Waldbahn Weinsbergerwald (Gutenbrunn - Bärnkopf)

josef

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#1
Wie im Bericht über die „Körner-Werke“ bereits geschrieben, wurde 1919 in einem „Abstockungsvertrag“ zwischen dem Waldeigentümer, der „Habsburgischen Herrschaft Persenbeug“ und den „Körnerwerken“, auch die Errichtung einer permanenten Waldbahn mit Spurweite 760 mm in den Weinsbergerwald festgelegt.

Um die Holzversorgung des Sägewerkes sicherzustellen, kam es vorerst zum Bau einer provisorischen Feldbahn mit 600 mm Spurweite unter Verwendung von vorhandenem Material der ehemaligen k.u.k. Heeresfeldbahnen aus Beständen der „Sachdemobilisierungskommission“. Diese vorläufige Rollbahn bestand aus leichtem k.u.k. Feldbahnschienenmaterial und teilweise aus fertigen Gleisjochen mit Metallschwellen.

Bereits 1920 waren folgende Streckenabschnitte betriebsbereit:
- Säge Gutenbrunn – Abzweigung bei Schibbogenau/Berglucke – 3,45 km
- Abzweigung bei Schibbogenau/Berglucke – Wurzerhütte - Lamplbrücke/Saggraben – 4,75 km
- Abzweigung bei Schibbogenau/Berglucke – Weinsbergwiese bei Bärnkopf – 6,05 km

1920 kam es dann zur Streckenverlängerung:
- Lamplbrücke/Saggraben – Gurnmühle – 5,20 km

Dazu Streckenskizze der 600 mm provisorischen Waldbahn:

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(Quelle: Manfred Hohn, Waldbahnen in Österreich, Bd. 1)

Die Trasse verlief meist entlang bestehender Straßen und Forstwegen. Der Betrieb wurde mit 25 Stk. „Austro-Daimler-Motorzugtriebwagen“ abgewickelt. Diese Fahrzeuge eigneten sich sehr gut für den Rundholztransport von Lagerplätzen im Forst zur Säge Gutenbrunn.

Die temporäre 600 mm Rollbahn diente aber auch zum Materialtransport für die aufwendigere Trassierung der gleichzeitig entstehenden permanenten Waldbahn mit 760 mm Spurweite, die in etwa paralleler Linienführung errichtet wurde.

Die 760 mm Strecke verlief von der Gurnmühle in einem großen Bogen weiter und wandte sich so über Dürnberg, Hengstberg nach Bärnkopf zurück zur Weinsbergwiese und bildete so einen Kreis.

Dazu Streckenskizze der 760 mm permanenten Waldbahn:

1530287849095.png
(Quelle: Manfred Hohn, Waldbahnen in Österreich, Bd. 1)

Auf der Strecke kamen die Lokomotiven der Industriebahn zum Einsatz, die Länge betrug im Endausbau ca. 31,5 km. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 15 km/h und gefahren durfte nur bei „Taghelle“ werden (Zitat Kommissionierungsprotokoll).
Entlang der Strecke gab es mehrere Ausweichen, bei Bärnkopf gab es eine Wasserstation und einen kleinen einständigen Lokschuppen.

Nach Inbetriebnahme der 760 mm Waldbahn wurden die Gleise des 600 mm Provisoriums als temporäre Zubringerstrecken von den Holzschlägen zu Ladeplätzen an der Waldbahn verwendet.

Mit Einstellung des Sägebetriebes 1933 kam auch, wie bei der Industriebahn nach Martinsberg, das Ende der Bahn. Heute werden die ehemaligen Trassen im Weinsbergerwald touristisch genutzt: Im Sommer als Mountainbike - Strecken und im Winter als Langlauf-Loipen…

Textquellen:

Manfred Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1 u. 2,
Bild- und Texttafeln im „Truckerhaus“ Gutenbrunn und
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Nachfolgend 2 Bildberichte zum Thema Waldbahn:
 

josef

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#2
Bilder Teil 1:

