DER WEG VOM JAGDFLIEGERFÜHRER OSTMARK ZUR 8. JAGDDIVISION
Teil 1 von 3
© Renato Schirer, nachfolgende Beiträge sind ab 2016 als Fortsetzungs-Artikeln in verschiedenen Ausgaben der öfh-Nachrichten erschienen:
Obwohl die Aufstellung des neuen „Jagdfliegerführers Ostmark“ bereits am 15. September 1943 erfolgt war, konnte Oberst Handrick erst am 12. Januar 1944 in seinem Bereich die Führung übernehmen. Wenige Tage vor der Übernahme kam es erstmals zu einem kompakten Abwehreinsatz im Bereich der Ostmark, als am 7. Januar 1944 64 Jagdflugzeuge und 38 Zerstörer starteten, um sich den Gegner auf Höhe von Wiener Neustadt, Steinamanger (Szombathely), Graz und Marburg (Maribor) zu stellen.138
Nach einer längeren Pause konnte Oberst Handrick erstmals am 22., 23. 24. und 25. Februar 1944 die Abwehr der im Rahmen der „Big Week“ einfliegenden amerikanischen Verbände koordinieren, wobei jedoch nur am 24. Februar ein größerer Abwehrerfolg erzielt werden konnte.139
24. Februar 1944, Angriff auf die Rüstungsindustrie in Steyr. Im Bild ist auf halber Höhe links eine Me 110 zu erkennen. Diese verfolgt eine B-24, am rechten Rand des Fotos (NARA RG 342).
Im Zusammenhang mit dem Fortschritt beim Aufbau der Nachtjagd-Infrastruktur, konnte man am 5. April 1944 die II. Gruppe des Nachtjagd-Geschwaders 6 von Parchim nach Parndorf verlegen.140
Hier hatte bisher nur die Schulgruppe II./N.J.G. 101 gelegen, welche mit veralteten Flugzeugen ohne Bordsuchgeräte ausgerüstet war.141
Als Ende Mai 1944 die Inbetriebnahme der in der Steiermark gelegenen Jägerleitstellung „Gladiole“ erfolgte, hatte die II./N.J.G. 6 die Ostmark bereits wieder verlassen. Mit Hilfe der Jägerleitstellung auf den Stradnerkogel bei Bad Gleichenberg war es endlich möglich, gemeinsam mit der Jägerleitstellung „Selma“, sowohl das Wiener-, als auch das Grazer-Becken voll abzudecken.142
Ein sicheres Indiz für das Erreichen dieser wichtigen Ausbaustufe war die ab Mai 1944 in der Ostmark vorhandene Konzentration von Nachtjagdverbänden. So war die I./N.J.G. 6 vom 7. bis zum 15. Mai 1944 in Wiener Neustadt, mit Teilen, von 13. bis 15. Mai, auch in Parndorf, stationiert.143
Auch im Juni waren ständig Nachtjäger hier, so operierte die 6./N.J.G. 101 von Parndorf aus, während die III./N.J.G. 6 ihre Einsätze von Steinamanger (Szombathely) aus flog. Neben den in Parndorf liegenden Teilen des Schulverbandes (Stab, 4. und 5. Staffel der II./N.J.G. 101) flog auch die 6. Staffel, im Zeitraum vom 14. Juni bis zum 10. Juli 1944, ihre Einsätze von Parndorf aus.144
Diese Nachtjagd-Einsätze waren eine Reaktion auf die von der 205 Bomb Group RAF ab Mitte April durchgeführten nächtlichen Verminungen der Donau. Daneben sollten die Nachtjäger aber auch die Störangriffe der 205. Bombergruppe der RAF verhindern, deren nächtliche Aktivitäten sich vorerst in Ungarn, später dann auch in der Ostmark, störend bemerkbar machten. Gleichzeitig sollten auch die nächtlichen Partisanenversorger, sowohl im Protektorat als auch auf dem Balkan, wirkungsvoll bekämpft werden.145
Der nächste größere Jägereinsatz erfolgte am 17. März als 26 Bf 109 des J.G. 27 von Graz aus starteten.146 Auch am 19. März kam es an der Südgrenze zu Einsätzen.147 Am 23. März konnte der Jafü 54 Bf 109, von Fels am Wagram und Graz aus, an den Gegner heranführen. Am 26. März waren es 85 Bf 109 und 31 Me 110 welche gegen die einfliegenden Bomber zum Einsatz kamen. Weitere vier Bf 109 wurden an diesem Tag gegen einfliegende Wetteraufklärer eingesetzt.148
Der Monat April begann mit einem erfolgreichen Abwehreinsatz, gegen einen in den Raum Steyr einfliegenden Bomberverband.149
Am 12. April konnte der Jafü 110 einmotorige- und 30 zweimotorige Flugzeuge gegen den Einflug, welcher die Rüstungsindustrie im Wiener Raum zum Ziel hatte, aufbieten.150
Auch am 23. April konnte der Jafü, diesmal auch auf Verbände der 7. Jagddivision zurückgreifen und 150 ein- und zweimotorige Flugzeuge dem in den der Wiener Raum einfliegenden Gegner entgegen schicken.151
Im Monat Mai konnten am 10., gemeinsam mit der 7. Jagddivision, 159 Maschinen an den Gegner herangeführt werden.152 Auch am 12., 24. und 30. Mai 1944 konnte den einfliegenden Bomberverbänden erhebliche Verluste zugefügt werden.
