohl Reste von stark korrodierten Bronzefragmenten und eine zwischen den beiden Konstruktionsteilen liegende Pfostenzwinge doch deutliche Hinweise liefern, dass es sich tatsächlich um ein Surbecken gehandelt haben könnte. Beides wurde nämlich auch in einem derartigen, 1939 ausgegrabenen Holzbau festgestellt, an dessen Fundstelle im Hochtal sich heute eine sehenswerte Rekonstruktion befindet.

Die 2022 entdeckte Pfostenzwinge.
Foto: A. W. Rausch – NHM Wien

Bei der Pfostenzwinge vermuten wir, dass es sich um ein Bauelement handelt, das bei der Konstruktion von aufgehenden Holzverbindungen für mehr Stabilität sorgen sollte. Wurde zum Beispiel ein Querbalken in eine aufrechtstehende Pfostengabel eingesetzt, so konnte dieser außer mit Schnüren noch zusätzlich mit einer derartigen Zwinge fixiert werden. Nägel oder gar Schrauben sind aus jener Zeit nämlich noch keine nachgewiesen.

Es kann gut sein, dass dieses Artefakt tatsächlich als Bauelement für eine Überdachung des Objekts gedient hat. Dass es eine solche gegeben hat, ist stark anzunehmen und wird durch drei nahe an den Ecken der Innenkonstruktion angetroffene, rechteckig eingestemmte Vertiefungen noch wahrscheinlicher. Da derartige Artefakte bisher erst selten nachgewiesen wurden, kann es aber auch gut sein, dass dieser Gegenstand gar nicht so verwendet wurde, wie wir es glauben und oben beschrieben haben. Falls es andere Deutungsansätze dafür gibt, können diese gerne in den Kommentaren mitgeteilt werden. Dabei sei auch auf die Möglichkeit hingewiesen, das Artefakt im 3D-Museum des Naturhistorischen Museums von allen Seiten zu betrachten.

Auf der Suche nach Nadeln
Neben weiteren, wieder zahlreich auftretenden organischen Funden wie dem Fragment einer Holznadel konnten auch zahlreiche Keramikscherben, teils mit Graphit gemagert, und Tierknochenfragmente festgestellt werden. Auch diese Fundgattungen, wenn auch nicht in der großen Menge, wie sie bislang bei den bereits entdeckten Surbecken angetroffen wurden, passen gut zu einer möglichen Verwendung als Pökelwanne.

Im Zwischenbereich der beiden Blockkonstruktionen konnte heuer zudem eine – ebenfalls durch den luftdichten Abschluss im dichten Lehm nahezu perfekt erhaltene – in die Spätbronzezeit datierte Keulenkopfnadel freigelegt werden. Sie weist so gut wie keine Korrosionsspuren auf, wodurch zu einem großen Teil noch die ursprünglich golden glänzende Oberfläche erhalten blieb. Ähnliche, als Gewandnadeln verwendete Artefakte konnten bereits 2017 aus dem Befund geborgen werden. Sie passen sehr gut in die bereits erbrachte dendrochronologische Datierung des Objekts in die Mitte des zwölften Jahrhunderts v. Chr., haben sich aber wahrscheinlich ebenfalls erst nach der Nutzungsphase des Bauwerks an deren Auffindungsort abgelagert.


Die nahezu perfekt erhaltene Keulenkopfnadel, die ihren Namen aufgrund der keulenförmigen Verdickung am hinteren Ende erhielt.
Foto: Daniel Oberndorfer – NHM Wien

Der Leo in der Lettn
Was uns sehr gefreut hat, war die abermalige Unterstützung, die wir durch unsere Kolleginnen Viola Winkler und Anna Haider vom 3D-Labor der Zentralen Forschungslaboratorien am NHM erhielten. Nachdem sie uns bereits 2021 erfolgreich bei der Dokumentation des Innenbeckens unterstützt hatten, traten sie auch dieses Jahr die Reise nach Hallstatt an. Auch heuer kam dafür der 3D-Strukturlichtscanner Artec Leo zum Einsatz. Dieser arbeitet komplett kabelfrei, und dank des eingebauten Bildschirms lässt sich der Scanvorgang direkt mitverfolgen.

Während des Scanvorgangs projiziert das Gerät ein Lichtmuster auf die Oberfläche der Ausgrabung und misst die Verzerrung des Lichts. Das ermöglicht die Berechnung einzelner dreidimensionaler Koordinaten, welche maßstabgetreu den Befund erfassen. Zusätzlich werden automatisch regelmäßig Fotoaufnahmen durchgeführt, welche bei der späteren Berechnung der Farbinformation zum Einsatz kommen. Die so entstehenden einzelnen Scans werden später in einer recht zeitaufwendigen Nachbearbeitung zu einem fertigen Gesamt-3D-Modell vereint.


Viola, Anna und Scanner "Leo" beim Einsatz in der Letten. Das 3D-Labor wurde die letzten Jahre am NHM im Zuge eines Infrastrukturprojekts aufgebaut, das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gefördert wurde.
Foto: A. Seisenbacher – NHM Wien

Besonders wichtig ist es, aus möglichst vielen verschiedenen Winkeln die Oberfläche auszuleuchten, um wirklich alle Bestandteile ausreichend zu erfassen, daher sind oft viele Scans und einiges an Körpereinsatz gefragt. Damit dem Befund nichts passiert, wurde eine Planke so positioniert, dass die beiden Forscherinnen über der Ausgrabung gut an alle Stellen herankamen. Oft verlangt das Scannen so großer Objekte einiges an Geschick und Muskelkraft, da "Leo "doch fast drei Kilogramm Gewicht auf die Waage bringt und weder die beiden Kolleginnen noch der Scanner in der Letten landen sollten.

