„Wilhelm Gustloff Stiftung“ später
„
Wilhelm Gustloff Werke – Nationalsozialistische Industriestiftung“
Die „Wilhelm Gustloff Stiftung“ mit der „Hirtenberger“ war ein bedeutender nationalsozialistischer Rüstungsbetrieb der NSDAP. Entstanden ist er durch Enteignungen und Zwangsmßnahmen.
Fritz Sauckel
Fritz Sauckel, NSDAP-Gauleiter in Thüringen, Paradebeispiel eines Protagonisten für den Aufstieg, der Herrschaft und der Verbrechen des Nationalsozialismus, gründetet die Stiftung am 27. 05.1936 in Weimar. Am 10. September 1936 wurde er von Adolf Hitler zum Stiftungsführer ernannt.
Ab 21. März 1942 war er “Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz“. In dieser Funktion war er für die Deportation und Organisation von etwa 7,5 Millionen ausländischer Arbeitskräfte ins Nationalsozialistische Reich verantwortlich, die vor allem in den Rüstungsbetrieben des Deutschen Reiches Zwangsarbeit verrichten mussten. Nicht wenig von ihnen waren auch im „Lager am Weinberg“ untergebracht.
Waffenfabriksunternehmen Simson & Co KG.
Der erste Betrieb, der in die Wilhelm Gustloff Stiftung eingegliedert wurde, war das im jüdischen Eigentum befindliche Waffenfabriksunternehmen Simson & Co KG.
Bereits ab 1927 versuchten die Nazis, gemeinsam mit Proponenten der deutschen Rüstungsindustrie, mit verschiedenen Machenschaften die starke Stellung der Suhler Firma, die neben Waffen auch Autos, Motorräder, Fahrräder und Kinderwagen produzierte, zu bekämpfen. Mit Zustimmung von Hitler, Herman Göring und Rudolf Heß wurde die Firma massiv unter Druck gesetzt. Nach einer Verhaftung durch die Gestapo gaben die Brüder Arthur und Julius Simson auf und unterzeichneten am 23. bzw. 28.11.1935 die Verträge zur Abtretung ihres Eigentums an Fritz Sauckel. Das Vertragswerk war letztlich eine entschädigungslose Enteignung des Waffenwerkes.
Die Familie Simson konnte 1936 in die Schweiz fliehen und wanderte in die USA aus. Der Name Simson wurde schließlich aus der Firmenbezeichnung gestrichen.
Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwarenfabrik AG
Das Unternehmen „Hirtenberger“ war ein bekannter Munitionshersteller und Eigentum des nicht arischen Unternehmers Fritz Mandl. Mit viel Finesse, Druck und Interventionen organisierte Otto Eberhardt (NSDAP-Gauwirtschaftsberater und Wehrwirtschaftsführer) die Übernahme des Werkes Hirtenberg. Im März 1938 trat Fritz Mandl als Generaldirektor zurück. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, flüchtete er in die Schweiz und wurde gezwungen, seinen Betrieb an die deutsche Wilhelm-Gustloff-Stiftung zu verkaufen. Kurz nach der Übernahme wurde die Patronenfabrik Hirtenberg „Otto Eberhardt Patronenfabrik“ genannt. Am 01. Mai 1938 wurde die Belegschaft über die Eingliederung und die Neuausrichtung des Rüstungsbetriebes in die Wilhelm Gustloff Stiftungvon Gauleiter Fritz Sauckel persönlich vor Ort informiert.
Gustloffwerke Hirtenberg
Im Juni 1939 erfolgte die finale Umbenennung der „Hirtenberger“ in „Gustloffwerke Hirtenberg“
Das Unternehmen hatte ein Zweigwerk in Kottingbrunn (heute Battenfeld-Wittmann), welches Luftwaffenmunition herstellte. Die Planung des Werkes ging bereits auf eine Forderung des Reichs-Luftfahrtministerium von 1938 zurück.
Die Zweigstelle „Lichtenwörther Gasschutz- und Feuerlöschgeräte AG“ (vormals “Patronenfabrik AG Lichtenwörth”) welche bereits 1929/30 von Fritz Mandl übernommen wurde, produzierte ab 1938 wieder Patronen, um den hohen Kriegsrüstungsbedarf abzudecken. Das Werk wurde aber später Berlin als Zweigniederlassung zugeschlagen
.