Das Hydrierwerk in Brüx im Sudetenland, dem heutigen Most in Tschechien, wurde nach seiner vollen Inbetriebnahme zum Primärziel der 15th US-Air Force im Bereich des Luftgaues XVII (Wien). Dies erforderte erhebliche Organisationsänderungen im Bereich der Luftverteidigung. Hier ein Aufklärungsfoto unmittelbar nach dem Luftangriff am 12. Mai 1944 (NARA RG 342).
Die verstärkte Aktivität der Abwehr führte dazu, dass die 205 Bomb Group der RAF in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai den Jägerflugplatz Fels am Wagram bombardierte.153
Doch alle Erfolge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf deutscher Seite die Verluste kaum mehr zu ersetzen waren. Besonders die Verlustrate der viel zu langsamen zweimotorigen Zerstörer war untragbar geworden. Die Jägerführung wollte als Konsequenz die Zerstörer aus der Reichsverteidigung abziehen um sie im Osten und Südosten und im Norden einzusetzen. Doch Göring lehnte dies rundweg ab und befahl, dass die Zerstörer-Geschwader mit jeweils einer stark gehaltenen Jagdgruppe gekoppelt und so baldmöglichst wieder an den Feind geführt werden sollten. Wobei der Einsatz im Grenzbereich der Reichweiten der amerikanischen Jäger, also über Wien und München, erfolgen sollte. Durch diesen gemeinsamen Einsatz erwartete sich Göring gute Erfolge bei tragbaren Verlusten. Des Weiteren befahl er dafür dem Zerstörer-Geschwader 76 eine einmotorige Nachtjagdgruppe aus dem Raum Wien zuzuführen und zu unterstellen. Nach Görings Ansicht sollte die Hauptaufgabe dieser Jagdgruppe der Schutz der langsamen Zerstörer am Tag sein, nebenbei sollte aber auch die Nachtjagd weiter durchgeführt geführt werden.154
Bereits Mitte Mai beantragte das für die Reichsverteidigung verantwortliche I. Jagdkorps den Jagdfliegerführer Ostmark aus der Unterstellung unter die 7. Jagddivision zu entlassen um diesen dem I. Jagdkorps direkt zu unterstellen. Vorerst verhinderte Göring dieses Vorhaben, da er eine Schwächung der Abwehrkraft zum Schutz der Rüstungsindustrie in Linz und Steyr befürchtete. Erst nachdem ihm versichert wurde, dass das I. Jagdkorps den Schutz dieses Raumes, durch eine Zusammenführung der der 7. Jagddivision und des Jagdfliegerführers Ostmark unterstellten Verbände, als seine Hauptaufgabe ansah, stimmte Göring zu. Des Weiteren erhielt das I. Jagdkorps nun die Genehmigung die II./J.G. 27, aus dem Bereich der 7. Jagddivision, zum Jagfliegerführer Ostmark zu verlegen.155
So konnte der Jafü am 9. Juli 1944, nun dem Jagdkorps direkt unterstellt, 39 Bf 109, 26 Me 110 und 17 Me 410 an den Start bringen.156
Auch beim nächsten Abwehreinsatz am 13. Juni konnte Oberst Handrick 37 Bf 109, 25 Me 110 und 19 Me 410 an den Gegner heranführen.157
Der Jagdführer Ostmark hatte in den vergangenen Monaten große Aufgaben zu bewältigen und dabei auch machen Erfolg erzielt, doch in keinem Fall konnte die totale Zerstörung der zu schützenden Objekte verhindert werden. Es gelang zwar den Angreifern ständig Nadelstiche zuzufügen, doch bedingt durch das Ungleichgewicht der Kräfte war es ein aussichtsloser Kampf. Mochten die Schläge der deutschen Jagdwaffe im Einzelfall auch noch so schmerzhaft gewesen sein, sie konnten zu keiner Zeit das Ziel der Angreifer, die Ausschaltung der Abwehrfähigkeit der Luftverteidigung und in weiterer Folge auch des industriellen und militärischen Potentials, gefährden.