Zusätzlich ist es für die 3D-Scanner schwierig, glänzende Oberflächen zu erfassen – daher musste zwischen den einzelnen Scans öfter Wasser abgesaugt werden, das über die Letten in den Befund floss. Im Lauf eines Vormittags war es so möglich, alle Bereiche einzuscannen und dann mit der Nachbearbeitung der Daten zu beginnen. Das aus den Ergebnissen des letzten und heurigen Jahres zusammengefügte 3D-Modell wurde gemeinsam mit einer Beschreibung und zusätzlichen Informationen für das 3D-Museum des NHM aufgearbeitet und wird dort bereits präsentiert.
Im 3D-Museum des Naturhistorischen Museums Wien werden mittlerweile über 140 3D-Modelle aus den unterschiedlichen Sammlungen kostenlos virtuell ausgestellt und Großteils auch zum Herunterladen angeboten. Somit ist es möglich, sich mit einem 3D-Drucker Objekte aus dem Museum daheim auszudrucken.

Hallstatt macht Radio
Und noch etwas Neues gibt es zu berichten: Bereits im Juni-Blogbeitrag angekündigt, ist die Radiosendung "Der Archäonaut" über den Sommer Realität geworden. Am 8. September wird um 19 Uhr bereits die dritte Folge im Freien Radio Salzkammergut ausgestrahlt. Danach ist die Sendung unbegrenzt unter diesem Link auch als Podcast verfügbar.

In der Sendung geht es neben den archäologischen Forschungen in und um Hallstatt generell darum, das vielschichtige Tätigkeitsspektrum eines am Naturhistorischen Museum arbeitenden Archäologen mitzuverfolgen. Wer sich also neben den tollen Forschungsergebnissen auch dafür interessiert, wie man als Archäologe oder Archäologin arbeitet, ist herzlich eingeladen, jeden zweiten Donnerstag im Monat das Freie Radio einzuschalten oder die Sendung als Podcast zu konsumieren.
(Johann Rudorfer, Andreas W. Rausch, Viola Winkler, Anna Haider, 1.9.2022)

Johann Rudorfer ist Archäologe in der Außenstelle der Prähistorischen Abteilung des NHM in Hallstatt und dortiger Leiter der obertägigen Forschungs- und Rettungsgrabungen. Als "Der Archäonaut" vermittelt er aktuelle Forschungsergebnisse und Einblicke in die archäologische Arbeitswelt.
Andreas W. Rausch ist Archäologe, stellvertretender Grabungsleiter der obertägigen Forschungsgrabung, selbständiger Fotograf und seit 30 Jahren bei den Ausgrabungen des Naturhistorischen Museums sowohl obertag wie untertag dabei.
Viola Winkler betreut das Micro-CT, sowie das 3D-Labor und 3D-Museum am Naturhistorischen Museum Wien. Sie ist Zoologin und beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Bearbeitung und Auswertung von Mikro-CT-Scans.
Anna Haider ist Projektmitarbeiterin am Naturhistorischen Museum Wien und war maßgeblich am Aufbau des 3D-Museums beteiligt. Sie ist Zoologin und interessiert sich besonders für die Evolution von Haifischen. Am liebsten stellt sie sich den Herausforderungen bei Scans von Großobjekten.
Hallstatt 2022: Urgeschichte trifft auf Hightech
 
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#35
PRÄHISTORISCHES WEIDWERK
Schnittspuren und Einschusslöcher: Am Dachstein wurden Elche gejagt
Spuren an Elchknochen vom Dachsteinplateau weisen eindeutig auf Jagd hin. Forschende vermuten einen Zusammenhang mit der prähistorischen Salzmetropole Hallstatt

Ein Sammelsurium von Elchknochen weckte das Interesse der Wissenschaft. Sie wurden zahlreich in Höhlen am Dachstein gefunden. Wurden die Tiere gejagt, oder waren sie einfach nur unglaublich tollpatschig?
Foto: Imago Images/blickwinkel

Wo sich heute Bergsport-Begeisterte tummeln, ging es schon vor 2.500 Jahren hoch her. Am Dachsteinplateau betrieben die Menschen in der Bronzezeit einerseits Almwirtschaft, andererseits stellten sie dort auch Elchen nach. Zu dieser Erkenntnis gelangten Wissenschafterinnen und Wissenschafter aufgrund der Untersuchung von Elchknochen.

Diese wurden bereits vor einiger Zeit in Höhlen auf dem Hochplateau entdeckt, nun stellten die Forschenden verräterische Schnittspuren und Einschusslöcher daran fest. Die bisher übersehenen Hinweise deuten auf eine Bejagung der Tiere und die Nutzung ihres Fleischs hin. Vermutet wird ein Zusammenhang zwischen der Elchjagd und der nahegelegenen prähistorischen Salzmetropole Hallstatt.

So viele bescheuerte Elche?
Die Archäozoologin Kerstin Pasda von der Universität Erlangen-Nürnberg ist über Knochenfunde in den Bayerischen Alpen zur Untersuchung in der Dachsteinregion gekommen, wie die Forscherin bei einem Vortrag der Bioarchäologischen Gesellschaft Österreichs erklärte. Eine Privatperson hatte in einer Schachthöhle in der Nähe von Lenggries (Bayern) Elchknochen entdeckt, die Pasda und Kollegen auf die Jüngere Eisenzeit datierten. Damit weisen sie ein Alter von rund 2.500 Jahren auf.