1. Streckenplanung 1919 - Ausschnitt Abzweigung und Ausweiche "Berglucke". (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
2. Die provisorische 600 mm Rollbahn in der Bauphase, ein noch recht "unruhiger" Gleisverlauf... (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
3. - 4. Die permanente 760 mm Waldbahntrasse in Bau, die Ausführungen wirken schon kompakter! (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
5. Bis zur Fertigstellung der 760 mm Strecke wurden die Holzstämme auf dem 600 mm Provisorium zur Säge nach Gutenbrunn befördert. Als Transportmittel dienten "Austro-Daimler Zugtriebwagen" der ehemaligen k.u.k. Heeresfeldbahnen. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
6. Im Konvoi fuhren die beladenen Triebwagen zur Säge... (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
7. Im Streckenbereich der 760 mm Waldbahn befanden sich auch einige Brückenbauwerke. Die stabilen Fundamente von damals tragen auch heute teilweise Brückentragwerke für die Mountainbikestrecken bzw. Loipen im Winter. (Bildtafeln Museumsraum "Truckerhaus")
8. Die 600 mm Rollbahngleise verliefen wo es ging direkt neben den Straßen und Forstwegen. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
9. - 10. Die Trasse des 1,2 km langen Verbindungsgleises zwischen Industrie- und Waldbahnstrecke südlich des "Hanslteiches" in Gutenbrunn.

(Alle Aufnahmen vom 18.06.2018)
 

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josef

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#3
Bilder Teil 2:

11. Die ehemalige Waldbahntrasse verläuft fast parallel zur Bezirksstraße Gutenbrunn - Bärnkopf: Im Sommer Mountainbikestrecke, im Winter Langlaufloipe...
12. Bezeichnung der MTB-Strecke mit "Waldbahn" - Nähe "Berglucke".
13. Ehemaliger Bahndamm im Bereich der "Florianiklause".
14. Die alten Widerlager der Bahnbrücke über den Abfluss der "Florianiklause" tragen jetzt eine Holzbohlenbrücke für die Trasse der vorgenannten Sportarten...
15. Im Vordergrund die permanente 760 mm Strecke, dahinter die 600 mm Rollbahn, die nach Fertigstellung der Waldbahn als temporäre Zubringerstrecke von den jeweiligen Holzschlägen diente. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
16. Leere "Austro-Daimler" Züge mit Forstpersonal. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
17. Eine der Orenstein & Koppel Loks mit Niederbordwagen und "Herrschaften" (Inspektionsfahrt ?) (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 1)
18. Entgleiste "Kolomna" Lok -> Hier mehr dazu! (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
19. - 20. Skizze Kolomna-Lok Typ 86 und Tender. (M. Hohn, Waldbahnen in Österreich, Teil 2)
 

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HF130C

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#4
Wiederum herzlichen Dank für den aufwendigen Beitrag. Das Zusammenstellen von Buchinhalten, Museumsinfos vor Ort und den persönlichen Begehungen ist einiges an Arbeit, die gewürdigt gehört.

Eine Anmerkung zum Bild 18 mit der verunfallten Lok: Einen Zusammenhang mit der hier geführten Debatte zwischen der 760mm Spurweite der Bahnanlage und einer allfälligen Spurweite von 750mm Spurweite der Lokomotiven herzustellen, halte ich für gewagt:

- die zugekauften Gebrauchtlokomotiven des Fabrikates O&K und Kolomna hatten zum Kaufzeitpunkt sicherlich 750mm Spurweite.

- es ist äußerst unwahrscheinlich, dass das großzügig investierende Holzunternehmen keine technische Überholung der neu angekauften Gebrauchtloks durchführen hat lassen.

- Im Zuge dieser Überholung sollte mit hoher Sicherheit die Spurweite an der Lok auf 760mm geändert worden sein. Dies ist keine große Aktion: ausreichende Radreifenstärke vorausgesetzt, ist es mit einem Neuprofilieren getan, selbst bei geringer Radreifenstärke gelingt es durch Hinterdrehen das Radsatz-Innenmaß um die notwendigen 5mm beidseits der 760mm Norm anzupassen, sodass Weichen und Kreuzungen problemlos zu befahren sind.

- Zu jener Zeit war es kein großes Problem, Fachfirmen für Radsatzarbeiten zu finden, Feldbahnloks waren (ebenso wie Dampfkessel) weit verbreitet und solche Radsatzarbeiten eine Standardreparatur, die zahlreiche Werkstätten beherrschten, oft sogar die betriebseigene Werkstatt.