Nach monatelangen schweren Kämpfen gegen die aus Italien einfliegende 15. Amerikanische Luftflotte, musste man auf der deutschen Seite zur Kenntnis nehmen, dass man es hier mit einer vollwertigen zweiten Luftfront zu tun hatte. So entschloss sich die Luftwaffenführung den bisherigen Jagdfliegerführer Ostmark aufzuwerten, wobei die bisherige Kommandobehörde in die neu zu bildende Division aufgehen sollte. Generalleutnant Schmidt, der Kommandeur des I. Jagdkorps, hatte Mitte Mai, anlässlich einer Jägerbesprechung bei Göring, eine unmittelbare Unterstellung des Jagdfliegerführers Ostmark unter das I. Jagdkorps sowie dessen Umbenennung, nach dem Abschluss des Ausbaues der erforderlichen Nachrichtenanlagen, in 8. Jagddivision beantragt.158
Erst am 5. Juni 1944 wurde Oberst Gotthardt Handrick, der bisherige Jagdfliegerführer Ostmark zum Kommandeur der neuen 8. Jagddivision ernannt. Diese Aufwertung wurde schon seit langen erwartet, hatte man doch bereits am 1. Mai 1944 den, zu Anfang des Monats April neu geschaffenen, „Jagdabschnittführer Ungarn“ dem Jagdfliegerführer Ostmark in einsatzmäßiger Hinsicht unterstellt.
Doch der Hauptgrund für die Aufwertung war, dass man zu diesem Zeitpunkt mit einer kontinuierlichen Ausweitung der Südeinflüge des Gegners rechnen musste. Gegen diese zweite Luftfront der Alliierten im Süden sollte mit Hilfe der neuen 8. Jagddivision eine solide Abwehrorganisation aufgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt mochte sich niemand vorstellen, dass es, mit dem Beginn der alliierten Invasion im Westen die man seit dem Frühjahr 1944 täglich erwartete, zu einem derart rapiden Verfall der Abwehrkraft im Süden und Südosten des Reiches kommen würde. Die neugeschaffene Jagddivision verfügte ab Ende August 1944 über keinerlei Jagdverbände mehr. Trotzdem wurde der im Frühsommer begonnene Ausbau der Infrastruktur mit voller Kraft weitergeführt.
138 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 20057/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 7.1.1944.
139 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 20763/44 geh., 20782/44 geh., 20806/44 geh. und 20836/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 22., 23., 24. Und 25.2.1944.
140 Die Gruppe lag hier vom 5. bis 11. April 1944.
141 Bei den Schulverbänden gab es eine Einsatzstaffel, wobei es sich um eine Alarmformation, mit einer Stärke von 4-8 Flugzeugen, handelte. Die Einsatzmaschinen wurden mit dem Lehrpersonal und den am weitesten ausgebildeten Schülern besetzt und nur gegen Aufklärungsflugzeuge eingesetzt, bzw. gegen Bomber mit Beschussschäden, welche als Nachzügler ihrem Verband folgten.