Die Wissenschafterin wies an einem Schulterblatt ein Einschussloch sowie Schnittspuren auf Knochen nach. Der Elch dürfte also gejagt und sein Fleisch genutzt worden sein, so die Conclusio. Bei weiteren Recherchen zeigte sich, dass bereits zahlreiche Elchfunde aus Höhlen der Alpen bekannt sind. Bisher wurden diese allerdings nicht mit menschlichen Einflüssen in Verbindung gebracht. "Ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass es so viele bescheuerte Elche gibt, die in Höhlen fallen", erklärt Pasda.

Spurensuche im Museumsfundus
"Weil im Naturhistorischen Museum Wien viele Elchfunde archiviert sind, hat sich dann der Fokus unserer Forschung auf den österreichischen Raum verschoben", sagte Robert Schumann von der Universität Heidelberg. Gemeinsam mit Pasda hat er die Knochen von elf Elchen aus sechs Höhlen in Österreich genauer unter die Lupe genommen und Radiokarbondatierungen vornehmen lassen.

Sie fanden auf diesen weder Spuren von Benagung durch Raubtiere noch sogenannte "Sedimentkratzer", die darauf hindeuten, dass Überreste der Elche an der Oberfläche lagen und schließlich in die Schächte hineingerutscht sind. Stattdessen wiesen sie an fünf Schulterblättern Einschusslöcher und an zahlreichen Knochen Schnittspuren nach – also eindeutige Hinweise auf Jagd. Das war auch bei Elchknochen aus drei Höhlen am Dachsteinplateau der Fall, die auf die Bronzezeit datiert wurden.


Am Dachsteinplateau gefundene Elchknochen bieten der Wissenschaft Einblicke in die prähistorische Jagd – sie geben Forschenden allerdings auch einige Rätsel auf.
Foto: Stefanie Ruep

Mensch-Umweltbeziehung vor 3500 Jahren
Das weckte wiederum das Interesse von Kerstin Kowarik, assoziierte Mitarbeiterin der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien. Sie erforscht die Entwicklung der Mensch-Umweltbeziehung durch die Jahrtausende. Zuletzt wurde unter ihrer Leitung im Projekt "Facealps", finanziert durch das Earth System Science Programm der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt in der Hallstatt-Region über die letzten 3500 Jahre untersucht.

In Hallstatt wurde in der Bronzezeit, etwa seit dem 14. Jahrhundert vor Christus, im nahezu industriellen Ausmaß Salz abgebaut – täglich bis zu 1,5 Tonnen. Das erforderte entsprechende Ressourcen, um die Bergleute mit Nahrung zu versorgen. Doch die bronzezeitliche Salzmetropole verfügte nur über eine geringe landwirtschaftlich nutzbare Fläche. Intensive Tiernutzung im Hallstätter Hochtal ist bereits bekannt. "Die Fleischwirtschaft beschränkt sich aber im Wesentlichen auf Schweine, deren Fleisch in großen Mengen in mehreren Surbecken mit Salz haltbar gemacht wurde", sagt Kowarik.

"Sehr spannender" Nachweis
Aber auch das Dachsteinplateau dürfte für Almwirtschaft genutzt worden sein. Dort weidende Rinder, Schafe oder Ziegen seien wahrscheinlich nicht nur für Milch, Käse und Fleisch genutzt worden, auch der Bergbau brauchte Leder und Sehnen. Der Verein für alpine Forschung ANISA hat auch rund 40 Strukturen prähistorischer Almhütten auf dem Hochplateau nachgewiesen, Einzelfunde deuten auf ein Wegesystem dort hin.

Wild als mögliche Nahrungsressource habe bisher allerdings eine marginale Rolle bei den Überlegungen gespielt, "nicht zuletzt deshalb, weil sich Jagd bis dato kaum nachweisen ließ". Deshalb ist der Nachweis der bronzezeitlichen Elchjagd am Dachsteinplateau für die Wissenschafter "sehr spannend".

Karibujäger in Grönland

Pasda hat auch untersucht, ob ein Muster erkennbar ist, welche Skelettteile in den Höhlen gefunden wurden – allerdings keines gefunden. "Das hängt vielleicht auch damit zusammen, was von den Sammlern aus den Höhlen mitgenommen wurde und was schließlich im Museum landete", erläutert die Forscherin. Sie hat bereits früher Karibujäger in Grönland begleitet und dokumentiert, wie diese die Tiere zerlegen.

Mangels Straßen müssen die Jäger dort kilometerweit alles selbst tragen und nehmen daher nur bestimmte Teile mit, den Rest lassen sie liegen. Beim Elch aus der Schachthöhle in Lenggries fehlen genau jene Knochen, die auch die grönländischen Jäger abtransportieren.

Spielraum für Interpretationen

Am Dachsteinplateau ist noch fraglich, warum man die Knochen nicht einfach liegen gelassen, sondern offensichtlich mit Absicht in die Höhlen geschmissen hat. "Das bietet viel Spielraum für Interpretation", sagt Kowarik. Es könnte sein, dass man damit verhindern wollte, Raubtiere anzulocken, wenn in der Umgebung Haustiere weiden. Es könnten aber auch Opfer gewesen sein. In Hallstatt gebe es bisher aber noch keinen Nachweis von Höhlenheiligtümern, und auch in den Höhlen am Dachsteinplateau keine weiteren archäologischen Funde.

