Situationen in der die Welt kurz vor dem Dritten Weltkrieg stand

josef

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Kubakrise und Co: Als die Welt kurz vor dem Dritten Weltkrieg stand
Tödliche Explosionen in Polen schürten die Angst vor einer Ausweitung des Kriegs in der Ukraine. Das erinnert an brisante Zwischenfälle im Kalten Krieg
Dienstagabend hielt die Welt den Atem an. Meldungen, wonach möglicherweise russische Raketen im polnischen Grenzgebiet einschlugen und Menschenleben forderten, schürten die Angst vor einer Ausweitung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu einem Dritten Weltkrieg zwischen Russland und der Nato. Mittwochmittag folgte aber die offizielle Entwarnung: Eine ukrainische Luftabwehrrakete – und nicht ein russisches Geschoß – verursachte vermutlich die tödlichen Explosionen in Polen, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Welt an einem Dritten Weltkrieg vorbeischrammte. Im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion gab es mehrere heikle Momente, absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführt, die zu einer globalen Katastrophe hätten führen können.

US-Raketen auf die Sowjetunion gerichtet
Am bekanntesten dabei ist sicherlich die Kubakrise, die als Höhepunkt und Wendepunkt des Kalten Kriegs gilt. Dem vorangegangen waren wachsende Konflikte zwischen den USA und Fidel Castros Kuba, was dazu führte, dass sich Castro Moskau annäherte. Zu den Spannungen trug auch bei, dass die USA Mittelstreckenraketen in der Türkei und in Italien platzierten, die allesamt auf die Sowjetunion gerichtet waren.


27. Oktober 1962: Proteste in Moskau nahe der US-Botschaft gegen das Verhalten der USA in der Kubakrise.
Foto: imago

Im Oktober 1962 fanden die USA schließlich heraus, dass die Sowjetunion Raketen mit Atomsprengköpfen auf Kuba platziert hatte – nur rund 200 Kilometer von der Küste Floridas entfernt. In der daraufhin einberufenen Sonderberatungsgruppe von US-Präsident John F. Kennedy sprachen sich einige gleich für Luftangriffe auf Kuba aus, andere für eine Seeblockade als softe Lösung.

Kennedy entschied sich für die Blockade und forderte Moskau auf, die Raketenstellungen abzubauen. Sein sowjetischer Konterpart Nikita Chruschtschow reagierte erbost und erklärte, man lehne die Forderungen ab und werde die Blockade ignorieren. Während beide Weltmächte schon in höchster Alarmbereitschaft waren und Schiffe beider Länder drohten aufeinanderzutreffen, wurde im Hintergrund erfolgreich an einer diplomatischen Lösung gearbeitet.

"Heißer Draht" eingerichtet
Letzten Endes baute Moskau die Raketenstellungen auf Kuba ab, während die USA später ihre Raketen in der Türkei abtransportieren ließen. Gleichzeitig wurde beiden Seiten die Gefahr eines Atomkriegs bewusst. Um diesen auch künftig zu verhindern, wurden mehrere Abrüstungs- und Entspannungsinitiativen ins Leben gerufen, zudem wurde eine direkte Verbindung zwischen Kreml und dem Weißen Haus etabliert – der sogenannte Heiße Draht.


10. November 1962: Nach der diplomatischen Lösung der Kubakrise befördert das sowjetische Schiff Anosow Raketen von Kuba zurück in die Sowjetunion.
Foto: AFP

Dieser wäre bereits 1960 nützlich gewesen, als am 5. Oktober das US-Frühwarnsystem im grönländischen Thule Alarm schlug und den Abschuss sowjetischer Atomraketen mit dem Ziel USA meldete. Doch die Techniker in Thule bemerkten rechtzeitig einen Fehler im Computersystem: Dieses hatte auf dem Radar zwei Nullen aus einer Messung entfernt, sodass es so aussah, als wären Langstreckenraketen nur noch 2.500 Meilen entfernt. Stattdessen handelte es sich aber um eine 250.000 Meilen entfernte Spiegelung des Mondlichts, die das Radar versehentlich eingefangen hatte.

Übungstonband löst Alarm aus
Im November 1979 wurden US-Militärkommandos im Pentagon und in Maryland von ihren Computersystemen informiert, dass ein massiver atomarer Angriff der Sowjetunion bevorstehe. Die US-Luftwaffe startete bereits zehn Kampfflugzeuge, die die Raketen abfangen sollten. Rechtzeitig kam man aber drauf, dass ein US-Warnsystem die Geräusche eines Übungstonbands des Militärs eingefangen hatte, auf dem auch Raketen zu hören sind.

Im Juni 1980 wurde in den USA gleich zweimal binnen weniger Tage Alarm geschlagen. Doch die Meldung über einen sowjetischen Angriff wurde skeptisch aufgenommen, weil die Computersysteme widersprüchliche Informationen lieferten. Schließlich stellte sich heraus, dass ein Computerchip fehlerhaft war.

Auf sowjetischer Seite ist vor allem ein Zwischenfall aus der Nacht vom 25. auf den 26. September 1983 bekannt. Ein Frühwarnsystem meldete den Anflug von fünf US-Atomraketen. Oberstleutnant Stanislaw Petrow war zu diesem Zeitpunkt diensthabender Verantwortlicher in einem Luftüberwachungszentrum nahe Moskau. Er wäre verpflichtet gewesen, diesen Angriff sofort seinen Verantwortlichen zu melden, die dann wohl einen Gegenschlag eingeleitet hätten.

"Sicher war ich mir nicht"
Doch Petrow war skeptisch: Würden die USA wirklich einen Angriff wagen, dachte er, würden sie ihn nicht mit fünf, sondern mit hunderten Raketen durchführen. "Nur: Sicher war ich mir nicht", sagte er später in einem Interview. Letztlich misstraute er dem Warnsystem und meldete einen Fehlalarm, womit er richtig lag. "Ich wollte nicht schuld sein am Dritten Weltkrieg", erklärte er.

Wie sich später herausstellte, wurden Reflexionen von Sonnenstrahlen in Wolken nahe einer US-Militärbasis in Montana, wo auch Raketen stationiert waren, vom Frühwarnsystem als Raketenstarts fehlinterpretiert.

Die Doku "Der Mann, der die Welt rettete" über Stanislaw Petrow.Yuchtueal Miserba

Aufgrund militärischer Geheimhaltung wurde dieser Zwischenfall erst zehn Jahre später publik. Und es dauerte weitere Jahrzehnte, bis Petrows Verhalten auch international bekannt wurde – dann aber richtig. 2004 erhielt er den World Citizen Award, 2012 den Deutschen Medienpreis und 2013 den Dresdner Friedenspreis.
Und 2014, drei Jahre vor seinem Tod, wurde er in einem dänischen Dokumentarfilm gewürdigt. Titel: "Der Mann, der die Welt rettete".
(Kim Son Hoang, 17.11.2022)

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