142 Am 14. Mai 1944 waren dem Jafü an Einsatzverbänden nur die I./J.G. 302 in Seyring (in der Tagjagd eingesetzt) und die II./N.J.G. 101 in Parndorf, sowie die Ungarische Nachtjagdstaffel 5/1 in Ferihegy unterstellt. Dazu kam noch die Luftbeobachterstaffel 7 in Agram (Zagreb), welche den Flugweg der aus Italien einfliegenden Bomberverbände beobachtete und als „Fühlungshalter“ diente.
143 BArch, Index Lw. Informationskarten 8618—8624 (MArch).
144 Ebd.
145 Neben der III./N.J.G. 6 standen auch die Einsatzteile der in Parndorf stationierten II./N.J.G. 101 zur Nachtjagd zur Verfügung. Als der, am 1. Mai 1944 gebildete, „Jagdabschnittsführer Ungarn“ einsatzmäßig dem Jafü. Ostmark unterstellt wurde kam dann auch noch die ungarische Nachtjagdstaffel 5/1 in Ferihegy dazu.
146 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21232/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 17.3.1944.
147 LGK XVII, Gruppe I c, Einflug-Abendmeldung für den 19.1.1944.
148 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21349/44 geh. und 21430/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 23. und 26.3.1944.
149 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21522/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 2.4.1944.
150 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21819/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 12.4.1944.
151 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21999/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 23.4.1944.
152 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22337/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 10.5.1944.
153 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21602/44 geh. und 22693/44 geh. sowie 22704/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 24., 29. und 30.5.1944 sowie LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22697/44 geh. Betr.: Morgenmeldung für die Nacht 29./30.5.1944.
154 OKL Ia/Flieg, Nr. 4041/44 gKdos., vom 19.5.1944, Betr.: Aktennotiz über Jägerbesprechung beim Herrn Reichsmarschall am 15. u. 16.5.44, S. 3 f., hier die Punkte 6 und 8.
155 Ebd., Punkte 15 und 16.
156 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22944/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 9.6.1944.
157 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 23041/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 13.6.1944.
158 OKL Ia/Flieg, Nr. 4041/44 gKdos., vom 19.5.1944, Betr.: Aktennotiz über Jägerbesprechung beim Herrn Reichsmarschall am 15. u. 16.5.44, S. 6, hier Punkt 15.
Fortsetzung siehe Teil 2...
Teil 1 von 3
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Obwohl die Aufstellung des neuen „Jagdfliegerführers Ostmark“ bereits am 15. September 1943 erfolgt war, konnte Oberst Handrick erst am 12. Januar 1944 in seinem Bereich die Führung übernehmen. Wenige Tage vor der Übernahme kam es erstmals zu einem kompakten Abwehreinsatz im Bereich der Ostmark, als am 7. Januar 1944 64 Jagdflugzeuge und 38 Zerstörer starteten, um sich den Gegner auf Höhe von Wiener Neustadt, Steinamanger (Szombathely), Graz und Marburg (Maribor) zu stellen.138
Nach einer längeren Pause konnte Oberst Handrick erstmals am 22., 23. 24. und 25. Februar 1944 die Abwehr der im Rahmen der „Big Week“ einfliegenden amerikanischen Verbände koordinieren, wobei jedoch nur am 24. Februar ein größerer Abwehrerfolg erzielt werden konnte.139
24. Februar 1944, Angriff auf die Rüstungsindustrie in Steyr. Im Bild ist auf halber Höhe links eine Me 110 zu erkennen. Diese verfolgt eine B-24, am rechten Rand des Fotos (NARA RG 342).