Die Wissenschafter wollen nun einmal ihre Erkenntnisse publizieren. Sie haben aber auch zahlreiche weiterführende Fragen. So gebe es in vielen lokalen Museen oder Archiven noch weitere Elchfunde aus der Region, und es wäre interessant, auch diese auf Hinweise auf menschliche Aktivität zu untersuchen. Zu prüfen wäre zudem, ob sich auch die Überreste anderer Tiere in den Höhlen finden, und – falls vorhanden – diese zu datieren und ebenso auf Jagdspuren zu untersuchen, "um ein rundes Bild von den Aktivitäten am Dachstein zu bekommen".
(APA, mare, 20.2.2023)

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Schnittspuren und Einschusslöcher: Am Dachstein wurden Elche gejagt
 

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#36
ARCHÄOLOGIEBLOG
Achtsame Archäologie in Hallstatt
Wie Sicherheit und Denkmalschutz rund um die Welterbegemeinde Hand in Hand gehen
Blog
Seit jeher sehen sich die Menschen in Hallstatt den Naturgewalten ausgesetzt. Mehrfach schon konnten Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) vergangene Katastrophen dokumentieren, die das Leben der prähistorischen Bewohnerinnen und Bewohner des Hochtals stark beeinträchtigten. Besonders Murenabgänge und Steinschläge beschädigten nicht nur die Siedlungen sondern auch den Jahrtausende alten Salzbergbau. Doch bis heute stemmen sich die Bewohnerinnen und Bewohner gegen diese Gefahren. Eine in Zeiten des Klimawandels immer schwieriger werdende Aufgabe. Diesem Problem stellen sich gemeinsam mit dem NHM wichtige Partner und sorgen damit für einen Erhalt des Lebensraums für die Bevölkerung Hallstatts.


Das Hallstätter Hochtal am Salzberg vom südöstlichen Eingang in Richtung des hochaufragenden Plassens aufgenommen. Die rote Linie markiert das aktuelle Untersuchungsgebiet.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

An alte Forschung anknüpfen
Seit 2020 wird am Hallstätter Salzberg, westlich und rund 300 Meter über dem Markt gelegen, durch die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) ein Steinschlagschutznetz errichtet. Durch gezielte Voruntersuchungen und die Beaufsichtigung der Bauarbeiten durch das NHM konnten dabei bereits wichtige Spuren aus der Vergangenheit vor einer undokumentierten Zerstörung bewahrt werden. Heuer soll dieses Schutzbauwerk vollendet werden, was sowohl die Wissenschaft als auch die Bauarbeiten vor erhebliche Aufgaben stellt. Denn nun ist gerade jener Bereich betroffen, in dem Johann Georg Ramsauer 1846 mit seinen Untersuchungen des eisenzeitlichen Friedhofs begann und dadurch den Ort Hallstatt in der archäologischen Fachwelt und darüber hinaus berühmt machte. Ein bedeutender Fundort also, nach dem schließlich eine ganze Kulturepoche Mitteleuropas, nämlich jene der älteren Eisenzeit (circa 800 bis 450 vor Christus), benannt wurde.


Die frisch gerodete Maßnahmenfläche.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Aber warum müssen hier archäologische Voruntersuchungen dann überhaupt durchgeführt werden, wenn in dem Areal doch bereits gegraben wurde? Nun, da davon ausgegangen wird, dass damals nicht alle Bestattungen erfasst wurden, muss diese Zone erneut untersucht werden. Auch die damals angewandte Grabungsmethodik wurde leider nicht klar überliefert, und es wird vermutet, dass sich auch noch Reste von damals dokumentierten Gräbern im Boden befinden. Die Befunde wurden zwar zeichnerisch gut aufgenommen, viele der Funde, die aus damaliger Sicht aber wenig Wert hatten oder in einem zu schlechten Zustand waren, um sie vernünftig bergen zu können, wurden wohl einfach im Boden belassen.


J. G. Ramsauer nahm die Dokumentation der Befunde sehr ernst und ließ sie, wie an diesem Beispiel zu sehen ist, genau abzeichnen und malen.
Foto: Gemalt von Isidor Engel Mitte 19. Jahrhundert, NHM Wien

Katastrophen- und Denkmalschutz
Dieses so wichtige Erbe wird durch die Gemeinde Hallstatt, aber auch durch die Salinen Austria AG und die Salzwelten GmbH hochgehalten und gepflegt. Schließlich ist es ein bedeutender Anreiz für die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland, den Ort zu besuchen. Dies rückt nun in Anbetracht des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres 2024, in dem neben Bad Ischl noch weiter 22 Gemeinden des Salzkammerguts vertreten sein werden, wieder stark in den Vordergrund. Denn im Falle Hallstatts muss hier auch für die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher gesorgt werden. So werden durch den Schutzbau der WLV nicht nur die Einwohnerinnen und Einwohner Hallstatts, sondern darüber hinaus auch die Gäste der Unesco-Welterbe-Gemeinde und insbesondere der Salzwelten geschützt.

