N-Stoff aus Falkenhagen

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Gisbert

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#1
Vor einigen Jahren bot sich mir die Gelegenheit die unterirdischen Anlagen der Chemiefabrik Falkenhagen zu besichtigen. Beeindruckend! Gut genug, um nach 1945 „Atom-Bunker“ der GSSD zu werden. Euch Bunkerprofis ist das sicher alles vertrautes Terrain. Was sich mir bei der Führung durch einen kompetenten Guide nur nicht so richtig erschloß, war die Verwendung dieses N-Stoffs – Chlortrifluorid? Der Guide beschränkte sich auf den Hinweis
recht explosiv – als Raketentreibstoff geeignet(?) Auf den ersten Blick habe ich im Netz nichts Vernünftiges gefunden. Könnte mir denn jemand einen Hinweis geben, wo dieser N-Stoff zum Einsatz kam. Die Anlage macht nicht den Eindruck, als wäre sie für den gelegentlichen Bedarf von ein paar Kubikmetern Chlortrifluorid konzipiert worden. Gibt es Hinweise, wo dieses Gas in Größenordnungen verwendet wurde?
Eher beiläufig wurde erwähnt, daß sich im unmittelbaren Nahfeld der Fabrik eine Fertigungsanlage für Sarin befand. Diese Anlage wurde nicht mit der gleichen Sorgfalt, wie N-Stoff Fabrik errichtet. Es mußte schnell gehen (1943/44? ich habe die Daten nicht parat)
Weiß jemand genaues wofür dieses Sarin verwendet werden sollte? Im Zusammenhang mit der Raketenforschung gibt es immer mal Hinweise auf Sarin und Luftdetonationen im Sinne von Vergeltungswaffen. Gibt es da prüfenswerte Substanz?
Für weiterführende Hinweise immer dankbar…
Gisbert
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
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#2
Chlor(III)fluorid wurde als Normal-Stoff oder N-Stoff bezeichnet.

Hier findest du die ersten Angaben, Florian hat bestimmt noch mehr.

An der Entwicklung des "N-Stoffes" war der Chemiker Professor Dr. Wolfram Eschenbach -Abt. Wa F II - in Gottow, auf dem Gelände der Heeresversuchsstelle Kummersdorf als Leiter der Gruppe beteiligt. Die großtechnische Herstellung von Chlor(III)fluorid soll auf Dr. ing Siegfried Glupe zurückgehen.


Zu empfehlen ist dieses Buch:

Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie (Taschenbuch)
von Florian Schmaltz (Autor)
Preis: EUR 39,00
Taschenbuch: 676 Seiten
Verlag: Wallstein Verlag (31. Juli 2001)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3892448809
ISBN-13: 978-3892448808

oder schau mal hier rein.

Gruß
Joe
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
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#4
Damit ist eigentlich das Wesentliche schon gesagt. :)

Die SS war seeeeehr gläubig bzgl. "N-Stoff". Damit wurde jahrelang rumexperimentiert, weil man unbedingt positive Ergebniss haben wollte. Allerdings sind mir - soweit ich das auf die Schnelle überblicken kann - nur negative Forschungsergebnisse bekannt.
 
G

Gisbert

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#5
Donnerwetter! Mit ein bißchen mehr Ausdauer hätte ich das eine oder andere finden müssen.
Danke für die blitzschnelle Unterstützung.
@Florian – Ich weiß nicht mehr genau, wo mir diese Theorie begegnet ist: vielleicht erwähnte es der Guide in Falkenhagen: Zum Stichwort Sarin – eine Luftdetonation hätte verheerende Auswirkungen auf dichtbesiedeltes Gebiet. Ist Ihnen bei Ihren Nachforschungen dieses Stichwort untergekommen. Gab es Überlegungen, chemische Kampfstoffe über große Distanzen zu transportieren, um mit einer Luftdetonation eine Art Hiroshima Effekt zu erzielen? Ich will hier nicht den Eindruck erwecken, als würde ich wirklich knietief im Thema stecken. Weit gefehlt! Ich frage mich nur, was zum Beispiel wirklich als „Waffe“ in der Operation Eisenhammer hätte zum Einsatz kommen sollen.
Industriegebiete lahm legen?
Das klingt einfach nicht nach konventionellem Sprengstoff. Auch wenn ich an die nach meinem Dafürhalten sehr authentisch wirkenden Szenen in „Der Untergang“ denke, in denen AH bei einem Truppenbesuch flehentlich um ein paar Tage „Aufschub“ bittet, frage ich mich, ob Sarin sein Trumpf war. Die Karlsch-Fans werden sicher vehement NEIN sagen. Aber was war es, was in „einigen“ Tagen bereit gewesen wäre? Wenn es zu diesem Thema schon erschöpfende Threads gibt, die ich nur nicht gefunden habe, wäre ich für Hinweise dankbar. Ich habe nur seit langem das Gefühl, jedem ist das Thema „Vergeltungswaffen“ ein vertrauter Begriff ohne daß jedoch wirklich klar ist, was sich hinter diesem Thema verbirgt.
Verbeiße ich mich da in die falsche Richtung oder hat das Thema wirklich Substanz?