- Hauptargument ist aber die am Foto 18 zu sehende völlig gerade, weichenlose Strecke. Hier wäre bei den langsamen Fahrgeschwindigkeiten eine Lokspurweite von 760mm oder 750mm keinesfalls für das Umkippen ausschlaggebend.

- die kolportierte Geschichte, dass nur diese Kolomna-Loks - weil sie noch immer 750mm Spur hätten - so leicht umfallen bzw. entgleisen halte ich für nicht korrekt und ein wenig für ein "Geschichterl"

- Hingegen könnten diese Kolomna-Loks durchaus einen konstruktiver Mangel aufweisen, etwa zu hohe Schwerpunktlage, zu steife Achslagerführungen, unpräzise Fertigung des Stangenantriebes etc. sodass eine Entgleisungsfreudigkeit vorliegt - unabhängig ob 750mm oder 760mm Spurweite.

- Allerdings: 1 unentdecktes Holzstück am Gleis oder eine Schienenbruch und so ein Unfall kann zustande kommen, auch mit einer originalen 760mm Lok eines anderen Fabrikates.

Spekulationen über die Entgleisungsfreudigkeit der Loks des Fa. Kolomna aufgrund ihrer Herkunftsspurweite von 750mm sind daher m.E unangebracht,

Für die Stärken und Schwächen dieser Loktype müsste man mehr Informationen aus denjenigen Ländern haben, in denen sie in großer Zahl eingesetzt waren.
 

josef

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#5
Danke HF130C für die fachmännische Betrachtung!
Ich vermute, dass wir mangels ausführlicher Informationen bezüglich der Loks auch weiterhin nur im Bereich der Spekulationen verbleiben können...

Als Ergänzung noch eine Anmerkung zu den Lokskizzen Bilder 19 und 20: Dies sind auch nur "Symboldarstellungen" des bei der Wald- und Industriebahn verwendeten "Kolomna-Typs". Die tatsächlich dort eingesetzten Loks können natürlich durch diverse Umbauten Veränderungen/Ergänzungen usw. erfahren haben! Z.B. Tender-Abdeckung...

Jedenfalls ist auf Darstellungen im "Truckerhaus" als auch in den Büchern von Manfred Hohn zu lesen, dass sich die "Austro-Daimler Garnituren" der 600 mm Rollbahn sowohl in der Anfangsphase bei der direkten Holzzufuhr ins Sägewerk Gutenbrunn und später als Zubringer zur 760 mm Waldbahn hervorragend bewährt haben!
 

HF130C

Well-Known Member
#6
edenfalls ist auf Darstellungen im "Truckerhaus" als auch in den Büchern von Manfred Hohn zu lesen, dass sich die "Austro-Daimler Garnituren" der 600 mm Rollbahn sowohl in der Anfangsphase bei der direkten Holzzufuhr ins Sägewerk Gutenbrunn und später als Zubringer zur 760 mm Waldbahn hervorragend bewährt haben!
Tatsächlich waren diese Austro Daimler Triebwagen eine durchaus gelungene Konstruktion. Niemand geringerer als Ferdinand Porsche hatte die Entwicklung des ersten Aggregates über, das für das österr. Militär gedacht war.

Das Geniale an dieser Konstruktion war die Vereinigung von Motor und Getriebe in einem Gehäuse. Im Gegensatz zu Konstruktionen für Straßenfahrzeuge musste für den Zweck des Feldbahnbetriebes auch noch ein Wendegetriebe mit eingebaut werden - somit ist dieses als "Austro-Daimler Feldbahnaggregat" bezeichnete Teil eine eigenständige Konstruktion,

Die erste Serienfertigung wurde als Typ "MA" bezeichnet und hatte einen luftgekühlten 6PS Zweizylinder-Benzinmotor inklusive Getriebe kompakt integriert. Man konnte dieses Aggregat also auf jedes vorhandene Fahrgestell aufsetzen, und musste als einzige Änderung Kettenräder auf die Achsen montieren und fertig war die Feldbahnlokomotive. Die billige Möglichkeit der Motorisierung vorhandener Feldbahnwagen war einmalig und so wurde das AD-Aggregat auch ein Exportschlager - die deutsche Industrie hatte vorerst kein Gegenstück anzubieten. Somit wurden diese Aggregate nicht nur nach Deutschland, sondern auch in die Schweiz, Frankreich bis nach Schweden und auch in die östlichen Staaten exportiert.