Eine wichtige Baumaßnahme also, die aber so abgewickelt werden kann, dass sowohl der aktive Katastrophenschutz als auch der Denkmal- und Welterbeschutz gegeben sind. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt wurde ein schonendes Verfahren für die Errichtung gewählt, das zu möglichst wenigen Bodeneingriffen führen wird. Damit sollen noch ungestörte Gräber weitgehend im Boden verbleiben können. Zusätzlich wurde bereits durch gezielte Geoprospektionen, die durch die Geosphere Austria erfolgten, die Möglichkeit genutzt, archäologische Strukturen bereits vor Beginn der Bauarbeiten ausfindig zu machen, um diesen dann im Vorfeld gezielt auf den Grund zu gehen.


Die Prospektionsarbeiten mittels Geomagnetik durch Mitarbeiter der Geosphere Austria gestalteten sich im Hang äußerst schwierig.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Durch fachkundige Begehungen konnten an der Oberfläche des Areals bereits sehr gut erhaltenen Artefakte entdeckt und sichergestellt werden. Es handelt sich hier um damals – vor gut 2.500 Jahren – als Grabbeigaben mitgegebene Schmuck- und Trachtgegenstände, etwa Bronzenadeln, die zum einen als Gewandschließen, aber wie im Fall einer Kugelkopfnadel wohl auch als Haarschmuck dienten.


Eine vollständig erhaltene Gewandnadel aus Bronze mit geradem Ende weist noch gut erkennbare Verzierungen auf.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien


Eine vermutlich als Haarnadel verwendete Kugelkopfnadel.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Zuletzt wurden dann mittels Drohnenflug auch noch umfassende Fotoaufnahmen von der frisch gerodeten Oberfläche gemacht, die es in Kombination mit klassischer Vermessungsarbeit ermöglichen werden, ein detailliertes Oberflächenrelief zu modellieren.

Somit schließt sich ein Kreis, in dem die Archäologie eine zentrale Rolle einnimmt. Gemeinsam mit langjährigen Partnern kann das NHM Wien für einen reibungslosen Ablauf der notwendigen Bauarbeiten sorgen. Ein Beispiel dafür, dass Wissenschaft und Wirtschaft sowie Denkmal- und Katastrophenschutz durchaus vereinbar sind und was durch einen verständnisvollen Umgang miteinander möglich wird. Die eigentlichen Grabungsarbeiten laufen seit Anfang Juni und sollen bis 3. August dauern.
(Johann Rudorfer, 15.6.2023)

Johann Rudorfer ist Archäologe der Prähistorischen Abteilung des NHM und Leiter der obertägigen Forschungs- und Rettungsgrabungen in Hallstatt. In seiner monatlichen Radiosendung "Der Archäonaut" präsentiert er Wissenswertes zum Thema Archäologie im Salzkammergut und dem Rest der Welt.

Von Montag bis Donnerstag können die Grabungsarbeiten von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Sie finden uns unmittelbar bei der Seilbahnbergstation linkerhand, zwischen dem sogenannten Schaugrab und dem "Ramsauer Gedenkbrunnen".

Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten des Naturhistorischen Museums Wien am Hallstätter Salzberg werden wie gewohnt beim Öffentlichkeitswochenende "Archäologie am Berg", das heuer am 16. und 17. September stattfindet, präsentiert. Ein weiteres Angebot sind die "Prähistorischen Führungen" die im Juli und August jeweils Dienstag und Donnerstag ab 10 Uhr angeboten werden. Dabei werden genaue Einblicke in die Arbeit der Forschung und den derzeitigen Wissensstand um die prähistorischen Hallstätter gegeben.

Natürlich beschäftigt sich auch "Der Archäonaut" in der monatlichen Radiosendung, die seit nun einem Jahr im Freien Radio Salzkammergut und seit kurzem auch auf Radio Orange in Wien zu hören ist, in den kommenden Folgen intensiv mit den aktuellen Untersuchungen. Die nächste Folge wird ab dem 22. Juni zudem wie immer als Podcast zur Verfügung stehen.
Achtsame Archäologie in Hallstatt
 

Boogie

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#37
Ich liebe Hallstatt.....2 meiner schönsten Urlaube dort verbracht! Ps: Ein Sprung in den See ist eine Ganzkörper-Kneipkur;)
 
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josef

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#38
FRÜHE BERGBEWOHNER
Der prähistorischen Almwirtschaft auf dem Dachstein auf der Spur
Seit 4.000 Jahren nutzen Menschen das Dachsteinplateau. Ein Forschungsteam untersucht einen möglichen Zusammenhang mit der Salzmetropole Hallstatt
Der Mensch bewirtschaftet nach Erkenntnissen der vergangenen Jahre die alpinen Höhenlagen bereits seit vielen Jahrtausenden. Schweizer Forschende fanden beispielsweise über 5.000 Jahre alte Spuren auf den Almen und Matten der Silvretta an der schweizerisch-österreichischen Grenze in mehr als 2.000 Metern Höhe. Auf dem Dachstein-Plateau dürfte die Almwirtschaft annähernd ebenso alt sein, vermuten Wissenschafter. Ein österreichisch-deutsches Team untersucht aktuell diese bronzezeitliche Weidewirtschaft.

In den vergangenen Tagen führten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter geophysikalische Messungen auf den Karstweiden durch. Besonders interessiert sie dabei, wie frühere Klimaänderungen die Nutzung des Plateaus beeinflusst haben und ob es einen Zusammenhang der Almen mit der nahegelegenen prähistorischen Salzmetropole Hallstatt gibt.