Beste Grüße
Gisbert
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
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#6
Ich frage mich nur, was zum Beispiel wirklich als „Waffe“ in der Operation Eisenhammer hätte zum Einsatz kommen sollen.
Das "übliche" an Bombe in der Mistel war nichts anderes als eine "überdimensionierte Panzerfaust", eine Hohlladung, die in der Lage gewesen sein soll, 7m Stahl zu durchschlagen.
Dementsprechend ist auch die Form der Bombe, mit dem Rüssel oder Stachel vone dran, in dem die verschiedenen Zünder saßen, nichts anderes als ein flügelstabilisiertes Hohlladungsgeschoss.
Gruß
Joe
 

SuR

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#7
Hi Gisbert,

schau´ doch zum N-Stoff mal ins Buch von Florian Schmalz.
Da steht eigentlich alles Wesentliche drin.


Bei dem Gefasel über die "Wunderwaffe" gegen Kriegsende war wohl der Wunsch Vater des Gedanken. Der GröFaZ hat ja auch vom Entsatz durch die Armee Wenck fabuliert, obwohl es die eigentlich nur auf dem Papier gab.

Zunehmender Realitätsverlust, unzureichend objektive Informationsgestellung und Medikamentensucht ist halt keine sonderlich gute Mischung.
 
#8
N-Stoff

...Die SS war seeeeehr gläubig bzgl. "N-Stoff". Damit wurde jahrelang rumexperimentiert, weil man unbedingt positive Ergebniss haben wollte. Allerdings sind mir - soweit ich das auf die Schnelle überblicken kann - nur negative Forschungsergebnisse bekannt.
Es gibt also bis heute keinerlei Anwendungen für Chlor(III)fluorid aka N-stoff?

LG rak64
 

Joe

Fehlerkramrumschlager a. D. :)
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#9
Doch, ein paar gibt es mittlerweile. So wird Chlortrifluorid u.a.in der Halbleiterherstellung und in der Aufarbeitung von Kernbrennstäben benutzt.

Was mich interessieren würde ist, ob es zum Zeitpunkt des Werksbaues in Falkenhagen eine entsprechende Verwendung gegeben hat. Damit meine ich nicht die Abfüllung in Bomben oder die Beimischung zu Flammwerferölen, sondern die Verwendung als Oxidator in Raketenantrieben oder die Urananreicherung.

Gruß
Joe
 
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Gisbert

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#11
Bei dem Gefasel über die "Wunderwaffe" gegen Kriegsende war wohl der Wunsch Vater des Gedanken.
Ja, genau diese Worte schrieb mir jemand bereits an anderer Stelle und ich wollte sie einfach nicht glauben.
Hm?
Hans K. hatte also definitiv kein „Aß im Ärmel“?
Wenige Hetzer Jagdpanzer und ein paar Düsenjäger ohne Treibstoff wären die Trümpfe für den Schlußakkord gewesen? Im Raum Halbe sollen in den letzten Tagen 60.000 Menschen gefallen sein… für eine Illusion, die Hans irgendwo glaubhaft präsentierte… und Sie schreiben ein paar Beiträge vorher, daß Sie es für Möglich halten, daß dieser Kerl seiner Strafe auch noch entgangen sein könnte…. das macht betroffen!

Eisenhammer? Waffen, die sieben Meter Stahl durchschlagen… das klingt für den geübten Heimwerker mit einem HSS Bohrer an einem Stahlträger werkelnd mehr als effizient.
Ist das irgendwo getestet worden? Zu Eisenhammer findet man nicht viel Substantielles im Netz (ich jedenfalls nicht). Wird irgendwo erwähnt, warum die Operation nicht durchgeführt wurde? Die Bombardierung des Flugplatzes Lärz/ Rechlin scheint nicht der eigentliche Grund für den Abbruch der Durchführung zu sein.
 