Im Zusammenhang mit dem Fortschritt beim Aufbau der Nachtjagd-Infrastruktur, konnte man am 5. April 1944 die II. Gruppe des Nachtjagd-Geschwaders 6 von Parchim nach Parndorf verlegen.140
Hier hatte bisher nur die Schulgruppe II./N.J.G. 101 gelegen, welche mit veralteten Flugzeugen ohne Bordsuchgeräte ausgerüstet war.141
Als Ende Mai 1944 die Inbetriebnahme der in der Steiermark gelegenen Jägerleitstellung „Gladiole“ erfolgte, hatte die II./N.J.G. 6 die Ostmark bereits wieder verlassen. Mit Hilfe der Jägerleitstellung auf den Stradnerkogel bei Bad Gleichenberg war es endlich möglich, gemeinsam mit der Jägerleitstellung „Selma“, sowohl das Wiener-, als auch das Grazer-Becken voll abzudecken.142
Ein sicheres Indiz für das Erreichen dieser wichtigen Ausbaustufe war die ab Mai 1944 in der Ostmark vorhandene Konzentration von Nachtjagdverbänden. So war die I./N.J.G. 6 vom 7. bis zum 15. Mai 1944 in Wiener Neustadt, mit Teilen, von 13. bis 15. Mai, auch in Parndorf, stationiert.143
Auch im Juni waren ständig Nachtjäger hier, so operierte die 6./N.J.G. 101 von Parndorf aus, während die III./N.J.G. 6 ihre Einsätze von Steinamanger (Szombathely) aus flog. Neben den in Parndorf liegenden Teilen des Schulverbandes (Stab, 4. und 5. Staffel der II./N.J.G. 101) flog auch die 6. Staffel, im Zeitraum vom 14. Juni bis zum 10. Juli 1944, ihre Einsätze von Parndorf aus.144
Diese Nachtjagd-Einsätze waren eine Reaktion auf die von der 205 Bomb Group RAF ab Mitte April durchgeführten nächtlichen Verminungen der Donau. Daneben sollten die Nachtjäger aber auch die Störangriffe der 205. Bombergruppe der RAF verhindern, deren nächtliche Aktivitäten sich vorerst in Ungarn, später dann auch in der Ostmark, störend bemerkbar machten. Gleichzeitig sollten auch die nächtlichen Partisanenversorger, sowohl im Protektorat als auch auf dem Balkan, wirkungsvoll bekämpft werden.145
Der nächste größere Jägereinsatz erfolgte am 17. März als 26 Bf 109 des J.G. 27 von Graz aus starteten.146 Auch am 19. März kam es an der Südgrenze zu Einsätzen.147 Am 23. März konnte der Jafü 54 Bf 109, von Fels am Wagram und Graz aus, an den Gegner heranführen. Am 26. März waren es 85 Bf 109 und 31 Me 110 welche gegen die einfliegenden Bomber zum Einsatz kamen. Weitere vier Bf 109 wurden an diesem Tag gegen einfliegende Wetteraufklärer eingesetzt.148
Der Monat April begann mit einem erfolgreichen Abwehreinsatz, gegen einen in den Raum Steyr einfliegenden Bomberverband.149
Am 12. April konnte der Jafü 110 einmotorige- und 30 zweimotorige Flugzeuge gegen den Einflug, welcher die Rüstungsindustrie im Wiener Raum zum Ziel hatte, aufbieten.150
Auch am 23. April konnte der Jafü, diesmal auch auf Verbände der 7. Jagddivision zurückgreifen und 150 ein- und zweimotorige Flugzeuge dem in den der Wiener Raum einfliegenden Gegner entgegen schicken.151
Im Monat Mai konnten am 10., gemeinsam mit der 7. Jagddivision, 159 Maschinen an den Gegner herangeführt werden.152 Auch am 12., 24. und 30. Mai 1944 konnte den einfliegenden Bomberverbänden erhebliche Verluste zugefügt werden.
Das Hydrierwerk in Brüx im Sudetenland, dem heutigen Most in Tschechien, wurde nach seiner vollen Inbetriebnahme zum Primärziel der 15th US-Air Force im Bereich des Luftgaues XVII (Wien). Dies erforderte erhebliche Organisationsänderungen im Bereich der Luftverteidigung. Hier ein Aufklärungsfoto unmittelbar nach dem Luftangriff am 12. Mai 1944 (NARA RG 342).