Seit 4.000 Jahren wird auf dem Dachstein-Plateau Almwirtschaft betrieben. Österreichische und deutsche Forscherinnen und Forscher erkunden nun diese bronzezeitliche Weidewirtschaft.
Foto: APA/DAI/ROMAN SCHOLZ

Nahrung für die Bergleute
Langjährige Forschungen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) belegen, dass in Hallstatt seit 1.200 vor unserer Zeitrechnung nahezu im industriellen Ausmaß Salz abgebaut wurde. Das erforderte entsprechende Ressourcen. Doch die bronzezeitliche Salzmetropole zwischen Dachstein und Hallstätter See verfügte nur über kleine landwirtschaftlich nutzbare Flächen, um die Bergleute mit Nahrung zu versorgen. Möglicherweise wurde deshalb auch das Dachstein-Plateau für die Almwirtschaft genutzt.

Dass es auf dem Hochplateau eine starke menschliche Präsenz gegeben hat, weiß man schon länger. So sind durch die jahrzehntelange Forschung des Vereins für alpine Forschung Anisa rund 40 Strukturen prähistorischer Almhütten bekannt. Sie finden sich in Karstgruben, wo sich kalte Luft sammelt und daher keine Bäume wachsen. Damit eigneten sie sich als natürliche Weideflächen.

Mensch-Umwelt-Beziehungen
"Als fragiler Naturraum ist das Dachstein-Plateau eine spannende Landschaft, wo sich Klimaschwankungen viel stärker auswirken", erklärte Kerstin Kowarik vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie erforscht die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. "Um zu verstehen, wie sich fragile Systeme verändern, so wie das auch derzeit der Fall ist, muss man deren Geschichte kennen – und dazu kann die Archäologie einen wichtigen Beitrag leisten."

Aus diesem Grund wollen die Wissenschafter der ÖAW mit Kolleginnen und Kollegen der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) anhand des Hochplateaus zeigen, "wie der Mensch die Umwelt beeinflusst hat und welche Mensch-Umwelt-Beziehungen sich verändert haben", so die Archäologin. Bereits im vergangenen Jahr haben sie die Chance genutzt, dass ihnen eine neuartige Bohrplattform zur Verfügung stand. Die Bohrung rund 50 Meter in den Untergrund des Hallstätter Sees ermöglicht ihnen einen Blick in 12.000 Jahre Klima-, Umwelt- und Kulturgeschichte der Region, die im See-Sediment gespeichert ist.


Das Bohrteam auf dem Grafenbergsee in rund 1.600 Metern Seehöhe bei der Arbeit. Die Proben aus den See-Sedimenten sollen Einblicke in die Pflanzenwelt der Region geben, die sich immer wieder durch Eingriffe des Menschen in die Natur, etwa durch Viehhaltung, verändert hat.
Foto: R. Scholz, RGK

Bohren in 1.600 Metern Seehöhe
Nach dieser Bohrung im See wurde mit einem Hubschrauber auch eine Bohrplattform auf das Dachstein-Plateau geflogen, um das Sediment des Grafenbergsees in rund 1.600 Metern Seehöhe zu untersuchen. Die dort geborgenen Bohrkerne werden seither umfassend analysiert: Die Schichten werden mittels Radiokarbon-Methode datiert, weiters sollen Pollenanalysen Auskunft über die Pflanzenwelt der Region geben, die sich immer wieder durch Eingriffe des Menschen in die Natur, etwa durch Viehhaltung, verändert hat. Geochemische Analysen sollen zudem Einblicke in ökonomische Aktivitäten wie Erzverhüttung in der Gegend geben, DNA-Analysen Hinweise auf die Zusammensetzung der Tierwelt und zur Präsenz domestizierter Tiere geben.

In den vergangenen Tagen haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit Unterstützung der lokalen Agrargemeinschaften elf Verdachtsflächen oberhalb des Grafenbergsees geophysikalisch erkundet und dabei ein Magnetometer teilweise auf einem Wagen gezogen, teilweise getragen. "Das waren Flächen, wo es schon Funde gab oder die topografisch gut zu bisherigen bronze- und römerzeitlichen Fundstellen passen", so Kowarik. Mit dieser Methode können sie in den Boden "blicken" und so etwa Feuerstellen oder Steinfundamente von Gebäuden orten.

Geophysikalische Anomalien
"Bisher wurde noch kaum im hochalpinen Bereich mit geophysikalischen Methoden gearbeitet, und wir waren unsicher, was wir da sehen werden. Aber wir hatten eine hohe Trefferquote und haben auf mehr als der Hälfte der Flächen geophysikalische Anomalien gefunden", sagte die Archäologin. Worum es sich dabei handelt und wie alt diese Befunde sind, werden erst die detaillierteren Auswertungen zeigen.


Bodenproben von den Karstweiden sollen den Wissenschaftern unter anderem verraten, welchen Einfluss 4.000 Jahre Weidewirtschaft und saisonale Siedlungstätigkeit auf die Bodenbildungsprozesse nahmen.
Foto: APA/DAI/ROMAN SCHOLZ

Zudem wurden mit einem sogenannten Bohrstock Bodenproben genommen, um in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut und der Universität Wien die Herausbildung von Almböden zu untersuchen und nachzuvollziehen, welchen Einfluss 4.000 Jahre Weidewirtschaft und saisonale Siedlungstätigkeit auf die Bodenbildungsprozesse nahmen.