SuR

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#13
...Hans K. hatte also definitiv kein „Aß im Ärmel“?
Wenige Hetzer Jagdpanzer und ein paar Düsenjäger ohne Treibstoff wären die Trümpfe für den Schlußakkord gewesen? Im Raum Halbe sollen in den letzten Tagen 60.000 Menschen gefallen sein… für eine Illusion, die Hans irgendwo glaubhaft präsentierte… und Sie schreiben ein paar Beiträge vorher, daß Sie es für Möglich halten, daß dieser Kerl seiner Strafe auch noch entgangen sein könnte…. das macht betroffen!
Mit dem "definitiv" ist das immer so eine Sache. Wer kann solche Fragen in letzter Konsequenz bejahen, ohne rot zu werden?
Ich würde sagen, dass die Wahrscheinlichkeit der Existenz weiterer, funktionierender, mit einer deutlich spürbaren Wirkung versehenen und auch verfügbaren Wunderwaffen zu diesem Zeitpunkt stark gegen Null geht.

Warum ausgerechnet "nur" Kammler Illusionen erzeugt haben soll, erschließt sich mir jetzt nicht recht.
Wie kommst Du drauf?

Kammler wurde zumindest in Deutschland keiner Strafe zugeführt. Denn durch die Festellung seines Todes im Jahre 12947 (? müste ich nochmal raussuchen) hatte sich eine strafrechtliche Verfolgung erledigt. Wie will man eine Leiche denn auch bestrafen?
 
G

Gisbert

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#14
Lieber SuR, mit keiner Silbe behaupte ich, daß „nur“ Kammler in seinen Rapporten Illusionen erzeugt haben könnte. Ich weiß nicht einmal, wem er Bericht gegeben hat. Nur Angesichts der diversen Aktivitäten, die K. nachgesagt werden, scheint er hinsichtlich der „V-Waffenentwicklung“ umfängliche Aufsicht gehabt zu haben. Was läge da näher, als ihm zu unterstellen, zu optimistische Berichte über den Entwicklungsstand bestimmter Waffensysteme gegeben zu haben.
Habe ich jetzt noch eine Frage frei? Hartnäckig wird von verschiedenen Quellen behauptet, daß in Ks Refugium auch ein Projekt namens Glocke gehörte. Nick Cook machte daraus eine eingängige Story – Antigravitation, Ihnen ist dieses Stichwort sicher schon untergekommen. Kein Rauch ohne Feuer!
Ist das eine Cooksche Illusion, oder findet sich der Begriff Glocke tatsächlich auf Ks Projektlisten?
Beste Grüße
Gisbert
 

SuR

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#16
Hallo Gisbert,

es gibt in der amerikanischen Microverfilmung T-78 Roll 4 Frame 1672 ff. eine Übersicht von Kammler betreffs "Fernkampfwaffen und Brechung des Luftterrors" mit Datum 06.02.1945.

Dort werden aufgezählt:
1.) Fernkampfwaffen (A-4, S-103, HDP, Rheinbote),
2a.) ungelenkte Geschoße (Taifun, ...),
2b.) gelenkte Geschoße (Schmetterling, Enzian, Wasserfall, X-4 etc),
3.) Ferngesteuerte Körper für Erdbeschuss und
4.) nötiges Zubehör für deie oben genannten Waffensysteme.

Zu jedem dieser Waffensysteme gibt es heutzutage ein ganzes Sammelsurium von Fachliteratur. Aber m. W. wird nirgendwo erwähnt, dass von irgendeinem maßgebliche Erfolge erwartet wurden.

Natürlich kann es theoretisch möglich sein, dass irgendwo noch irgendeine supergeheime Wunderwaffe entwickelt wurde, die keinem bekannt ist. Ich halte diese Wahrscheinlichkeit aber für exxxxtrem gering.


Zu "Glocke", Antigravitation etc. kann ich Dir nichts sagen. Das ist wohl eher ein Thema für die Esonazi-Ecke :ichsagnix:.
 
G

Gisbert

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#17
Lieber SuR, dank Deiner Hinweise kristallisiert sich für mich jetzt wirklich heraus, daß der Begriff V-Waffe ein substanzloser Mythos war, der erschütternder weise unendlich vielen Menschen das Leben gekostet hat. Es stellt sich die Frage, welche Motive das OKW hatte, diesen Krieg nach der Lage im September 44 noch fortzusetzen. Hat Keitel das eigentlich jemals kommentiert? Ich glaube gelesen zu haben, daß verschiedene Militärhistoriker diesen Zeitpunkt als quasi den „point of no return“ bezeichnen. Was hat den Generalstab bewogen, diesen Punkt einfach achtlos zu „überfliegen“? V-Waffen? Politische Bündnisse? Ich kann nicht glauben, daß lediglich der GröFaZ im Pillenrausch umnachtet, eine Nation in den Status den wir vom 8. Mai her kennen, treiben konnte. Hs Generale? Wie gesagt – es wäre interessant zu wissen, welches Kalkül die Herren zur Basis Ihrer Entscheidung gemacht haben.