Die verstärkte Aktivität der Abwehr führte dazu, dass die 205 Bomb Group der RAF in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai den Jägerflugplatz Fels am Wagram bombardierte.153
Doch alle Erfolge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf deutscher Seite die Verluste kaum mehr zu ersetzen waren. Besonders die Verlustrate der viel zu langsamen zweimotorigen Zerstörer war untragbar geworden. Die Jägerführung wollte als Konsequenz die Zerstörer aus der Reichsverteidigung abziehen um sie im Osten und Südosten und im Norden einzusetzen. Doch Göring lehnte dies rundweg ab und befahl, dass die Zerstörer-Geschwader mit jeweils einer stark gehaltenen Jagdgruppe gekoppelt und so baldmöglichst wieder an den Feind geführt werden sollten. Wobei der Einsatz im Grenzbereich der Reichweiten der amerikanischen Jäger, also über Wien und München, erfolgen sollte. Durch diesen gemeinsamen Einsatz erwartete sich Göring gute Erfolge bei tragbaren Verlusten. Des Weiteren befahl er dafür dem Zerstörer-Geschwader 76 eine einmotorige Nachtjagdgruppe aus dem Raum Wien zuzuführen und zu unterstellen. Nach Görings Ansicht sollte die Hauptaufgabe dieser Jagdgruppe der Schutz der langsamen Zerstörer am Tag sein, nebenbei sollte aber auch die Nachtjagd weiter durchgeführt geführt werden.154
Bereits Mitte Mai beantragte das für die Reichsverteidigung verantwortliche I. Jagdkorps den Jagdfliegerführer Ostmark aus der Unterstellung unter die 7. Jagddivision zu entlassen um diesen dem I. Jagdkorps direkt zu unterstellen. Vorerst verhinderte Göring dieses Vorhaben, da er eine Schwächung der Abwehrkraft zum Schutz der Rüstungsindustrie in Linz und Steyr befürchtete. Erst nachdem ihm versichert wurde, dass das I. Jagdkorps den Schutz dieses Raumes, durch eine Zusammenführung der der 7. Jagddivision und des Jagdfliegerführers Ostmark unterstellten Verbände, als seine Hauptaufgabe ansah, stimmte Göring zu. Des Weiteren erhielt das I. Jagdkorps nun die Genehmigung die II./J.G. 27, aus dem Bereich der 7. Jagddivision, zum Jagfliegerführer Ostmark zu verlegen.155
So konnte der Jafü am 9. Juli 1944, nun dem Jagdkorps direkt unterstellt, 39 Bf 109, 26 Me 110 und 17 Me 410 an den Start bringen.156
Auch beim nächsten Abwehreinsatz am 13. Juni konnte Oberst Handrick 37 Bf 109, 25 Me 110 und 19 Me 410 an den Gegner heranführen.157
Der Jagdführer Ostmark hatte in den vergangenen Monaten große Aufgaben zu bewältigen und dabei auch machen Erfolg erzielt, doch in keinem Fall konnte die totale Zerstörung der zu schützenden Objekte verhindert werden. Es gelang zwar den Angreifern ständig Nadelstiche zuzufügen, doch bedingt durch das Ungleichgewicht der Kräfte war es ein aussichtsloser Kampf. Mochten die Schläge der deutschen Jagdwaffe im Einzelfall auch noch so schmerzhaft gewesen sein, sie konnten zu keiner Zeit das Ziel der Angreifer, die Ausschaltung der Abwehrfähigkeit der Luftverteidigung und in weiterer Folge auch des industriellen und militärischen Potentials, gefährden.
Nach monatelangen schweren Kämpfen gegen die aus Italien einfliegende 15. Amerikanische Luftflotte, musste man auf der deutschen Seite zur Kenntnis nehmen, dass man es hier mit einer vollwertigen zweiten Luftfront zu tun hatte. So entschloss sich die Luftwaffenführung den bisherigen Jagdfliegerführer Ostmark aufzuwerten, wobei die bisherige Kommandobehörde in die neu zu bildende Division aufgehen sollte. Generalleutnant Schmidt, der Kommandeur des I. Jagdkorps, hatte Mitte Mai, anlässlich einer Jägerbesprechung bei Göring, eine unmittelbare Unterstellung des Jagdfliegerführers Ostmark unter das I. Jagdkorps sowie dessen Umbenennung, nach dem Abschluss des Ausbaues der erforderlichen Nachrichtenanlagen, in 8. Jagddivision beantragt.158
Erst am 5. Juni 1944 wurde Oberst Gotthardt Handrick, der bisherige Jagdfliegerführer Ostmark zum Kommandeur der neuen 8. Jagddivision ernannt. Diese Aufwertung wurde schon seit langen erwartet, hatte man doch bereits am 1. Mai 1944 den, zu Anfang des Monats April neu geschaffenen, „Jagdabschnittführer Ungarn“ dem Jagdfliegerführer Ostmark in einsatzmäßiger Hinsicht unterstellt.