Menschenleere eisenzeitliche Almen
Diese Bodenuntersuchungen erfolgen auch im Rahmen des deutschen "Groundcheck"-Forschungsprogramms, in dem mit archäologischen und altertumswissenschaftlichen Methoden frühere Klimaveränderungen und menschliche Reaktionen darauf erforscht werden. "Mit Hilfe von Bohrkernen und geophysikalischen Methoden wollen wir mehr über die Resilienz und Vulnerabilität menschlicher Gesellschaften im klimasensitiven Alpinraum lernen", sagte Kerstin P. Hofmann vom DAI.

Besonders interessiert die Forscher, wie sich klimatische Bedingungen und Änderungen auf die Bewirtschaftung durch den Menschen auswirken. So finden sich etwa zur Eisenzeit rund 1.000 vor unserer Zeitrechnung, als in der Region kühles Klima herrschte, keine Nachweise menschlicher Aktivität auf der Hochebene. All dies könnte auch Auswirkungen auf Hallstatt mit seinem prähistorischen Salzbergwerk und den Kultur- und Wirtschaftsraum der Region gehabt haben. (red, 30.6.2023)

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josef

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#39
Grab der frühen Eisenzeit in Hallstatt entdeckt
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Bei Analysen im Zuge des Baus eines Steinschlagschutzes für Hallstatt entdeckten Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien ein Grab aus der frühen Eisenzeit. Mit dort gefundenen Stoffresten konnten die Forscher auch eine lange gehegte Vermutung zu einstigen Bestattungen bestätigen.
Online seit heute, 12.03 Uhr
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Die Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich arbeitet momentan an einem Steinschlagwerk, das den unterhalb des Hochtales liegenden Ort schützen soll. Im Zuge der Bauarbeiten wird auch das eisenzeitliche Gräberfeld gequert, in dem vor allem der einstige Bergmeister der Saline Hallstatt, Johann Georg Ramsauer (1795-1874), zwischen 1846 und 1863 mehr als 1.000 teils mit vielen Beigaben ausgestattete prähistorische Gräber entdeckt und archäologisch untersucht hat.

Neuentdecktes Grab aus früher Eiszeit
Auf Basis dieser Arbeit wird eine Epoche der europäischen Kulturgeschichte heute als „Hallstattzeit“ bezeichnet. Sie umfasst in etwa den Zeitraum zwischen 800 und 450 Jahren vor Christus – also die frühe Eisenzeit. Noch stehen die Untersuchungen zur genaueren Datierung zwar aus, aber das neuentdeckte Grab sei eher der früheren Hallstattzeit im 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. zuzuordnen, erklärte der Leiter der Obertag-Forschungsgrabungen, Johann Rudorfer von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien, im Gespräch mit der APA.

NHM Wien. Andreas W. Rausch, Alexander Sendlhofer, Stefan Krojer
Leiter der Obertag-Forschungsgrabungen Johann Rudorfer bei der Arbeit

Unversehrtes Grab
Das Team widmet sich in seiner Grabungskampagne heuer u.a. den Arbeiten aus der Frühzeit der Archäologie im 19. Jahrhundert. Der neue Fund wurde damals nicht erkannt. Dementsprechend handelt es sich um ein unversehrtes Grab. Darin befanden sich mehr oder weniger übliche Beigaben wie ein massiver gerippter Armring aus Bronze, der vermutlich am Oberarm getragen wurde, aber auch drei Spiralscheiben aus dünnem Bronzedraht fanden sich über den Resten der verbrannten Knochen. Aufgrund der Beigaben dürfte es sich eher um eine Frau gehandelt haben, vermutet Rudorfer. Auch hier stünden weitere Analysen aber noch aus.

Zerbrochene und verbogene Grabbeigaben
Ebenso gefunden wurden neben Tierknochenresten – vermutlich Speisebeigaben für das Jenseits – ein Eisenblech-Stück, das möglicherweise von einem Gürtelbeschlag stammte, sowie eine Bronze-Messerklinge mit den Resten eines Holzgriffes. All diese Gegenstände wurden zerbrochen oder verbogen. „Vielleicht hielt man es für angebracht, die Beigaben rituell zu zerstören, um sie als Beigaben für das Totenreich nutzen zu können, denn auch der Köper wurde durch das Verbrennen ja ‚zerstört‘“, so Rudorfer in einer Aussendung des Naturhistorischen Museums am Mittwoch.

NHM Wien, Andreas W. Rausch, Alexander Sendlhofer, Stefan Krojer
Im Grab wurde auch ein Bronzearmring gefunden.

Besondere Textilreste gefunden
Besonders machen den Fund allerdings Textilreste. So registrierten die Archäologen Abdrücke von Stoffgewebe auf den Unterseiten der Spiralscheiben. Im Laufe der Zeit wandelte sich dort das Gewebe aber durch Mineralisierungsprozesse um. Was übrig blieb, sind anorganische Substanzen in der Anordnung der früheren organischen Fasern, die man mit eigenen Holzkellen mit äußerster Vorsicht gehoben hat, erklärte der Archäologe.

Dass es aus der Zeit Ramsauers keine Berichte über Stoffreste gibt, rühre vermutlich daher, dass es damals quasi undenkbar war, dass sich so etwas überhaupt erhalten kann. Daher wurde dem wahrscheinlich keine Beachtung geschenkt.

NHM Wien, Andreas W. Rausch, Alexander Sendlhofer, Stefan Krojer
Auf dieser Bronzespirale wurden Textilreste gefunden.