Glocke? Um Gottes willen! Joe funkt kurz vor der Ohnmacht ein „bitte nicht“ und Du hast ein „Ich sag nix - Esonazi Icon“ parat. Was bedeutet das? Ein schlicht strukturierter Berliner würde sich über Antworten in folgendem Spektrum freuen:
1. Alles Quatsch
2. klingt komisch, hat aber Substanz
3. Hat Substanz, aber es ist besser nicht darüber zu sprechen….

Für Hinweise dankbar
Gisbert
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
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#19
Für mich auch ganz eindeutig "1".

Zum fehlenden Widerspruch des OKW im Spetember 1944:
bitte vergiss´ nicht, dass da gerade der mißglückte Anschlag des 20. Juli erfolgt war und jede Menge Köpfe rollten. Wer in der Situation gegen den GröFaZ aufmuckte, war u. U. ganz schnell weg vom Fenster.
 
#20
Hallo,

wenn ich mich auf die in Post 16 genannten Dokumente stütze, ganz klar da war nichts. Die vorhanden V-Waffen waren nicht geeignet strategisch eine Kriegswende herbeizuführen. Als minimale Chance könnte man anführen, mit Wasserfall und Me-262 bestückt mit X-4 hätte man die Luftüberlegenheit brechen können, aber keine strategische Kiegswende herbeiführen. Da ist ein Fakt! Irgendwie sinnlos darüber zu streiten: die A-4 ist keine Startegische Waffe.

Entweden die komplette Spitze des Nazi-Deutschlands hat gelogen, d.h. falsche Tatsachenbehauptungen entgegen den Möglichkeiten oder sie haben auf irgendwas gehofft. Ich sage möglich ist der Versuch eine strategische Waffe in die Hand zu bekommen. Mit strategisch meine ich eine Waffe, die die Machtzentren direkt vernichten kann und so sofort eine strategische Wirkung zeigt. Soetwas kennt man erst aus der Zeit des kalten Krieges mit der Abschreckung durch atomar bewaffnete Raketen. Aber der erste Einsatz einer solchen strategischen Waffe war gegen Japan. Obwohl beim (konventionellen) Angriff gegen Tokyo mehr Opfer zu beklagen waren, hat die japanische Regierung sofort kapituliert, als sie begriff es gibt mehr als eine Atombombe.

Wie anders soll man sonst die Vergeltungswaffe begreifen?! Nochmal:damit sage ich nicht Hitler hatte sie, ich versuche nur das Ziel zu beschreiben wie es ausgesehen haben muß.

Nun zu den Symptomen:


Bei der Horten 229(oder wie die auch immer heißen möge) gab es die Aussage die Hortens waren nicht mehr gereifbar (für die Entwicklung der Horten 9) da mit dem 6 strahligen Bomber beschäftigt.

Es gibt Proteste Finnland gegenüber Deutschland wegen Überflug durch unbekannte schnelle Flugzeuge.

Vollkardanische Anhänger wurden durch Thüringen gefahren.

U-234 hatte eine Infrarotzünder an Bord.

Angebot Russlands 44 Kriegsende mit Grenzen 38.

Im Dok UM-3538 wird der Angriff auf eine amerikanische Großstadt durchgerechnet.

Synchronizität bei der Raketenentwicklung, alles was sowohl in Amerika als auch in Russland entwickelt wurde kann dt. Ursprung haben (oder einfach parallel entdeckt worden sein). Stichworte: gerader Unterschallteil des Triebwerks, durch Druck stabilisierter Tank, Ablation zum Abbremsen des absprengbaren Kopfes, refined Kerosin als Brennstoff, Umgehung des Zündungsproblems in Schwerelosigkeit...

Insgesamt ist dieses Verhalten der Nazi-Führung so richtig rational nicht zu erklären. Erst wenn man eine Virtuelle Startegische Vergeltungswaffe einführt, kommt etwas Logik in die Entscheidungen. Wie gesagt Beweise gibt es keine, auch kann man meine angeführten Symptome als Beweise umdeuten.

LG rak64
 
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