Doch der Hauptgrund für die Aufwertung war, dass man zu diesem Zeitpunkt mit einer kontinuierlichen Ausweitung der Südeinflüge des Gegners rechnen musste. Gegen diese zweite Luftfront der Alliierten im Süden sollte mit Hilfe der neuen 8. Jagddivision eine solide Abwehrorganisation aufgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt mochte sich niemand vorstellen, dass es, mit dem Beginn der alliierten Invasion im Westen die man seit dem Frühjahr 1944 täglich erwartete, zu einem derart rapiden Verfall der Abwehrkraft im Süden und Südosten des Reiches kommen würde. Die neugeschaffene Jagddivision verfügte ab Ende August 1944 über keinerlei Jagdverbände mehr. Trotzdem wurde der im Frühsommer begonnene Ausbau der Infrastruktur mit voller Kraft weitergeführt.
138 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 20057/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 7.1.1944.
139 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 20763/44 geh., 20782/44 geh., 20806/44 geh. und 20836/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 22., 23., 24. Und 25.2.1944.
140 Die Gruppe lag hier vom 5. bis 11. April 1944.
141 Bei den Schulverbänden gab es eine Einsatzstaffel, wobei es sich um eine Alarmformation, mit einer Stärke von 4-8 Flugzeugen, handelte. Die Einsatzmaschinen wurden mit dem Lehrpersonal und den am weitesten ausgebildeten Schülern besetzt und nur gegen Aufklärungsflugzeuge eingesetzt, bzw. gegen Bomber mit Beschussschäden, welche als Nachzügler ihrem Verband folgten.
142 Am 14. Mai 1944 waren dem Jafü an Einsatzverbänden nur die I./J.G. 302 in Seyring (in der Tagjagd eingesetzt) und die II./N.J.G. 101 in Parndorf, sowie die Ungarische Nachtjagdstaffel 5/1 in Ferihegy unterstellt. Dazu kam noch die Luftbeobachterstaffel 7 in Agram (Zagreb), welche den Flugweg der aus Italien einfliegenden Bomberverbände beobachtete und als „Fühlungshalter“ diente.
143 BArch, Index Lw. Informationskarten 8618—8624 (MArch).
144 Ebd.
145 Neben der III./N.J.G. 6 standen auch die Einsatzteile der in Parndorf stationierten II./N.J.G. 101 zur Nachtjagd zur Verfügung. Als der, am 1. Mai 1944 gebildete, „Jagdabschnittsführer Ungarn“ einsatzmäßig dem Jafü. Ostmark unterstellt wurde kam dann auch noch die ungarische Nachtjagdstaffel 5/1 in Ferihegy dazu.
146 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21232/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 17.3.1944.
147 LGK XVII, Gruppe I c, Einflug-Abendmeldung für den 19.1.1944.
148 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21349/44 geh. und 21430/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 23. und 26.3.1944.
149 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21522/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 2.4.1944.
150 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21819/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 12.4.1944.
151 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21999/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 23.4.1944.
152 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22337/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 10.5.1944.
153 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 21602/44 geh. und 22693/44 geh. sowie 22704/44 geh., Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 24., 29. und 30.5.1944 sowie LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22697/44 geh. Betr.: Morgenmeldung für die Nacht 29./30.5.1944.
154 OKL Ia/Flieg, Nr. 4041/44 gKdos., vom 19.5.1944, Betr.: Aktennotiz über Jägerbesprechung beim Herrn Reichsmarschall am 15. u. 16.5.44, S. 3 f., hier die Punkte 6 und 8.
155 Ebd., Punkte 15 und 16.
156 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 22944/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 9.6.1944.
157 LGK XVII, Gruppe I c, Br.B.Nr. 23041/44 geh. Betr.: Einflug-Abendmeldung für den 13.6.1944.
158 OKL Ia/Flieg, Nr. 4041/44 gKdos., vom 19.5.1944, Betr.: Aktennotiz über Jägerbesprechung beim Herrn Reichsmarschall am 15. u. 16.5.44, S. 6, hier Punkt 15.
Fortsetzung siehe Teil 2...
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