Tausende Kilometer lange Unterwasserkabel verbinden Kontinente, der Großteil des internationalen Datenverkehrs läuft darüber

josef

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#1
Die Schläuche, die die Welt verbinden
Sie sind meist nur etwas dicker als ein Gartenschlauch, doch Unterwasserkabel spielen für das Internet eine wesentliche Rolle: Die oft Tausende Kilometer langen Kabel verbinden Kontinente, der Großteil des internationalen Datenverkehrs läuft darüber. Google kündigte am Dienstag ein neues Projekt im Atlantik an – wichtiger Faktor dabei ist auch die Verlässlichkeit: Kabelbrüche kommen regelmäßig vor, Reparaturen sind sehr aufwendig.

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Es mag in Zeiten von WLAN fast altmodisch klingen, doch wer eine Website in den USA ansteuert, muss im Normalfall per Kabel den Ozean durchqueren. Der Weg vom einen Ufer zum anderen dauert heute rund 60 Millisekunden, weniger als einmal mit den Augen zu blinzeln. Das liegt unter anderem daran, dass das Unterwassernetz in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ausgebaut wurde – und neben nationalen Telekomanbietern zahlreiche weitere Großkonzerne mitmischen.

So kündigte Google am Dienstag an, eine Verbindung zwischen New York, der Region Cornwall im Südwesten Englands und Bilbao in Nordspanien herzustellen. Das Projekt soll bis 2022 fertiggestellt sein, so Google in einer Ankündigung. Es ist schon das vierte Tiefseekabel des IT-Riesen: Bereits jetzt gehört Google eine Verbindung zwischen den USA und Chile, zwischen den USA und Frankreich sowie ein Kabel, das Portugal mit Südafrika und anderen afrikanischen Ländern entlang der Atlantikküste verbindet.
Hunderte Kabel auf dem Meeresboden
Insgesamt gibt es über 400 Kabel, die verschiedene Landmassen miteinander verbinden. Besonders wesentlich für die Kommunikation sind dabei natürlich die Verbindungen zwischen Europa und den USA über den Atlantik auf der einen Seite und zwischen den USA und Ostasien auf der anderen Seite. Doch auch besonders entlegene Inselgruppen werden per Kabel erschlossen. Satelliten können zwar für die Vernetzung verwendet werden, sind aber deutlich langsamer und haben durch die enorme Distanz, die zurückgelegt werden muss, auch mehr Verzögerung bei der Übertragung der Daten.

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Schiffe verlegen Tiefseekabel
Doch die Verlegung eines Unterwasserkabels ist naturgemäß mit einigen Hürden verbunden, die offensichtlich werden, wenn man allein die Zahlen betrachtet: Googles letztes Transatlantikkabel war etwa 6.400 Kilometer lang. Das Kabel selbst befindet sich dabei über weite Strecken in ungefähr 8.000 Meter Tiefe auf dem Boden des Ozeans.

Zur Verlegung werden Schiffe eingesetzt, die das Kabel auf den Meeresboden absinken lassen. Während bei besonders tiefen Stellen das Kabel nur gelegt wird, wird in seichteren Regionen mit einer Art Pflug eine Rille gezogen und das Kabel darin begraben. „Seicht“ bedeutet dabei dennoch oft Tiefen von rund einem Kilometer.

Von Wörtern pro Minute zum Hochgeschwindigkeitsnetz
Bereits 1858 wurde das erste Transatlantikkabel verlegt. Es sollte die Telegrafie zwischen den USA und Europa und damit die Übermittlung von Nachrichten in Minuten – und nicht wie bis dahin Wochen – ermöglichen. Noch im selben Jahr wurde es zerstört, erst Versuche in den Jahren 1865 und 1866 waren erfolgreicher.

Microsoft/RUN Studios
Relativ unscheinbar verbindet der schwarze Schlauch die Kontinente – hier ein von Microsoft und Facebook finanziertes Projekt

Während früher vor allem Kupferdraht verlegt wurde, setzt man heutzutage primär auf Glasfaserkabel. 16 Glasfaserpaare, jeweils für den Hin- und Retourweg, sind für Googles neues „Grace Hopper“-Kabel vorgesehen. Das Aussehen der Kabel ist dabei relativ unspektakulär: An besonders tiefen Stellen hat ein Unterwasserkabel nur wenige Zentimeter Durchmesser – an seichteren Stellen, um Schäden zu vermeiden, ist es dicker.