Im Sommer 1938 starte man mit der Errichtung des Werkes „Lindenberg“. Es sollte eine der modernsten Munitionsfabriken werden. Entsprechend hoch war auch der Druck die Produktion zu steigern. Letztlich führte diese Forderung auch zum Aufbau des KZ-Frauen-Außenlagers in Hirtenberg. Am 28. September 1944 trafen die ersten „Schutzhäftlinge“ (insbesondere Frauen aus Ost- und Südeuropa) in Hirtenberg ein. Die Modernität des Werkes führte auch dazu, dass die sowjetische Besatzungsmacht das Werk vor ihrem Abzug sprengte.
Am heutigen Areal der Strafanstalt Stein betrieben die Gustloff-Werke eine kleine Zweigniederlassung.
Die Gustloffwerke Hirtenberg hatte somit organisatorisch zwei Werke. Eines in Hirtenberg (mit den Produktionsstätten Talwerk und Werk am Lindenberg) und eines in Kottingbrunn. Die Betriebsstätte Stein war dem Werk Hirtenberg untergeordnet.
Die Gustloffwerke Hirtenberg brachte es unter Betriebsleiter DI Braun, während des Krieges zu Höchstleistungen und war letztlich ein Zentralunternehmen der deutschen Rüstungsmaschinerie geworden. In den Werken der Gustloffwerke Hirtenberg wurden mehr als 2.800 Menschen beschäftigt.
Die im „
Wohnlagers am Weinberg“ (offizieller Name: „
Waffen-SS Arbeitslager Hirtenberg, Gustloff-Werke, Niederdonau“) untergebrachten Zwangsarbeiterinnen-, Kriegsgefangenen- und Frauen aus dem KZ-Mauthausen waren somit eine wesentliche Personalressource für die Kriegsproduktion der "Hirtenberger".
Quellen:
Internetlinks:
ANNO - AustriaN Newspapers Online | ANNO - AustriaN Newspapers Online: Austrian Newspaper Online (Anno)betreffend: "Hirtenberger Patronen- , Zündhütchen- und Metallwarenfabrik" (Die Stunde, 13.08.1936)
Hirtenberger – Wikipedia: Hirtenberger Patronenfabrik
Fritz Sauckel – Wikipedia: Fritz Sauckel
Opfer der Morde im Triestingtal | Rote Spuren: Rote Spuren; Interessiert an der Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter
Otto Eberhardt – Wikipedia: Otto Eberhardt
Wilhelm-Gustloff-Stiftung – Wikipedia: Wilhelm-Gustloff-Stiftung
WWII Records in the Cartographic Branch: Gustloff-Werke-Lichtenwörth
Bücher, Schriften, Dokumente:
Archäologie im Bundesdenkmalamt 2020, Lagerlandschaften – die Kartierung von Orten belasteter Geschichte, Archäologische Schutzbauten in Österreich – ein Überblick, Archäologische und bauhistorische Berichte 2020 (BDA, Band 59, 2020)
Andreas Baumgartner: Die vergessenen Frauen von Mauthausen, Die weiblichen Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und ihre Geschichte (Wien Verlag Österreich, 1997)
Maria Ecker: Munitionsfabrik und KZ-Außenlager am Lindenberg, ein dunkles Kapitel der Hirtenberger Geschichte (20. 09.2022, MeinBezirk.at)
Margarethe Kaining-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederöstereich 1938 – 1945 (Berndorf, Kral-Verlag, 2018)
Margarethe Kaining-Huber, Rita Doria: Notrationen; Weltwirtschaftskrise, Ständestaat, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit im Triestingtal (Berndorf, Kral-Verlag, 2018)
Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation (Wien: Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen, 1995)
Josef Mötz, Nick Robson: Hirtenberger AG, Die ersten 150 Jahre, Festschrift 2010 (Hirtenberg, Hirtenberger AG, 2010)
Klaus-Dieter Mulley, Hans Leopold: Arbeiterschaft und Rüstungsindustrie im Triestingtal, in Geschosse—Skandale—Stacheldraht. Arbeiterschaft und Rüstungsindustrie in Wöllersdorf, Enzesfeld und Hirtenberg, (Ebenfurth: Eigenverlag der Gewerkschaft der Eisenbahner, Ortsgruppe Ebenfurth, 1999)
Steffen Raßloff: Fritz Sauckel; Hitlers "Muster-Gauleiter" und "Sklavenhalter" (Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, Erfurt, 2008)
Ulrike Schulz: Die Berlin-Suhler Waffen- und Fahrzeugwerke (BSW GmbH) als »Keimzelle« des Rüstungskonzerns Gustloff-Werke 1936-1945 (2013, Göttingen, Wallstein)
Staatsarchiv Meinigen: Verhandlungsprotokoll 28.05.1938, Eberhard, Wehrli, Mandl, Bekurts (Sammlung HP-Museum)