Austro-Daimler lieferte einerseits selbst fertige Triebwagen für alle möglichen Zwecke, aber auch das Aggregat ohne Fahrwagen, um dem Käufer die Möglichkeit zu geben, selbst Lokomotiven damit zu bauen, wie es etwa die Fa. Aebi in der Schweiz getan hat. Interessanterweise wurden den Aggregaten auch einzelne Blechverkleidungsteile beigegeben, sodass z.B. die charakteristische Kegelstumpfabdeckung auf fast allen Fahrzeugfotos mit "MA" Aggregat zu sehen ist, so auch in Bild 5. Allerdings erschwert diese generelle Mitgabe der Blechteile die Zuordnung zu einem AD-Komplettfahrzeug oder zu einem selbst gebauten Triebwagen.

Klarerweise war diese Kompaktantriebskonzept beim Militär gerne gesehen, große Stückzahlen wurden geordert und brachten den Mitbewerb auf den Plan: Auch die Fa. Puch in Graz baute so ein Antriebsaggregat mit 4 PS Leistung, ebenfalls luftgekühlt und mit Zweiganggetriebe. Allerdings waren die Puch-Aggregate weniger dauerhaft und verschwanden trotz großer Produktionsstückzahlen relativ rasch, obwohl auch hier Exporte nach Frankreich und Spanien getätigt wurden.

Heutzutage findet man international gesehen in den Museen oder Vereinen doch noch eine relativ große Stückzahl der "MA" Aggregate von AD, was durchaus auf eine Bewährung in der Praxis hindeutet. Puch Aggregate hingegen sind vollig verschwunden und tauchen nur einzeln als "Goldstaub" bei Museen oder Sammlern auf.

Wie ging es weiter? Auch vor dem zweiten WK wollte man auf solche Kompaktaggregate für das Militär nicht verzichten und AD konstruierte eine neue, verbesserte Generation, unter anderem die "FB" Serie, die es von 2, 4 bis 8 Zylindern gab. Sogar einen Typ mit Dieselbetrieb hat es gegeben, dieser hat sich jedoch nicht durchgesetzt, die "FB" Benzinaggregate hingegen schon, sodass in Folge sogar die Steyr Werke einige - teils verbesserte "FB" Typen in Produktion nahmen und unter eigenem Namen als Typ "SL" vertrieben.

Die "FB" Aggregate fanden sich wiederum in von AD selbst gebauten Lokomotiven, aber auch in Draisinen und Bauwagen für die normale Eisenbahn, wo sie sich bis lange nach dem 2.WK gehalten haben.
Ein Besuch des Südbahnmuseums in Mürzzuschlag sei diesbezüglich wärmstens empfohlen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Idee eines extrem leichten Kompakt-Antriebsaggregates ein durchschlagender internationaler Erfolg war. Die Zufriedenheit der Kunden war groß, was jedoch nicht unbedingt dem perfekten technischen Betrieb der Aggregate geschuldet war: Die Motore waren keine Spritverächter, Reparaturen am Motor häufig, da dieser als Schnellläufer und wegen der ständigen Ausnutzung der Leistungsgrenze hoher Abnützung unterlagen.

Dies trübte allerdings die Zufriedenheit wenig, da die Anschaffungskosten nur einen Bruchteil einer klassischen Benzollokomotive mit Langsamläufermotor, etwa von Deutz oder Montania, betrugen.

Durch den Leichtbau der Triebwagen ersparte man sich wieder einen aufwendigen Schienenweg, leichtes Profil genügte. Durch das Konzept als Triebwagen sorgte im Falle von Waldbahnen das zu transportierende Holz selbst für das Reibungsgewicht - eine Lokomotive müsste es alleine aufbringen.

Alles in allem sind diese Antriebsaggregate eine geniale österreichische Erfindung mit hohem Exportanteil, die wieder einmal auf Anforderung des Militärs zurückging und die leider in den einschlägigen Museen wenig bis kaum gewürdigt wird.
 
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