Erhaltungszustand „bemerkenswert“
Insgesamt sei der Erhaltungszustand des neuen Fundes „bemerkenswert“, so Rudorfer. So konnte man nun auch erstmals nachweisen, dass sich die sterblichen Überreste einmal in einem Behälter in Form eines Stoffsäckchens befanden. Dass die damals im Hochtal bestatteten eisenzeitlichen Hallstatt-Bewohner in einer Art Urne niedergelegt wurden, hatten Archäologen bereits seit längerem vermutet. Das lag daran, dass gefundene Knochen- und Aschereste meist nicht weit verstreut aufgefunden wurden. Die Wissenschafter gehen nun davon aus, dass sich beim aktuellen Fund der Leichenbrand in einem Säckchen befand und die Bronzespiralen darauf gelegen sind.

Die heurigen Grabungen im Hochtal laufen noch bis Mitte August, neu gestartet wurde nun auch eine Grabung im Bereich der einstigen römischen Siedlung im Ort Hallstatt. Mitte September (16.-17.9.) steht dann unter dem Titel „Archäologie am Berg“ das Vermittlungsprogramm der Naturhistorischen-Museums-Forscher für ein breites Publikum an.
05.07.2023, red, ooe.ORF.at/Agenturen
Grab der frühen Eisenzeit in Hallstatt entdeckt
 

josef

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Hallstatt: Forschung an prähistorischem Kot
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In den prähistorischen Hallstätter Salz-Stollen können organische Verbindungen über Jahrtausende konserviert werden. Das gilt für kunstvoll gewobene Stoffreste ebenso wie für profanere Hinterlassenschaften der einstigen Bergleute, wie deren Kot. In 3.000 Jahre alten Exkrementen gelang Forschern nun der weltweit früheste Nachweis von Spulwurm-DNA.
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Von versteinerten Überbleibseln der Hinterlassenschaften – sogenannten Koprolithen – können Wissenschafter mit modernen Analysemethoden heute viel über die Lebensbedingungen und die Gesundheit von Mensch und Tier in der Vergangenheit lernen. Ziel der im Fachmagazin „Scientific Reports“ erschienenen Studie war es, aus insgesamt 35 Koprolithen aus den Bergbauphasen in Hallstatt in der Bronze- und Eisenzeit – also von 1158 bis 1063 vor Christus bzw. 750 bis 662 v. Chr. – DNA von Darmparasiten zu erhalten, schreiben die Forscherinnen und Forscher von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Medizinischen Universität Wien und des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien in ihrer Arbeit. Derart alte Kotreste seien weltweit sehr selten.

Erstaunlich gut erhaltene Eier des Spulwurms
Schon unter dem Mikroskop wurde klar, dass nahezu alle untersuchten Objekte mit Eiern von Parasiten durchsetzt waren. Auffindbar waren Eier des Spulwurms (Ascaris lumbricoides) und Peitschenwurms (Trichuris trichiura). Die Weibchen dieser beiden Parasiten können laut einer Aussendung der ÖAW vom Freitag bis zu 200.000 Eier täglich produzieren. Diese werden ausgeschieden, um dann heranzureifen und eventuell wieder von Menschen, meist über verunreinigte Hände oder Lebensmittel, aufgenommen zu werden. Vor allem die Spulwurm-Eier waren laut den Forschern erstaunlich gut erhalten.

ORF.at/Günther Rosenberger
Das Team setzte in der Folge auch auf Erbgut-Analysen: „Durch das Aufkommen neuer biomolekularer Analyseverfahren wie DNA- oder Proteinanalysen hat sich der Erkenntnishorizont enorm erweitert“, so Kerstin Kowarik vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI). Im Zuge der molekularbiologischen Untersuchungen wurde versucht, das erhaltene Genmaterial der Parasiten zu vervielfältigen.

Paläogenetik liefert Einblicke in Evolution
Das gelang im Fall der Spulwurm-DNA auch. Man habe es nun mit den nach dem Wissensstand der Wiener Wissenschafter weltweit ersten Gensequenzen eines menschlichen Spulwurmes aus der Bronzezeit zu tun. Das sei interessant, da die Paläogenetik noch eine „vergleichsweise junge, aber spannende Wissenschaftsdisziplin“ ist, die verspricht „weitreichende Einblicke in die Evolution“ zu liefern, so Studien-Co-Autorin Julia Walochnik von der MedUni Wien.

Bergleute litten stark unter Parasitenbefall
Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass viele prähistorische Bergleute durchaus stark von Parasitenbefall geplagt wurden. Darauf lassen auch Funde von Pestwurz-Blättern in den Minen schließen, die als Hausmittel gegen Bauchschmerzen eingesetzt werden, heißt es in der Arbeit. Allerdings fanden die Wissenschafter nur Hinweise auf Spul- und Peitschenwurm-Arten. Das sei durchaus überraschend, da in anderen Analysen alter Exkremente aus diesen Epochen oft auch Schweine-, Rinder- oder Fischbandwürmer gefunden wurden.

Spannende Frage nach fehlenden Bandwürmern
Vor allem in der Eisenzeit dürften die Hygienestandards in den Salzminen bescheiden gewesen sein – so wurde vermutlich an den gleichen Orten gekocht, gegessen und die Notdurft verrichtet. Das Fehlen der Bandwürmer lasse daher darauf schließen, dass die Arbeiter offenbar ausreichend abgekochtes Fleisch aßen oder die verzehrten Tiere damals nicht mit den Parasiten infiziert waren.
25.08.2023, red, ooe.ORF.at/Agenturen

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