Konnten die ersten Kabel im 19. Jahrhundert nur wenige Zeichen pro Minute übertragen, sind die Geschwindigkeiten heute enorm: Das von Microsoft und Facebook mitfinanzierte Kabel „Marea“ ermöglicht etwa eine Bandbreite von 160 Terabit pro Sekunde – und ist damit rund 1,6 Millionen Mal schneller als ein herkömmlicher Breitbandinternetanschluss für zu Hause.

Wale, Fischernetze und der Kalte Krieg
Sicher sind die Kabel auf dem Meeresboden dafür kaum: Neben natürlichen Faktoren wie Erdbeben und gefährlichen Strömungen können Kabel auch durch Fischernetze beschädigt werden. Und das ist keine Seltenheit – bis in die 1970er musste man pro 1.000 Kilometer Kabel durchschnittlich gleich mit mehreren Ausfällen pro Jahr rechnen. Gehäuft haben sich Zwischenfälle im Kalten Krieg: So warfen die Amerikaner den Russen etwa 1959 vor, ein Unterwasserkabel absichtlich mit Fischernetzen beschädigt zu haben.

Die Unterwasserkabel führten auch zu Zwischenfällen mit Meerestieren: So verhedderten sich bis in die 1950er hinein mehrere Wale in den Kabeln. Das passiert heutzutage nicht mehr, weil bei der Verlegung darauf geachtet wird, dass sich das Kabel nicht mehr von alleine einrollen kann.

Microsoft/RUN Studios
Mit Schiffen werden die Kabel im Ozean verlegt

Mittlerweile sind Ausfälle seltener geworden – doch erst Ende März etwa gab es eine Unterbrechung eines Kabels, das Südafrika mit Großbritannien verbindet. Die Folge war vielerorts stark verlangsamter Zugang zum Netz: Denn anstatt die Route entlang Westafrikas Küste zu verwenden, musste der Datenverkehr über Ostafrika umgeleitet werden – und damit über einen großen Umweg nach Europa gelangen, schrieb das Nachrichtenportal Quartz. Zur Reparatur wird mit technischen Hilfsmitteln die ungefähre Stelle des Kabelbruchs gesucht – dann muss ein Schiff ausrücken und die beschädigte Stelle tauschen.

Internetriesen verstärken ihre Standorte
Damit tragen neue Tiefseekabel einerseits dazu bei, die Ausfallsicherheit zu erhöhen – immerhin: Nach Schätzungen von Google laufen fast 98 Prozent des internationalen Datenverkehrs über die Unterwasserkabel. Andererseits dürfte es im Eigeninteresse der Netzriesen liegen, die jeweiligen Endpunkte des Kabels selbst zu bestimmen.

Dass „Grace Hopper“ – benannt nach einer US-Computerpionierin – in Bilbao endet, liegt daran, dass der Konzern seine Cloud-Sparte in Spanien ausbaut. Dafür ist eine gute Anbindung an andere Google-Rechenzentren wichtig – gleichzeitig werden die Kosten gesenkt, sagte ein Experte gegenüber der BBC. Normalerweise müsste Google den Telekomfirmen, die das Kabel betreiben, eine Gebühr für die Nutzung zahlen – diese entfalle dadurch. Das wird wohl auch für Facebook und Microsoft ein Grund sein, so kräftig zu investieren.

Darüber hinaus geht es oft auch um die Erschließung bisher schlecht angebundener Regionen: So kündigte Facebook an, bis 2024 ein 37.000 Kilometer langes Unterwasserkabel zu verlegen, um 16 afrikanische Länder mit schnellerem Internet zu versorgen. Die Anbindung in Afrika ist vielerorts noch sehr langsam, gleichzeitig leben über 1,2 Milliarden Menschen auf dem Kontinent. Eine Zielgruppe, die viele Konzerne nun erreichen wollen – auch über den Meeresboden.
29.07,2020, bock (Text), ppff (Grafik), beide ORF.at

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